Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 516



108 II 516

96. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Dezember 1982 i.S.
S. gegen R. (Berufung) Regeste

    Eingebrachtes Gut der Ehefrau (Art. 196, 201 ZGB).

    Überlässt ein Mann seiner Ehefrau während Jahren die Verwaltung des
von dieser eingebrachten Gutes, so ist anzunehmen, er habe insoweit auf
sein Nutzungsrecht verzichten und die während dieser Zeit angefallenen
Erträgnisse des eingebrachten Gutes der Frau zuwenden wollen (E. 2).

    Anfechtungsklage nach Art. 286 SchKG.

    Mit der Pfändung, die massgebend ist für die Berechnung der Frist,
innert welcher die nach Art. 286 Abs. 1 SchKG aufechtbaren Rechtshandlungen
vorgenommen worden sein müssen, ist grundsätzlich diejenige in der
laufenden Betreibung gemeint (E. 3).

Sachverhalt

    A.- In der von Alfred R. gegen Willi S. für den Betrag von
Fr. 92'215.80 angehobenen Betreibung Nr. 30 652 pfändete das Betreibungsamt
Flawil am 30. November 1979 unter anderem folgende Vermögensstücke:

    "10. Bankguthaben, Konto-Nr. 40.2.785-07/00, bei der St. Gallischen

    Kantonalbank in Degersheim, Stand per 31.12.1978 Fr. 58'350.--

    11. Bankguthaben, Konto-Nr. 146.132/00 (Sparheft), bei der Glarner

    Kantonalbank, Agentur Niederurnen, Stand per 31.12.1978 Fr. 57'579.40."

    Die Ehefrau des Schuldners, Berta S., sprach diese auf ihren Namen
lautenden Guthaben (bei Ziffer 10 handelt es sich in Wirklichkeit um
ein Bankdepot, das Aktien, Kassenobligationen und ein Sparheft enthält)
zu Eigentum an.

    B.- Am 23. Mai 1980 erhob Alfred R. beim Bezirksgericht Untertoggenburg
gegen Berta S. Widerspruchsklage, mit folgendem Rechtsbegehren:

    "Es sei in der Betreibung Nr. 30 652 des Betreibungsamtes Flawil
   (Pfändungsurkunde vom 30. November 1979/3. Januar 1980) gerichtlich
   zu erkennen, dass die gepfändeten Bankguthaben

    - Konto Nr. 40.2.785-07/00 bei der St. Gallischen Kantonalbank in

    Degersheim, Stand per 31. Dezember 1978 Fr. 58'350.--, bis zum
Wertbetrage
   von Fr. 22'000.--

    und

    - Konto Nr. 146.132/00 (Sparheft) bei der Glarner Kantonalbank,

    Agentur Niederurnen, Stand per 31. Dezember 1978 Fr. 57'579.20, bis zum

    Wertbetrag von Fr. 18'000.--,

    Ziffer 10 und 11 der Pfändungsurkunde, nicht der Beklagten gehören und
   das Betreibungsverfahren bezüglich der genannten Wertbeträge ohne
   Rücksicht auf den von der Beklagten geltend gemachten Anspruch seinen
   Fortgang nehmen kann."

    Der Kläger machte in erster Linie geltend, die betreffenden
Vermögenswerte stünden im Eigentum des Schuldners. Für den Fall, dass
das Gericht diese Ansicht nicht teilen würde, brachte er vor, sie seien
grösstenteils aus unentgeltlichen Zuwendungen des Schuldners gebildet
worden, die gestützt auf Art. 285 ff. SchKG angefochten würden.

    Mit Urteil vom 23. Juli 1981 wurde die Klage im Teilbetrag von
Fr. 38.-- (Ziffer 10 der Pfändungsurkunde) und von Fr. 4'000.-- (Ziffer
11 der Pfändungsurkunde) gutgeheissen.

    In teilweiser Gutheissung einer Berufung des Klägers schützte das
Kantonsgericht St. Gallen die Klage mit Urteil vom 14. Mai 1982 im
Teilbetrag von Fr. 7'778.35 bzw. Fr. 18'000.--. Im übrigen wies es die
Klage ab.

    C.- Gegen dieses Urteil erhob die Beklagte Berufung an das
Bundesgericht mit dem Antrag auf Abweisung der Klage, soweit sie nicht
vor erster Instanz geschützt wurde.

    Der Kläger beantragt die Abweisung der Berufung. Mit Anschlussberufung
verlangt er sodann die vollumfängliche Gutheissung der Klage.

    Die Beklagte beantragt die Abweisung der Anschlussberufung.

