Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IB 389



108 Ib 389

68. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. November
1982 i.S. Küng AG gegen den Schweizerischen Elektrotechnischen Verein
(verwaltungsrechtliche Klage) Regeste

    Eintretensfrage; Art. 19 Verantwortlichkeitsgesetz.

    Das Bundesgericht kann im verwaltungsrechtlichen Klageverfahren
nur dann auf eine gegen den Schweizerischen Elektrotechnischen Verein
gerichtete Schadenersatzklage eintreten, wenn der Verein den behaupteten
Schaden in Ausübung einer ihm übertragenen öffentlichrechtlichen Aufgabe
zufügte.

Sachverhalt

    A.- Die Küng AG mit Sitz in Horgen lieferte der
VITA-Versicherungsgesellschaft für deren neues Verwaltungsgebäude
an der Austrasse 46 in Zürich Saunaöfen, Temperatur-Steuergeräte und
Temperatur-Begrenzer. Inspektor Iseli, Angestellter des Schweizerischen
Elektrotechnischen Vereins (SEV), glaubte bei der Abnahmekontrolle der
von der Küng AG gelieferten Apparate verschiedene Mängel festgestellt zu
haben. Nach Angaben der Küng AG beruhen die angeblichen Mängel aber auf
"Falschmessungen" Iselis; anderseits habe Iseli die angeblichen Mängel
unbefugtermassen der VITA-Versicherungsgesellschaft mitgeteilt. Da die
Küng AG auf Drängen der Bauherrschaft in der Folge die Anlagen habe
auswechseln müssen, sei ihr ein Schaden von Fr. 3'076.55 entstanden,
für den der SEV einzustehen habe.

    Mit verwaltungsrechtlicher Klage vom 29. September 1981 gegen den
Schweizerischen Elektrotechnischen Verein beantragt die Küng AG dem
Bundesgericht:

    "Es sei der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Fr. 3'076.55 nebst

    5% Zins seit 1. Januar 1981 zu bezahlen, alles unter Kosten- und

    Entschädigungsfolge zu Lasten des Beklagten."

    Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf Art. 19 des BG über die
Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten
vom 14. März 1958 (Verantwortlichkeitsgesetz; VG; SR 170.32). Auf die
einzelnen Vorbringen der Klägerin wird, soweit erforderlich, in den
Erwägungen eingegangen.

    Der Schweizerische Elektrotechnische Verein beantragt, es sei auf
die Klage nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 116 lit. k OG beurteilt das Bundesgericht als einzige
Instanz Klagen in Streitigkeiten aus dem Verwaltungsrecht des Bundes über
"andere Angelegenheiten", soweit ein Bundesgesetz die verwaltungsrechtliche
Klage vorsieht. Obwohl Art. 10 VG die verwaltungsrechtliche Klage für die
Geltendmachung von Ansprüchen wegen Schädigungen eines Organes oder eines
Angestellten einer mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betrauten
und ausserhalb der ordentlichen Bundesverwaltung stehenden Organisation
im Sinne von Art. 19 Abs. 1 VG nicht vorsieht, geht die Praxis des
Bundesgerichtes dennoch in Ausfüllung einer Gesetzeslücke davon aus, dass
diese Ansprüche mit verwaltungsrechtlicher Klage beim Bundesgericht geltend
zu machen sind (BGE 94 I 637 E. 1); nach Art. 19 Abs. 1 VG haftet die
Organisation und subsidiär der Bund dem Dritten für den ihm von einem
Organ oder Angestellten der Organisation widerrechtlich zugefügten
Schaden jedoch nur dann, wenn dies in Ausübung der der Organisation
übertragenen öffentlichrechtlichen Aufgaben geschah. Nur wenn auch diese
letztere Voraussetzung gegeben ist, vermag das Bundesgericht auf die
verwaltungsrechtliche Klage einzutreten. Zu prüfen ist daher zunächst, ob
der behauptete Schaden der Klägerin in Ausübung einer dem Schweizerischen
Elektrotechnischen Verein übertragenen öffentlichrechtlichen Aufgabe
zugefügt wurde.

