Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 130



108 II 130

26. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. April 1982 i.S. Bachtel-Versand
AG gegen Eidgenössisches Amt für das Handelsregister
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 944 Abs. 1 OR und 117 HRegV.

    Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen
Registerbezirk.

    Voraussetzungen, unter welchen ein örtlicher Hinweis in der Firma
trotz Sitzverlegung beibehalten werden darf.

Sachverhalt

    A.- Die Bachtel-Versand AG ist seit dem 15. Juli 1976 mit Sitz
in Wetzikon im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen. Die
Gesellschaft betreibt in erster Linie ein Versandhaus, namentlich für
Druckerzeugnisse. Durch Statutenänderung vom 2. November 1981 wurde der
Sitz der Gesellschaft nach Oberuzwil SG verlegt. Das Handelsregisteramt
des Kantons St. Gallen teilte dem Eidg. Amt für das Handelsregister den
neuen Eintrag zur Publikation im Schweizerischen Handelsblatt mit. Das
Eidg. Amt antwortete jedoch am 3. November 1981, die Publikation werde
zurückgestellt, weil "Bachtel" eine lokale Bezeichnung und deshalb die
Firma nach der Sitzverlegung täuschend geworden sei; während Wetzikon am
Fusse des Bachtels liege, bestehe für Oberuzwil kein Zusammenhang mit dem
Bachtelgebiet; die Firma sei daher zu ändern. Das kantonale Amt teilte
am 24. November 1981 der Bachtel-Versand AG diese Verfügung mit und wies
auf die Beschwerdemöglichkeit hin.

    B.- Die Bachtel-Versand AG beantragt mit ihrer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die Verfügung des Eidg. Amtes für das
Handelsregister aufzuheben und das eidgenössische und das kantonale Amt
anzuweisen, sie unter der Firma "Bachtel-Versand AG" im Handelsregister
des Kantons St. Gallen einzutragen.

    Das Eidg. Amt für das Handelsregister beantragt die Beschwerde
abzuweisen, das kantonale Amt dagegen beantragt sie gutzuheissen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Mit seinem Schreiben vom 3. November 1981 verweigert das
eidgenössische Amt im Sinne von Art. 117 HRegV die Genehmigung einer
Eintragung. Ein solcher Entscheid unterliegt gemäss Art. 5 HRegV der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, auch wenn er in der Form einer internen
Anweisung an den Handelsregisterführer ergangen ist (BGE 102 Ib 111 E. 1,
91 I 361 E. 1 mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin rügt eine willkürliche Anwendung von
Art. 944 OR, Verweigerung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 4
BV, Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung und
Missbrauch des Ermessens gemäss Art. 104 lit. a OG, unrichtige und
unvollständige Feststellung des Sachverhalts gemäss Art. 104 lit. b OG und
Unangemessenheit nach Art. 104 lit. c OG. Die letztgenannte Bestimmung
findet keine Anwendung, weil es an einer nach Ziff. 3 erforderlichen
Sonderbestimmung fehlt (BGE 97 I 75 E. 1). Der Sachverhalt sodann
ist unbestritten, von der belanglosen Frage abgesehen, ob Wetzikon am
Fusse des Bachtels oder aber einige Kilometer von diesem Berg entfernt
liegt. Massgebend bleibt die Rüge, der angefochtene Entscheid verletze
Art. 944 Abs. 1 OR (Art. 104 lit. a OG). Ein Fall nationaler oder
territorialer Bezeichnung im Sinn von Art. 944 Abs. 2 OR und Art. 45/46
HRegV liegt nach zutreffender Ansicht sowohl der Beschwerdeführerin wie
auch des Amtes nicht vor.

