Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 475



108 II 475

90. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Dezember 1982 i.S. PRO LITTERIS
gegen Schweizerische Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) (Direktprozess)
Regeste

    Reprographierechte an literarischen Werken.

    1. Feststellungsklage: Aktivlegitimation einer Genossenschaft, der
die Reprographierechte abgetreten werden; massgebender Zeitpunkt (E. 1).

    2. Art. 25 Abs. 2 URG gilt nur zugunsten der Presse. Ein Unternehmen,
das für die betriebsinterne Information Zeitungsartikel vervielfältigen
lässt, kann sich nicht auf diese Ausnahmebestimmung berufen (E. 2).

    3. Art. 22 URG. Wann ist nach einer zeitgemässen Auslegung dieser
Bestimmung eine Wiedergabe zu eigenem, privatem Gebrauch ohne Gewinnzweck
anzunehmen? Umstände, unter denen offensichtlich eine Wiedergabe mit
Gewinnzweck vorliegt (E. 3).

    4. Notwendigkeit und Möglichkeiten einer gesetzgeberischen Lösung
(E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Generaldirektion PTT lässt durch ihren Pressedienst
wöchentlich Zeitungsartikel, die sich mit Anliegen von Post, Telefon,
Telegraf, Radio oder Fernsehen befassen, unter dem Titel "ptt-intern"
zusammenstellen. Auch vom Verfasser gezeichnete Originalbeiträge werden
darin aufgenommen. Die Schrift wird auf einem handelsüblichen Kopiergerät
in 530 Exemplaren angefertigt und den Chefbeamten der Generaldirektion,
den Kreisdirektoren sowie den Mitgliedern des PTT-Verwaltungsrates,
der konsultativen PTT-Konferenz und den parlamentarischen
Geschäftsprüfungskommissionen abgegeben; sie kann nicht abonniert werden.

    Die Nummer vom 25. März 1981 enthielt u.a. einen am Vortag in
der NZZ erschienenen Originalbeitrag von Dr. Uchtenhagen, Direktor
der SUISA, der sich darin unter der Überschrift "Das Urheberrecht
im Kreuzfeuer der Medien" zu aktuellen Fragen des Kabelfernsehens
äusserte. Wiedergabe und Weiterverbreitung des Artikels mit vollem Wortlaut
veranlassten die Genossenschaft PRO LITTERIS, deren Direktor ebenfalls
Dr. Uchtenhagen ist, zum Einschreiten. Die seit 1975 bestehende PRO
LITTERIS verwaltet Urheberrechte, die mit der Verbreitung literarischer
Werke nichttheatralischer Art zusammenhängen. Ihre Tätigkeit stützt sich
auf Verträge mit den Mitgliedern und auf Gegenseitigkeitsverträge mit
ausländischen Verwertungsgesellschaften. Die Genossenschaft umfasste im
September 1982 angeblich 354 Autoren sowie 20 Verleger, von denen jeder
zahlreiche weitere Autoren vertreten soll.

    B.- Am 30. April 1981 klagte die PRO LITTERIS beim Bundesgericht
gegen die Schweiz. Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) auf Feststellung,
dass die Beklagte ganze Werke der von ihr vertretenen Urheber nur mit
ihrer Erlaubnis für den PTT-Pressedienst kopieren darf.

    Die Beklagte hielt die Klage zunächst mangels eines
Feststellungsinteresses der Klägerin und wegen ungenügenden Streitwertes
für unzulässig. Diese Einreden wurden mit Zwischenbeschluss vom
1. September 1981 verworfen, weil die Möglichkeit einer Leistungs- oder
Unterlassungsklage ein Feststellungsinteresse nicht ausschliesse und nach
den Tarifvorstellungen der Klägerin ein Streitwert von rund Fr. 40'000.--
anzunehmen sei.

