Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 466



108 II 466

88. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Dezember 1982
i.S. M. gegen K. (Berufung) Regeste

    Indexierung des Mietzinses (Art. 9 BMM).

    Eine Vertragsklausel, welche die Anpassung des Mietzinses an die
Hypothekarzinsentwicklung vorsieht, ist als Indexklausel zu beurteilen.

Sachverhalt

    A.- Die Brüder K. vermieteten Frau M. mit Vertrag vom 2.  November
1978 einen Gewerberaum und ein Kellerabteil in einer Liegenschaft
in Adliswil. Die Parteien verwendeten das vom Kantonalzürcherischen
Hauseigentümerverband und dem Kantonalen Gewerbeverband Zürich
herausgegebene Formular "Mietvertrag für Geschäftsräume". Der Vertrag wurde
auf eine feste Dauer von vier Jahren und zehn Monaten abgeschlossen. Er
setzt unter Ziffer 5.1. lit. a fest, die Vermieter seien bei einer
nachweisbaren Erhöhung des Hypothekarzinsfusses berechtigt, unter
Einhaltung einer dreimonatigen Anzeigefrist auf jeden Monatsersten
eine Mietzinserhöhung in Kraft zu setzen, und zwar um höchstens 3,5%
des Mietzinses je 1/4% Hypothekarzinsfusserhöhung.

    Am 3. Dezember 1980 kündigten die Vermieter eine Mietzinserhöhung ab
1. April 1981 von Fr. 11'556.-- auf Fr. 12'364.90 im Jahr an. Den
7% betragenden Aufschlag begründeten sie mit dem Steigen des
Hypothekarzinsfusses um 1/2% auf den 1. April 1981. Frau M. focht
die Mietzinserhöhung bei der Schlichtungsstelle an. Nachdem die
Einigungsverhandlungen gescheitert waren, klagten die Vermieter beim
Mietgericht des Bezirkes Horgen mit dem Antrag, die Mietzinserhöhung als
nicht missbräuchlich und zulässig zu erklären.

    Das Mietgericht hiess die Klage am 23. April 1981 gut und erklärte den
verlangten Nettomietzins von jährlich Fr. 12'364.90 als zulässig. Einen
gegen dieses Urteil erhobenen Rekurs der Beklagten wies das Obergericht
des Kantons Zürich am 14. Mai 1982 ab.

    Gegen den Beschluss des Obergerichts erhob die Beklagte Berufung,
die das Bundesgericht gutheisst.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 9 BMM können Vereinbarungen, wonach die Höhe des
Mietzinses einem Index folgt, gültig nur für Mietverhältnisse getroffen
werden, die auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen werden. Nach Auffassung
des Obergerichts sind Vertragsklauseln, die eine Anpassung des Mietzinses
an die Hypothekarzinsentwicklung vorsehen, nicht als Indexklauseln im
Sinne dieser Bestimmung zu betrachten und deshalb auch bei Verträgen
mit fester Dauer von weniger als fünf Jahren zulässig. Die Beklagte hält
diese Betrachtungsweise für bundesrechtswidrig.

    a) In BGE 103 II 267 wurde die vereinbarte Anpassung des Mietzinses an
die Veränderungen sowohl des Hypothekarzinsfusses wie des Landesindexes der
Konsumentenpreise als Indexierung im Sinne von Art. 9 BMM behandelt. In
einem späteren Urteil, das ein Vertragsverhältnis mit fester Dauer von
weniger als fünf Jahren betraf, hat das Bundesgericht eine Klausel,
die den Vermieter zur Erhöhung des Mietzinses entsprechend dem Steigen
des Hypothekarzinses ermächtigte, für ungültig erklärt, weil sie
entweder gegen Art. 9 oder Art. 11 BMM verstosse (BGE 107 II 264). In
der Literatur wird nur vereinzelt zu dieser Frage ausdrücklich Stellung
genommen. GMÜR/CAVIEZEL betrachten das Abstellen auf die Veränderungen des
Hypothekarzinsfusses als Indexierung (Mietrecht-Mieterschutz, 2. Aufl., S.
91), und im Guide du locataire wird darauf hingewiesen, dass auch eine
Indexklausel denkbar sei, welche die Anpassung an die Veränderungen des
Hypothekarzinsfusses vorsehe (S. 125).

