Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 II 112



108 II 112

22. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. März 1982 i.S. Max
Gautschi gegen Fred Schwab (Berufung) Regeste

    Art. 2 Abs. 2 und 253 OR. Unvollständiger Mietvertrag.  Ergänzung durch
den Richter.

    Ein mietvertragsähnliches Verhältnis liegt vor, wenn eine durch
Gebrauchsüberlassung bereits erfüllte Vereinbarung einzig hinsichtlich
der Höhe einer nur grundsätzlich vereinbarten Vergütung unbestimmt
ist. Richterliche Ergänzung des Vertrages nach Treu und Glauben.

Sachverhalt

    A.- Gautschi und Schwab bewohnen als Nachbarn zwei 1970 von der
gleichen Baufirma erstellte Häuser in Zürich. Auf dem Grundstück Schwab
wurde ein Hallenbad gebaut, an dessen Kosten Gautschi eine Anzahlung
von Fr. 63'000.-- leistete. Nach einer Vereinbarung vom 25. Februar 1971
sollte dafür eine besondere Parzelle ausgeschieden und Schwab und Gautschi
im Verhältnis von 55 zu 45% in Miteigentum zugewiesen werden. In der Folge
lehnte es Schwab ab, das Miteigentum zu begründen, bestätigte jedoch das
Benützungsrecht Gautschis, der dieses denn auch während Jahren ausübte.

    Schon im September 1974 reichte Gautschi beim Bezirksgericht
Zürich gegen Schwab Klage ein, mit welcher er den Grundbuchvollzug der
Miteigentumsvereinbarung, eventuell die Eintragung einer entsprechenden
Grunddienstbarkeit, subeventuell die Feststellung eines vertraglichen
Benützungsrechts und subsubeventuell Zahlung von Fr. 255'000.--
verlangte. Das Bezirksgericht Zürich verpflichtete den Beklagten, dem
Kläger den Baukostenbeitrag von Fr. 63'000.-- zurückzuerstatten und wies
im übrigen die Klage ab. Im Berufungsverfahren vor dem Obergericht des
Kantons Zürich war nur noch diese Rückzahlungspflicht streitig. Weil der
Kläger das Hallenbad während knapp sechs Jahren benützt hatte, sprach das
Obergericht dem Beklagten dafür eine Vergütung zu; nach Verrechnung mit
diesem Gegenanspruch schützte er die Klage schliesslich für Fr. 18'766.80
nebst 5% Zins seit 1. Oktober 1978. Vor Bundesgericht hält der Kläger
an seiner Rückzahlungsforderung von Fr. 63'000.-- fest.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Es ist im folgenden davon auszugehen, dass die Benützung des
Hallenbades durch den Kläger auf einer vertraglichen Abrede beruhte, wobei
stillschweigend Entgeltlichkeit vereinbart war, die Höhe des Entgelts
jedoch offen blieb.

    Das Obergericht lässt offen, ob ein mietvertragsähnliches oder ein
faktisches Vertragsverhältnis vorliege (dazu näher BUCHER, OR allg. Teil,
S. 239 ff.; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 563-565 zu Art. 1 OR). Entscheidend
ist, dass die Parteien die Mitbenützung des Hallenbades durch den
Kläger, und zwar gegen Entgelt, vereinbarten. Die Möglichkeit eines
nur faktischen Rechtsverhältnisses braucht daher nicht berücksichtigt
zu werden; vielmehr liegt eine mietvertragsähnliche Vereinbarung, wenn
nicht gar ein (unvollständiger) Mietvertrag vor. Zwar fehlt es an einem
bestimmten oder bestimmbaren Mietzins, doch setzt sich das Obergericht
gestützt auf BGE 100 II 330 zu Recht darüber hinweg. Dieser Entscheid,
der sich auf PIOTET (La formation du contrat, S. 30-36) berufen konnte,
wurde von MERZ (ZBJV 112/1976, S. 99) und vor ihm von JEANPRÊTRE (JdT
1975 I, S. 610) kritisiert, der sich (wie SCHMID, N. 2 zu Art. 253 OR)
auf BGE 23 II 1113 ff. beruft. In diesem alten Entscheid fehlte es aber
nicht nur an der Bestimmung der Mietzinshöhe, sondern an der Vereinbarung
der Entgeltlichkeit überhaupt. Weiter zitiert JEANPRÊTRE BGE 54 II 303
E. 1; dort war zu beurteilen, ob der Mietvertrag, trotz fehlender Einigung
über einen vorbehaltenen Nebenpunkt, gültig zustande gekommen war; der
Mieter hatte indessen die Räumlichkeiten nicht bezogen. Wesentlich anders
stellt sich die Frage, wenn es darum geht, eine durch Gebrauchsüberlassung
bereits erfüllte Vereinbarung hinsichtlich der Höhe einer nur grundsätzlich
vereinbarten Vergütung zu ergänzen. Dieser Tatbestand entspricht jenem,
bei dem nach Beendigung des Mietvertrages der Mieter noch weiter in
den Räumlichkeiten geduldet und ein mietvertragsähnliches Verhältnis
angenommen wird (BGE 63 II 371; SCHMID, N. 4 zu Art. 253 OR; BUCHER,
OR allg. Teil, S. 243). Bei Ungültigkeit eines Vertrages besteht zwar im
allgemeinen ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, allenfalls
ein ausservertraglicher Schadenersatzanspruch (SCHMID, N. 3 zu Art. 253
OR); in Fällen wie dem vorliegenden, wo der Mieter die Sache bereits seit
Jahren nutzt, wird jedoch dieser Weg nicht nur der Situation nicht gerecht,
er ist auch kaum praktikabel.