    Daraufhin beantragte die Beklagte, die Feststellungsklage ganz oder
jedenfalls insoweit abzuweisen, als es nicht um Originalbeiträge von
Autoren gehe, welche die Klägerin vertrete. In der Duplik bestritt sie
zudem die Aktivlegitimation der Klägerin.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Auffassung der Beklagten ist die Klägerin nicht
aktivlegitimiert, weil sich weder aus den Statuten noch aus dem
Mustervertrag ergebe, dass der Klägerin Reprographierechte (Wiedergabe
durch Vervielfältigen oder Kopieren) übertragen worden seien.

    a) Die Klägerin hält die erst in der Duplik erhobene Einrede fehlender
Aktivlegitimation für verspätet, da ihre Sachdarstellung von der Beklagten
in der Klageantwort stillschweigend anerkannt worden sei. Dazu komme,
dass Art. 19 Abs. 2 BZP in weiteren Rechtsschriften nur noch Ergänzungen
zulasse und ihr Feststellungsinteresse mit dem Zwischenbeschluss bejaht
worden sei; ihr Klagerecht setze nicht voraus, dass sie selbst materiell
am festzustellenden Rechtsverhältnis beteiligt sei.

    Die Klägerin hat in der Klageschrift indes nicht behauptet, es seien
ihr Reprographierechte abgetreten worden; im Stillschweigen der Beklagten
kann deshalb keine Anerkennung liegen, die einer ergänzenden Bestreitung
in der Duplik entgegenstünde. Dies ist daher auch insoweit zulässig, als
es sich nicht ohnehin um eine Frage der Rechtsanwendung handelt (BGE 107
II 85). Gewiss können sodann auch Rechtsverhältnisse Dritter Gegenstand
einer Feststellungsklage sein, wenn ein schutzwürdiges Interesse des
Klägers gegeben ist (BGE 93 II 16 mit Zitaten). Darauf kann die Klägerin
sich jedoch nicht berufen. Sie verkennt, dass ihr Klagebegehren nicht
auf Feststellung von Ansprüchen lautet, die von ihr vertretene Autoren
gegen die Beklagte haben; es geht vielmehr dahin, dass Artikel solcher
Autoren nur mit Erlaubnis der Klägerin in "ptt-intern" aufgenommen werden
dürfen. Das setzt voraus, dass sie selbst Reprographierechte erworben
hat und geltend machen kann.

    b) Es fällt auf, dass die der Klägerin zur Wahrung abgetretenen
Urheberrechte weder in deren Statuten noch in den Verträgen mit den
Mitgliedern umfassend umschrieben, sondern einzeln aufgezählt werden,
wobei das Reprographierecht nicht erwähnt wird. Die gesetzliche Vermutung
des Art. 9 Abs. 2 URG spricht daher gegen die Übertragung weiterer
Befugnisse. Die Klägerin macht geltend, die Lücke in den Verträgen sei
teils einem redaktionellen Versehen, teils dem Umstand zuzuschreiben,
dass der Mustervertrag angesichts der hängigen Gesetzesrevision von
einem Vergütungsanspruch ausgehe, der ihr von den Mitgliedern abgetreten
worden sei. Sie offeriert Beweis dafür, dass nach dem wirklichen Willen
der Beteiligten stets auch die Reprographierechte übertragen worden
seien. Wie es sich damit verhält, braucht indes nicht abgeklärt zu werden.

    Im Falle Dr. Uchtenhagen, dessen Artikel Anlass zur Klage
gegeben hat, ist nämlich bewiesen, dass der Klägerin auch die
Reprographierechte abgetreten worden sind; das geschah offenbar auch
in weiteren Einzelfällen. Mit dem Einwand angeblicher Befangenheit ist
dagegen nicht aufzukommen. Die Beklagte irrt auch insofern, als sie
seit der Rechtshängigkeit der Streitsache eingetretene Tatsachen nicht
berücksichtigt wissen will; denn im Verfahren vor dem Bundesgericht
folgt aus der Rechtshängigkeit nicht, dass der Sachverhalt auf den
Zeitpunkt der Klageeinreichung festgelegt werde (Art. 21 Abs. 3 BZP).
Es muss deshalb genügen, wenn die Aktivlegitimation der Klägerin im
Zeitpunkt des Urteils gegeben ist (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht,
3. Aufl. S. 377 Anm. 62/b).

