Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 III 54



108 III 54

19. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 15. November 1982 i.S. S. (Rekurs) Regeste

    Art. 176 Abs. 2 ZGB; Ausnahme vom Zwangsvollstreckungsverbot unter
Ehegatten.

    Prozessentschädigungen, die in einem Scheidungs- oder Trennungsprozess
oder in einem Verfahren nach Art. 170 ZGB dem obsiegenden Ehegatten
zugesprochen werden, ohne dass im gleichen Prozess auch über
Unterhaltsbeiträge entschieden worden wäre, sind als Beiträge im Sinne
von Art. 176 Abs. 2 ZGB zu betrachten, die vom Richter festgesetzt worden
sind. Sie sind daher vom Zwangsvollstreckungsverbot unter Ehegatten
ausgenommen, sofern die Gatten das Zusammenleben nach Beendigung des
Verfahrens nicht wieder aufnehmen (Änderung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- S. reichte am 2. November 1981 beim zuständigen Gericht
Scheidungsklage ein, die er am 17. Februar 1982 wegen Aussichtslosigkeit
wieder zurückzog. Mit Verfügung vom 19. Februar 1982 verpflichtete ihn der
Gerichtspräsident, der beklagten Ehefrau die Parteikosten von total Fr.
2'310.-- sowie die Gerichtskosten von Fr. 400.-- zu ersetzen.

    Frau S. leitete mit Zahlungsbefehl vom 17. März 1982 für den
gesamten Betrag von Fr. 2'710.-- Betreibung ein. Der Schuldner
erhob sowohl Rechtsvorschlag als auch Beschwerde an die kantonale
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs, in der er sich auf das
Zwangsvollstreckungsverbot unter Ehegatten berief. Die Aufsichtsbehörde
wies die Beschwerde am 12. Mai 1982 ab.

    Am 28. Juni 1982 erteilte der Gerichtspräsident der Gläubigerin die
definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 2'710.-- nebst 5% Zins
seit dem 19. Februar 1982. Er verpflichtete den Schuldner zur Zahlung
der Gerichtskosten von Fr. 60.-- sowie zu einer Parteientschädigung an
die Gläubigerin von Fr. 80.--.

    Inzwischen hatte die Gläubigerin die Betreibung mit schriftlicher
Erklärung zurückgezogen. Da S. die Schuld jedoch nicht bezahlte, strengte
seine Ehefrau gegen ihn am 27. September 1982 eine neue Betreibung an für
den Betrag von Fr. 2'710.-- nebst 5% Zins seit 19. Februar 1982 sowie für
die Rechtsöffnungskosten von Fr. 140.-- nebst 5% Zins seit 28. Juni 1982.

    B.- S. reichte wiederum Beschwerde an die kantonale Aufsichtsbehörde
ein und machte erneut geltend, die Betreibung verstosse gegen das
Zwangsvollstreckungsverbot unter Ehegatten gemäss Art. 173 ZGB, weshalb
sie nichtig zu erklären sei. Auch diese Beschwerde wurde mit Entscheid
vom 21. Oktober 1982 abgewiesen. Die kantonale Aufsichtsbehörde
betrachtete die Berufung auf das Zwangsvollstreckungsverbot einerseits
als rechtsmissbräuchlich, weil der Schuldner offensichtlich die Absicht
habe, seine Ehefrau finanziell zu schädigen, anderseits bejahte sie die
Anwendbarkeit von Art. 176 Abs. 2 ZGB auf den vorliegenden Fall, indem
sie die Prozessentschädigungen im Zusammenhang mit den vom Ehemann zu
leistenden Unterhaltsbeiträgen brachte.

    C.- Gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde führt
S. Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts.
Diese weist den Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Art. 173 Abs. 1 ZGB schreibt vor, dass während der Ehe unter
den Ehegatten die Zwangsvollstreckung bezüglich ihrer Ansprüche nur in
den vom Gesetz bezeichneten Fällen zulässig sei. Diese Ausnahmen werden
in den Art. 174-176 ZGB aufgeführt. Als Grundlage für die Beurteilung
des vorliegenden Falles fällt einzig Art. 176 Abs. 2 ZGB in Betracht,
wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat. Nach dieser Bestimmung ist
die Zwangsvollstreckung unter Ehegatten zulässig für Beiträge, die dem
einen Ehegatten gegenüber dem andern durch den Richter auferlegt worden
sind. Es ist daher die Frage zu beurteilen, ob auch Prozessentschädigungen
im Zusammenhang mit einem Scheidungsprozess, auch wenn die Klage abgewiesen
oder zurückgezogen worden ist, als Beiträge im Sinne von Art. 176 Abs. 2
ZGB betrachtet werden können.

