Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IB 227



108 Ib 227

42. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. Januar
1982 i.S. Wehrsteuerverwaltung des Kantons Schwyz gegen Giarritta und
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 21 WStB; Besteuerung von Eigenleistungen.

    Der unselbständigerwerbende Maurer, der in seiner Freizeit ein Haus
für den Eigengebrauch teilweise selber erstellt, erzielt keine Einkommen
aus Erwerbstätigkeit i.S. von Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB; der durch seine
Arbeit bewirkte Vermögenszuwachs bleibt steuerfrei.

Sachverhalt

    A.- Giarritta, der als Maurer angestellt ist, baute 1973/74 in
Rickenbach (SZ) ein Zweifamilienhaus. Die Maurerarbeiten führte er
dabei in seiner Freizeit selber aus. Die Steuerbehörde rechnete ihm
bei der Veranlagung für die 18. Wehrsteuerperiode den Wert dieser
Eigenleistungen als Einkommen an. In teilweiser Gutheissung seiner
Beschwerde setzte das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz das steuerbare
Einkommen herab, indem es die Eigenleistungen weniger hoch bewertete. Mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt die kantonale Wehrsteuerverwaltung
Wiederherstellung der ursprünglichen Veranlagung. Das Bundesgericht weist
die Beschwerde ab und ändert die Veranlagung von Amtes wegen (Art. 114
Abs. 1 OG) zugunsten des Steuerpflichtigen.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Nach der Rechtsprechung ist die kantonale Wehrsteuerverwaltung
zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid der kantonalen
Rekurskommission berechtigt (BGE 98 Ib 278 E. 1 mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 105 Ib 360 E. 5c).

    b) Zwischen den Parteien ist vor Bundesgericht einzig streitig,
in welcher Höhe die Eigenleistungen zu besteuern seien; die
Steuerpflicht an sich war bis zur ersten Urteilsberatungssitzung
nicht bestritten. Rechtsfragen prüft das Bundesgericht indes von Amtes
wegen. Ausserdem darf das Bundesgericht in Abgabestreitigkeit zugunsten
oder zuungunsten der Parteien über deren Begehren hinausgehen, wenn
Bundesrecht verletzt oder der Sachverhalt unrichtig oder unvollständig
festgestellt worden ist. Damit wird dem Bundesgericht die Möglichkeit
gegeben, in Abgabestreitigkeiten einen Entscheid der Vorinstanz
gegebenenfalls dem objektiven Recht anzupassen, ohne an die Anträge
der Parteien gebunden zu sein. Eine solche Berichtigung wird aber nur
vorgenommen, wenn der betreffende Entscheid offensichtlich unrichtig
und die Korrektur von erheblicher Bedeutung ist (BGE 105 Ib 379 E. 18a
mit Hinweisen). Dies trifft hier zu, wenn sich die Besteuerung der
Eigenleistung als bundesrechtswidrig erweist. In diesem Fall ist nicht
bloss die Beschwerde abzuweisen, sondern darüber hinaus der vorinstanzliche
Entscheid zugunsten des Steuerpflichtigen abzuändern.

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdegegner, der an sich als Arbeitnehmer nur
unselbständiges Erwerbseinkommen erzielt, hat ein Zweifamilienhaus gebaut,
das er selbst bewohnt. Zu entscheiden ist, ob die Vermögensvermehrung,
die er durch seine Arbeiten am eigenen Haus, durch sog. Eigenleistungen,
erzielt hat, Einkommen im Sinne von Art. 21 WStB darstellt.

    Nach Art. 21 Abs. 1 WStB ist das "gesamte Einkommen des
Steuerpflichtigen aus Erwerbstätigkeit, Vermögensertrag oder anderen
Einnahmequellen" wehrsteuerpflichtig. Die Aufzählung in Abs. 1 lit. a
bis f wird durch das Wort "insbesondere" eingeleitet und ist daher bloss
beispielhaft und nicht abschliessend (BGE 105 Ib 2 E. 1 mit Hinweisen; 74
I 393). Der Wehrsteuerbeschluss liefert im übrigen - wie die kantonalen
Steuergesetze - keine allgemeine Definition des steuerbaren Einkommens
der natürlichen Personen. Das Bundesgericht hat für die Umschreibung des
Einkommens mehrfach die bei BLUMENSTEIN (vgl. System des Steuerrechts,
3. Aufl., S. 144) umschriebene Formel verwendet, wonach Einkommen die
Gesamtheit derjenigen Wirtschaftsgüter ist, welche einem Individuum während
eines bestimmten Zeitabschnittes zufliessen, und die es ohne Schmälerung
seines Vermögens zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse
und für seine laufende Wirtschaft verwenden kann (vgl. BGE 52 I 214,
BGE 73 I 140 mit Hinweisen). Es hat in BGE 105 Ib 2 E. 1 ausgeführt,
von der Systematik des WStB her betrachtet unterliege der Wehrsteuer als
Gesamteinkommenssteuer jedwelches Einkommen, das nicht ausdrücklich vom
Beschluss als nichtsteuerbarer Bestandteil des Einkommens von der Steuer
ausgenommen sei.