    Zu bedenken ist ferner, dass die Klägerin Statuten und Verträge im
beanstandeten Punkt ändern und ergänzen will. Das entspricht zudem der
Aufgabe, die ihr als Verwertungsgesellschaft zukommt und vom Bundesrat
hinsichtlich der Weitersenderechte bereits anerkannt worden ist. Wie
beim Kabelfernsehen können die Autoren ihre Rechte auch im Bereich
der Reprographie praktisch nicht allein wahrnehmen. Das eine wie
das andere darf im Rahmen einer Feststellungsklage mitberücksichtigt
werden. Das gilt sinngemäss auch für die Gegenseitigkeitsverträge mit
ausländischen Verwertungsgesellschaften, denen die Beklagte einstweilen
eine entsprechende Berechtigung ebenfalls abspricht. Unter diesen Umständen
kann offen bleiben, ob die Geschäftsführung ohne Auftrag, die der Klägerin
nach ihren Statuten im Interesse von Nichtmitgliedern obliegt, als
Grundlage einer Feststellungsklage ausreichen würde oder ob das Klagerecht
sich diesfalls erst aus einem staatlichen Verwertungsauftrag ergäbe.
   c) Die Klägerin ist daher zur Klage legitimiert. Ihr Rechtsbegehren
kann sich aber zum vorneherein nur auf Werke von Autoren beziehen, die
ihr tatsächlich auch die Reprographierechte abgetreten haben.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 25 URG dürfen in Zeitungen oder Zeitschriften
veröffentlichte Werke der Literatur, Wissenschaft oder Kunst grundsätzlich
ohne Rücksicht auf ihren Gegenstand nur mit Zustimmung des Urhebers
wiedergegeben werden (Abs. 1). Ausgenommen ist insbesondere die Wiedergabe
von Artikeln über Tagesfragen wirtschaftlicher, politischer oder religiöser
Natur in der Presse, wenn die Wiedergabe nicht ausdrücklich vorbehalten
worden ist oder die Artikel nicht ausdrücklich als Originalbeiträge oder
Originalberichte bezeichnet worden sind (Abs. 2). Erlaubt sind ferner
kurze Zitate aus Zeitungs- oder Zeitschriftenartikeln, auch in Form von
Presseübersichten (Abs. 3).

    Im vorliegenden Fall geht es nicht um blosse Zitate im Sinne der
zweiten Ausnahme, da nach dem Wortlaut des Feststellungsbegehrens nur
die Wiedergabe "ganzer Werke" von einer Erlaubnis abhängig gemacht werden
soll. Die Beklagte beruft sich hingegen auf die erste Ausnahmebestimmung;
denn sie beantragt, das Feststellungsbegehren sei jedenfalls insoweit
abzuweisen, als es sich nicht um Artikel mit ausdrücklich vorbehaltenem
Wiedergaberecht handelt. Indem die Klägerin einen Originalartikel von
Dr. Uchtenhagen zum Anlass ihrer Klage nahm, erweckte sie vorerst den
Eindruck, sie wolle der Beklagten die Berufung auf diese Bestimmung
zugestehen. Ihr Klagebegehren ging indes von Anfang an darüber hinaus, und
sie machte in der Folge auch klar, dass sie eine Anwendung der Bestimmung
auf "ptt-intern" ablehnt.

    Die Wiedergabe von Zeitungsartikeln "in andern Zeitungen" war schon
nach Art. 25 Abs. 1 aURG unter ähnlichen Vorbehalten erlaubt. In
der parlamentarischen Beratung über die Fassung von 1922 machte
Berichterstatter Wettstein ausdrücklich auf diese Beschränkung erlaubten
Nachdrucks aufmerksam (Sten.Bull. 1920 StR S. 409/10). Anlässlich
der Revision von 1955 wurde das Sonderrecht für die Zeitungen auf
Zeitschriftenartikel ausgedehnt; es sollte gemäss Art. 9 Abs. 2 der
revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und
Kunst (RBÜ) vom 26. Januar 1948 aber weiterhin nur "zugunsten der Presse"
bestehen (vgl. Botschaft zur Novelle, BBl 1954 II S. 658). Der geltende
Art. 25 Abs. 2 URG erlaubt übereinstimmend damit, vom Nachdruckverbot
ausgenommene Artikel "in der Presse wiederzugeben" (reproduire par la
presse, riprodurre mediante la stampa).