Erwägung 2

    2.- a) Das Bundesgericht hat in BGE 53 III 152 E. 2 als einen
Beitrag im Sinne von Art. 176 Abs. 2 ZGB auch den vom Ehemann seiner
Ehefrau im Scheidungsprozess gemäss richterlicher Verfügung zu zahlenden
Prozesskostenvorschuss bezeichnet, da einer Ehefrau sonst verwehrt sein
könnte, Scheidungsklage zu erheben. Es führte in diesem Zusammenhang
aus, unter Beiträgen im Sinne der angeführten Bestimmung seien alle
Leistungen des einen Ehegatten an den andern zu verstehen, bei denen
die Hinausschiebung der Liquidation bis zur Auflösung der ehelichen
Gemeinschaft oder auch nur bis zur Auflösung des ehelichen Vermögens
mit dem Zwecke der Beitragspflicht im Widerspruch stünde. Bei einer
Weigerung des Ehemannes, den richterlich verfügten Kostenvorschuss
für seine Frau zu bezahlen, müsse dieser der Natur der Sache nach
sofort im Wege der Zwangsvollstreckung eingetrieben werden können. Die
Situation sei hier eine ganz andere als in dem Falle, wo einer Ehefrau
nach Abweisung einer gegen sie durchgeführten Scheidungsklage eine
Prozessentschädigung zuerkannt worden sei. Es wurde dabei auf BGE 48
III 124 ff. verwiesen, wo das Bundesgericht festgehalten hatte, die
Zusprechung einer Prozessentschädigung habe, auch wenn die sofortige
rechtliche Geltendmachung ausgeschlossen werde, eine Vermehrung des
Frauengutes zur Folge, die seinerzeit bei Auflösung des ehelichen
Vermögens zu berücksichtigen sein werde. Die sofortige Eintreibung einer
Prozessentschädigung verbiete sich bei Abweisung der Scheidungsklage um
so mehr, als eine solche Zwangsvollstreckung möglicherweise ein Hindernis
für die Wiedervereinigung der Ehegatten bilden würde (BGE 48 III 125/126).

    b) In späteren Entscheiden hat sich das Bundesgericht auf den
Standpunkt gestellt, dass auch Prozessentschädigungen, die in einem
Prozess um Unterhaltsbeiträge zugesprochen worden sind, unter die Ausnahme
vom Zwangsvollstreckungsverbot unter Ehegatten gemäss Art. 176 Abs. 2
ZGB fallen. Das gilt für Unterhaltsbeiträge, die in einem Verfahren
gemäss Art. 145 oder 170 ZGB oder auch bei gerichtlicher Trennung der
Ehe festgesetzt worden sind (BGE 63 III 46 und 82 III 5). In BGE 81
III 1 ff. ging es hingegen um das von der Ehefrau in Betreibung gesetzte
Haushaltungsgeld, das ihr der Ehemann gemäss einem vor dem Eheschutzrichter
abgeschlossenen Vergleich zu zahlen hatte. Dieses fiel nach Ansicht des
Bundesgerichts nicht unter den Begriff der Beiträge im Sinne von Art. 176
Abs. 2 ZGB.

    In BGE 82 III 6 hatte das Bundesgericht die Frage, ob jede einem
Ehegatten dem andern gegenüber zustehende Prozessentschädigung zu den
Beiträgen im Sinne dieser Bestimmung zu rechnen sei, offen gelassen. In BGE
83 III 91/92 verneinte es diese Frage ausdrücklich, unter Hinweis darauf,
dass nach der geltenden gesetzlichen Ordnung unter den Beiträgen gemäss
Art. 176 Abs. 2 ZGB nur Unterhaltsbeihilfen zu verstehen seien. Es sei
daher unzulässig, zu diesen Beiträgen auch solche Prozessentschädigungen
zu rechnen, die nicht mit der Zuerkennung von Unterhaltsansprüchen
zusammenhängen. Das treffe zu auf Prozessentschädigungen, die in dem
durch Abweisung der Klage des Ehemannes beendigten Scheidungsprozess
zugesprochen wurden. Das Endurteil gewähre der Ehefrau keine (neuen)
Unterhaltsansprüche, weshalb die ihr gewährte Prozessentschädigung
auch nichts mit Beiträgen im Sinne von Art. 176 Abs. 2 ZGB zu tun
habe. Diese Auffassung wurde in BGE 84 III 1 ff. bestätigt. Der neueste
Entscheid zu Art. 176 Abs. 2 ZGB, BGE 105 III 97 ff., in dem allerdings
eine andere Frage zu beurteilen war, setzte sich mit dem vorliegenden
Problem nicht auseinander. Es wurde die Auffassung bestätigt, dass vom
Zwangsvollstreckungsverbot unter Ehegatten nur Prozessentschädigungen
ausgenommen sind, die eine Nebenfolge eines Urteils über Unterhaltsbeiträge
sind.

