Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 325



108 II 325

63. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Oktober 1982
i.S. Europea Tosolini und Mitbeteiligte gegen EVG Entwicklungs- und
Verwaltungsgesellschaft mbH (Berufung) Regeste

    Erfindungshöhe, Übergangsrecht.

    Die Frage der Erfindungshöhe beurteilt sich für Altpatente nicht
nach Art. 1 des Patentgesetzes in der Fassung von 1976, sondern nach
altem Recht.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gegenstand der Berufung ist nach übereinstimmender Erklärung der
Parteien ausschliesslich die Frage, ob das Handelsgericht durch Verneinung
der Erfindungshöhe Bundesrecht verletzt hat. Während dem angefochtenen
Urteil das Patentgesetz in der Fassung von 1954 zugrunde liegt, berufen
sich die Beklagten auf die Fassung von 1976, wonach nicht patentfähig
ist, was sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt
(Art. 1 Abs. 2 PatG).

    a) Auch die Beklagten gehen zutreffend davon aus, dass sich für das
Streitpatent die "Nichtigkeitsgründe" weiterhin nach altem Recht beurteilen
(Art. 142 Abs. 2 lit. c PatG). Sie wollen das jedoch nur insoweit gelten
lassen, als es sich um den Katalog der Nichtigkeitsgründe in Art. 26 PatG
handelt, nicht aber für die Definition der Erfindung in Art. 1 PatG. Einer
solchen Differenzierung dürfte indes schon der Wortlaut von Art. 26 Ziff. 1
aPatG entgegenstehen, wonach ein Patent nichtig zu erklären ist, "wenn die
Voraussetzungen des ersten Absatzes von Art. 1 nicht erfüllt sind". Welches
diese Voraussetzungen sind, bildet demnach Teil des Nichtigkeitsgrundes,
für den insgesamt altes Recht anzuwenden ist.

    Richtig ist freilich, dass mit dem Beitritt zum Europäischen
Patentharmonisierungsabkommen und mit der Anpassung des Patentgesetzes
die bisherigen Anforderungen an die Erfindungshöhe gemildert werden
sollten (Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Patentgesetzes vom
24. März 1976, BBl 1976 II 67). Entgegen der Meinung der Beklagten heisst
das keineswegs, dass diese Grundsätze auch auf Altpatente anzuwenden
seien. Die Übergangsbestimmung von Artikel 12 des Abkommens (BBl 1976
II 135 f.) bezieht sich nur auf neue Patenterteilungen und besagt nichts
für die Behandlung von Altpatenten.

    Entscheidend ist jedoch der zutreffende Hinweis der Klägerin, dass
bei der Revision des Patentgesetzes die Beibehaltung der bisherigen
Nichtigkeitsgründe für Altpatente ausdrücklich damit begründet wurde,
nur so werde "eine nicht beabsichtigte Rückwirkung des neuen Gesetzes",
das die Patentierbarkeitsvoraussetzungen ändere, vermieden (BBl 1976 II
115). Dies setzt indessen voraus, dass Art. 1 ebenfalls in der früheren
Fassung angewandt wird. Das entspricht denn auch Lehre und Rechtsprechung
zu Art. 112 lit. a aPatG, der gleich lautet wie die Übergangsbestimmung
von Art. 142 Abs. 1 lit. c PatG (BGE 89 II 164 E. 3, 93 II 509 E. 3). In
Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil ist daher die Frage der
Erfindungshöhe nach altem Recht zu beurteilen.