Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 III 49



108 III 49

18. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 1. Juli
1982 i.S. IBM (Schweiz) (Rekurs) Regeste

    Art. 63 SchKG; Betreibungsferien und Fristen.

    Eine während der Betreibungsferien ablaufende Frist wird um
drei Werktage verlängert. Fällt der Beginn dieser Zusatzfrist auf
einen Samstag, so ist dieser in Anwendung des Bundesgesetzes über den
Fristenlauf an Samstagen vom 21. Juni 1963 den staatlich anerkannten
Feiertagen gleichzustellen.

Sachverhalt

    A.- Die IBM (Schweiz) leitete gegen die CSS Computer System Services
AG mit Zahlungsbefehl Nr. 4800/81 des Betreibungsamtes Zürich 1 für eine
Forderung von Fr. 36'903.40 nebst Zins und Kosten Betreibung ein. Der
Zahlungsbefehl wurde der Schuldnerin am 11. Dezember 1981 zugestellt. Der
von der Schuldnerin am 6. Januar 1982 erhobene Rechtsvorschlag wurde
vom Betreibungsamt als verspätet zurückgewiesen. Es anerkannte zwar,
dass das Ende der Frist für die Erhebung des Rechtsvorschlags in die
Weihnachts-Betreibungsferien gefallen und die Frist demnach um drei
Werktage nach Ablauf der Betreibungsferien verlängert worden sei. Das
Betreibungsamt betrachtete jedoch den Samstag, 2. Januar 1982, als Werktag,
weshalb es annahm, die fragliche Frist sei am 5. Januar 1982 abgelaufen.

    B.- Die Schuldnerin erhob Beschwerde beim Bezirksgericht Zürich als
unterer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs
und beantragte, ihr Rechtsvorschlag sei als rechtzeitig erfolgt zu
erklären. Sie machte geltend, der Samstag, 2. Januar 1982, dürfte nicht als
Werktag, sondern müsse als Feiertag behandelt werden. Das Bezirksgericht
hiess die Beschwerde mit Beschluss vom 24. Februar 1982 gut und wies
das Betreibungsamt Zürich 1 an, den Rechtsvorschlag der Schuldnerin
in der Betreibung Nr. 4800/81 als rechtzeitig erhoben entgegenzunehmen
und vorzumerken.

    Die Gläubigerin zog diesen Beschluss an das Obergericht des Kantons
Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde weiter. Dieses wies den
Rekurs am 6. Mai 1982 ab und bestätigte den angefochtenen Entscheid des
Bezirksgerichts.

    C.- Die Gläubigerin IBM (Schweiz) führt Rekurs an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Antrag,
es sei festzustellen, dass der Rechtsvorschlag der Rekursgegnerin in der
Betreibung Nr. 4800/81 verspätet sei, und es sei demzufolge der Beschluss
des Obergerichts vom 6. Mai 1982 aufzuheben und das Betreibungsamt Zürich
1 anzuweisen, den Rechtsvorschlag als verspätet vorzumerken.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Art. 63 SchKG bestimmt, dass eine Frist, deren Ende in die
Zeit der Betreibungsferien oder des Rechtsstillstandes fällt, bis zum
dritten Tag nach dem Ende der Ferienzeit oder des Rechtsstillstandes
verlängert wird. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss diese
Verlängerungsfrist drei Werktage ab Ferienende umfassen, während Sonn- und
Feiertage nicht mitgezählt werden (BGE 47 III 5 und 80 III 105/6; AMONN,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, S. 93; FAVRE, Droit
des Poursuites, 2. Aufl., S. 116). Im vorliegenden Fall ist umstritten,
ob der Samstag in diesem Zusammenhang als Werktag zu gelten habe oder ob
er den Sonn- und allgemeinen Feiertagen gleichzustellen sei. Je nachdem
wäre der von der Rekursgegnerin erhobene Rechtsvorschlag verspätet - wie
die Rekurrentin und das Betreibungsamt annehmen - oder aber rechtzeitig
erhoben worden. Die Vorinstanz hat auf Art. 1 des Bundesgesetzes über
den Fristenlauf an Samstagen vom 21. Juni 1963 verwiesen und daraus
abgeleitet, dass immer dann, wenn in einem eidgenössischen Erlass von Sonn-
und Feiertagen die Rede sei, der Samstag diesen gleichzustellen sei. Aus
dem Wortlaut und dem Sinn dieses Gesetzes folge, dass es nicht nur auf
den Ablauf einer Frist, sondern auch auf deren Beginn Anwendung finde,
sofern dieser nur auf einen Werktag fallen dürfe. Es sei daher auch
beim Beginn des Fristenlaufs ein Samstag wie ein Sonn- oder Feiertag
zu behandeln. Ein solcher seltener Fall liege hier vor. Art. 63 SchKG,
der eine während der Betreibungsferien ablaufende Frist um drei Werktage
verlängere, mache nicht nur den Ablauf, sondern auch die Ingangsetzung
der Frist von einem Werktag abhängig. Entsprechend dem Wortlaut des
Bundesgesetzes über den Fristenlauf an Samstagen sei auch beim Beginn
dieses Fristenlaufs der Samstag wie ein Sonn- oder Feiertag zu behandeln
und demzufolge bei der Festlegung des Ablaufs der dreitägigen Zusatzfrist
nicht zu berücksichtigen.

