Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 314



108 II 314

60. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. November 1982 i.S.
Gorali gegen Lloyds Bank International Ltd. (Berufung) Regeste

    Gefälschter Vergütungsauftrag an eine Bank, Frage der Haftung.

    1. Eine Vergütung, die nicht auf Weisung des Kunden erfolgt ist,
kann dennoch ihren Grund im Rechtsverhältnis haben, das dieser mit
der Bank eingegangen ist. Auch ein gefälschter Vergütungsauftrag kann
daher eine Anweisung an die Bank darstellen. Die vertraglich vereinbarte
Risikoverteilung, wonach der Kunde die Folgen von Fälschungen zu tragen
hat, ausser im Falle grober Fahrlässigkeit seitens der Bank, ist zulässig
(E. 2).

    2. Bedeutung von internen Weisungen und von Usanzen in bezug auf das
Mass der von der Bank allgemein zu beobachtenden Sorgfalt (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Jacobo Alejandro Gorali unterhält ein Wertschriftendepot und
ein Kontokorrent bei der Zweigniederlassung Zürich der Lloyds Bank
International Ltd. Diese wurde am 23. Mai 1979 durch eine Alejandro Gorali
als Absender nennende Telex-Mitteilung aus Frankfurt um Beachtung eines
brieflich erteilten Vergütungsauftrags ersucht. Am 28. Mai 1979 ging
bei ihr ein am 23. Mai 1979 in Frankfurt abgefasstes, mit J. A. Gorali
unterzeichnetes Schreiben ein, das sie anwies, einen beigelegten,
handschriftlich ausgefüllten, von der Petroquimicas del Sur S.A.C.I.F. auf
die Bank of America in San Francisco gezogenen Check über US $ 545'500
dem Konto "at call" Goralis gutzuschreiben und hierauf US $ 280'000 auf
das Konto Goralis bei der Lloyds Bank in New York und US $ 145'000 per
Telex an die Dresdner Bank in Frankfurt auf das Konto von Fonsecas Burnay
zu überweisen. Die Zweigniederlassung Zürich der Lloyds Bank schrieb
Gorali den Checkbetrag unter Eingangsvorbehalt gut, nahm die verlangten
Vergütungen vor und leitete den Check an die bezogene Bank weiter. Als sich
herausstellte, dass brieflicher Auftrag und Check gefälscht waren und auch
die Telex-Mitteilung nicht durch Gorali veranlasst worden war, wurde die
Gutschrift auf dessen Konto storniert. Die der Dresdner Bank vergüteten
und an eine portugiesische Bank in Lissabon weitergeleiteten US $ 145'000
waren in drei Teilbeträgen am 11., 13. und 18. Juni 1979 abgehoben worden.

    B.- Gorali begehrte mit Klage vom 5. Juni 1980, die Zweigniederlassung
Zürich der Lloyds Bank sei zu verpflichten, die in dieser Angelegenheit
vorgenommenen Gutschriften und Belastungen sowie sämtliche darauf
beruhenden Zins-, Kommissions- und Spesenbelastungen valutagerecht zu
stornieren.

    Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage am 1. Dezember
1981 ab.

    Eine vom Kläger erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies das
Kassationsgericht des Kantons Zürich ab, soweit es darauf eintrat. Das
Bundesgericht heisst die vom Kläger gegen das Urteil des Handelsgerichts
erhobene Berufung teilweise gut und weist die Sache im Sinne der Erwägungen
an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Vorweg ist der Einwand des Klägers zu beurteilen, die Beklagte
könne sich weder nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag auf die
vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkung berufen und Auslagenersatz
beanspruchen, noch stehe ihr nach den Bestimmungen des Kontokorrent- und
Girovertrags ein Anspruch auf Verwendungsersatz zu, da sie ohne Auftrag
gehandelt habe.