    b) Bei den parlamentarischen Beratungen über Art. 9 BMM (Art. 11 des
Entwurfs) stand die Frage im Vordergrund, ob im Fall der Zulassung der
Indexierung die Wahl eines bestimmten Indexes in der Vollziehungsverordnung
vorgeschrieben werden sollte. Neben dem Landesindex der Konsumentenpreise,
den die Befürworter der Zulassung der Indexierung als am geeignetsten
betrachteten, wurden der Miet- und der Baukostenindex genannt
(Amtl.Bull. 1972 N 960/1 und S 334). Den Hypothekarzinssatz erwähnte
in diesem Zusammenhang einzig Nationalrat Kaufmann, der als Beispiel
einer nach seiner Ansicht korrekten Indexierung die Klausel anführte,
die zur einen Hälfte auf den Konsumentenindex und zur anderen Hälfte auf
den Hypothekarzinsfuss abstellt (Amtl.Bull. 1972 N 960).

    Obschon sich somit den Gesetzesmaterialien in bezug auf die hier
massgebende Auslegungsfrage nicht viel entnehmen lässt, verdeutlichen
sie doch den Zweck und die Stellung von Art. 9 BMM innerhalb des
Missbrauchsbeschlusses. Die Indexierung sollte nur in begrenztem Rahmen
zugelassen werden, weil befürchtet wurde, dass die periodische Anpassung
des Mietzinses während der festen Vertragsdauer an eine bestimmte Preis-
oder Kostenentwicklung zu Verzerrungen und Missbräuchen führen könnte
(Amtl.Bull. 1972 S 330/1). Andererseits war aber auch zu berücksichtigen,
dass die Vermieter im allgemeinen nicht zum Abschluss von Verträgen
mit mehrjähriger fester Dauer bereit sind, wenn während dieser Zeit
der Mietzins nicht verändert werden darf (Amtl.Bull. 1972 S 330, 333;
N 956/7). Der BMM geht indes grundsätzlich von der Unveränderlichkeit
des Mietzinses während der festen Vertragsdauer aus (Art. 18 Abs. 1
BMM und BGE 107 II 263 lit. b zum 1977 eingefügten Art. 19 BMM). Da
aber auch dem Bedürfnis der Mieter nach langjährigen festen Verträgen
Rechnung zu tragen war, wurde der Interessenausgleich dadurch gefunden,
dass die Indexierung nur bei Verträgen von mindestens fünfjähriger Dauer
zugelassen wurde (Amtl.Bull. 1972 S 330, 333; N 956/7).

    Dem Sinn und Zweck des Art. 9 BMM entsprechend muss demnach jede
Anpassungsklausel, die auf die Veränderungen bestimmter Kosten oder
Preise abstellt, als Indexklausel betrachtet werden. Das trifft
auch auf die hier streitige Hypothekarzinsklausel zu. Art. 6 VMM,
der nach zum Teil vertretener Lehrmeinung bei Wohnungsmieten die Wahl
des Konsumentenpreisindexes verbindlich vorschreiben soll (RAISSIG,
Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen, S. 24; BEAT L. MEYER,
Mietrecht im Alltag, 2. Aufl., S. 56; RENÉ MÜLLER, Der Bundesbeschluss
über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen, Diss. Zürich 1976,
S. 119), spielt im vorliegenden Fall keine Rolle, da unbestritten ist,
dass es sich beim Vertrag der Parteien um eine Geschäftsmiete handelt.

    c) Das Obergericht nimmt demgegenüber an, eine Indexklausel
im Sinne des Art. 9 BMM liege nur dann vor, wenn die Kosten- oder
Preisentwicklung, welcher der Mietzins anzupassen ist, statistisch
ermittelt wird. Das kann indessen nicht entscheidend sein, denn damit
wäre grundsätzlich bei auf weniger als fünf Jahre fest abgeschlossenen
Mietverträgen jede Anpassungsklausel zulässig, die auf Daten abstellt,
welche nicht statistisch erfasst werden. In Anbetracht der Sonderregelung,
die der BMM für indexierte Mietverträge vorsieht, kommt auch dem weiteren
Argument des Obergerichts, dass der Hypothekarzins die massgebliche
Grösse bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit des Mietzinses sei,
keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

    Die auf einer ungültigen Vertragsklausel beruhende Mietzinserhöhung ist
demnach unzulässig. Die Berufung ist daher gutzuheissen, der angefochtene
Beschluss aufzuheben und die Klage abzuweisen. Damit erübrigt sich die
Behandlung der weiteren Vorbringen der Beklagten, die geltend macht,
das Obergericht habe neben Art. 9 auch Art. 11 und 18 Abs. 1 BMM verletzt.