Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IB 39



108 Ib 39

6. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. April 1982 i.S. X.
gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Warenumsatzsteuer; gewerbsmässige Herstellung von Bauwerken als
Eigenverbrauch (Art. 16 Abs. 2 WUStB).

    Ein Bauwerk gilt nicht schon dann als gewerbsmässig für den
Eigenverbrauch hergestellt, wenn der Hersteller dessen Vermietung bezweckt,
sondern der Geschäftsbetrieb des Grossisten muss die Herstellung solcher
Bauwerke zum Zwecke haben (Art. 10 Abs. 2 Satz 3 WUStB).

Sachverhalt

    A.- X., der mit Landmaschinen und Traktoren handelt und eine
Reparaturwerkstätte für solche Maschinen betreibt, ist seit 1952 als
Grossist im Register der Warenumsatzsteuerpflichtigen eingetragen. Er bezog
1969 in B. einen Geschäftsneubau. In den Jahren 1972 bis 1975 erweiterte
er in einer sog. zweiten Bauetappe die Einstellhalle im Untergeschoss,
errichtete darüber im Erdgeschoss eine zweite Werkstatt und im Obergeschoss
drei Wohnungen. Dabei führte er die Maurer- bzw. Baumeisterarbeiten
selber mit Hilfe eines von ihm eingestellten Bauvorarbeiters und weiterer
Arbeitskräfte sowie der Familienangehörigen aus. Alle Räumlichkeiten der
zweiten Bauetappe sind in der Folge vermietet worden, die Geschäftsräume
noch vor der Vollendung und auf 10 Jahre hinaus fest.

    Nach Kontrolle seiner Buchhaltung für die Steuerperioden 1969
bis 1973 erhob die Eidgenössische Steuerverwaltung zunächst mit einer
Steuernachforderung, namentlich für Baumaterial, das er zur eigenen
Verwendung bei der zweiten Bauetappe steuerfrei bezogen hatte. Wie
sie es ihm schon bei der Kontrolle angekündigt hatte, erhob die
Eidgenössische Steuerverwaltung nach Abschluss der Bauarbeiten sodann
mit Ergänzungsabrechnung vom 12. Januar 1976 eine Nachforderung für
den Eigenverbrauch in Form gewerbsmässiger Herstellung von Bauwerken
zwecks Vermietung. Eine dagegen gerichtete Einsprache des X. wies die
Eidgenössische Steuerverwaltung ab. Sie bezeichnete den Eigenverbrauch in
Form der Herstellung der Bauwerke für eigene Rechnung im Falle des X. als
gewerbsmässig, obwohl er nicht Baumeister sei, weil er die Vermietung
der fertigen Bauten bezweckt habe.

    X. erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag,
der Entscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung sei aufzuheben. Das
Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Warenumsatzsteuer unterliegt unter anderem die Herstellung
von Bauwerken, und zwar einerseits als baugewerbliche Lieferung
bei Herstellung für fremde Rechnung (Art. 15bis Abs. 1 WUStB),
anderseits als Eigenverbrauch (Art. 16 Abs. 2 WUStB). Dies stützt
sich auf Art. 41ter Abs. 3 BV, wonach die Warenumsatzsteuer auch auf
gewerbsmässigen Arbeiten an Bauwerken und Grundstücken erhoben werden
kann (zur Entstehungsgeschichte und den rechtlichen Grundlagen während
der streitigen Veranlagungsperioden vgl. BGE 100 Ib 56 ff.).

Erwägung 2

    2.- Als Eigenverbrauch gilt die Herstellung von Bauwerken für eigene
Rechnung nach Art. 16 Abs. 2 WUStB aber nur, wenn sie gewerbsmässig
erfolgt. Die Auffassung der Parteien geht einzig in diesem Punkte
auseinander, nämlich ob der Beschwerdeführer die Bauwerke der sog. zweiten
Bauetappe gewerbsmässig herstellte. Er bestreitet dies, weil er nicht
Bauunternehmer sei. Die Eidgenössische Steuerverwaltung dagegen sieht
unter Hinweis auf Art. 10 Abs. 2 Satz 3 WUStB die Gewerbsmässigkeit
darin, dass der Beschwerdeführer die Herstellung dieser Bauwerke für die
Vermietung bezweckte.