Erwägung 2

    2.- Die Rekurrentin beruft sich demgegenüber auf BGE 94 III 87 E. 1. In
diesem Entscheid war u.a. die Frage zu beurteilen, ob die Zustellung des
Entscheides einer Aufsichtsbehörde an einem Samstag gestützt auf Art. 1
des Bundesgesetzes über den Fristenlauf an Samstagen zur Folge habe,
dass die Rekursfrist des Art. 19 SchKG erst am darauffolgenden Montag
zu laufen beginne. Das Bundesgericht entschied diese Frage in dem Sinne,
dass die Gleichstellung des Samstags mit einem anerkannten Feiertag nur
das Ende und nicht auch den Beginn einer solchen Frist beeinflusse. Es
verwies in diesem Zusammenhang auf die Botschaft zum Bundesgesetz über
den Fristenlauf an Samstagen, wo der Bundesrat dieselbe Ansicht vertreten
hatte (BBl 1962 II 983).

    Das Bundesgericht und der Bundesrat hatten aber nur den Regelfall der
Fristenberechnung, wo der Beginn der Frist nicht von einem Werktag abhängig
gemacht wird, im Auge. Die in Art. 63 SchKG vorgesehene Frist stellt
hingegen einen Sonderfall dar. Sie verlängert im Interesse desjenigen,
der innert Frist eine bestimmte Handlung vorzukehren hat und zu dessen
Ungunsten die Frist trotz Rechtsstillstand oder der Betreibungsferien
läuft, diese gesetzliche Frist nicht einfach um drei Tage, sondern um drei
Werktage. Die Zusatzfrist muss demnach drei Werktage umfassen, an denen
von morgens bis abends die fragliche Handlung vorgenommen werden kann. Ein
solcher Tag ist jedoch der Samstag längst nicht mehr. Dies zeigt nicht nur
die Entstehungsgeschichte des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1963 (BBl 1962
II 892), sondern erst recht die seitherige Entwicklung. Sowohl Amtsstellen
als auch private Unternehmen halten ihre Büros und Schalter an Samstagen
geschlossen. Selbst wenn im Interesse des Publikums gewisse Dienste zur
Verfügung stehen, ist deren Benützung in zeitlicher und in personeller
Hinsicht sehr eingeschränkt. So sind die Postbüros an Samstagen nur bis
11.00 Uhr geöffnet. Mit Ausnahme der Einkaufsgeschäfte sind die privaten
Betriebe am Samstag in der Regel geschlossen. Dazu kommt im vorliegenden
Fall, dass der umstrittene Samstag auf den 2. Januar fiel. Auch wenn dieser
Tag im Kanton Zürich kein offizieller Feiertag ist - jedenfalls äussert
sich das Obergericht nicht zu dieser Frage -, so war dieses Zusammenfallen
doch geeignet, bei der Rekursgegnerin den Eindruck zu erwecken, dieser
Tag werde bei der Fristbestimmung nach Art. 63 SchKG nicht mitgezählt.