    Mit dieser Regelung sollten national wie international kleinere
Blätter die Möglichkeit erhalten, Artikel aus grösseren Zeitungen im
Interesse der öffentlichen Meinungsbildung zu übernehmen (TROLLER,
Immaterialgüterrecht II S. 804; LUDWIG, Schweizerisches Presserecht,
S. 213; LUTZ, Die Schranken des Urheberrechts im schweizerischen
Recht, Diss. Zürich 1964, S. 9). Diese Rechtfertigung trifft auf eine
innerbetriebliche Dokumentationshilfe wie "ptt-intern" nicht zu. Es
handelt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht einmal um eine
sogenannte Hauszeitung, weil sie keine eigenen Artikel enthält; eine solche
fiele übrigens nach dem gesetzgeberischen Motiv ebenfalls nicht unter
die Ausnahmebestimmung. Fehl geht auch der Einwand, dass es widersinnig
wäre, einem Dritten gegen Bezahlung die Herausgabe einer Presseübersicht
zu gestatten, nicht aber dem PTT-Pressedienst, der keinen Gewinnzweck
verfolge. Sollte die Beklagte dabei an Unternehmen wie "Argus der Presse"
denken, so übersieht sie, dass die Weiterleitung von Zeitungsausschnitten
keine Wiedergabe im Sinne von Art. 25 Abs. 2 URG bedeutet.

    Die Beklagte kann sich somit nicht auf das Sonderrecht zugunsten der
Presse berufen. Ihr Einwand, dass zwischen Originalbeiträgen und andern
Artikeln zu unterscheiden sei, ist daher gegenstandslos.

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 22 URG ist, vom Bereich der Baukunst abgesehen, die
Wiedergabe eines Werkes zulässig, wenn sie ausschliesslich zu eigenem,
privatem Gebrauch und zudem nicht zu Gewinnzwecken erfolgt. Die Bestimmung
stützt sich nicht auf die RBÜ, sondern ist bereits 1922 ins Gesetz
eingefügt und seither unverändert beibehalten worden. Die Beklagte hält
ihre Voraussetzungen im vorliegenden Fall für erfüllt, weil "ptt-intern"
sich nicht an die Öffentlichkeit wende und keine Gewinnzwecke verfolge; ein
Privatgebrauch müsse auch zugunsten von juristischen Personen und grösseren
Betrieben anerkannt werden. Die Klägerin ist dagegen der Auffassung,
dass es sich um eine gewerbliche Wiedergabe mit Gewinnzwecken handle,
weshalb Art. 22 URG nicht anwendbar sei.

    a) Mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass "ptt-intern" für den
Eigengebrauch bestimmt ist; dies lässt sich ohne Bedenken selbst für die
Abgabe der Zeitschrift an die Mitglieder der konsultativen PTT-Konferenz
und der parlamentarischen Geschäftsprüfungskommissionen sagen, obschon
diese nicht den PTT-Betrieben angehören. Dass Art. 22 URG sich nach
seiner Entstehungsgeschichte nur auf den Gebrauch dessen bezieht,
der die Wiedergabe des Werkes vornimmt, wie die Klägerin unter Hinweis
auf Gesetzesmaterialien darzutun versucht, und dass sich dafür auch die
romanischen Gesetzestexte (usage ... de celui qui y procède; uso ... di
chi la compie) anführen lassen, rechtfertigt jedenfalls aus heutiger Sicht
eine derart einschränkende Auslegung nicht; sie wäre mit einem vernünftigen
Sinn und Zweck des Gesetzes schon angesichts der einfachen und billigen
Vervielfältigungsmethoden, welche die Technik inzwischen geschaffen hat,
nicht zu vereinbaren (vgl. BGE 83 I 178 mit Hinweisen; LUTZ, S. 230/31
und 235). Nach Art. 22 URG muss es sich indes nicht nur um einen eigenen,
sondern auch um einen privaten Gebrauch handeln; das erhellt aus den
romanischen Texten (usage personnel et privé; uso personale e privato)
noch deutlicher als aus dem deutschen.

    Der Begriff des privaten Gebrauchs ist umstritten (TROLLER, II S. 793
ff.; LUTZ, S. 208 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten geht es
nicht an, ihn mit Hilfe von Definitionen der Öffentlichkeit für Radio- und
Fernsehkonzessionen, für das Weitersendungsrecht (BGE 107 II 71 und 81/82)
oder gar im Strassenverkehrsrecht (BGE 92 IV 11) abgrenzen zu wollen. Der
private Gebrauch ist hier nicht als Gegensatz zu einem öffentlichen zu
verstehen; näher liegt, ihn der gewerblichen oder beruflichen Verwendung
gegenüberzustellen (TROLLER, II S. 795; ders. in Rechtsgutachten über die
Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke ... durch Mikrofilme
und Photokopien, 1954, S. 23 ff.; LUTZ, S. 223 und 236).