    Diese Umschreibung ist sehr weit gefasst. Aber auch sie setzt voraus,
dass ein Vermögenszugang nur dann der Einkommensbesteuerung unterliegen
kann, wenn er Einkommen darstellt. Zu prüfen ist deshalb, ob und wann
Eigenleistungen, also durch eigene Tätigkeit bewirkte Wertvermehrungen
im Bereich des eigenen Vermögens, überhaupt Einkommen sind.

    Zahlreiche Eigenleistungen in Haus und Garten, einschliesslich
gelegentlicher wertvermehrender Arbeiten am Eigenheim, sind regelmässig
nicht als für die Einkommenssteuer relevantes Einkommen zu werten,
werden diese Wertvermehrungen doch bloss im Rahmen der Verwaltung eigenen
Vermögens erzielt (BGE 104 Ib 166 E. 1 mit Hinweisen).

    Soweit jedoch solche Eigenleistungen wie im vorliegenden Falle einen
gewissen Umfang annehmen, stellt sich die Frage der Besteuerung. Dabei
muss unterschieden werden, ob es sich um Eigenleistungen im Bereich
der eigenen gewerblichen, selbständigen Tätigkeit (jedenfalls soweit
sie buchführungspflichtig ist) handelt oder um eine fachgerechte
Nebenbeschäftigung eines Unselbständigerwerbenden. Diese Differenzierung
ist für den Einkommensbegriff des Wehrsteuerbeschlusses von grundlegender
Bedeutung; soweit der angefochtene Entscheid diesen Unterschied missachtet,
muss er von Amtes wegen aufgehoben werden.

    b) Eigenleistungen in gewerblichen Unternehmen, deren Träger
buchführungspflichtig sind, müssen grundsätzlich aktiviert werden,
soweit es sich um Wertvermehrungen handelt, freilich unter Vorbehalt
der Rechte des Steuerpflichtigen zu geschäftsmässigen Abschreibungen und
Rückstellungen (Art. 22 lit. b WStB). Gegenstand der Einkommenssteuer
ist bei solchen Steuerpflichtigen das sog. "Geschäftseinkommen", der
steuerbare Reinertrag oder der "Reinvermögenszugangsüberschuss" (KÄNZIG,
Wehrsteuer, 2. Aufl., Art. 21 N. 32). Bei den buchführungspflichtigen
Steuerpflichtigen ist das Problem der Besteuerung der Eigenleistungen,
insbesondere auch der Zeitpunkt der Besteuerung, im wesentlichen ein
Problem der Aktivierungspflicht im Rahmen der handelsrechtlichen und
steuerrechtlichen Grundsätze der Buchführung (M. WETTER, Die Besteuerung
des selbstgeschaffenen Vermögenswertes, Diss. Zürich 1972, S. 61/62 mit
Hinweisen). Die Erfassung von Eigenleistungen im Rahmen der Besteuerung
des Geschäftseinkommens vom Buchführungspflichtigen ist jedoch nicht
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