Erwägung 3

    3.- Es ist anerkannt, dass heute keinerlei Beziehung der
Beschwerdeführerin zum Bachtel als 1115 m hohem Berg im Zürcher Oberland
besteht, während die Registerbehörden eine solche in räumlicher Hinsicht
für den Sitz Wetzikon noch bejahten. Die Firma "Bachtel-Versand AG"
verstösst daher gegen Art. 944 Abs. 1 OR, wenn sie beim durchschnittlich
aufmerksamen Publikum den Eindruck einer solchen Beziehung erwecken kann
(BGE 100 Ib 243, 91 I 215); dass es tatsächlich zu Täuschungen kommt oder
diese einen Dritten sogar schädigen müssten, ist nicht erforderlich.

    a) Das Amt bezeichnet den Entscheid BGE 100 Ib 240 ff. als
Ausgangspunkt seiner Verfügung. Damals untersagte das Bundesgericht dem
Inhaber einer Einzelfirma "Isolationswerk Bern..." diese beizubehalten,
nachdem Sitz und Betrieb von Bern nach Schüpfen verlegt worden waren. Weil
die Ortsangabe "Bern" nur als Hinweis auf den Sitz oder den Ort des
Betriebs verstanden werden könne, sei sie nunmehr unwahr und somit
täuschend (aaO S. 242 E. 4). "Bachtel-Versand AG" weist aber keineswegs
wie "Isolationswerk Bern" auf den Ort von Sitz oder Betrieb hin, schon
deshalb nicht, weil "Bachtel" keine Ortschaft ist, die für solche Zwecke
in Frage käme. Die Beschwerdeführerin macht denn auch geltend, ihre
Versandkundschaft sei über die ganze Schweiz verstreut und "Bachtel"
erwecke bei dieser keinerlei lokale Vorstellung. Das Amt bestreitet
das nicht, will aber auch Dritte schützen, die nicht unmittelbar im
Geschäftsverkehr mit der Beschwerdeführerin stehen, also auch Behörden,
öffentliche Dienste, Marktforschungsbetriebe, Stellensuchende usw. Diese
Begründung überzeugt jedoch nicht, weil sich die Genannten in der Regel
aufgrund der Adresse, nicht allein aufgrund der Firma an die Gesellschaft
wenden.

    b) Die Praxis der Handelsregisterbehörden lässt in Firmen Hinweise
auf höhere Berge wie Matterhorn, Eiger, Bernina oder Titlis auch ohne
örtliche Beziehung als Phantasiebezeichnungen zu. Bei mittleren Bergen
wie Säntis, Pilatus oder Rigi befindet sich in der Regel der Sitz der
Unternehmen, die den Namen dieser Berge firmenmässig verwenden, in deren
Nähe, ebenso bei kleineren Erhebungen wie Albis, Etzel oder Lägern. Bei
Pässen wie Grimsel oder Simplon ist dagegen die Praxis uneinheitlich. Das
Amt gibt zu, dass Ausnahmen nicht selten sind, will sich jedoch unter
Berufung auf die Rechtsprechung (BGE 100 Ib 244 E. 5b mit Hinweisen)
bei diesen nicht behaften lassen. Auch wenn dem an sich beizupflichten
ist, zeigen doch nicht nur diese Ausnahmen, sondern genauso der vom Amt
verfochtene Grundsatz, wie fragwürdig solche generellen Unterscheidungen
sind. So ist nicht ohne weiteres ersichtlich, weshalb Namen von Bergen,
welche allgemein bekannt sind, in Firmen als Phantasiebezeichnungen
erlaubt sein sollen, nicht jedoch Bergnamen, welche lediglich lokale
Bedeutung haben, ausserhalb dieses Gebietes hingegen in der Regel
unbekannt sind und folglich erst recht nur Phantasiecharakter haben
können. Zu Recht weist das Amt darauf hin, dass konsequenterweise auch
für eine Sitzverlegung nach Genf oder Romanshorn gelten muss, was die
Beschwerdeführerin für Oberuzwil beansprucht. Dass aber auch in Romanshorn
oder gar in Genf "Bachtel-Versand" mit dem bescheidenen Berg im Zürcher
Oberland in Verbindung gebracht würde, ist völlig unwahrscheinlich und
wird nicht einmal für Oberuzwil behauptet. Davon abgesehen findet sich im
Ortsverzeichnis des Eidg. Statistischen Amtes die Bezeichnung "Bachtel"
auch für Orte in den Gemeinden Horw LU und Kaltbrunn SG, nicht zu reden
von den zahlreichen "Bachtelen" in den Kantonen Bern, Solothurn und
Schwyz. Die Kriterien, die das Amt verficht, führen daher heute schon zu
den Abgrenzungsschwierigkeiten, die es befürchtet, sollte die Beschwerde
gutgeheissen werden.