    Der Kläger verkennt, dass die umstrittene Vergütung von US $ 145'000,
obwohl sie nicht auf seine Weisung erfolgte, dennoch ihren Grund im
Rechtsverhältnis hat, das er mit der Beklagten eingegangen ist. Hätte
dieses Verhältnis nicht bestanden, so hätte die Beklagte auf das gefälschte
Schreiben vom 23. Mai 1979 hin nichts vergütet, so dass nicht gesagt werden
kann, der gefälschte Vergütungsauftrag stelle überhaupt keine Anweisung
an die Bank dar (unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom
25. Oktober 1960 i.S. Okcuoglu gegen Schweizerische Bankgesellschaft,
E. 3; KLEINER, Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, Giro- und
Kontokorrentvertrag, S. 62). Die Bestimmungen über die Geschäftsführung
ohne Auftrag können deshalb nicht anwendbar sein, sondern es ist auf das
zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis abzustellen. Wenn
gemäss Ziff. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen jeder infolge
unentdeckter Fälschung entstehende Verlust vom Kunden zu tragen ist, es
sei denn, der Bank falle eine grobe Pflichtversäumnis zur Last, so kann
das nichts anderes heissen, als dass der Kunde die Folgen von Fälschungen
zu tragen hat, ausser im Falle grober Fahrlässigkeit seitens der Bank
(unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 25. Oktober 1960
i.S. Okcuoglu gegen Schweizerische Bankgesellschaft, E. 4). Ziff. 11
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ermächtigt die Bank ausserdem,
gutgeschriebene Checks, die nicht eingelöst werden, dem Konto des Kunden
wieder zu belasten. Schliesslich ist gegen eine vertraglich vereinbarte
Risikoverteilung, wonach die Bank nur bei grober Fahrlässigkeit haftet,
nichts einzuwenden, da sie dem Vorbehalt von Art. 100 Abs. 1 OR Rechnung
trägt.

Erwägung 4

    4.- Die Beklagte hat nach der Auffassung des Klägers auch bei der
Ausführung der ihr erteilten Weisung grob unsorgfältig gehandelt. Die
Vergütung von US $ 145'000 hätte sowohl gemäss Schreiben vom 23. Mai 1979
wie nach allgemeiner Lebenserfahrung nur unter der selbstverständlichen
Voraussetzung vorgenommen werden dürfen, dass der Check gedeckt sei. Wenn
die Vorinstanz schon einräume, die Beklagte hätte sich bei einem Handeln in
eigener Sache zunächst vom Vorhandensein ausreichender Deckung überzeugt,
so habe diese, als sie die Vergütung ohne jene Gewissheit vornahm,
jedenfalls der diligentia quam in suis nicht genügt, die sie auch bei
der Wahrung der klägerischen Interessen hätte aufwenden müssen. Der
Kläger wirft dem Handelsgericht ferner vor, Art. 8 ZGB verletzt zu haben,
indem es über seine Behauptung keinen Beweis abgenommen habe, dass als
Minimumstandard bei allen Banken die Usanz bestehe, sich bei einem mit
einem Checkinkasso verbundenen Vergütungsauftrag zunächst zu versichern,
dass der Check gedeckt sei. Ob eine solche Usanz ausdrücklich zum
Vertragsbestandteil erhoben wurde, sei nicht massgebend, da sie die
allgemein zu beobachtende Sorgfalt wiedergebe. Anzunehmen, interne
Weisungen dienten allein dem Schutz der Banken, sei unhaltbar.

    Aus dem Schreiben vom 23. Mai 1979, so wie es die Beklagte nach Treu
und Glauben im Geschäftsverkehr verstehen durfte und musste (BGE 105 II 18
E. 3a mit Hinweisen), ergibt sich keineswegs, dass die verlangte Vergütung
erst nach Eingang des Checkbetrags hätte vorgenommen werden dürfen; gerade
dies hätte ja den Absichten seines Verfassers klar widersprochen. Mit dem
Hinweis sowohl auf die allgemeine Lebenserfahrung, nach der angeblich kein
besonnener Geschäftsmann den Check ohne ausgewiesene Deckung eingelöst
hätte, als auch auf eine Usanz, gemäss der sich Banken vor der Ausrichtung
von Vergütungen zuerst der Deckung des Checks versichern sollen, macht
der Kläger geltend, so werde tatsächlich im allgemeinen vorgegangen. Das
Handelsgericht nimmt demgegenüber an, Checks von guten und bekannten Kunden
- und der Kläger zieht nicht in Zweifel, dass er das sei - würden in der
Regel sofort unter Eingangsvorbehalt gutgeschrieben, während Rückfragen
beim Bezogenen dann erfolgten, wenn Barauszahlung verlangt werde und der
Kunde beim Ausbleiben der Checkzahlung für die Bank nicht mehr greifbar
wäre. Die Vorinstanz bezeichnet diese Erwägung tatsächlicher Natur weder
als auf sicherer Kenntnis ihrer Fachrichter gründend, so dass gemäss §
133 ZPO/ZH kein Beweis abzunehmen gewesen wäre, noch ist erkennbar, worauf
sie sich dabei zu stützen vermöchte; in den Akten fehlt es insbesondere an
protokollierten, übereinstimmenden fachrichterlichen Voten dieses Inhalts
(Art. 51 Abs. 1 lit. c OG).