    a) Sie macht geltend, die Qualifikation der Herstellung von Bauwerken
für eigene Rechnung als gewerbsmässige Herstellung in Art. 10 Abs. 2 Satz
3 WUStB sei aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit eingeführt worden. Für
die Belastung mit der Eigenverbrauchssteuer (von Waren und Bauwerken)
war nach dem Bundesratsbeschluss über die Warenumsatzsteuer vom 29. Juli
1941 ursprünglich nicht unterschieden worden, ob die Verwendung für den
Eigenverbrauch gewerbsmässig erfolgte oder nicht. Damit sollten Grossisten,
die zur Herstellung von Betriebsgebäuden und Betriebsmitteln über eigene
Bauabteilungen, Reparaturwerkstätten und andere Hilfsbetriebe verfügten,
also vor allem grosse Betriebe, aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit
steuerlich gleichgestellt werden wie kleinere Betriebe, die solche
Betriebsmittel oder Arbeiten bei Dritten einkaufen oder ausführen
lassen mussten und die volle Umsatzsteuerbelastung nicht nur auf dem
Wert des verwendeten Materials, sondern auch auf den Löhnen und übrigen
Kosten zu entrichten hatten. Mit dieser früheren Regelung zwangsläufig
verbunden war jedoch eine steuerliche Benachteiligung der Grossisten
gegenüber Nichtgrossisten (namentlich grossen Detailhandelsbetrieben)
der gleichen Branche, die für ihren eigenen Betrieb entsprechende
Arbeiten oder Reparaturen vornahmen und die Eigenverbrauchssteuer nur
auf dem verwendeten Material zu entrichten hatten. Die frühere Ordnung
wurde daher durch Bundesratsbeschluss vom 13. Dezember 1943 abgeändert,
indem in Art. 16 WUStB der Eigenverbrauchstatbestand auf gewerbsmässig
hergestellte Waren (bzw. Bauwerke) eingeschränkt und gleichzeitig im
(neuen) dritten Satz von Art. 10 Abs. 2 WUStB die Gewerbsmässigkeit der
Herstellung definiert wurde. Damit wurde grundsätzlich der Grossist,
der Herstellungsarbeiten nur für die Bedürfnisse des eigenen Betriebs
vornimmt, mit dem selbstherstellenden Nichtgrossisten gleichgestellt,
während er den vollen Wert des Eigenverbrauchs zu versteuern hat,
sofern er die Herstellungsvorgänge auch für Dritte gegen Entgelt
(gewerbsmässig) ausführt. Diese Lösung stellte einen Kompromiss zwischen
den erwähnten gegensätzlichen Interessen dar (WELLAUER, Die eidgenössische
Warenumsatzsteuer, N. 691 bis 694; Urteil des Bundesgerichts vom 8. Februar
1980 in ASA 49 S. 495 E. 3b).

    b) Nach Art. 10 Abs. 2 Satz 3 WUStB, auf den Art. 16 Abs. 2 WUStB
ausdrücklich verweist, sind Waren oder Bauwerke als gewerbsmässig
hergestellt dann anzusehen, wenn der Geschäftsbetrieb des Herstellers
die Herstellung für fremde Rechnung, die Veräusserung, Vermietung oder
Verpachtung solcher Waren oder Bauwerke zum Zwecke hat. Der entsprechende
französische Gesetzestext lautet: "Des marchandises sont fabriquées ou
des constructions exécutées professionnellement lorsque l'entreprise
a pour but de fabriquer des marchandises de ce genre ou d'exécuter des
constructions de ce genre pour le compte d'autrui, pour les aliéner ou les
donner à bail." In Frage steht hier ausschliesslich die Herstellung der
fraglichen Bauten durch den Beschwerdeführer zum Zwecke der Vermietung. Von
gewerbsmässiger Herstellung kann nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 Satz
3 WUStB nicht bereits dann gesprochen werden, wenn ein selbst hergestelltes
Bauwerk vermietet wird, sondern der Geschäftsbetrieb des Grossisten muss
die Herstellung für die Vermietung solcher Bauwerke zum Zwecke haben. So
wie bei der Herstellung für fremde Rechnung Gewerbsmässigkeit nur dann
angenommen wird, wenn diese Tätigkeit nicht bloss ausnahmsweise bei einer
günstigen Gelegenheit ausgeübt wird, sondern im Geschäftsbetrieb des
Herstellers tatsächlich eine anhaltende Bereitschaft zu Arbeiten dieser
Art für Dritte gegen Entgelt besteht (ASA 49 S. 494 E. 3a mit Hinweisen;
vgl. auch WELLAUER, Die Bundesgerichtspraxis zur Warenumsatzsteuer,
Bern 1978, Ziff. 5.2 mit weiteren Hinweisen; I. BLUMENSTEIN, Zum
Begriff des umsatzsteuerpflichtigen Eigenverbrauchs, ASA 28 S. 257
ff., insbes. S. 268/9 und S. 270/1; K. AMONN, Der Eigenverbrauch in
der eidgenössischen Warenumsatzsteuer, Diss. Bern 1957, S. 56/7),
muss es sich bei der Vermietung der für eigene Rechnung hergestellten
Bauwerke um einen Vorgang handeln, der im Geschäftsbetrieb des Grossisten
entweder regelmässig vorkommt oder doch zumindest neben der Herstellung
für fremde Rechnung vorkommen kann und mit dieser zusammen zum Zweck des
Geschäftsbetriebs gehört (WELLAUER, Die eidgenössische Warenumsatzsteuer,
N. 349). Von gewerbsmässiger Herstellung von Bauwerken zum Zwecke der
Vermietung kann nur gesprochen werden, wenn der Geschäftsbetrieb der
Unternehmung die Herstellung von Bauwerken zum Zwecke hat, auch wenn
es sich dabei nicht um Bauwerke der gleichen Gattung handeln muss,
wie sie der Grossist sonst auf Bestellung oder zum Verkauf bzw. zur
Vermietung herstellt (WELLAUER, aaO, N. 349 Abs. 2 in Verbindung mit
N. 711). Es muss sich dabei nicht um den hauptsächlichen oder auch nur
vorwiegenden Zweck des Geschäftsbetriebs handeln, sondern kann auch ein
blosser Nebenzweck des Geschäftsbetriebs sein. Immerhin muss dieser mit
einer gewissen Regelmässigkeit verfolgt werden (Urteil des Bundesgerichts
vom 3. Mai 1968 in ASA 37 S. 53 E. 3; K. AMONN, aaO, S. 57; H. HEROLD,
Praxis des Umsatzsteuerrechts, Art. 10 Anm. 2 S. 7, Art. 16 Anm. 1 S. 6/7
und Art. 20 Anm. 5 S. 2 und 3; H. HEROLD, Kommentar zur Eidgenössischen
Warenumsatzsteuer, N. 1 zu Art. 10).