    c) In der Literatur werden zu dieser Frage unterschiedliche Meinungen
vertreten. LEMP, N. 10 zu Art. 176 ZGB, folgt der bisherigen Rechtsprechung
des Bundesgerichts. Kritik an dieser Praxis äusserten hingegen GUISAN,
JT 79/1931 II 166 und 80/1932 II 96; STOCKER, Zum Schweizerischen
Ehegüterrecht, ZSR 76/1957 S. 362a ff., und GROSSEN, Das Verbot der
Zwangsvollstreckung unter Ehegatten, BlSchK 23/1959 S. 168 ff. Diese
Autoren treten für eine Aufhebung des Verbots der Zwangsvollstreckung unter
Ehegatten ein, wenigstens soweit Prozessentschädigungen darunter fallen.

Erwägung 3

    3.- Nach der angeführten Rechtsprechung in BGE 63 III 46, 82 III
5, 83 III 90 und 84 III 4 wird die Zulässigkeit der Betreibung von
Prozessentschädigungen, die der eine Ehegatte dem andern schuldet,
vom Gegenstand des Prozesses abhängig gemacht. Je nachdem, ob sich
der Streit um Unterhaltsbeiträge dreht oder nicht, wird auch die
Prozessentschädigung als Beitrag im Sinne von Art. 176 Abs. 2 ZGB anerkannt
und vom Betreibungsverbot unter Ehegatten ausgenommen oder nicht. Dass
eine solche Betrachtungsweise zu mannigfachen Schwierigkeiten führt,
ist in BGE 82 III 6 zugegeben worden. Sie vermag daher kaum zu befriedigen.

    Das Bundesgericht hat seine bisherige Rechtsprechung damit begründet,
es müsse vermieden werden, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte den
ihm bei der Durchsetzung seines Anspruchs erwachsenen Prozessaufwand
aus der ihm zur Bestreitung seines Lebensaufwandes dienenden Leistung
decken müsse. Das wäre aber nur der Fall, wenn der obsiegende Gatte
über keine andern Mittel als die Unterhaltsbeiträge des andern Ehegatten
verfügen würde. Es ist indessen sehr wohl möglich, dass die Ehefrau die
Prozessentschädigung, die ihr der im Rechtsstreit unterliegende Ehemann
ersetzen sollte, aus ihrem Vermögen oder aus ihrem Arbeitserwerb bezahlen
kann oder auch dass eine Drittperson dafür aufkommt. Diese Möglichkeiten
hat das Bundesgericht in BGE 82 III 7 erwogen, wo es ausgeführt hat,
dass es keineswegs stossend sei, wenn die getrennt vom Mann lebende
Frau, der gerichtlich bestimmte, auf dem Betreibungsweg vollstreckbare
Unterhaltsbeiträge zugesprochen worden sind, auch eine ihr ferner
zuerkannte Prozessentschädigung in Betreibung setzen kann, und zwar selbst
dann, wenn sie in der Lage wäre, ihren Prozessaufwand aus andern Mitteln
zu bestreiten, und auch, wenn sie ihn bereits erbracht habe. Die Anwendung
von Art. 176 Abs. 2 ZGB auf Prozessentschädigungen kann denn auch nicht
von solchen Umständen abhängig gemacht werden. Man kann vom Gläubiger der
Prozessentschädigung nicht verlangen, dass er bei Anhebung der Betreibung
nachweist, er sei nicht in der Lage, die Entschädigung selber zu tragen,
ohne die ihm zugesprochenen Unterhaltsbeihilfen anzugreifen. Ein solcher
Nachweis ist weder in Art. 176 Abs. 2 ZGB vorgesehen, noch wird er von
der Rechtsprechung verlangt.