Erwägung 2

    2.- Inspektor Iseli hat im Verwaltungsgebäude der
VITA-Versicherungsgesellschaft eine Hausinstallationskontrolle
durchgeführt, die auch von fachkundigen Privatpersonen hätte vorgenommen
werden können. Tatsächlich ist die gemäss Art. 123 Abs. 1 der VO
über die Erstellung, den Betrieb und den Unterhalt von elektrischen
Stromanlagen vom 7. Juli 1933 (Starkstromverordnung; StV; SR 734.2)
nach Vollendung der Hausinstallation vorzunehmende Kontrolle nicht
vom Eidgenössischen Starkstrominspektorat vorzunehmen, welches eine
öffentlichrechtliche Organisation ist und amtliche Funktionen ausübt,
sondern vom "Betriebsinhaber der elektrischen Anlage, an welche
die Hausinstallation angeschlossen ist" (Art. 26 BG betreffend die
elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen vom 24. Juni 1902; ElG;
SR 734.0 in Verbindung mit Art. 123 Abs. 2 StV). Die Kontrolle hat
der Betriebsinhaber mit Personen zu bewerkstelligen, die an der
Errichtung der zu kontrollierenden Hausinstallation nicht beteiligt
waren (Art. 123 Abs. 3 StV: Grundsatz, dass niemand sich selber
kontrollieren soll), die fachkundig sind (Art. 120ter StV) oder eine
Kontrolleurprüfung beim Eidgenössischen Starkstrominspektorat bestanden
haben. Letzteres führt lediglich die Oberaufsicht über die Kontrolle
der Hausinstallationen (Art. 123 Abs. 5 StV); ihm gegenüber hat sich
der kontrollpflichtige Betriebsinhaber über die Vornahme der Kontrolle
auszuweisen (Art. 26 ElG, Art. 123 Abs. 2 StV). Art. 21 der VO über
die Hausinstallationskontrolle vom 9. September 1975 (SR 734.221)
präzisiert denn auch unter dem Randtitel "Kontrollbefugnis/Recht der
Ausübung", dass die Kontrolle nur Fachleuten übertragen werden dürfe,
welche die nötige Sachkunde aufwiesen, einen Ausweis des Eidgenössischen
Starkstrominspektorats über die bestandene Kontrolleurprüfung besitzen
oder schon vor dem 1. Januar 1950 vom Starkstrominspektorat anerkannte
Hausinstallationen durchführten. Wesentlich ist somit die Fachkunde
des Kontrolleurs; von vorliegend nicht zutreffenden Fällen abgesehen
ist aber nicht vorgeschrieben, dass die Hausinstallationskontrolle
nur durch Funktionäre einer mit öffentlichrechtlichen Aufgaben
betrauten Organisation durchgeführt werden können. So hat denn auch der
Schweizerische Elektrotechnische Verein den Auftrag zur Durchführung
der Abnahmekontrolle der Hausinstallationen im Verwaltungsgebäude der
VITA-Versicherungsgesellschaft nicht in seiner Funktion als Inhaber des
Eidgenössischen Starkstrominspektorates übernommen, sondern im Rahmen
eines privatrechtlichen Vertrages: denn der Verein betreibt neben dem
Eidgenössischen Starkstrominspektorat mit seinem öffentlichrechtlichen
Charakter noch ein eigenes Starkstrominspektorat als technische Prüfanstalt
im Sinne von Art. 2 Ziffer 3 und 19 Ziffer 1 der Vereinsstatuten und führt
im Rahmen dieses vereinseigenen Inspektorats private Kontrollarbeiten aus.

    Somit können die von der Klägerin im Zusammenhang mit der strittigen
Hausinstallationskontrolle gegen den Schweizerischen Elektrotechnischen
Verein geltend gemachten Ansprüche nicht gestützt auf dessen Eigenschaft
als Träger des Eidgenössischen Starkstrominspektorates, sondern -
wenn überhaupt - nur gegen den Elektrotechnischen Verein als private
Kontrollfirma durchgesetzt werden. Damit entfällt aber die Zuständigkeit
des Bundesgerichts für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruches
im verwaltungsrechtlichen Klageverfahren (vgl. dazu auch BGE 94 I 638
ff.). Der Anspruch ist vielmehr beim zuständigen Zivilrichter geltend
zu machen.

    Auf die Klage ist somit nicht einzutreten.