Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 225



108 II 225

48. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juni 1982 i.S.
Griesser AG gegen Traber AG (Berufung) Regeste

    Art. 1 Abs. 2 lit. b UWG.

    Verwarnungen wegen angeblicher Patentverletzung sind nur dann als
unlauterer Wettbewerb zu qualifizieren, wenn der Patentinhaber um die
Nichtigkeit des Patentes weiss oder an dessen Rechtsbeständigkeit zumindest
ernsthaft zweifeln muss.

Sachverhalt

    A.- Die Griesser AG ist Inhaberin des Schweizer Patentes Nr.  577 104,
das einen von ihr hergestellten Faltrolladen betrifft.

    Die Traber AG fabriziert ebenfalls Rolladen, in denen die Griesser AG
eine Verletzung ihres Patentes erblickte. Die Traber AG liess dies nicht
gelten und warf ihrer Konkurrentin unter anderem unlauteren Wettbewerb
vor. Im April 1977 klagte sie beim Obergericht des Kantons Thurgau gegen
die Griesser AG auf Feststellung, dass das Patent Nr. 577 104 nichtig sei
(Ziff. 1) und dass die Beklagte unlauteren Wettbewerb begehe, indem sie
tatsächliche oder mögliche Geschäftspartner der Klägerin vor den Folgen
einer angeblichen Patentverletzung mündlich und schriftlich warnen lasse
(Ziff. 2). Sie verlangte ferner, der Beklagten solche Warnungen bei Strafe
zu verbieten (Ziff. 3), sie zu Schadenersatz zu verurteilen (Ziff. 4)
und das Urteil veröffentlichen zu lassen (Ziff. 5).

    Das Obergericht hiess die Klage am 12. Mai 1981 teilweise gut, indem
es das Feststellungsbegehren schützte, die übrigen Rechtsbegehren der
Klägerin aber abwies.

    B.- Die Griesser AG hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, der
sich die Traber AG mit den Anträgen angeschlossen hat, ihre Rechtsbegehren
2-5 ebenfalls gutzuheissen.

    Das Bundesgericht bestätigt das angefochtene Urteil.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Traber AG hält die von der Griesser AG ausgesprochenen
Verwarnungen wegen der Nichtigkeit des Streitpatentes Nr. 577 104
für objektiv rechtswidrig und zudem ein Verschulden der Griesser AG
für gegeben. Sie wirft dem Obergericht vor, ihre Klagebegehren wegen
unlauteren Wettbewerbs zu Unrecht abgewiesen und dadurch Art. 1 und 2
UWG verletzt zu haben.

    a) Wird ein Patent vom Richter auf Klage hin nichtig erklärt, so fällt
es ex tunc dahin. Sein Eintrag hat nicht nur als anfechtbar, sondern wegen
objektiver Rechtswidrigkeit der Patenterteilung von Anfang an als nichtig
zu gelten (BLUM/PEDRAZZINI, Das schweizerische Patentrecht, 2. Aufl. II
S. 187). In diesem Sinne hat das Bundesgericht auch in andern Bereichen
des Immaterialgüterrechts entschieden (BGE 91 II 7 ff., 76 II 173 ff.).
Verwarnungen, wie die von der Griesser AG veranlassten, sind deshalb
objektiv rechtswidrig, wenn auf Nichtigkeit des streitigen Patentes
erkannt wird.

    Das genügt indes nicht, um Verwarnungen wegen angeblicher
Patentverletzung als unlauteren Wettbewerb im Sinne von Art. 1 Abs. 2
lit. b UWG auszugeben. Nach der Rechtsprechung, die von der Traber AG
nicht beanstandet wird, ist diesfalls vielmehr erforderlich, dass der
Patentinhaber um die Nichtigkeit des Patentes weiss oder zumindest ernste
Zweifel daran haben muss, ob die formelle Eintragung zu Recht besteht;
das ist der Traber AG bereits im Entscheid der I. Zivilabteilung vom
1. Februar 1978 entgegengehalten worden (ebenso BGE 60 II 130 E. 5;
BLUM/PEDRAZZINI, aaO, 205; TROLLER, Immaterialgüterrecht, 2. Aufl. II
S. 824 und 1018). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

