Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IB 92



108 Ib 92

16. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27.
Januar 1982 i.S. Hiestand gegen Genossame Wangen und Verwaltungsgericht
des Kantons Schwyz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 103 lit. a OG; Legitimation zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Auswirkung auf das kantonale
Rechtsmittelverfahren.

    1. Legitimation eines Berufsfischers, die Bewilligung eines Bootshafens
und einer Badeanlage wegen Verletzung des Bundesgesetzes über die Fischerei
anzufechten (E. 3b aa).

    2. Kommt dem Beschwerdeführer auf Grund von Art. 103 lit. a OG in
Verbindung mit Art. 6 VwVG Parteistellung zu, so ist diese auch für das
kantonale Rechtsmittelverfahren massgebend und darf durch das kantonale
Recht nicht eingeschränkt werden (E. 3b bb).

Sachverhalt

    A.- Der Regierungsrat des Kantons Schwyz erteilte am 2.  Dezember
1980 der Genossame Wangen die Bewilligung, in der Seewaldbucht
bei Nuolen am obern Zürichsee einen Bootshafen und einen Badeplatz
anzulegen. Franz Hiestand, Berufsfischer in Freienbach, focht diesen
Beschluss beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz an. Dieses trat
auf die Beschwerde nicht ein, weil Franz Hiestand am vorinstanzlichen
Verfahren nicht beteiligt gewesen und damit zur Beschwerdeführung
nicht legitimiert sei. Gegen den Nichteintretensentscheid führt Franz
Hiestand Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht, das die
Beschwerde gutheisst und die Sache zur materiellen Entscheidung an das
Verwaltungsgericht zurückweist.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) (Feststellung, dass keine willkürliche Auslegung und Anwendung
des kantonalen Verfahrensrechts gerügt wird.)

    b) Es ist deshalb einzig zu prüfen, ob der Nichteintretensentscheid
Art. 103 lit. a OG verletzt.

    aa) Gemäss Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Nicht
erforderlich ist, dass das vom Beschwerdeführer geltend gemachte
Interesse von der angerufenen Vorschrift mitumfasst sein müsste; die
Legitimation hängt nicht von der Übereinstimmung zwischen den privaten
Interessen des Beschwerdeführers und der Schutzrichtung der Norm ab,
auf die er sich beruft. Er braucht also rechtlich geschützte Interessen
nicht geltend zu machen. Vielmehr genügt es, dass der Beschwerdeführer
von der angefochtenen Verfügung irgendwie berührt ist und durch faktische
Interessen der Streitsache wesentlich näher steht als irgend ein Dritter
(BGE 104 Ib 255/256 E. 7c; 317/318 E. 3b).

    Das trifft im vorliegenden Fall auf den Beschwerdeführer zu. Als
Inhaber einer Berufsfischereiberechtigung für den Obersee hat er ein
erhebliches Interesse an der möglichst unversehrten Erhaltung dieses
Fischgewässers. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Anlage eines
Bootshafens und eines Badeplatzes nachteilig auf den Fischbestand und
damit auf die Fischerei auswirkt. Durch den befürchteten Rückgang des
Fischertrags würde der Beschwerdeführer unmittelbar betroffen. Dadurch
steht er der Streitsache wesentlich näher als irgend ein Dritter. Er ist
daher nach Art. 103 lit. a OG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt.

    bb) Das Verwaltungsgericht sprach dem Beschwerdeführer die Legitimation
zur Beschwerde zunächst deshalb ab, weil er am vorinstanzlichen Verfahren
nicht beteiligt gewesen sei. Es fehle ihm daher an einer formellen
Beschwer, die darin liege, dass er vor der Vorinstanz nicht oder nicht in
vollem Umfang durchgedrungen sei. Auch habe für die Vorinstanz kein Anlass
bestanden, sämtliche Berufsfischer des Obersees im Bewilligungsverfahren
beizuladen.

