Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 305



108 II 305

59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Juni 1982
i.S. Reller AG und Brescianini Söhne gegen Einwohnergemeinde Spreitenbach
(Berufung) Regeste

    Forderung eines Unterakkordanten gegen eine Gemeinde für Arbeiten
an einem Schulhaus auf deren Grundstück im Falle der Zahlungsunfähigkeit
des Generalunternehmers.

    1. Für Bauarbeiten auf dem Grundstück einer Gemeinde, an dem kein
Bauhandwerkerpfandrecht errichtet werden kann (Verwaltungsvermögen),
besteht keine subsidiäre Haftung des Gemeinwesens gegenüber
einem Bauhandwerker, der als Unterakkordant tätig war und dessen
Werklohnforderung wegen Zahlungsunfähigkeit des Generalunternehmers nicht
beglichen wurde (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1).

    2. Ersatzanspruch des Unterakkordanten gestützt auf Art. 41 OR? (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Die Einwohnergemeinde Spreitenbach übertrug der Horta
Generalunternehmung AG Aarau (im folgenden "Horta" genannt) als
Generalunternehmerin die Erstellung des Unterstufenschulhauses "Hasel"
auf gemeindeeigenen Grundstücken in Spreitenbach. In dem als Werkvertrag
bezeichneten Generalunternehmervertrag vom 29. Oktober 1973 wurde für
die Ausführung dieses Bauwerks ein Pauschalpreis von Fr. 3'993'400.--
vereinbart, zuzüglich Kosten für allfällige Mehraufwendungen sowie für
verschiedene im Vertrag näher bezeichnete Positionen; vorbehalten blieb
ferner die Erhöhung des Pauschalpreises infolge der Bauteuerung. Nach
Ziff. 3.2.5 des Vertrages verpflichtete sich die Horta, die von der
Bauherrin geleisteten Zahlungen ausschliesslich zur Befriedigung der
am Bau beteiligten Handwerker, Lieferanten etc. zu verwenden. In
Ziff. 3.2.6 wurde bestimmt, die Horta sei dafür besorgt, dass
keine Bauhandwerkerpfandrechte im Grundbuch eingetragen würden, und
leiste soweit nötig Sicherstellungen (gemeint offenbar zur Abwendung
allfälliger Bauhandwerkerpfandrechte). Gemäss Ziff. 8.2 hatte die Horta
als Sicherstellung die Bürgschaftsverpflichtung einer Bank im Betrage von
Fr. 1'000'000.-- zu hinterlegen; sie kam dieser Verpflichtung in der Weise
nach, dass sie eine entsprechende Solidarbürgschaft der Schweizerischen
Bankgesellschaft Aarau beibrachte. Nach Ziff. 7.1 des Vertrages konnte
die Gemeinde für die Arbeitsvergebung Spreitenbacher Firmen vorschreiben,
sofern der Mehrpreis nicht mehr als 4% der von der Horta vorgeschlagenen
Firma betrug und dieser Mehrpreis von der Gemeinde übernommen wurde.

    In der Folge schloss die Horta mit den zu einer Arbeitsgemeinschaft
zusammengeschlossenen Bauunternehmungen Reller AG und Brescianini einen
Werkvertrag für die Baumeisterarbeiten im Betrage von Fr. 1'261'142.55
ab, nachdem die Gemeinde Spreitenbach ein Abgebot dieser Unternehmer vom
ursprünglich verlangten Werklohn erwirkt hatte.

    Gegen Ende der Schulhauserstellung geriet die Horta in finanzielle
Schwierigkeiten. Am 16. Juli 1975 wurde ihr eine Nachlassstundung
bewilligt und am 7. April 1976, nachdem kein Nachlassvertrag zustande
gekommen war, der Konkurs über sie eröffnet. Die mit der Ausführung der
Baumeisterarbeiten betrauten Unternehmer, denen nach der bereinigten
Bauabrechnung eine Gesamtforderung von Fr. 1'469'000.-- zustand, blieben
für einen Teil des Werklohnes ungedeckt. Nachdem sich die Eintragung eines
Bauhandwerkerpfandrechtes als rechtlich unmöglich erwiesen hatte, machten
sie den erlittenen Ausfall direkt gegenüber der Gemeinde Spreitenbach
geltend. Diese bestritt eine entsprechende Schuldpflicht.