    Das heisst nicht, ein privater Gebrauch sei im Rahmen einer
gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zum vorneherein ausgeschlossen
und, wie TROLLER (Gutachten S. 16 und 23) und LUTZ (S. 236) annehmen,
bei juristischen Personen überhaupt nicht denkbar; andernfalls bleibt man
beim Wortlaut der Bestimmung stehen. Bei ihrer Auslegung nach dem Sinn und
Zweck sowie nach den Wertungen, auf denen unter den heutigen Verhältnissen
die Geltung der Norm beruht (BGE 105 Ib 53 E. 3a mit Hinweisen),
ergeben sich selbst zugunsten juristischer Personen, freier Berufe und
des Gemeinwesens erlaubte Verwendungen. So ist nicht zu beanstanden,
dass z.B. Anwälte und juristische Sachbearbeiter einer Gesellschaft oder
einer Behörde einschlägige Seiten eines Kommentars kopieren lassen, statt
das Buch beizulegen, um sich und andern die Arbeit in einem bestimmten
Einzelfall zu erleichtern. Solche Fälle vertragen sich durchaus mit dem
Grundgedanken der Bestimmung. Das leuchtet namentlich dann ein, wenn das
Erfordernis des eigenen und privaten Gebrauchs nicht für sich allein,
sondern zusammen mit der negativen Voraussetzung des Art. 22 URG, wonach
mit dem Gebrauch kein Gewinnzweck verfolgt werden darf, ausgelegt wird.

    b) Diese Voraussetzung eignet sich am besten zur Abgrenzung, auch wenn
dabei nicht übersehen werden darf, dass sie kumulativ mit den beiden andern
gegeben sein muss. Wer mit Kopien einzelner Seiten eines Werkes bloss
Zeit gewinnen oder sich oder anderen die Arbeit im Sinne der angeführten
Beispiele erleichtern will, ist nicht auf geldwerte Vorteile, geschweige
denn auf einen verpönten Gewinn bedacht. Mit Gewinnzweck handelt dagegen
nicht nur, wer ein Werk wiedergibt oder gar vervielfältigt, um sich
daraus Einnahmen zu verschaffen, sondern auch, wer durch das Kopieren
oder Vervielfältigen die Kosten für die Anschaffung von Werkexemplaren
einsparen will (TROLLER, Gutachten S. 10; LUTZ, S. 233). Der Beklagten
hilft es daher nichts, dass sie "ptt-intern" kostenlos abgibt, wie dies
für Eigengebrauch ohnehin typisch ist.

    Immerhin rechtfertigt sich in der Anwendung dieses Grundsatzes
eine gewisse Zurückhaltung, wobei die Umstände des Einzelfalles zu
mitzuberücksichtigen sind. Auch ist dabei der Gewinnzweck nicht bloss auf
den bescheidenen Vergütungsanspruch des Urhebers, sondern auf den Preis des
Werkes zu beziehen. So liegt der Gewinnzweck auf der Hand, wenn ein Anwalt
einen Kommentar entlehnt und für Selbstkosten von 60 Franken kopiert,
statt ihn für 140 Franken selbst anzuschaffen. Ein Unternehmen sodann
kann eine Zeitung oder einen Zeitungsausschnitt zwecks betriebsinterner
Information ohne weitere Umtriebe zirkulieren lassen, wenn die Sache nicht
eilt und nur für wenige Adressaten bestimmt ist; kopiert es statt dessen,
so bedeutet das im Ernst keine Einsparung zusätzlicher Werkexemplare,
folglich auch keinen geldwerten Vorteil. Handelt es sich dagegen wie
vorliegend um über 500 Adressaten, so ist eine zulässige Information auf
dem Zirkulationswege, wie die Klägerin mit Recht einwendet, praktisch und
innert angemessener Zeit nur möglich, wenn die Zeitungen jeweils in einer
Vielzahl von Exemplaren angeschafft werden. Dies hat der PTT-Pressedienst
durch Vervielfältigung vermeiden wollen, weshalb sein Vorgehen neben dem
Rationalisierungs- offensichtlich auch einem Gewinnzweck gedient hat.