Erwägung 4

    4.- Ob die Verwendung einer Ortsbezeichnung in einer Firma zu
Täuschungen Anlass geben kann, ist somit nicht abstrakt, sondern nur anhand
der besonderen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (BGE 100 Ib 244/5,
PATRY, Schweiz. Privatrecht, Bd. VIII/1, S. 159 lit. a). Es ist bereits
ausgeführt worden, dass anders als bei "Isolationswerk Bern" die streitige
Firma nicht auf einen Sitz oder Betrieb am oder gar auf dem Bachtel
hinweist. Das schliesst nicht aus, dass in Verbindung mit andern Angaben,
besonders über die Natur der Unternehmung, gleichwohl eine täuschende
Wirkung zustandekommen kann, wie etwa bei den vom Amt genannten Beispielen
"Bachtel Tourismus AG", "Lägern Immobilien AG" oder "Lägern-Kalksteinbrüche
AG", die entsprechende örtliche Bezeichnungen wenn nicht für den Sitz,
so doch für die Tätigkeit der Unternehmung voraussetzen. Allenfalls könnte
gleiches für die "Bachtel AG Immobilien" mit Sitz in Zürich gelten, die vom
Amt als Ausnahme von der Praxis erwähnt wird. Dieselbe Täuschungsgefahr
besteht aber auch im Zusammenhang mit hohen Bergen, welche das Amt als
Phantasiebezeichnungen gelten lässt, denn auch "Eiger-Granitwerk AG" oder
"Titlis-Kalksteinbrüche AG" wäre irreführend, wenn die Unternehmungen
nach Sitz und Tätigkeit mit den in den Firmen genannten Bergen nichts zu
tun hätten. Die Verbindung "Bachtel-Versand AG" stellt jedoch keinerlei
Zusammenhang zwischen Ortsangabe und Tätigkeit der Unternehmung her und
ist daher auch in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden, sowenig wie etwa
eine - vom Amt als abschreckende Beispiele herangezogene - "Albis Versand
AG" in Luzern oder "Etzel Finanz AG" in Zürich.

Erwägung 5

    5.- Die Firma "Bachtel-Versand AG" kann auch an ihrem neuen Sitz
in Oberuzwil vernünftigerweise nicht zu Täuschungen Anlass geben. Die
Beschwerde ist daher gutzuheissen. Es erübrigt sich zu prüfen, ob der
angeblich der Beschwerdeführerin durch eine Firmenänderung drohende
Schaden zum gleichen Ergebnis führen könnte (vgl. demgegenüber BGE 100
Ib 245 E. 6). Ebensowenig braucht auf die Rüge einer Verweigerung des
rechtlichen Gehörs eingetreten zu werden, die darin bestehen soll, dass die
Beschwerdeführerin vor der angefochtenen Verfügung nicht angehört worden
sei; sie wäre angesichts des in den Art. 114 ff. HRegV niedergelegten
Verfahrens auch kaum berechtigt.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung des Eidg. Amtes für das
Handelsregister vom 3. November 1981 aufgehoben und die Registerbehörden
werden angewiesen, die Firma "Bachtel-Versand AG" mit Sitz in Oberuzwil
SG im Handelsregister einzutragen.