    B.- Mit Eingabe vom 14. Januar 1976 reichten die Firmen Reller AG und
Brescianini Söhne beim Bezirksgericht Baden gegen die Einwohnergemeinde
Spreitenbach Klage ein, mit dem Begehren, diese sei zu verpflichten,
ihnen Fr. 241'979.90 nebst 5% Zins ab 13. Juli 1975 zu bezahlen. In der
Replik wurde die geforderte Summe unter Hinweis auf eine nachträglich
eingegangene Zahlung auf Fr. 144'520.-- reduziert.

    Das Bezirksgericht Baden (I. Abteilung) wies die Klage mit Urteil
vom 2. Juli 1980 ab.

    C.- Die Kläger reichten gegen das bezirksgerichtliche Urteil
Appellation an das Obergericht des Kantons Aargau ein. Sie hielten darin
am Antrag auf Gutheissung der Klage vollumfänglich fest und stellten eine
Reihe von Beweisanträgen.

    Am 29. Oktober 1981 wies das Obergericht (2. Zivilabteilung) die
Appellation ab.

    D.- Gegen diesen Entscheid haben die Kläger sowohl Berufung als
auch staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Mit der
Berufung stellen sie den Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben
und die Beklagte sei zu verpflichten, ihnen Fr. 144'520.-- nebst 5% Zins
seit 13. Juli 1975 zu bezahlen; eventuell sei die Sache zu allfälliger
Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung. Das Obergericht hat
auf Bemerkungen zur Berufung verzichtet.

    E.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist mit Urteil vom heutigen Tag
abgewiesen worden, soweit darauf einzutreten war.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- In der Berufungsschrift wird vorab geltend gemacht, die Vorinstanz
habe Bundesrecht verletzt, indem sie in Anlehnung an die Rechtsprechung
des Bundesgerichts das Vorliegen einer Gesetzeslücke verneint und den
Klägern anstelle des an Verwaltungsvermögen einer Gemeinde unzulässigen
Bauhandwerkerpfandrechts nicht ein direktes Forderungsrecht gegenüber
der Beklagten zugebilligt habe. Das Bundesgericht wird ersucht, seine
bisherige Praxis in Wiedererwägung zu ziehen und dahin abzuändern,
dass den für ein Werk auf öffentlichem Grund tätigen Bauhandwerkern in
dem Umfang ein direkter Zugriff gegen das Gemeinwesen zuerkannt werde,
als ihnen für ihre Werklohnforderung kein Bauhandwerkerpfandrecht zustehe
und sie vom Generalunternehmer, mit dem sie in einem Vertragsverhältnis
stehen, keine Deckung erhalten könnten.