    Das Handelsgericht unterstellt allerdings, wie dies auch das
Kassationsgericht hervorhebt, nach der eigenen klägerischen Darstellung
bestehe hinsichtlich der Abwicklung von Geschäften wie dem in Frage
stehenden keine Usanz. Darin liegt ein offensichtliches Versehen im
Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG, das der Kläger als Aktenwidrigkeit rügt. Den
Anbringen in Klage, Replik und Stellungnahme zu den Duplikneuerungen ist
eindeutig die Behauptung zu entnehmen, es bestehe aufgrund prinzipiell
gleichartiger interner Weisungen sämtlicher Banken eine Usanz im Sinne
eines bestimmten Minimumstandards, selbst wenn in Einzelheiten, so
namentlich bezüglich der Freigrenze, gewisse Unterschiede vorhanden
seien. Die Vorinstanz hat den Standpunkt des Klägers, bevor sie ihn
rechtlich würdigte, denn auch selbst so zusammengefasst. Seine Behauptung,
für die Beweise angetragen worden sind, betrifft offensichtlich eine
entscheiderhebliche und bestrittene Tatsache. Denn gleichartige interne
Weisungen bei sämtlichen oder jedenfalls einer Vielzahl von Banken
bestimmen wie Usanzen das Mass allgemein zu beobachtender Sorgfalt.
Ob solche internen Richtlinien Vertragsbestandteil bilden, wäre nur dann
entscheidend, wenn es nicht um Haftung für behauptete Unsorgfalt, sondern
um nicht richtige Erfüllung des Auftrags ginge. Das Handelsgericht hat
somit Art. 8 ZGB verletzt, der einen Anspruch auf Abnahme anerbotener
Beweise zu erheblichen, bestrittenen Tatsachen gewährt (BGE 105 III
116 mit Hinweisen). Seine tatsächliche Annahme bezüglich dessen, wie
von den Banken in der Regel vorgegangen werde, ist in Verletzung dieser
Beweisvorschrift zustande gekommen, so dass sie das Bundesgericht nicht
bindet (Art. 63 Abs. 2 OG).

    Unter solchen Umständen aber fehlt es an den erforderlichen
tatsächlichen Feststellungen, um die Rechtsanwendung durch die Vorinstanz
in diesem Punkte überprüfen zu können. Weil das Vorliegen grober
Unsorgfalt bei gelungenem Nachweis der vom Kläger behaupteten Tatsachen
nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, ist eine Rückweisung der
Sache an das Handelsgericht nicht zu umgehen. Für den Fall des Bestehens
interner Weisungen des behaupteten Inhalts einzig bei der Beklagten oder
wenigen anderen Banken wäre voraussichtlich eine grobe Fahrlässigkeit zu
verneinen, selbst wenn der Beauftragte an sich zur Wahrung mindestens
jener Sorgfalt als gehalten betrachtet würde, die er in eigener Sache
anzuwenden pflegt. Denn es ginge nicht an, jemanden im Unterschied zu
seinen Fachgenossen, die übliche Sorgfalt aufwenden, deswegen eher haften
zu lassen, weil er in eigener Sache weit zurückhaltender und vorsichtiger
als diese ist. Sollte sich dagegen ergeben, dass die vom Kläger behauptete
Usanz beim Grossteil der Banken besteht, so käme eine Haftung der Beklagten
wegen grober Verletzung der Sorgfaltspflicht in Frage.