    Das Bundesgericht weist Berufung und Anschlussberufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz hat vorerst die Frage des Eigentums an den
gepfändeten Vermögenswerten geprüft. Sie ist dabei zum Ergebnis gelangt,
diese stünden der Beklagten zu. Soweit es sich um Inhaberpapiere handelt,
hat sie einen Eigentumsübergang auf deren Ehemann Willi S. aufgrund von
Art. 201 Abs. 3 ZGB verneint mit der Begründung, durch die Einlage in das
auf den Namen der Beklagten lautende Bankdepot seien die Titel genügend
individualisiert worden. Der Kläger macht mit der Anschlussberufung
geltend, die Vorinstanz habe damit bundesrechtliche Beweisvorschriften,
nämlich Art. 8 und 196 Abs. 1 ZGB, verletzt und darüber hinaus gegen
Art. 195 Abs. 1 und 201 Abs. 3 ZGB verstossen. Wollte man aber das Eigentum
der Beklagten an den gepfändeten Vermögenswerten als bewiesen betrachten,
so gehörten Willi S. nach Art. 201 Abs. 1 ZGB jedenfalls die Erträgnisse
dieser Werte.

    Soweit sich diese Kritik auch gegen das Bankkonto der Beklagten bei
der Glarner Kantonalbank (Ziffer 11 der Pfändungsurkunde) richtet, kann
auf die Anschlussberufung zum vornherein nicht eingetreten werden. Der
Kläger hat mit der Klage nur verlangt, dass dieses Konto bis zum Betrag
von Fr. 18'000.-- in die Pfändung einzubeziehen sei. In diesem Umfang
hat die Vorinstanz die Klage aber auch gutgeheissen, so dass der Kläger
diesbezüglich durch das angefochtene Urteil nicht beschwert ist. Zu
prüfen sind daher nur die Eigentumsverhältnisse an den im Depot bei der
St. Gallischen Kantonalbank liegenden Vermögensstücken.

Erwägung 2

    2.- Dieses Depot umfasst ein auf den Namen der Beklagten lautendes
Sparheft, Kassenobligationen sowie Namen- und Inhaberaktien. Gemäss
Art. 196 Abs. 1 ZGB hat die Beklagte zu beweisen, dass diese Vermögenswerte
Frauengut darstellen.

    a) Dieser Beweis ist ohne weiteres erbracht, soweit es sich um die
Namenaktien handelt. Diese können keinen andern Eigentümer haben als
denjenigen, der durch das Indossament ausgewiesen ist (vgl. Art. 684
Abs. 2 OR). Da die Aktien auf den Namen der Beklagten lauten, können
sie daher nur ihr gehören. An den Eigentumsverhältnissen würde sich auch
dann nichts ändern, wenn sie aus Mitteln des Ehemannes erworben worden
wären. Dieser hätte alsdann zwar eine entsprechende Ersatzforderung gegen
die Beklagte. Eine solche ist jedoch nicht gepfändet und bildet nicht
Gegenstand des vorliegenen Widerspruchsprozesses.

    b) Entsprechend verhält es sich mit dem auf den Namen der Beklagten
lautenden und in deren Besitz befindlichen Sparheft. Gläubiger der
durch dieses Sparheft ausgewiesenen Forderung gegen die St. Gallische
Kantonalbank kann nur die Beklagte sein, auch wenn es teilweise aus
Mitteln ihres Ehemannes gespiesen worden sein sollte (EGGER, N. 11 zu
Art. 195 ZGB; LEMP, N. 44 zu Art. 195 ZGB; KNAPP, Le régime matrimonial
de l'union des biens, S. 52 N. 214). Wie das Sparguthaben güterrechtlich
zu behandeln ist, ist für die Frage, ob es in der Betreibung gegen den
Ehemann der Beklagten verwertet werden darf, ohne Belang.

    c) Hinsichtlich der Inhaberaktien und der Kassenobligationen
hat die Vorinstanz die Anwendbarkeit von Art. 201 Abs. 3 ZGB
zu Recht verneint. Damit ist jedoch, wie der Kläger zutreffend
geltend macht, das Eigentum der Beklagten an diesen Titeln noch nicht
bewiesen. Anderseits kann sich die Beklagte, in deren Depot die Titel
liegen, nicht als Besitzerin auf die Eigentumsvermutung des Art. 930
Abs. 1 ZGB berufen. Diese Vermutung hat im Streit um das Eigentum am
ehelichen Vermögen grundsätzlich hinter diejenige des Art. 196 Abs. 1 ZGB
zurückzutreten (LEMP, N. 6 zu Art. 196 ZGB; EGGER, N. 5 zu Art. 196 ZGB;
KNAPP, aaO, S. 64 N. 260). Man kann sich freilich fragen, ob dies bei
einem nicht gemeinsamen Bankdepot wirklich gerechtfertigt ist. Wie es
sich damit verhält, kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Beklagte
den ihr nach Art. 196 Abs. 1 ZGB obliegenden Beweis erbracht hat.

