Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 410



108 II 410

79. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Juli 1982 i.S. X.
gegen Bank Z. (Berufung) Regeste

    Errichtung einer Grundpfandverschreibung durch eine verheiratete Frau
zu Gunsten des Ehemannes.

    1. Der Zweck des Pfandrechts lässt es in aller Regel nicht zu, einen
Irrtum des Drittpfandgebers über die finanzielle Lage des Schuldners als
Grundlagenirrtum anzuerkennen (E. 1).

    2. Die Errichtung einer Grundpfandverschreibung durch eine verheiratete
Frau zu Gunsten des Ehemannes bedarf keiner Zustimmung durch die
Vormundschaftsbehörde (E. 3).

Sachverhalt

    A.- A. X. ist Eigentümerin zweier Stockwerkeigentumsanteile in
M. Am 24. August 1970 errichtete sie zugunsten der Bank Y. (heute
Bank Z.; im folgenden Bank genannt) auf dem Anteil Grundbuchblatt
Nr. 50 632 des Grundbuches M. eine Maximalgrundpfandverschreibung
über Fr. 100'000.-- und auf dem Anteil Grundbuchblatt Nr. 50 631
eine solche über Fr. 250'000.--. Am 23. August 1974 liess sie
durch ihren Ehemann als bevollmächtigten Vertreter zugunsten der
Bank zwei weitere Maximalgrundpfandverschreibungen auf den beiden
Stockwerkeigentumsanteilen errichten, nämlich eine solche über
Fr. 50'000.-- zu Lasten des Anteils Grundbuchblatt Nr. 50 632 und eine
andere über Fr. 200'000.-- zu Lasten des Anteils Grundbuchblatt Nr. 50
631. Alle diese im Grundbuch eingetragenen Grundpfandverschreibungen
dienten zur Sicherstellung eines Kontokorrentkredites der Bank an B. X.,
den Ehemann der Pfandeigentümerin. Die Kontokorrentschuld von B. X. bei
der betreffenden Bank betrug im Dezember 1969 Fr. 642'000.--, im Dezember
1970 Fr. 1'000'000.-- und im Dezember 1973 Fr. 1'156'000.--. A. X. war
schon vor der Errichtung der Grundpfandverschreibungen im Besitz
einer Vollmacht ihres Ehemannes, gestützt auf welche ihr das freie
Verfügungsrecht über dessen Kontokorrentkonto bei der Bank und dessen
dortiges Wertschriftendepot zustand.

    Nachdem die Bank gegen B. X. Betreibung auf Pfandverwertung
eingeleitet hatte und der von A. X. als Pfandeigentümerin erhobene
Rechtsvorschlag rechtskräftig beseitigt worden war, reichte diese gegen
die Bank fristgerecht Aberkennungsklage ein. Sie beantragte, es sei
festzustellen, dass die zwei Grundpfandverschreibungen vom 24. August 1970
über Fr. 100'000.-- und Fr. 250'000.-- sowie diejenigen vom 23. August
1974 über Fr. 50'000.-- und Fr. 200'000.-- nicht zu Recht bestünden
und abzuerkennen seien. Die Beklagte verlangte vollumfängliche Abweisung
der Klage.

    Bezirks- und Kantonsgericht wiesen die Klage ab.

    Gegen den kantonsgerichtlichen Entscheid vom 2. November 1981 hat
die Klägerin beim Bundesgericht Berufung erhoben mit dem Hauptantrag, die
Klage sei gutzuheissen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz hat verneint, dass sich die Klägerin
in einem wesentlichen Irrtum befunden habe, als sie die vier
Grundpfandverschreibungen, die Gegenstand der Klage bilden, errichtet
habe. In der Berufung wird demgegenüber geltend gemacht, dass die Klägerin
einem Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR erlegen
sei. Sie habe bei der Pfandbestellung zwar damit rechnen müssen, dass das
Pfand dereinst möglicherweise zur Deckung der pfandgesicherten Forderung
in Anspruch genommen werden könnte. Indessen habe sie nicht gewusst,
dass damals bereits mit aller Sicherheit die Inanspruchnahme der von
ihr gestellten Pfänder zu erwarten gewesen sei, da sie die rettungslose
Verschuldung ihres Ehemannes nicht gekannt habe. Hätte sie von der
wirklichen Lage Kenntnis gehabt, so hätte sie die Grundpfandverschreibungen
zweifellos nicht errichtet. Dies habe die Beklagte erkennen müssen. Die
falsche Vorstellung der Klägerin sei als objektive Vertragsgrundlage
zu betrachten.