    c) Der Einkommensbegriff im Rahmen der Erwerbstätigkeit von
Unselbständigerwerbenden ist vom Begriff des Geschäftseinkommens
von Buchführungspflichtigen deutlich zu unterscheiden. Blosse
Vermögensveränderungen solcher Unselbständigerwerbender, gleich
übrigens wie Vermögensvermehrungen auf den sog. Privatvermögen vom
buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen (Art. 21 Abs. 1 lit. d
WStB), bilden grundsätzlich kein Einkommen. Der Einkommensbegriff
ist im Bereiche des Arbeitseinkommens enger als im Bereiche des
Geschäftseinkommens (RYSER, Réflexions sur la notion de revenu, in:
Mélanges Henri Zwahlen, Lausanne 1977, S. 665 ff., bes. 669 ff.; derselbe,
Dix leçons introductives au droit fiscal, S. 122). Die Eigenleistungen,
die ein Unselbständigerwerbender erbringt, können höchstens unter den
Begriff des "Einkommens aus einer Tätigkeit" (revenu provenant d'une
activité) fallen. Darunter werden aber nach der Rechtsprechung nur solche
Einkünfte verstanden, die sich aus einer auf geldwerten Erwerb (Verdienst)
gerichteten Tätigkeit des Steuerpflichtigen ergeben, gleichgültig ob
diese regelmässig bzw. wiederkehrend oder nur einmal ausgeübt wird
(BGE 104 Ib 166 E. 1, 96 I 658 E. 1). Erfasst werden auch bei diesen
Steuerpflichtigen insbesondere Einkünfte aus Liegenschaftsverkäufen, die
über die gewöhnliche Liegenschaftsverwaltung hinausgehen; diesbezüglich
liegt eine auf Gelderwerb ausgerichtete nebenberufliche Tätigkeit vor
(BGE 104 Ib 166 ff., KÄNZIG, aaO, 2. Aufl., Art. 21 WStB, N. 43 ff.,
260 ff.). Deshalb betreibt der Unselbständigerwerbende, der ein Haus für
den Weiterverkauf mit Eigenleistungen erbaut, einen der Einkommenssteuer
unterliegenden Nebenerwerb; das Einkommen wird freilich erst im Zeitpunkt
der Veräusserung erzielt, wenn der Mehrwert in einen Geldgewinn umgewandelt
wird. Der Steuerpflichtige, der dagegen ein Haus zur Selbstbenutzung mit
Eigenleistungen erbaut, hat bei dessen Erstellung keine auf geldwerten
Erwerb ausgerichtete Tätigkeit ausgeübt und somit kein Einkommen im Sinne
des WStB erzielt.

    d) Die meisten Urteile des Bundesgerichtes hinsichtlich der Besteuerung
von Eigenleistungen betrafen buchführungspflichtige Selbständigerwerbende
(Entscheide vom 8. November 1968 und 6. Februar 1970 in ASA 38, S. 368
ff., bzw. ASA 39, S. 428 ff.); im Entscheid vom 21. Dezember 1977
(ASA 47, S. 418 ff.) ging es um die Besteuerung der Eigenleistungen
eines Architekten mit Bezug auf Liegenschaften, für deren Verkauf er
als Liegenschaftshändler betrachtet wurde; dort wurde angenommen, die
Eigenleistungen seien im Zeitpunkt der Veräusserung der Liegenschaften
steuerpflichtig. Gleichzeitig wurde jedoch beigefügt (ohne dass dies
für die Entscheidung notwendig gewesen wäre), bei Vermögenswerten für
den Eigengebrauch, die durch eigene Leistung geschaffen werden, gelte als
Zeitpunkt der Besteuerung die Herstellung. Dies kann jedoch jedenfalls bei
Arbeiten für den privaten Eigengebrauch nicht zutreffen. Massgebend muss
vielmehr sein, ob der Beschwerdeführer sein Haus für den Wiederverkauf oder
für den langfristigen Eigengebrauch gebaut hat (vgl. vorne E. 2c). Wäre
ersteres beim Beschwerdegegner der Fall, so wäre ein beim Verkauf
der Liegenschaft erzielter Gewinn als Erwerbseinkommen zu erfassen,
soweit der Gewinn auf die Eigenleistung zurückzuführen ist. Da dies aber
vorliegend nach den gesamten Umständen nicht anzunehmen ist, drängt sich
der Schluss auf, der Beschwerdegegner habe mit seinen Eigenleistungen
weder Arbeitseinkommen noch Geschäftseinkommen realisiert. Die von ihm
geschaffene Vermögensvermehrung kann nicht von Art. 21 WStB erfasst werden.

    Sollte der Beschwerdegegner sein Haus in naher Zukunft entgegen seiner
heutigen Absicht doch verkaufen, so wird dannzumal zu prüfen sein, ob
er für den Gewinn entsprechend der Rechtsprechung von BGE 104 Ib 166 ff.
steuerpflichtig wird.