    Sollten Prozessentschädigungen nur dann vom Betreibungsverbot
unter Ehegatten ausgenommen werden, wenn sie in einem Prozess um
Unterhaltsbeiträge zugesprochen wurden, so müsste daraus folgen, dass
die Entschädigung in dem Masse, als sie im gleichen Prozess auch noch für
andere Ansprüche zuerkannt wurde, nicht unter die Ausnahme von Art. 176
Abs. 2 ZGB fallen könnte. Eine solche Aufteilung der Prozessentschädigung
wäre aber in der Praxis unmöglich, was auch die Rechtsprechung anerkannt
hat (BGE 82 III 6/7 und 83 III 90/91).

    Dazu kommt, dass in BGE 105 III 97 das Bundesgericht
Prozessentschädigungen im Streit um Unterhaltsbeiträge auch dann vom
Zwangsvollstreckungsverbot unter Ehegatten ausgenommen hat, wenn sie dem
unterhaltspflichtigen Ehegatten zugesprochen worden sind. Auf ihn trifft
aber die vom Bundesgericht angeführte Begründung seiner Rechtsprechung
nicht zu, da er nicht Gläubiger von Unterhaltsansprüchen ist, die
geschmälert werden könnten, falls die Entschädigung vom obsiegenden Gatten
getragen werden müsste.

    Die bisherige Rechtsprechung, welche die einer Ehefrau gegenüber
ihrem Mann zustehende Prozessentschädigung je nach der Natur des
Prozessgegenstandes vom Betreibungsverbot ausgenommen hat oder
nicht, erscheint nach dem Dargelegten als widersprüchlich. Ebenfalls
widersprüchlich ist, dass der Ehemann für die Ehefrau nach dieser Praxis
einen Prozesskostenvorschuss zur Einreichung einer Scheidungsklage leisten
muss und sie diesen allenfalls mit einer Betreibung geltend machen kann,
was für eine im gleichen Prozess zuerkannte Prozessentschädigung hingegen
nicht möglich sein soll. Weshalb diese Situation eine ganz andere sein
soll als der Fall, in dem ein Prozesskostenvorschuss verlangt wird,
wie in BGE 53 III 153 ohne jegliche Begründung behauptet wird, ist nicht
einzusehen. Der einzige Unterschied zwischen einem Prozesskostenvorschuss
und einer Prozessentschädigung besteht darin, dass der Vorschuss
allenfalls zurückbezahlt werden muss, wenn die Ehefrau den Scheidungs-
oder Trennungsprozess verliert, während eine Prozessentschädigung vom
unterliegenden Ehemann endgültig zu tragen ist. Es besteht aber kein
Anlass, diese Leistungen des Ehemannes unter dem Gesichtspunkt von Art. 176
Abs. 2 ZGB verschieden zu beurteilen (vgl. SJZ 34 S. 343 Nr. 267 und 44
S. 343 Nr. 123).

    Diese Überlegungen führen zum Schluss, dass an der bisherigen
Rechtsprechung wegen ihrer Widersprüchlichkeit nicht festzuhalten
ist. Es rechtfertigt sich vielmehr, Prozessentschädigungen, die in einem
Scheidungs- oder Trennungsprozess oder auch in einem Verfahren nach
Art. 170 ZGB dem obsiegenden Ehegatten zugesprochen werden, ohne dass im
gleichen Prozess auch über Unterhaltsansprüche entschieden worden wäre,
als "Beiträge" im Sinne von Art. 176 Abs. 2 ZGB zu betrachten, die
vom Richter festgesetzt werden (vgl. BGE 96 III 57, 81 III 2 und 77 III
49). Diese Lösung ist ohne weiteres mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar
und widerspricht auch nicht der ratio legis, wenn die Ehegatten auch
nach Abweisung der Klage das Zusammenleben nicht wieder aufnehmen, was
Voraussetzung für die Aufhebung des Betreibungsverbots unter Ehegatten ist
(BGE 84 III 7). Ferner erleichtert sie dem Betreibungsbeamten den Entscheid
über die Zulässigkeit der Betreibung. Im übrigen ist nicht zu übersehen,
dass auch Prozessentschädigungen, vor allem wenn sie dem Ehemann auferlegt
werden, in gleicher Weise seine allgemeine Unterhaltspflicht gegenüber
der Ehefrau berühren, wie das für Prozesskostenvorschüsse angenommen
worden ist.

    Der Rekurs ist unter diesen Umständen abzuweisen. Ob die Berufung
des Rekurrenten auf das Zwangsvollstreckungsverbot unter Ehegatten auch
rechtsmissbräuchlich sei, was die Vorinstanz bejaht hat, braucht somit
nicht geprüft zu werden.