Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 321



108 II 321

62. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. September 1982 i.S.
Fischer gegen Schärer (Berufung) Regeste

    Art. 9, 18 Abs. 2 und 19 Abs. 1 BMM. Vereinbarungen, wonach während der
festen Vertragsdauer der Mietzins periodisch entsprechend der Entwicklung
des Landesindexes für Konsumentenpreise angepasst werden kann.

    1. Derartige Vereinbarungen erlauben es dem Mieter nicht nur, sich
einer auf die vorgesehenen Termine bekanntgegebenen Mietzinserhöhung
zu widersetzen, sondern berechtigen ihn davon unabhängig ferner auf die
festgelegten Termine zur Anfechtung des gegenwärtigen Mietzinses, wenn
er diesen beispielsweise infolge einer Senkung des Hypothekarzinssatzes
für missbräuchlich hält (E. 2a).

    2. Im Falle erfolgreicher Anfechtung gemäss Art. 19 Abs. 1 BMM ist es
dem Vermieter unbenommen, den Mietzins auf den nächsten Anpassungstermin
entsprechend zu erhöhen, auch wenn zwar nicht der Landesindex für
Konsumentenpreise, wohl aber der Hypothekarzinssatz gestiegen ist (E. 2b).

Sachverhalt

    A.- Caesar Fischer hat seit 1. Januar 1972 im Gewerbegebäude Alex
Schärers in Littau eine Fläche von ca. 6000 m2 für die Dauer von zwanzig
Jahren zu einem jährlichen Mietzins von Fr. 289'055.95 gemietet. Dieser
kann jeweils auf 31. Dezember dem Landesindex der Konsumentenpreise
angepasst werden. Nach der letzten Erhöhung betrug er für das Jahr 1975
Fr. 371'089.85. Wegen einer zugesicherten Senkung des Hypothekarzinssatzes
auf 1. Juli 1977 ermässigte Schärer den Mietzins "ohne Präjudiz" auf
Fr. 363'000.--.

    Am 29. Juli 1980 ersuchte Fischer unter Hinweis auf die weiterhin
rückläufige Entwicklung des Hypothekarzinssatzes um Herabsetzung des
Mietzinses auf Fr. 290'000.--. Da hierüber keine Einigung zustande kam,
reichte Fischer am 19. Januar 1981 Klage ein mit dem Antrag, der jährliche
Mietzins sei mit Wirkung ab 1. Juli 1980 auf Fr. 295'865.35, eventuell auf
einen Betrag nach richterlichem Ermessen festzusetzen, die Indexklausel
aufzuheben und der Mietzins mit dem Zinssatz der Luzerner Kantonalbank für
erste Hypotheken auf gewerblichen Bauten zu verknüpfen; eventuell sei der
Mietzins automatisch an den Landesindex der Konsumentenpreise anzupassen;
ausserdem sei Schärer zu verpflichten, ihm Fr. 50'801.10 nebst Zins
zu bezahlen.

    Das Amtsgericht Luzern-Land wies die Klage ab, soweit es auf sie
eintrat.

    Das Obergericht des Kantons Luzern, vor dem Fischer nur noch verlangte,
der jährliche Mietzins sei auf Fr. 295'865.35 per 31. Juli 1980,
eventuell auf einen richterlich zu bestimmenden Betrag herabzusetzen,
wies die Klage am 26. Oktober 1981 zur Zeit ab.

    Mit eidgenössischer Berufung beantragt Fischer, das Urteil des
Obergerichts aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuweisen, damit es
materiell entscheide.

    Schärer schliesst auf Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Obergericht gelangt zum Schluss, der Kläger könne während der
vereinbarten Dauer des Mietvertrages keine Herabsetzung des Mietzinses
gemäss Art. 19 Abs. 1 BMM verlangen, so dass die Klage zur Zeit abgewiesen
werden müsse.