    Aus den Akten, auf die sich die Vorinstanz abstützt, ergibt sich, dass
der Beklagten aus Erbschaft 8 Aktien Schweizerische Bodenkreditanstalt
und 7 Inhaberaktien Schweizerische Kreditanstalt zugegangen sind. Aus dem
Verkaufserlös von drei Aktien Schweizerische Kreditanstalt erwarb sie im
Jahre 1968 eine Kassenobligation der St. Gallischen Kantonalbank. Die
8 Aktien Schweizerische Bodenkreditanstalt wurden im Jahre 1976 in
24 Namenaktien Schweizerische Kreditanstalt umgetauscht. Die übrigen
Kassenobligationen wie auch der Erwerb weiterer Aktien der Schweizerischen
Kreditanstalt aus Kapitalerhöhung wurden durch Mittel finanziert,
welche dem Sparheft der Beklagten bei der St. Gallischen Kantonalbank
in Form von Kapitalerträgnissen zugeflossen waren. Sollte das für vier
Namenaktien Schweizerische Kreditanstalt nicht zutreffen, da die Akten
darüber keinen eindeutigen Aufschluss zu geben vermögen, so wären die
Bezugsrechte zugunsten der Beklagten zusammen mit dem Indossament eine
hinreichende Grundlage für eine Zuordnung der Aktien an diese. Auf jeden
Fall steht fest, dass die Erträgnisse aus dem bei der St. Gallischen
Kantonalbank verwahrten Vermögen in den Jahren 1972 bis 1979 einen Betrag
von Fr. 22'090.65 ausmachten und dass dieser Betrag für sich allein schon
weitgehend ausreichte, um die Anschaffung der neben der Kassenobligation
des Jahres 1968 neu erworbenen Werttitel zu finanzieren.

    d) Der Kläger macht freilich geltend, die Erträgnisse der
Wertschriften und der Sparhefte seien nach Art. 201 Abs. 1 ZGB in das
Eigentum des Ehemanns der Beklagten gefallen. Die Vorinstanz habe zu
Unrecht angenommen, diese Erträgnisse seien der Beklagten von ihrem
Ehemann geschenkt worden. Eine Schenkung hätte nur durch schriftliche
Abtretungserklärung erfolgen können.

    Es ist richtig, dass die Erträgnisse von eingebrachtem Frauengut
gemäss Art. 201 Abs. 1 ZGB grundsätzlich dem nutzungsberechtigten Ehemann
zufallen. Indessen wurden die Vermögenserträgnisse der Beklagten schon
dadurch deren Eigentum, dass sie dem auf ihren Namen lautenden Sparheft
bei der St. Gallischen Kantonalbank gutgeschrieben wurden, selbst wenn
dies zu Unrecht geschehen sein sollte. Wie bereits ausgeführt worden
ist, steht die durch das Sparheft ausgewiesene Forderung der Beklagten
zu. Sie kann unmöglich für einzelne Teilbeträge einen andern Gläubiger
haben. Ob Willi S. allenfalls Ersatzforderungen gegen die Beklagte hat
oder gar selbständige Ansprüche gegen die St. Gallische Kantonalbank, weil
diese ihm die Erträgnisse nicht abgeliefert hat, ist für das vorliegende
Widerspruchsverfahren unerheblich. In diesem Verfahren ist nur zu prüfen,
ob die im gepfändeten Bankdepot liegenden Werte dem Schuldner zustehen
oder nicht.