    In BGE 103 II 238 f. E. 5 hat es das Bundesgericht in einem
vergleichbaren Fall abgelehnt, eine Gesetzeslücke anzunehmen, die auf
dem Wege der Rechtsprechung ausgefüllt werden könnte. Es handelte
sich um eine Baute auf einem Grundstück der Eidgenossenschaft,
das zum Verwaltungsvermögen gehörte und auf dem deshalb kein
Bauhandwerkerpfandrecht eingetragen werden konnte (PTT-Anlage auf dem
Chasseral, die unter anderem verschiedenen Zwecken der Telephonie und
des Fernsehens dient und deren Ausführung einem später zahlungsunfähig
gewordenen Generalunternehmer übertragen worden war). Das Bundesgericht
führte aus, dass die mit der Klage geforderte subsidiäre Haftpflicht des
Staates für die ungedeckte Werklohnforderung sich aus dem öffentlichen
Recht ableiten lassen müsste, dass das öffentliche Recht des Bundes
jedoch keine Grundlage dafür biete und dass eine solche Haftung auch
nicht in das System des schweizerischen Zivilrechts passen würde;
letzteres kenne eine ausservertragliche Haftung grundsätzlich nur für
widerrechtliche Schädigungen und ungerechtfertigte Bereicherungen. Da es
sich im vorliegenden Fall um ein Bauwerk auf einem Grundstück handelt,
das zum Verwaltungsvermögen einer Gemeinde gehört, müsste sich die
Grundlage für die Haftung der Beklagten eigentlich aus dem kantonalen
öffentlichen Recht ergeben. In der Berufung wird nicht geltend gemacht,
dass das aargauische Recht eine entsprechende Regelung enthalte. Das
Bundesgericht wäre im übrigen auch nicht in der Lage, im Rahmen des
vorliegenden Verfahrens die Anwendung kantonalen Rechts zu überprüfen.

    Auf die in BGE 103 II 238 f. vertretene Auffassung zurückzukommen und
durch Annahme einer Gesetzeslücke im Bundeszivilrecht eine subsidiäre
Staatshaftung für ungedeckte Bauhandwerkerforderungen einzuführen,
besteht kein Anlass. Dass der Gesetzgeber nicht vorausgesehen hat,
Bauhandwerker könnten in Fällen wie dem vorliegenden zu Schaden kommen,
reicht hiefür ebensowenig aus wie der Umstand, dass die gegenwärtige
Rechtslage nicht zu befriedigen vermag. Es ginge zu weit, annehmen zu
wollen, die Rechtsordnung müsse den Bauhandwerkern dort, wo das ihnen
eingeräumte Privileg des gesetzlichen Pfandrechts versage, notwendigerweise
ein anderes Privileg einräumen. Es kommt immer wieder vor, dass das einem
gewissen Personenkreis eingeräumte Vorrecht sich aus zwingenden Gründen
nicht auszuwirken vermag. Es ist Sache des Gesetzgebers, in solchen Fällen
für Abhilfe zu sorgen, wenn er die Situation als untragbar erachtet. Der
Richter vermag auf dem Wege der Lückenfüllung nur dort zu helfen, wo die
Rechtsordnung sonst an einem unlösbaren Widerspruch leiden würde. Das ist
bei der Unzulässigkeit des Bauhandwerkerpfandrechts an Grundstücken, die
zum Verwaltungsvermögen eines Gemeinwesens gehören, nicht der Fall. Das
Pfandrechtsprivileg setzt naturgemäss voraus, dass an einer Liegenschaft
überhaupt ein Pfandrecht bestellt werden kann. Wo dies nicht möglich
ist, folgt daraus nicht zwangsläufig, dass eine ganz andere Art von
Privileg, nämlich die subsidiäre Haftung des Grundeigentümers mit seinem
gesamten Vermögen, an die Stelle des Pfandrechts treten muss. Auch LIVER,
auf dessen kritischen Besprechungen der bundesgerichtlichen Praxis die
Berufung Bezug nimmt, sieht die Lösung der von ihm als unbefriedigend und
mehr als stossend bezeichneten Situation nicht einfach in der Bejahung
einer voraussetzungslosen Haftung des Gemeinwesens. Er betrachtet es
vielmehr als eine Verletzung der Sorgfaltspflicht, wenn ein Bauherr,
der sich jeder Verantwortung gegenüber den Bauhandwerkern entschlägt,
einen Generalunternehmer einschiebt, der keine Gewähr für die Bezahlung
der Unternehmer und Bauhandwerker zu bieten vermag; daraus will er eine
direkte Haftung des betreffenden Bauherrn ableiten (vgl. ZBJV 115/1979,
S. 262; ZBJV 116/1980, S. 154 oben). Eine Sorgfaltspflichtverletzung als
solche reicht jedoch nicht durchwegs aus, eine Haftung zu begründen.