    Der Kläger hält diese Auffassung für bundesrechtswidrig.

    a) Ermässigungen des Mietzinses gemäss Art. 19 Abs. 1 BMM können nur
auf den Zeitpunkt der Auflösbarkeit des Mietvertrages verlangt werden;
gleich wie Kostensteigerungen nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist auf
den Mieter überwälzt werden können, kann er auch nicht beanspruchen,
dass ihm Kostensenkungen vor Ablauf dieser Frist zugute kommen (BGE
107 II 263 E. 3b). Das Bundesgericht geht in diesem Entscheid von
einem Mietvertrag aus, dessen Mietzins grundsätzlich bis zum Ablauf
der Vertragsdauer unverändert bleibt. Eine anderweitige Vereinbarung
zwischen den Vertragsparteien wird aber ausdrücklich vorbehalten. Dieser
Grundsatz, wonach eine Anpassung des Mietzinses erst auf den Zeitpunkt der
Auflösbarkeit des Vertrages möglich wird, kann demnach dort nicht gelten,
wo die Parteien wie vorliegend in einer Indexklausel jeweils auf Ende
Jahr die Möglichkeit einer Anpassung des Mietzinses vereinbaren.

    Eine allfällige Erhöhung des Mietzinses muss, auch wenn sie sich
auf eine Indexvereinbarung stützt, vom Vermieter mit einem vom Kanton
genehmigten Formular bekannt gemacht werden (Art. 18 Abs. 2 und 3 BMM
in Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 VMM). Der Mieter kann eine solche
rechtmässig mitgeteilte Anpassung des Mietzinses gemäss Art. 18 Abs. 2
BMM anfechten. Seit der Einführung des Art. 19 BMM im Jahre 1977 kann er
zudem den Mietzins bei wesentlicher Änderung der Berechnungsgrundlagen
als missbräuchlich anfechten. Soll nun aber aufgrund von Art. 9 BMM,
der diese Anfechtungsmöglichkeiten vorbehält, ein indexgebundener Mietzins
umfassend als missbräuchlich angefochten werden können (vgl. Amtl.Bull. N
I 1972, S. 960, 963, 989, Amtl.Bull. S 1972, S. 319, 331/2; BBl 1972 I
1242, BBl 1976 III 860; BGE 103 II 272), so setzt das voraus, dass der
Mieter bei jedem vertraglich vereinbarten Anpassungstermin, auch wenn
der Vermieter den Zins nicht erhöht, auf Herabsetzung bestehen kann,
sofern die Voraussetzungen von Art. 19 BMM erfüllt sind. Der Vermieter
soll nicht einseitig den Mietzins nur dann anpassen können, wenn er
nicht damit rechnen muss, dass der Mieter bei dieser Gelegenheit die
Höhe des Zinses - trotz steigendem Index aber etwa wegen einer Senkung
des Hypothekarzinssatzes - wird anfechten können.

    Demnach muss der Mieter nicht nur die Möglichkeit haben, sich aufgrund
von Art. 9 BMM gegen eine allfällige Erhöhung des Mietzinses zur Wehr
zu setzen, sondern er muss unabhängig davon auf jeden Anpassungstermin
die Höhe des Mietzinses anfechten können, wenn er der Auffassung ist,
dieser sei zwar vertragskonform, aber im Sinne des BMM missbräuchlich
geworden. Das ist die einzige Lösung, die dem Sinn und Zweck sowohl des
Art. 9 wie auch des Art. 19 BMM gerecht wird.

    b) Nach einer erfolgreichen Anfechtung wegen gesunkenem
Hypothekarzinssatz muss aber auch dem Vermieter das Recht zugestanden
werden, bei einem nächsten Anpassungstermin eine Mietzinserhöhung
mitzuteilen, auch wenn zwar nicht der Landesindex für Konsumentenpreise,
wohl aber der Hypothekarzinssatz wieder gestiegen ist.

    c) Die Parteien haben den Mietzins unter dem Vorbehalt indexiert,
dass er nicht unter den Basismietzins herabgesetzt werde. Der Mietzins von
mindestens Fr. 289'055.95 gilt somit als fest vereinbart. Eine Herabsetzung
unter diesen Betrag könnte daher aufgrund von Art. 19 Abs. 1 BMM erst
nach Ablauf der Vertragsdauer verlangt werden.