Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 197



108 II 197

42. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Mai 1982
i.S. X. gegen Katholische Kirchgemeinde Au (SG) (Berufung) Regeste

    Auftrag, Art. 397 und 398 OR.

    Sorgfaltspflichten des Beauftragten bei Erteilung von unzweckmässigen
oder unerfüllbaren Weisungen durch den Auftraggeber.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Kantonsgericht stellt fest, der Kläger habe den
Projektierungsauftrag bei einer Begrenzung der Gebäudekosten auf
Fr. 350'000.-- gar nicht erfüllen können. Nach seiner Auffassung
war der Kläger verpflichtet, sich sofort der Kostenfrage zuzuwenden,
sobald er ahnte, dass die Kostenbegrenzung nicht einzuhalten war. Es
führt aus, ein Fachmann hätte ohne grossen Arbeitsaufwand zur Einsicht
gelangen können, dass das gewünschte Raumprogramm mit den gegebenen
Mitteln mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht auszuführen sei. Wenn der
Kläger zu dieser Einsicht gekommen wäre, hätte er die Beklagte darüber
orientieren müssen. Weil er das nicht getan, sondern die Projektierung
weiter vorangetrieben habe, sei ihm eine Verletzung der Sorgfaltspflicht
vorzuwerfen. Er habe somit den Auftrag seit dem Eintritt der Ahnung,
dass die Preislimite unerfüllbar sei, nicht richtig ausgeführt. Der
Kläger besitze daher keinen Honoraranspruch für seine Tätigkeit nach
diesem Zeitpunkt; das Bezirksgericht habe zu Recht gestützt auf das
Ergänzungsgutachten das bis dahin aufgelaufene Honorar auf Fr. 6'615.90
festgesetzt.

    Der Kläger beharrt auch vor Bundesgericht darauf, den Auftrag
ordnungsgemäss erfüllt zu haben und demzufolge das volle Honorar
beanspruchen zu können.

    a) Oberste Pflicht des Beauftragten ist es, die Interessen des
Auftraggebers sorgfältig und treu zu wahren, das heisst zu seinem Nutzen
und nicht zu seinem Schaden zu handeln (GAUTSCHI, N. 18a zu Art. 397
OR). Wurde dem Beauftragten eine unzweckmässige oder unerfüllbare
Weisung erteilt, so hat er den Auftraggeber über die Unzweckmässigkeit
oder Unerfüllbarkeit aufzuklären und dessen Stellungnahme zu erwirken
(GAUTSCHI, N. 18b zu Art. 397 OR). Sobald er die Unzweckmässigkeit oder
Unerfüllbarkeit der Weisung erkennt, darf er demnach die Auftragsausführung
nicht unter Missachtung dieser Weisung fortsetzen. Hat er Anlass zur
Annahme, die Weisung könnte unzweckmässig oder unerfüllbar sein, so muss
er, um seinen Sorgfaltspflichten zu genügen, nötige Abklärungen ohne
Verzug vornehmen und, erweist sich danach die Annahme als zutreffend,
den Auftraggeber sofort orientieren. Die weitere Auftragsausführung darf
er daneben nur soweit vorantreiben, als dies im Blick auf die Erfüllung
innert einer gesetzten Frist unbedingt nötig ist. Die Verletzung von
Sorgfaltspflichten stellt eine unrichtige Auftragsausführung dar,
für welche die Gegenleistung nicht geschuldet wird (GAUTSCHI, N. 9b zu
Art. 402 OR).

    b) Wie schon erwähnt, geht das Kantonsgericht in Übereinstimmung mit
dem Gutachten davon aus, der dem Kläger erteilte Projektierungsauftrag
habe mit einer Begrenzung der Gebäudekosten auf Fr. 350'000.-- nicht
erfüllt werden können. Gemäss Gutachten war die Kostenvorstellung mit
Fr. 350'000.-- bereits ohne Einbezug der nachträglichen Zusatzwünsche für
Schutzraum und Lüftung illusorisch, so dass es auf die dadurch bewirkte
Kostensteigerung nicht ankommt. Nach Auffassung des Gutachters, der
sich das Kantonsgericht anschliesst, war dies für den Kläger lange vor
Ablieferung der Baupläne und des Kostenvoranschlages feststellbar. Wenn
er dessen ungeachtet die Projektierung bis dahin vorantrieb, so erfüllte
er nach den dargelegten Grundsätzen den ihm erteilten Auftrag nicht
richtig. Diesem Vorwurf kann er nicht unter Hinweis darauf entgehen, er
hätte nach Vorlage der Pläne und des Kostenvoranschlages in Zusammenarbeit
mit der Beklagten dann schon versucht, die Gebäudekosten auf die
festgesetzte Limite herabzudrücken.

    c) Nach der gestützt auf das Gutachten getroffenen Feststellung
des Kantonsgerichts konnte der Kläger "ab etwa 23. Januar 1978 ahnen",
dass der übernommene Auftrag in bezug auf die Kostenbegrenzung nicht
erfüllbar sei. Mit "ahnen" kann nach dem allgemeinen Sprachgebrauch
nichts anderes als ein undeutliches Wissen, eine blosse Vermutung,
ein unbestimmtes Vorgefühl gemeint sein. Das Kantonsgericht hat den vom
Gutachter verwendeten Begriff offensichtlich nicht anders verstanden,
spricht es doch von "Anlass zu Zweifeln". Die von ihm gezogenen
Schlussfolgerungen rechtlicher Art, vom Zeitpunkt dieser Ahnung hinweg
sei der erteilte Auftrag durch den Kläger nicht mehr richtig erfüllt
worden und es sei ihm daher nur bis zu diesem Zeitpunkt das Honorar
geschuldet, widersprechen indessen den vorne unter lit. a aufgeführten
Rechtsgrundsätzen. Sobald sich Anhaltspunkte dafür ergaben, dass die
Weisung bezüglich der Gebäudekosten unerfüllbar war, hatte der Kläger
unverzüglich abzuklären, ob dem so sei, und der Beklagten Mitteilung
zu machen, sobald die Unerfüllbarkeit mit genügender Sicherheit
festzustellen war. Die eigentlichen Projektierungsarbeiten durfte er
während dieser Abklärungsphase nur soweit noch vorantreiben, als es die
zeitliche Dringlichkeit gebot. Nicht im Interesse der Auftraggeberin lag
die Auftragsausführung demnach insoweit, als mehr als diese zeitlich
dringlichen Planungsarbeiten vorgenommen und nach Offenbarung der
Unerfüllbarkeit der gesetzten Weisung die Orientierung der Beklagten
unterlassen und die Projektierung zum Abschluss gebracht wurde.