Erwägung 2

    2.- In zweiter Linie wird geltend gemacht, die Pflicht der
Beklagten zur Bezahlung des Restguthabens der Kläger ergebe sich
aus der Verletzung von sogenannten Schutzpflichten, die auf Grund
von Art. 2 ZGB auch ohne direkte Vertragsbeziehungen aus dem Bestehen
geschäftlicher Kontakte erwüchsen. Ansatzpunkt für die Entstehung eines
Schutzverhältnisses mit besonderen Pflichten sei die culpa in contrahendo;
in ein solches Schutzverhältnis könne neben den Hauptpartnern auch ein
Dritter miteinbezogen sein. Die Beklagte habe den Klägern gegenüber in
mehrfacher Beziehung solche Schutzpflichten verletzt, indem sie nicht
nur einen zahlungsunfähigen Generalunternehmer gewählt, sondern beim
Abschluss und bei der Abwicklung des Generalunternehmervertrages nicht
besser dafür gesorgt habe, dass die Handwerker von der Horta aus den
Zahlungen der Beklagten auch wirklich befriedigt würden. So habe sie
sich als Bauherrin nicht das Recht ausbedungen, die Bauhandwerker direkt
auszuzahlen oder die richtige Verwendung ihrer Zahlungen an die Horta
durch einen Treuhänder überwachen zu lassen. Mit der Bezeichnung eines
Kontos für die Überweisungen der Beklagten an die Horta in Ziff. 3.2.3
des Generalunternehmervertrages sei zudem gegenüber den Bauhandwerkern
der Anschein eines speziellen Kontos und damit einer besonderen Sicherung
der Bezahlung der Handwerkerforderungen erweckt worden; dieser Anschein
begründe eine Pflicht zum Schutz des geweckten Vertrauens. Auch die
verschiedenen direkten Kontakte zwischen der Beklagten und den Handwerkern
bei der Arbeitsvergebung und in der Phase der Vertragserfüllung hätten
ein besonderes Vertrauensverhältnis begründet. Die sich daraus ergebenden
Schutzpflichten habe die Beklagte krass verletzt, indem sie auf Anweisung
der Horta Zahlungen auf ein anderes als das vertraglich bezeichnete Konto
geleistet und die Kläger nie gewarnt, sondern im Gegenteil versucht habe,
diese zu beschwichtigen.

    a) Die Berufung geht davon aus, dass zwischen der Beklagten und den
Klägern kein Vertragsverhältnis zustande gekommen sei. Damit steht auch
nach Auffassung der Kläger fest, dass die eingeklagte Forderung nicht aus
der Verletzung einer von der Beklagten vertraglich übernommenen Pflicht
abgeleitet werden kann. Als Rechtsgrundlage für die Forderung kommt daher
nur eine Ersatzpflicht aus ausservertraglicher Schädigung in Betracht. Wenn
vom dogmatisch schwer einzuordnenden Fall der culpa in contrahendo
(vgl. dazu BGE 101 II 268 f. E. 4) zunächst einmal abgesehen wird,
könnte sich eine Schadenersatzpflicht der Beklagten somit nur ergeben,
wenn die Voraussetzungen des Art. 41 OR erfüllt wären. Nach Abs. 1 dieser
Bestimmung wird schadenersatzpflichtig, wer einem andern widerrechtlich
Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es fahrlässig. Nach Art. 41
Abs. 2 OR ist ebenso zum Ersatz des verursachten Schadens verpflichtet,
wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise
absichtlich Schaden zufügt.