    c) Auch wenn der Gewinnzweck darin zu sehen ist, dass der Kauf
weiterer Werkexemplare vermieden wird, geht das im Ergebnis auf Kosten
des Urhebers oder des Verlegers, der ihn vertritt. Gerade darin liegt
nach der jüngeren Entwicklung der RBÜ das entscheidende Kriterium zur
Abgrenzung des zulässigen Privatgebrauchs von der dem Urheber vorbehaltenen
Werkwiedergabe. Sowohl die Stockholmer Fassung vom 14. Juli 1967 (SR
0.231.14) wie die Pariser Fassung vom 24. Juli 1971, von denen erstere
im massgebenden (materiellrechtlichen) Teil und letztere von der Schweiz
überhaupt noch nicht ratifiziert worden ist, behalten dem Urheber im
neuen Art. 9 Abs. 1 das ausschliessliche Recht zur Vervielfältigung seines
Werks vor; sie überlassen es in Abs. 2 aber der nationalen Gesetzgebung,
die Vervielfältigung in gewissen Sonderfällen zu gestatten, wenn dadurch
weder die normale Auswertung des Werks beeinträchtigt noch die berechtigten
Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt werden (zu diesen Fassungen:
SCHULZE, in UFITA 93/1982 S. 73 ff.; MASOUYE, in Droit d'auteur, 1982
S. 81 ff.; KOUMANTOS, ebendort 98/1978 S. 3 ff.; COLLOVA, ebendort 99/1979
S. 77 ff.). Die neuere internationale Entwicklung entspricht damit der
Empfehlung TROLLERS von 1954 (Gutachten S. 11), für die Abgrenzung des
privaten Gebrauchs die mechanische Vervielfältigung schon de lege lata
insoweit zu tolerieren, als die Interessen des Urhebers damit nicht
ernstlich gefährdet werden. Diese Gefahr droht dem Urheber aber gerade
dann, wenn ein Betrieb wie hier die interne Information nur durch Ankauf
einer grossen Zahl weiterer Werkexemplare erreichen könnte, würde er
die Presseausschnitte nicht zu einer eigenen Schrift zusammenstellen und
diese vervielfältigen lassen.

Erwägung 4

    4.- Art. 22 URG so verstehen, heisst nach Meinung der Beklagten,
die Bestimmung anders als in der gesamten Privatwirtschaft, in der
Bundesverwaltung, in den Kantonen und Gemeinden auslegen und sich über
die heute massgebende Rechtsauffassung hinwegsetzen. Dem widerspricht
die Klägerin zu Recht.

    a) Was die Beklagte als allgemeine Rechtsauffassung gewürdigt wissen
will, ist nur ein faktischer Zustand, der sich aus der rasanten Entwicklung
der Technik ergeben hat, aber die Rechte der Urheber so wenig wie im Fall
des Kabelfernsehens zu beseitigen vermag (BGE 107 II 81). Nach Art. 12
Ziff. 1 URG steht dem Urheber das ausschliessliche Recht auf Wiedergabe
seines Werkes durch irgendwelche Verfahren zu, selbst durch solche, die
bei Erlass des Gesetzes noch gar nicht bekannt gewesen sind (Sten.Bull.
1922 NR S. 266; TROLLER, II S. 781; ders. Gutachten S. 8; TROLLER/TROLLER,
Kurzlehrbuch S. 123; ULMER, Urheber- und Verlagsrecht, 1980 S. 230). Dass
selbst die Urheber der technischen Entwicklung lange untätig zugesehen
haben, kann ihnen nicht schaden, zumal eine Wahrung ihrer Rechte durch
diese Entwicklung ausserordentlich erschwert worden ist.