    a) Ein Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
setzt voraus, dass der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betrifft,
der für den Irrenden eine notwendige Grundlage des Vertrages darstellte
und von ihm bei objektiver Betrachtungsweise, d.h. nach Treu und Glauben
im Geschäftsverkehr, auch als solche betrachtet werden durfte (BGE 97 II
45 f. mit Hinweisen). Wer jemandem ein Pfandrecht einräumt, verschafft
ihm damit das Vorzugsrecht, den Pfandgegenstand zur Deckung einer
bestimmten Forderung verwerten zu lassen, sofern die Forderung nicht
getilgt wird (vgl. für das Grundpfand Art. 816 Abs. 1 ZGB). Diesem
Zweck des Pfandrechts würde es in aller Regel widersprechen, die
Einschätzung des Risikos einer Pfandverwertung durch den Pfandgeber
als notwendige Vertragsgrundlage im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4
OR gelten zu lassen. Das Wesen des Pfandrechts lässt es grundsätzlich
nicht zu, einen Irrtum des Drittpfandgebers über die finanzielle Lage des
Schuldners nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als Grundlagenirrtum
anzuerkennen. Wer eine eigene Sache für eine fremde Schuld zu Pfand
gibt, muss vielmehr ungeachtet dessen, wie er die Kreditwürdigkeit des
Schuldners eingeschätzt hat, die Verwertung dieser Sache dulden, wenn
sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner bereits im Zeitpunkt
der Pfandbestellung überschuldet war. Bereits aus diesem Grund muss der
Berufung der Klägerin auf Irrtum der Erfolg versagt bleiben.

    b) Dazu kommt, dass das Bundesgericht als Berufungsinstanz im Rahmen
seiner auf Rechtsfragen beschränkten Prüfungsbefugnis nur beurteilen
kann, ob es sich bei einem bestimmten Irrtum um einen wesentlichen im
Sinne des Gesetzes handle; ob aber überhaupt ein Irrtum vorhanden war,
ist eine Tatfrage, die sich seiner Beurteilung entzieht. Im angefochtenen
Urteil wird aufgrund einer Aussage des Zeugen U. festgehalten, dass die
Klägerin wenigstens in groben Zügen über die Angelegenheiten ihres Mannes
orientiert gewesen sei. Damit ist aber gleichzeitig festgestellt, dass
ihr der Beweis der völligen Unkenntnis der finanziellen Lage ihres Mannes
nicht geglückt ist. Was in der Berufung dagegen eingewendet wird, läuft im
Ergebnis auf eine unzulässige Kritik an den tatsächlichen Feststellungen
der Vorinstanz hinaus, weshalb darauf nicht näher einzutreten ist.
   ...