    b) Art. 41 Abs. 1 OR kommt hier als Grundlage für eine
Schadenersatzpflicht schon deshalb nicht in Frage, weil es an der
Voraussetzung der Widerrechtlichkeit des Verhaltens der Beklagten
fehlt. Die Beklagte hat nicht gegen eine allgemeine gesetzliche Pflicht
verstossen und insbesondere kein absolutes Recht der Kläger wie das
Eigentum oder das Persönlichkeitsrecht verletzt, wenn sie beim Abschluss
und bei der Abwicklung des Generalunternehmervertrages mit der Horta
nicht besser dafür sorgte, dass die Forderungen der Kläger von der Horta
auch wirklich bezahlt würden. Als Rechtsnorm, aus der sich eine besondere
Schutzpflicht der Beklagten ergeben haben soll, wird in der Berufung einzig
Art. 2 ZGB genannt. Der Grundsatz des Handelns nach Treu und Glauben knüpft
jedoch, wie sich aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 ZGB ergibt, an bereits
bestehende Rechte und Pflichten einer Person an: "Jedermann hat in der
Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu
und Glauben zu handeln." Wo jemand weder nach Vertrag noch nach Gesetz
zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist, kann eine solche Pflicht
höchstens in eng umgrenzten Ausnahmefällen selbständig aus Art. 2 ZGB
abgeleitet werden. Es würde jedenfalls zu weit führen, dem Besteller eines
Werks gestützt auf Art. 2 ZGB allgemein die Pflicht auferlegen zu wollen,
beim Abschluss und bei der Abwicklung eines Generalunternehmervertrages
geeignete Vorkehren dafür zu treffen, dass die vom Generalunternehmer
zu bezahlenden Handwerker für ihre Werklohnforderungen auch wirklich
befriedigt werden. Eine solche Pflicht könnte höchstens dort in Erwägung
gezogen werden, wo mit der Zahlungsunfähigkeit des Generalunternehmers
auf Grund konkreter Anhaltspunkte von Anfang an gerechnet werden
muss. Davon kann hier indessen keine Rede sein. Auch die Kläger machen
nicht geltend, dass die Beklagte Anlass gehabt habe, der Horta bei
Abschluss des Generalunternehmervertrages zu misstrauen, oder dass sie
von Verdachtsgründen Kenntnis gehabt habe, die sie den Klägern in einer
gegen Treu und Glauben verstossenden Weise verschwiegen habe. Unter diesen
Umständen war es aber allein Sache der Kläger, sich der Horta gegenüber
Sicherheiten auszubedingen, um sich vor Verlusten zu schützen. Die von
jedem Vertragsschliessenden zu erwartende Sorgfalt bei der Wahrung der
eigenen Interessen kann nicht unter Berufung auf Art. 2 ZGB leichthin
auf eine andere Person verschoben werden.

    Auch was den Vorwurf der Kläger betrifft, sie hätten sich
auf den Anschein verlassen, dass die Verwendung der Zahlungen der
Beklagten an die Horta zur Befriedigung der Bauhandwerker durch den
Generalunternehmervertrag gesichert sei, fehlt es am Nachweis eines
gegen Art. 2 ZGB verstossenden Verhaltens der zuständigen Organe der
Beklagten. Es trifft nicht zu, dass diese durch entsprechende Handlungen
oder Unterlassungen in treuwidriger Weise einen solchen Anschein erweckt
hätten. Dafür genügt insbesondere nicht, dass im Generalunternehmervertrag
ein besonderes Konto der Horta für die Überweisungen der Beklagten und
eine Bankbürgschaft zur Sicherung der Verpflichtungen der Horta gegenüber
der Beklagten vorgesehen waren. Im übrigen wird nicht geltend gemacht,
dass der Gemeinderat der Einwohnergemeinde Spreitenbach den Klägern nach
den ersten Anzeichen der schlechten finanziellen Lage der Horta falsche
Angaben über die Sicherung der Bauhandwerkerforderungen gemacht habe. Auf
allfällige Beschwichtigungsversuche anderer Leute, die nicht befugt waren,
die Beklagte zu vertreten, durften sich die Kläger ohnehin nicht verlassen.