    Im übrigen verstösst die Annahme der Vorinstanz, Willi S. habe
auf sein Nutzungsrecht am eingebrachten Gut der Beklagten verzichtet,
nicht gegen Bundesrecht. Ein solcher Verzicht ist durchaus möglich (BGE
62 II 198; LEMP, N. 3 zu Art. 201 ZGB; KNAPP, aaO, S. 114 N. 376),
wenigstens insoweit, als nicht das Nutzungsrecht als solches, sondern
nur einzelne Erträgnisse des eingebrachten Frauenguts in Frage stehen
(BGE 74 II 74). Eine schenkungsweise Forderungsabtretung ist hiefür nicht
unbedingt erforderlich. Entgegen der Auffassung des Klägers kann eine
Schenkung nicht nur durch Sachübergabe oder Forderungszession vollzogen
werden (was auch kaum die Meinung von CAVIN, in: Schweiz. Privatrecht,
Bd. VII/1, S. 187, sein dürfte), sondern auch durch andere Verfügungen
(VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil,
S. 269). Aus der Tatsache, dass der Beklagten entgegen der gesetzlichen
Regel die Verwaltung über ihr eingebrachtes Gut bzw. einen Teil davon
überlassen worden ist, darf nun ohne Bedenken geschlossen werden, es
habe dem Willen beider Ehegatten entsprochen, dass die Nutzung dieses
Vermögens ihr zukomme (so implizite wohl BGE 74 II 74; vgl. auch KNAPP,
aaO, S. 114 N. 376). Nachdem die Vermögenserträgnisse seit Jahren dem
Sparguthaben der Beklagten gutgeschrieben worden sind, ist übrigens
auch nicht ersichtlich, was für Rechte dieser von ihrem Ehemann hätten
abgetreten werden können. Unter diesen Umständen konnte die Vorinstanz ohne
Verletzung von Bundesrecht zum Ergebnis gelangen, die Erträgnisse des der
Beklagten zu eigener Verwaltung überlassenen eingebrachten Frauengutes
seien ihr schenkungsweise überlassen worden. Damit ist gleichzeitig
der Nachweis erbracht, dass die aus diesen Erträgnissen erworbenen
Wertschriften Eigentum der Beklagten darstellen. Die Bestreitung der
Eigentumsansprache der Beklagten erweist sich somit vollumfänglich als
unbegründet, weshalb die Anschlussberufung diesbezüglich abzuweisen ist.

Erwägung 3

    3.- Für den Fall, dass das Eigentum der Beklagten an den gepfändeten
Vermögenswerten bejaht werden sollte, macht der Kläger geltend, die
Zuwendungen des Schuldners an die Beklagte seien im Sinne von Art. 285 ff.
SchKG anfechtbar.

    Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen der Schenkungsanfechtung
gemäss Art. 286 SchKG bejaht und die in den letzten sechs Monaten
vor dem Pfändungsvollzug vom 30. November 1979 getätigten Schenkungen
als anfechtbar erklärt. Es handelt sich dabei um Beträge von Fr. 38.--
(Pfändungsposition Nr. 10) und Fr. 4'000.-- (Pfändungsposition Nr. 11). Die
Beklagte hat sich damit abgefunden. Der Kläger macht demgegenüber geltend,
die Vorinstanz hätte bei der Berechnung der Anfechtungsfrist von sechs
Monaten nicht auf die letzte Pfändung vom 30. November 1979, sondern auf
die vorangehende vom 18. November 1977 abstellen müssen. Richtigerweise
unterlägen sämtliche Zuwendungen des Schuldners an die Beklagte vom
18. Mai 1977 an der Schenkungsanfechtung.

    Die Vorinstanz hat die in Frage kommenden Zuwendungen indessen auch
unter dem Gesichtspunkt von Art. 288 SchKG berücksichtigt, so dass der
Kläger diesbezüglich gar nicht beschwert ist. Im übrigen hat sie zu Recht
angenommen, mit der Pfändung, die massgebend ist für die Berechnung
der Frist, innert welcher die nach Art. 286 Abs. 1 SchKG anfechtbaren
Rechtshandlungen vorgenommen worden sein müssen, könne nur diejenige in der
laufenden Betreibung gemeint sein (bzw. diejenige, die zur Ausstellung des
den Gläubiger zur Anfechtungsklage legitimierenden Verlustscheins geführt
hat). Würde man anders entscheiden, erhielte die Schenkungspauliana eine
vom Gesetzgeber, der in Art. 286 SchKG nur von der (bestimmten) Pfändung
spricht, nicht gewollte Ausdehnung. Dass die Frist im Konkurs von einer
der Konkurseröffnung vorausgehenden ungenügenden Pfändung an zu berechnen
ist (so JAEGER, N. 5 zu Art. 286 SchKG), ist darauf zurückzuführen, dass
der Pfändungsgläubiger mit der Konkurseröffnung die Befugnis verliert,
seine Betreibung zu Ende zu führen und seinen Anfechtungsanspruch
selbständig geltend zu machen. Im vorliegenden Fall hatten aber die
früheren Pfändungsgläubiger diese Möglichkeit, sofern sie mit ihren
Betreibungen überhaupt zu Verlust kamen. Wenn sie dies unterliessen,
besteht keinerlei Anlass, dem späteren Gläubiger zu ermöglichen, an ihrer
Stelle das Anfechtungsrecht auszuüben.