    Demnach besteht kein Anlass, von der mit BGE 100 II 330 gegebenen
Lösung abzuweichen. Das Obergericht hat zu Recht angenommen, es liege ein
unvollständiger Vertrag vor, der nach Treu und Glauben zu ergänzen sei.
Massgebend ist dabei, was die Parteien unter den gegebenen Umständen in
guten Treuen vereinbart hätten, wäre die Höhe des Mietzinses festgesetzt
worden; diese Ergänzung des Vertrages gemäss Art. 2 Abs. 2 OR unterliegt
als Rechtsfrage der freien Überprüfung durch das Bundesgericht, das sich
dabei auf die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz stützt (BGE 107
II 149 und 218/9). Die Auffassung des Beklagten, die Angemessenheit der
Benützungsentschädigung könne im Berufungsverfahren nicht geprüft werden,
ist daher unzutreffend.

Erwägung 5

    5.- Über die Frage, wie hoch unter Berücksichtigung des Ausbaustandards
und des Wertes der Anlage die angemessene Entschädigung für die
Mitbenützung des privaten Hallenbades durch den Kläger, seine Familie
und allfällige Gäste in der Zeit vom 16. Oktober 1972 bis 30. September
1978 anzusetzen sei, ordnete das Obergericht eine Expertise an. Es hält
fest, dass der Experte bei der Ermittlung des Mietwerts des Hallenbades
insbesondere den Realwert, die kostendeckende Bruttorendite und die
Mitbenützungsanteile berücksichtigt, die von den Parteien bereits bezahlten
Betriebs- und Unterhaltskosten dagegen ausgeklammert habe. Für die
Ermittlung der Bruttorendite habe der Gutachter auch der Entwicklung der
Hypothekarzinsen in der massgeblichen Periode Rechnung getragen. Aufgrund
dieses Gutachtens, das die Vorinstanz für überzeugend hält, gelangt diese
zu einer Benützungsentschädigung von Fr. 65'758.20. Der Kläger beantragt,
diese Vergütung herabzusetzen, weil er nie willens gewesen sei, soviel
zu zahlen. Damit macht er jedoch nicht eine Verletzung von Bundesrecht
geltend; wieviel der Kläger zu zahlen bereit war, ist unerheblich, weil
die Parteien diese Frage wie bereits ausgeführt offen liessen und daher
der Richter nach den Umständen und nach Treu und Glauben, nicht nach dem
Willen des Klägers, die angemessene Entschädigung zu bestimmen hat. Wenn
der Kläger sodann die angefochtene Gesamtsumme in eine monatliche Miete
von Fr. 919.70 umrechnet und geltend macht, dass ihn dabei selbst bei
täglicher Benützung ein Bad Fr. 30.-- gekostet hätte, übersieht er den
luxuriösen Charakter eines privaten Hallenbades für nur zwei Partner,
bestehe zwischen ihnen Miteigentum oder ein Mietverhältnis.

    Der Kläger bestreitet zu Recht nicht, dass der Experte die
Entschädigung nach den für Mietzinsberechnungen geltenden Grundsätzen
berechnen durfte und berechnet hat. Das Obergericht hat daher zu Recht den
Rückerstattungsanspruch des Klägers von Fr. 84'525.--, der betragsmässig
unangefochten ist, um Fr. 65'758.20 auf Fr. 18'766.80 gekürzt.