    Reprographierechte sind seit Jahren weltweit ein Hauptgegenstand
urheberrechtlicher Erörterung (ULMER, aaO, S. 309). Von einer allgemeinen
Rechtsauffassung, wonach die beliebige Vervielfältigung geschützter
Rechte zur betriebsinternen Information gemeinfrei sei, kann dabei
keine Rede sein. Deutschland hat das Problem in den §§ 53/54 des
Urheberrechtsgesetzes von 1965 dahin gelöst, dass Vervielfältigung
zur betriebsinternen Information nicht gemeinfreier Privatgebrauch ist,
sondern unter den sonstigen Eigengebrauch fällt, wobei aber nur "einzelne
Vervielfältigungsstücke eines Werkes" (offenbar 6-7) erstellt werden
dürfen und bei Verfolgung gewerblicher Zwecke eine angemessene Vergütung
zu zahlen ist (SCHULZE, Urheberrechtskommentar, insbes. zu § 54 Ziff. 4a;
ULMER, aaO, S. 296 ff.; HUBMANN, Urheber- und Verlagsrecht, 1978 S. 157
ff.). Wie schwierig solche Abgrenzungen sind, erhellt aus der seitherigen
Auseinandersetzung in Deutschland und weiteren Revisionsbemühungen
(vgl. die Streitgutachten in UFITA 84/1979 S. 79 ff. und 85/1979 S. 99
ff.; zu den Revisionsarbeiten HOEPFFNER, in GRUR 82/1980 S. 533 ff.). In
Frankreich gilt nach Art. 41 des Gesetzes vom 11. Mai 1957 eine strikte
Beschränkung des Privatgebrauchs unter Ausschluss jeder kollektiven
Benützung (DESBOIS, La Reprographie et le Droit d'Auteur en France, in
Festschrift für Alois Troller, 1976 S. 167; ders., in le Droit d'Auteur
en France, 1978 S. 306 ff. und 354 ff.; PLAISANT, in Juris classeur,
Propriété littéraire et artistique, fasc. 4bis). Die allgemeine Tendenz
geht jedenfalls nicht dahin, das Urheberrecht zugunsten betriebsinterner
Information schlicht zu durchbrechen, sondern es gegen Vergütung bloss
begrenzt freizugeben (ULMER, in Festschrift für Alois Troller, S. 201/2;
SCHULZE, in UFITA 93/1982 S. 73 ff.).

    b) Die schweizerische Gesetzgebung ist auch in diesem Bereich in
Rückstand geraten. Mit der technischen Entwicklung aufkommende Probleme,
namentlich im Kopierbereich, waren schon bei der Vorbereitung des Gesetzes
von 1955 bekannt, wenn auch nicht im heutigen Ausmass (BUSER, in SJZ
49/1953 S. 136 ff.). Der Entwurf des Eidg. Amtes für geistiges Eigentum
von 1953 wollte in einem Art. 22bis für die Wiedergabe durch Photokopie
zugunsten der Bibliotheken eine Ausnahme machen (TROLLER, Gutachten
S. 31/32 zum Entwurf Bolla). Bundesrat und Parlament anerkannten die
Dringlichkeit, dieses und andere Probleme der technischen Entwicklung
zu lösen, wollten Entscheide darüber aber wegen deren Tragweite und
grosser Meinungsverschiedenheiten der baldigen Totalrevision vorbehalten
(Botschaft zur Novelle, in BBl 1954 II S. 643 und 649; Sten.Bull. 1955 NR
S. 87/88 und StR S. 80). Das heisst entgegen der Auffassung der Beklagten
indes nicht, dass heute insoweit eine Gesetzeslücke anzunehmen sei (BGE
103 Ia 503 mit Zitaten); es bleibt vielmehr beim geltenden Recht, das den
Ausschliesslichkeitsanspruch des Urhebers auch vor neuen Wiedergabeformen
schützt.