    Der Vorinstanz ist auf jeden Fall beizupflichten, wenn sie angenommen
hat, dass in den seltenen Ausnahmefällen, in denen eine Frist nur an
einem Werktag und nicht auch an einem Sonn- oder Feiertag beginnen kann,
der Samstag einem anerkannten Feiertag gleichzusetzen sei. Mit dieser
Annahme steht auch der Wortlaut von Art. 1 des Bundesgesetzes über den
Fristenlauf an Samstagen im Einklang. Wie bereits erwähnt, betraf die
aus der Botschaft zu diesem Gesetz zitierte Stelle (BBl 1962 II 983)
einen andern Sachverhalt. Im übrigen wäre die Botschaft des Bundesrates
nur dann als Hilfsmittel zur Gesetzesauslegung heranzuziehen, wenn der
Gesetzestext selbst unklar wäre (BGE 100 Ib 386 und 98 Ib 380 E. 4a). Das
ist aber hier nicht der Fall. Eine andere Auslegung von Art. 63 SchKG als
die von der Vorinstanz vorgenommene lässt sich auch den Ausführungen von
WALDER, Die Fristen im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, S. 26/27,
nicht entnehmen, auf die sich das Betreibungsamt Zürich 1 in seiner
Vernehmlassung zum Rekurs berufen hat.

    Schliesslich hat die Vorinstanz noch darauf hingewiesen, dass auch der
Zweck des Art. 63 SchKG nahelege, den Samstag wie einen Sonn- oder Feiertag
zu behandeln. Der Schuldner solle sich erst in der kurzen Zusatzfrist
von drei Tagen um laufende Betreibungshandlungen kümmern müssen. Diese
Funktion vermöge die Zusatzfrist nur zu erfüllen, wenn der Schuldner
an allen drei Tagen sämtliche Handlungen zur Fristwahrung ungehindert
vornehmen könne, was aber an einem Samstag seit langem nicht mehr der Fall
sei. Die Rekurrentin wendet dagegen ein, wenn der Beginn der Frist auf
einen Samstag falle, so gehe der Schuldner seiner Rechte nicht verlustig,
da ihm in diesem Fall auch noch der Montag und der Dienstag zur Vornahme
der Betreibungshandlungen zur Verfügung stehe. Dieser Einwand vermag
jedoch die teleologische Auslegung der Vorinstanz nicht zu widerlegen.

Erwägung 3

    3.- Auch bei einer Abwägung der auf dem Spiele stehenden Interessen
drängt sich die von der Vorinstanz getroffene Lösung auf. Müsste die
Frist für den Rechtsvorschlag als von der Rekursgegnerin verpasst
betrachtet werden, wären die Folgen für sie als Schuldnerin ungleich
schwerwiegender als für die Gläubigerin bei rechtzeitig erklärtem
Rechtsvorschlag. Die Rekurrentin wäre bei Annahme der Rechtzeitigkeit
auf das Rechtsöffnungsverfahren verwiesen, das keine besondern Probleme
stellt (oder allenfalls auf den ordentlichen Prozessweg). Dem Schuldner
steht bei Fristversäumnis lediglich der an sehr enge Voraussetzungen
geknüpfte nachträgliche Rechtsvorschlag nach Art. 77 SchKG oder unter
Umständen die Rückforderungsklage offen. Vor allem, wenn der Schuldner
der Konkursbetreibung unterliegt, was hier offenbar zutrifft, sind die
Folgen eines versäumten Rechtsvorschlags für ihn viel gravierender als
dessen Zulassung für den Gläubiger.

Erwägung 4

    4.- Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Vorentwurf
für eine Revision des SchKG in Art. 63 ausdrücklich vorsieht, dass bei
der dreitägigen Verlängerungsfrist Samstag und Sonntag sowie staatlich
anerkannte Feiertage nicht mitgezählt werden. Auch wenn diese Bestimmung
noch nicht geltendes Recht ist, so weist die vorgesehene Ergänzung doch
darauf hin, dass die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung
allgemeine Anerkennung gefunden hat. Es liesse sich durch nichts
rechtfertigen, im vorliegenden Fall eine engere - dem Sinn und Zweck
von Art. 63 SchKG und Art. 1 des Bundesgesetzes über den Fristenlauf
an Samstagen widersprechende - Auffassung zu vertreten, für die auch
keinerlei überwiegende Interessen der Rekurrentin sprechen.

    Der von der Rekursgegnerin am 6. Januar 1982 der Post übergebene
Rechtsvorschlag hat daher als rechtzeitig zu gelten, was zur Abweisung
des Rekurses führt.