Erwägung 3

    3.- Von einer gewerbsmässigen Herstellung der Bauwerke der zweiten
Bauetappe im Rahmen eines Geschäftsbetriebs, der die Herstellung für
die Vermietung der Bauwerke zum Zwecke hätte, kann beim Beschwerdeführer
nicht gesprochen werden.

    Zwar ist der Eidgenössischen Steuerverwaltung zuzugeben, dass
nach dem Ergebnis ihrer Abklärungen viel für die Annahme spricht, der
Beschwerdeführer habe die Bauten der zweiten Bauetappe von vorneherein
zum Zwecke der Vermietung hergestellt.

    Damit war aber die Herstellung der Bauwerke der sog. zweiten Bauetappe
durch eigene Arbeitskräfte des Beschwerdeführers noch keineswegs Zweck
seines Geschäftsbetriebs. Der Beschwerdeführer hat unwidersprochen geltend
gemacht, dass er die Baumeisterarbeiten für die zweite Bauetappe nur
wegen ungenügenden Bankkredits selber ausführte und nicht nur die andern
Arbeitskategorien, sondern auch seine früheren Bauten ausschliesslich durch
Unternehmungen des Baugewerbes ausführen liess. Sein Geschäftsbetrieb, in
dem ausser ihm noch zur Zeit der Revision vom Frühjahr 1974 (offiziell)
bloss ein Werkstattchef, ein Arbeiter und ein Lehrling beschäftigt
waren, ist weder zum Baugewerbe zu rechnen, noch umfasst er eine
betriebsinterne Bauabteilung. Man könnte höchstens die Frage aufwerfen,
ob der Geschäftsbetrieb des Beschwerdeführers vorübergehend in den Jahren
1972 bis 1975 auch die gewerbsmässige Herstellung von Bauwerken zum Zwecke
hatte, indem der Beschwerdeführer dem Betrieb für diese Jahre eine Art
Bauabteilung angliederte. Das nahm die Eidgenössische Steuerverwaltung
aber nicht an. Eine solche Annahme ginge im Falle des Beschwerdeführers
auch zu weit. Denn er stellte für die Bauarbeiten dieser Jahre lediglich
einen spanischen Maurer-Vorarbeiter fest ein, während er im übrigen in-
und ausländische Arbeiter vor allem in der Freizeit beizog, soweit er
und seine Familienangehörigen die Arbeiten nicht allein zu verrichten
vermochten. Die Bauarbeiten der zweiten Bauetappe dienten der Ausnützung
des für den Landmaschinenhandel erworbenen Geschäftsgrundstücks, die
damit abgeschlossen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer
beabsichtigt, mit Kräften des eigenen Betriebs weitere Bauwerke für
die Vermietung an Dritte herzustellen oder gar Bauarbeiten für Rechnung
Dritter auszuführen, sind den Akten nicht zu entnehmen und werden von
der Eidgenössischen Steuerverwaltung auch nicht geltend gemacht.

    Auch wenn die Vermietung der Bauwerke der zweiten Bauetappe auf
seiner Geschäftsliegenschaft als Nebenzweck der Geschäftstätigkeit des
Beschwerdeführers betrachtet werden kann, so fällt doch die Herstellung
solcher Bauwerke nicht unter die Zwecke seines Geschäftsbetriebs und
erfolgte nicht gewerbsmässig. Die Herstellung dieser Bauwerke unterliegt
demnach nicht der Besteuerung als Eigenverbrauch. Es muss beim besteuerten
Bezug der Baumaterialien bzw. bei der Eigenverbrauchsbesteuerung der zu
Unrecht steuerfrei bezogenen Baumaterialien sein Bewenden haben, wie dies
Gegenstand der Ergänzungsabrechnung vom 8. März 1974 war.