    Die seitherigen Revisionsarbeiten bestätigen, dass in der Schweiz
ebenfalls nach einer Lösung gesucht wird, welche Urheberrechte nicht
leichthin dem technischen Fortschritt opfert. Nach dem Vorentwurf
1971 der ersten Expertenkommission sollte zwar das betriebsinterne
Kopieren freigegeben werden, wenn dafür ein rechtmässig erworbenes
Werkexemplar verwendet wird (Art. 29 Abs. 3; vgl. auch DITTRICH, Die
Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch, in Festgabe Georg Roeber, S. 109
ff.). Der Vorentwurf 1974 der zweiten Expertenkommission rückte davon aber
deutlich ab; er beschränkte den erlaubten Privatgebrauch ausdrücklich
auf einen privaten Kreis von Freunden und Verwandten (Art. 29 Abs.
2, 30 Abs. 1), liess dagegen als Eigengebrauch auch die Wiedergabe zur
Information von Mitarbeitern in Instituten, Verwaltungen und Betrieben zu,
jedoch nur gegen angemessene Vergütung (Art. 31; Erläuterungen S. 33 ff.;
dazu ULMER, in Festschrift Troller, S. 200 f.). Diese Lösung wurde in
den weiteren Bearbeitungen durch das Bundesamt für geistiges Eigentum dem
Sinn nach beibehalten und durch eine Bestimmung über die Vergütung ergänzt
(Art. 29/30 der Fassung vom 21. Mai 1981; überholt PERRET, in SJ 104/1982
S. 113 ff.).

    c) Die Bemühungen gehen also auch in der Schweiz dahin, zwischen den
offensichtlichen Bedürfnissen privater und öffentlicher Unternehmen, den
technischen Fortschritt zur Rationalisierung zu nutzen, einerseits und den
Ansprüchen der Urheber auf Vergütung für ihr geistiges Schaffen anderseits
einen vernünftigen Ausgleich zu finden. Dies kann, wie u.a. schon LUTZ
(S. 238) befürwortet hat, mittels einer gesetzlichen Lizenz geschehen,
welche die Wiedergabeerlaubnis mit dem Vergütungsanspruch verbindet.
Das geltende Recht sieht indes noch keine solche Lösung vor; es fehlt
zudem an einer vertraglichen oder gesetzlichen Verwertungsordnung,
welche den Benützern den Erwerb der Rechte ermöglicht und den Urhebern
die Vergütung vermittelt.

    Der PTT-Pressedienst bedarf daher vorerst für sein Vorgehen noch
der Erlaubnis des Urhebers bzw. der Klägerin, wenn diese im Rahmen einer
Abtretung als Berechtigte auftritt; die Erlaubnis kann von einer Vergütung
abhängig gemacht werden. Die Rechte der Urheber brauchen dem Druck des
technischen Fortschritts sowenig wie im Falle des Kabelfernsehens (BGE
107 II 81) zu weichen. Daran ändert auch der Einwand nichts, falls die
Klage gutgeheissen werde, bestehe die Schweiz noch mehr als nach den
Kabelfernsehentscheiden aus einem Volk von Urheberrechtsdelinquenten;
das wäre so oder anders nicht die Folge dieses Urteils, sondern der
Tatsache, dass man der technischen Entwicklung zu lange bedenkenlos und
ohne Rücksicht auf das Urheberrecht freien Lauf gelassen hat. Die zweite
Expertenkommission hat 1974 ihren Vorschlag denn u.a. auch damit begründet,
dass der gegenwärtige "Zustand der Illegalität" beseitigt werden müsse
(Erläuterungen S. 35 und 41).

    Unerheblich ist schliesslich die Befürchtung, bei Gutheissung der Klage
würden - wie beim Kabelfernsehen - für Benützer wie für Urheber grosse
Probleme entstehen, weil die Fotokopie weit verbreitet sei. Drohende
Schwierigkeiten entbinden namentlich den Gesetzgeber nicht davon, das
vor mehr als 25 Jahren abgegebene Versprechen ohne weiteren Verzug
einzulösen. Ausländische Beispiele im Bereiche der Reprographie wie
bei Ton- und Bildkassetten zeigen, dass praktikable Lösungen durchaus
möglich sind. Die Gutheissung der Klage wird den Weg dafür ebnen, durch
Verhandlungen und staatliche Beihilfe den Urhebern zu einem angemessenen
Entgelt für ihre Leistung zu verhelfen, was nicht nur den Absichten des
Gesetzgebers (Sten.Bull. 1955 StR S. 78), sondern auch dem einzigen Zweck
entspricht, den die Klägerin mit diesem Prozess verfolgt hat.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    In Gutheissung der Klage wird festgestellt, dass die Beklagte für den
Pressedienst der Generaldirektion PTT ganze Werke der von der Klägerin
vertretenen Urheber, die ihr auch das Wiedergaberecht abgetreten haben,
nur mit Erlaubnis der Klägerin kopieren darf.