    c) Einen weiteren Anwendungsbereich als Art. 41 Abs. 1 OR weist Abs. 2
dieser Bestimmung insoweit auf, als die Ersatzpflicht bereits durch
ein gegen die guten Sitten verstossendes Verhalten ausgelöst wird. Die
in der Berufung gegenüber der Beklagten erhobenen Vorwürfe gehen denn
auch eher in diese Richtung. Art. 41 Abs. 2 OR erlaubt die Ausdehnung
der sich aus Abs. 1 ergebenden Schadenersatzpflicht auf Fälle, wo zwar
keine Widerrechtlichkeit vorliegt, das Rechtsgefühl aber dennoch eine
Ersatzpflicht verlangt, so z.B. bei der Verleitung zum Vertragsbruch
unter besonders stossenden Bedingungen, bei der Schädigung durch
unterlassene Warnung vor einer Gefahr oder bei der unaufgeforderten
Erteilung eines falschen Rates (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des
Schweizerischen Obligationenrechts, I. Bd., S. 416 f.; DESCHENAUX/TERCIER,
La responsabilité civile, S. 76/77). Ob ein Fall wie der vorliegende diese
Voraussetzung erfüllen würde, kann offen bleiben, da die Ersatzpflicht nach
Art. 41 Abs. 2 OR nur bei absichtlicher Schädigung eintritt. Davon kann
aber hier keine Rede sein. Eine Schädigungsabsicht der Beklagten wird
denn auch von den Klägern nicht geltend gemacht. Art. 41 Abs. 2 OR fällt
somit als Grundlage für die eingeklagte Forderung ebenfalls weg.

    d) Die Kläger berufen sich ferner auf culpa in contrahendo als
Ausgangspunkt für die Bejahung einer besonderen Schutzpflicht der Beklagten
ihnen gegenüber. Das Bundesgericht anerkennt in seiner Rechtsprechung
grundsätzlich eine gegenseitige Aufklärungspflicht von Parteien, die
in Vertragsverhandlungen eintreten (vgl. BGE 105 II 79 f. E. 2a; 102
II 84). Diese sich aus Art. 2 ZGB ergebende Aufklärungspflicht ist aber
sachlich nicht unbegrenzt und wurde bisher nur im Verhältnis künftiger
Vertragspartner untereinander bejaht. Selbst wenn in Übereinstimmung mit
der in der Berufung vertretenen Auffassung angenommen werden wollte,
die Beklagte hätte nach Treu und Glauben eine Aufklärungspflicht auch
gegenüber den Klägern als Vertragspartnern der Horta gehabt, weil
sie mit ihnen direkte Kontakte gehabt habe, liesse sich daraus keine
Schadenersatzpflicht der Beklagten herleiten. Die Beklagte hat den Klägern
nichts verschwiegen, was diese hätten wissen müssen, selber aber nicht in
Erfahrung bringen konnten. Die Kläger hatten auch keinen Grund anzunehmen,
dass die Beklagte im Generalunternehmervertrag mit der Horta für eine
Sicherung der Werklohnforderungen der Bauhandwerker sorgen werde. Nur wenn
von einer solchen Sicherung vorerst die Rede gewesen, im Vertrag mit der
Horta dann aber ohne Benachrichtigung der Kläger davon abgesehen worden
wäre, könnte sich die Frage einer Schadenersatzpflicht der Beklagten im
Sinne einer culpa in contrahendo stellen. Die Kläger bringen jedoch selber
nicht vor, dass ihnen von seiten der Beklagten irgendwelche Zusicherungen
hinsichtlich der Ausgestaltung des Generalunternehmervertrages mit der
Horta, insbesondere in bezug auf die Sicherung ihrer Werklohnforderungen,
gemacht worden seien. Unter diesen Umständen kann eine Schadenersatzpflicht
der Beklagten im Sinne der Haftung für culpa in contrahendo nicht in
Frage kommen. Soweit die Kläger aber nicht nur eine Aufklärungspflicht,
sondern eine darüber hinausgehende Schutzpflicht der Beklagten geltend
machen, würde die Rechtsprechung zur culpa in contrahendo hiefür ohnehin
keine Grundlage bieten.