Erwägung 3

    3.- Schliesslich macht die Klägerin geltend, die vier von ihr auf
den Stockwerkeigentumsanteilen errichteten Grundpfandverschreibungen
seien auch deshalb nicht gültig zustande gekommen, weil sie gemäss
Art. 177 Abs. 2 und 3 ZGB der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde
bedurft hätten. Soweit sie sich in diesem Zusammenhang auf Art. 177
Abs. 2 ZGB beruft, wonach Rechtsgeschäfte unter Ehegatten, die das
eingebrachte Gut der Ehefrau oder das Gemeinschaftsgut betreffen,
zustimmungsbedürftig sind, geht sie von einer falschen Voraussetzung
aus. Sie glaubt, aus dem Prinzip der Kausalität von Grundbucheinträgen
ableiten zu können, der Errichtung der vier Grundpfandverschreibungen müsse
ein Verpflichtungsgeschäft zwischen ihr und ihrem Ehemann vorausgegangen
sein. Dies ist jedoch weder rechtlich erforderlich noch wurde nach der
Sachverhaltsdarstellung der Vorinstanz zwischen den Ehegatten X. je ein
solches Rechtsgeschäft abgeschlossen. Rechtsgrund für die Errichtung
der vier Grundpfandverschreibungen bildeten vielmehr vier öffentlich
beurkundete Verträge zwischen der Klägerin als Pfandeigentümerin und der
Beklagten als Gläubigerin. Mangels eines Rechtsgeschäftes zwischen der
Klägerin und ihrem Ehemann bestand keinerlei Anlass für die Einholung einer
vormundschaftsbehördlichen Zustimmung gemäss Art. 177 Abs. 2 ZGB. Auch von
der stillschweigenden Vereinbarung einer Ersatzforderung kann entgegen
der klägerischen Auffassung keine Rede sein. Ersatzforderungen gelangen
vielmehr aufgrund des Gesetzes erst dann zur Entstehung, wenn Schulden
des Mannes aus dem eingebrachten Frauengut getilgt worden sind (Art. 209
Abs. 1 ZGB).

    Wenn die Errichtung der Grundpfandverschreibungen zugunsten der
Beklagten einer vormundschaftsbehördlichen Zustimmung bedurft hätte, könnte
dies höchstens aus Art. 177 Abs. 3 ZGB abgeleitet werden. Nach dieser
Bestimmung ist eine solche Zustimmung für Verpflichtungen erforderlich,
die von der Ehefrau Dritten gegenüber zugunsten des Ehemannes eingegangen
werden. In der Berufung wird denn auch die Auffassung vertreten, es liege
ein Interzessionsgeschäft im Sinne dieser Bestimmung vor und die von der
Klägerin errichteten Grundpfandverschreibungen seien mangels Zustimmung
der Vormundschaftsbehörde nichtig.

    Nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Begriff
"Verpflichtungen" im Sinne von Art. 177 Abs. 3 ZGB eng auszulegen, da
es sich bei dieser Bestimmung um eine Ausnahmevorschrift handelt und die
Handlungsfähigkeit der Ehefrau im Interesse der Rechtssicherheit nur mit
möglichster Zurückhaltung eingeschränkt werden sollte (BGE 99 II 246 oben).
Unter Verpflichtungen gemäss Art. 177 Abs. 3 ZGB sind nur obligatorische
Verbindlichkeiten zu verstehen, nicht aber dingliche Verfügungen. Zu
den Verfügungen werden insbesondere auch Verpfändungen gezählt, sofern
diese nicht mit der Begründung einer Forderung zu Lasten der Ehefrau
verbunden sind, wie dies in der Regel bei der Errichtung oder Verpfändung
eines Schuldbriefes der Fall ist, im Gegensatz zur Errichtung einer
Grundpfandverschreibung, die sich in der Pfandbelastung des Grundstückes
erschöpft (TUOR/SCHNYDER, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 9. Aufl.,
Nachdruck 1979, S. 172; LEMP, N. 52 ff., insbesondere N. 55 und 56
zu Art. 177 ZGB). Was die Errichtung von Grundpfandverschreibungen im
besonderen betrifft, weist die Klägerin an sich mit Recht darauf hin,
dass der dinglichen Verfügung, die in der Eintragung des Pfandrechts
im Grundbuch besteht, ein Verpflichtungsgeschäft vorausgeht, nämlich
der Abschluss eines auf Bestellung des Pfandrechts gerichteten
Vertrags. Indessen hat die Praxis auch für Verpflichtungsgeschäfte vom
Erfordernis einer vormundschaftsbehördlichen Zustimmung abgesehen, sofern
die dingliche Verfügung dem Vertragsschluss auf dem Fusse folgt, da bei
diesen Geschäften der Verfügungscharakter gegenüber der Verpflichtung
überwiegt (BGE 71 II 82; 61 II 6, 220; 59 II 218; 57 II 11 f.). Ein solcher
Fall liegt hier vor, indem die Eintragung der Grundpfandverschreibungen
in das Grundbuch unmittelbar im Anschluss an die öffentliche Beurkundung
der Pfandverträge erfolgte. Die Grundpfanderrichtung bedurfte daher nach
der herrschenden Praxis keiner Zustimmung der Vormundschaftsbehörde.