    Diese Auffassung des Verwaltungsgerichts hält vor Art. 103 lit. a
OG nicht stand. Zwar trifft es zu, dass nach Lehre und Rechtsprechung
im administrativen Rechtsmittelverfahren in Fällen wie jenem, der
dem Verwaltungsgericht vorlag, im allgemeinen vorausgesetzt ist,
dass der Beschwerdeführer am vorausgegangenen Verfahren beteiligt
war (FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1979, S. 114;
BGE 99 Ib 76/77 E. 1). Dieses Erfordernis braucht jedoch dann
nicht erfüllt zu werden, wenn der Beschwerdeführer ohne Verschulden
verhindert war, von Anfang an am Verfahren teilzunehmen (FRITZ GYGI,
aaO, S. 114; VPB 42/1978 Nr. 96, S. 427/428; BGE 101 Ib 213). Diese
Grundsätze werden denn auch vom Verwaltungsgericht nicht abgelehnt,
sondern ausdrücklich anerkannt. Das Gericht vertritt indessen die
Auffassung, dass der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren
gar nicht habe beigezogen werden müssen. Daraus schliesst es offenbar,
dass eine unverschuldete Verhinderung des Beschwerdeführers nicht in
Frage kommen könne. Das trifft indessen nicht zu. Die Parteistellung
des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Zusammenhang von Art. 103
lit. a OG mit der entsprechenden Regelung des Bundesgesetzes über das
Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwVG). Die Vorschrift über
die Beschwerdelegitimation von Art. 48 lit. a VwVG stimmt mit Art. 103
lit. a OG wörtlich und inhaltlich überein (BGE 104 Ib 249). Während das
OG den Parteibegriff für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht
umschreibt, ist dessen Definition für das Verwaltungsverfahren in Art. 6
VwVG enthalten. Danach gelten Personen, deren Rechte und Pflichten
die Verfügung berühren soll, und andere Personen, Organisationen
oder Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht,
als Parteien. Wer zur Beschwerde berechtigt ist, kann somit Partei
werden. Demzufolge ist die Legitimationsvorschrift von Art. 48 lit. a
VwVG für die Parteistellung im Verwaltungsbeschwerdeverfahren massgebend
(vgl. Peter Saladin, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes,
Basel und Stuttgart 1979, Ziff. 11.1 ff., S. 85 ff.). Angesichts
der Übereinstimmung von Art. 48 lit. a VwVG und Art. 103 lit. a OG
besteht kein Grund, für das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren
etwas anderes gelten zu lassen. Da Art. 103 lit. a OG - wie erwähnt
- eine Minimalvorschrift für das kantonale Rechtsmittelverfahren in
Streitigkeiten des Bundesverwaltungsrechts darstellt (E. 2), darf die
sich daraus ergebende Parteistellung des Beschwerdeführers im kantonalen
Beschwerdeverfahren nicht eingeschränkt werden. Gerade das aber bewirkt
das angefochtene Urteil. Das Verwaltungsgericht stellte zwar zutreffend
fest, dass dem Beschwerdeführer aus dem Erfordernis der formellen Beschwer
dann kein Nachteil erwachsen dürfe, wenn er ohne Verschulden verhindert
gewesen sei, am Verfahren von allem Anfang an teilzunehmen. Indessen
verneinte es aufgrund des kantonalen Verfahrensrechts die Notwendigkeit,
ihn zum erstinstanzlichen Verfahren beizuziehen, und schloss damit die
Möglichkeit einer unverschuldeten Verhinderung von vornherein aus. Es
sprach somit dem Beschwerdeführer die Legitimation zur kantonalen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, weil er am erstinstanzlichen Verfahren
nicht beteiligt war und nach Auffassung des Gerichts auch gar nicht
hätte beteiligt werden müssen. Indem es aber die Parteistellung davon
abhängig machte, ob der Beschwerdeführer nach kantonalem Recht zum
erstinstanzlichen Verfahren beizuziehen gewesen wäre, stellte es an die
Beschwerdelegitimation eine zusätzliche Anforderung, die mit Art. 103 lit.
a OG unvereinbar ist.

    Im kantonalen Verfahren kann der Parteistellung in genügender Weise
durch Publikation und öffentliche Auflage Rechnung getragen werden,
wie dies in Bausachen allgemein bekannt und üblich ist. Erhebt alsdann
ein Dritter, dem Parteistellung zukommt, nicht rechtzeitig Einsprache,
so darf die Legitimation zur Beschwerdeführung zu Recht verneint werden
(vgl. VPB 42/1978 Nr. 96, S. 428). Im vorliegenden Fall wurde das
streitige Vorhaben nicht publiziert. Der Beschwerdeführer war deshalb ohne
Verschulden verhindert, am erstinstanzlichen Verfahren teilzunehmen. Da er
materiell beschwert ist, hätte das Verwaltungsgericht auf seine Beschwerde
eintreten müssen (vgl. FRITZ GYGI, aaO, S. 114; BGE 101 Ib 213, 385 E. 1b;
95 I 385 E. 1).

    cc) Das Verwaltungsgericht begründet den Nichteintretensentscheid im
weitern damit, dass das Bundesgesetz über die Fischerei keinen absoluten
Anspruch auf unversehrte Fischgewässer gewähre. Deshalb spreche kein aus
einem materiellen Rechtssatz folgendes Argument für die Zulassung des
Beschwerdeführers zur Beschwerde.

    Bei dieser Begründung geht das Verwaltungsgericht offenbar davon
aus, dass der Beschwerdeführer an der Aufhebung oder Änderung der
Bewilligung für den Bootschafen und die Badeanlage kein hinreichendes
Rechtsschutzinteresse dartun könne. Andernfalls hätte sich die
Prüfung der Frage von vornherein erübrigt, ob ein besonderes Argument
des eidgenössischen Fischereirechts für die Zulassung zur Beschwerde
spreche. Wie dargelegt, hat jedoch der Beschwerdeführer ein schutzwürdiges
Interesse an der Aufhebung oder Änderung der fraglichen Bewilligung (E. 3b
aa). Daher braucht auf die Eventualbegründung des Verwaltungsgerichts
nicht näher eingegangen zu werden.

    dd) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer gemäss
Art. 103 lit. a OG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht
berechtigt ist. Damit ist der angefochtene Nichteintretensentscheid mit
Art. 103 lit. a OG unvereinbar. Er ist aufzuheben, und die Sache ist zur
materiellen Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.