    b) Das Obergericht stellt nicht fest, die Griesser AG sei sich der
Nichtigkeit des Streitpatentes bewusst gewesen, als sie Geschäftspartner
der Traber AG vor Patentverletzungen warnte. Seine Erwägung, erst die
gerichtliche Expertise habe die Nichtigkeit des Patentes ergeben und
die Griesser AG habe dies nicht mit Sicherheit voraussehen können,
lässt sich zwangslos dahin verstehen, dass das Obergericht ein solches
Wissen bei der Griesser AG sinngemäss verneint. Was die Traber AG dazu
vorbringt, erschöpft sich entweder in gegenteiligen Behauptungen oder in
einer anderen Würdigung der einzelnen Elemente und ist nicht geeignet,
die Auffassung der Vorinstanz zu widerlegen, geschweige denn als sachlich
unhaltbar hinzustellen. Falls sie den Sachverhalt in diesem Punkte ergänzt
oder berichtigt wissen wollte, hätte sie die entsprechenden Aktenstellen
genau angeben müssen (BGE 106 II 175/76). Die Traber AG hat im kantonalen
Verfahren zwar behauptet, für die mit dem Streitpatent beanspruchte Lehre
sei in keinem Land, das die amtliche Vorprüfung kenne, ein Patent erteilt
worden und in Deutschland habe die Beklagte zudem ein Gebrauchsmuster
eintragen lassen statt eine Hilfsanwendung für ein solches Muster
einzureichen. Sie hat diese von der Gegenpartei bestrittene Behauptung,
die sie in der Berufung wiederholt, aber nicht zum Beweis verstellt und
kann darauf vor Bundesgericht nicht zurückkommen, auch nicht gestützt
auf Art. 67 OG, der einer Partei nicht erlaubt, Versäumtes nachzuholen.

    Ernste Zweifel an der Rechtsbeständigkeit eines Patentes müssen
beim Patentinhaber nicht schon deshalb aufkommen, weil einer seiner
Konkurrenten auf Feststellung der Nichtigkeit klagt und Gründe für
mangelnde Patentfähigkeit anführt. Dabei handelt es sich wie bei der
Stellungnahme des Patentinhabers um einen blossen Parteistandpunkt. Auch
lässt sich in der Regel erst nach einer näheren technischen Prüfung sagen,
ob eine streitige Lehre insbesondere die erforderliche Erfindungshöhe
aufweise. Die Traber AG vermag nichts dafür vorzubringen, dass es sich
im Parallelverfahren, das vor ihrem Prozess eingeleitet worden ist,
anders verhalten hätte; sie beschränkt sich vielmehr auf die Behauptung,
das Streitpatent sei offensichtlich von Anfang an nichtig gewesen. Von
Offensichtlichkeit konnte indes selbst nach dem Schriftenwechsel nicht die
Rede sein, weil der Experte den von der Baumann AG bestrittenen technischen
Fortschritt des Streitpatentes bejaht, ihn sogar für erheblich gehalten
hat; dies kann zudem ein Indiz für die verlangte Erfindungshöhe sein
(BGE 102 II 372 E. 1 mit Hinweisen). Der Experte schloss zudem nicht
aus, dass sich durch Zusammenlegen des Hauptanspruchs mit einzelnen
Unteransprüchen eine patentfähige Lehre ergeben könnte. Dass die Griesser
AG an der Rechtsbeständigkeit ihres Patentes ernsthaft zweifeln musste,
als sie Geschäftspartner der Traber AG verwarnen liess, ist somit durch
nichts belegt. Der Vorhalt, sie habe zuvor keine weiteren Abklärungen
vorgenommen, genügt dafür nicht, selbst wenn solche geboten gewesen wären.

    c) Es trifft zu, dass die Griesser AG die Nichtigkeitsklage der
Baumann AG in ihren Verwarnungen nicht erwähnt hat. Ihre Darstellung
war insofern zwar unvollständig, aber weder unrichtig noch irreführend,
wie unlauterer Wettbewerb im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. b UWG dies
voraussetzt. Solange das Streitpatent nicht durch den Richter nichtig
erklärt worden war, hatte sie die gesetzliche Vermutung für sich, dass
dessen Benützung durch Dritte eine Patentverletzung darstellte.

Erwägung 2

    2.- (Ausführungen darüber, dass damit auch den Klagebegehren 3-5 der
Boden entzogen ist.)