    Die Klägerin beanstandet indessen diese Praxis und vertritt vor allem
unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes die Auffassung,
der dem Art. 177 ZGB zugrundeliegende Schutzgedanke erfordere eine weite
Auslegung des Begriffes "Verpflichtungen". Das Bundesgericht hat sich
jedoch bereits in BGE 49 II 44 ff. eingehend mit der Entstehungsgeschichte
des Interzessionsverbotes auseinandergesetzt. Es besteht kein Anlass,
auf diese auch heute noch massgebenden Ausführungen zurückzukommen
und sich mit der abweichenden Auslegung der Klägerin im einzelnen
auseinanderzusetzen. Im übrigen ist auch der Überlegung der Vorinstanz
beizupflichten, dass es nicht richtig wäre, heute Art. 177 Abs. 3 ZGB
gestützt auf eine rein historisch begründete Auslegung plötzlich eine
viel weitergehende Bedeutung zuzumessen als während der vergangenen
60 Jahre. Dies würde den gewandelten Auffassungen über die rechtliche
Gleichbehandlung der Geschlechter widersprechen, wie sie unter anderem in
der bei den eidgenössischen Räten in Beratung stehenden Gesetzesvorlage
über die Revision des Eherechts zum Ausdruck kommt; diese sieht bekanntlich
die völlige Abschaffung des Interzessionsverbotes vor. Eine Änderung
der Praxis drängt sich aber auch im Blick auf die in der Berufung
angeführten Lehrmeinungen nicht auf. Bezeichnenderweise lehnen die
meisten Autoren, welche die bundesgerichtliche Rechtsprechung kritisieren,
das Interzessionsverbot als solches ab. Gegenüber der Auffassung des
Bundesgerichts, dass das Interzessionsverbot auf eine Verpflichtung,
der die Erfüllung in Form einer Verfügung auf dem Fusse folgt, keine
Anwendung findet, mögen dogmatische Bedenken am Platze sein. Sie führt
jedoch, wie LEMP mit Recht hervorhebt (N. 60 zu Art. 177 ZGB), zu einem
billigen Ergebnis und trägt dem Ausnahmecharakter dieser überholten
Bestimmung angemessen Rechnung. Zu Unrecht glaubt die Klägerin, aus BGE
97 II 294 die Andeutung einer Praxisänderung herauslesen zu können. Die
von ihr zitierte Stelle dieser Entscheidung bezieht sich auf Art. 177
Abs. 2 ZGB, und nicht auf Absatz 3 dieser Bestimmung. Auch der Hinweis
darauf, dass eine Gült unter dem Gesichtspunkt von Art. 177 Abs. 3 ZGB
anders behandelt werde als eine Grundpfandverschreibung (so Lemp, N. 57
zu Art. 177 ZGB), vermag eine Praxisänderung nicht zu rechtfertigen;
soweit eine unterschiedliche Behandlung der beiden Grundpfandarten sich
tatsächlich nicht rechtfertigen liesse, wäre vielmehr davon abzusehen,
Art. 177 Abs. 3 ZGB auf Gülten anzuwenden. Abwegig ist der in der Berufung
angestellte Vergleich mit der Bürgschaft, und zwar schon deshalb, weil eine
solche im Unterschied zur Grundpfandverschreibung zu einer unbeschränkten
Haftung der Ehefrau führt und sich in einer obligatorischen Verpflichtung
ohne anschliessende dingliche Verfügung erschöpft.

    Eine Ausdehnung des Interzessionsverbots auf einen Fall wie
den vorliegenden und die damit verbundene Änderung der bisherigen
bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist aus den dargelegten Gründen nicht
näher in Betracht zu ziehen. Damit erweist sich die Berufung auch in
dieser Hinsicht als unbegründet.