Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IB 142



108 Ib 142

27. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12.
März 1982 i.S. Schweizerische Journalisten-Union (SJU) gegen Schweizerische
Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Taxe für Zeitungen und Zeitschriften. Postverkehrsgesetz.

    1. "Gedruckt" im Sinne von Art. 58 Abs. 2 lit. a V(1) zum
Postverkehrsgesetz sind nicht nur die in einem Verfahren gemäss Ziffer 136c
der Ausführungsbestimmungen zur Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz
(Hoch-, Tief-, Flach- oder Offsetdruck) hergestellten Zeitungen und
Zeitschriften (E. 2).

    2. Begriff der "Zeitung" oder "Zeitschrift" im Sinne von Art. 58 der
Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Schweizerische Journalisten-Union (SJU) gibt ein
Mitteilungsblatt, die SJU-News, heraus, das zweimonatlich in einer Auflage
von rund 500 Exemplaren erscheint und im wesentlichen an die Mitglieder
der SJU versandt wird.

    Die PTT haben die SJU-News bisher zur Taxe für gewöhnliche Drucksachen
im Sinne von Art. 51 der Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz (V(1)
zum PVG in SR 783.01) vom 1. September 1967/9. November 1977 befördert.

    Ein Gesuch der SJU, die SJU-News seien zur Zeitungstaxe gemäss
Art. 58 V(1) zum PVG zu befördern, wurde von der Postbetriebsabteilung
der Generaldirektion PTT sowie auf Beschwerde von der Generaldirektion
PTT abgewiesen. Die Ablehnung wurde im wesentlichen damit begründet, die
SJU-News seien nicht "gedruckt" im Sinne von Art. 58 Abs. 2 lit. a V(1)
zum PVG. Nach Ziffer 136c der Ausführungsbestimmungen (AB) zur V(1) zum
PVG würden nur Erzeugnisse als gedruckt anerkannt, die in einem Hoch-,
Tief-, Flach- oder Offsetdruck hergestellt würden. Die SJU-News seien
nur vervielfältigt.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der SJU gegen den Entscheid
der Generaldirektion PTT gut und weist die Sache zu neuer Beurteilung an
die Vorinstanz zurück, aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 58 Abs. 2 lit. a V(1) zum PVG in der Fassung vom
9. November 1977 ist die Taxe für abonnierte Zeitungen und Zeitschriften
nur anwendbar auf Zeitungen und Zeitschriften, die unter anderem "in
der Schweiz gedruckt und herausgegeben werden und deren fortlaufende
Nummern abonniert sind und vom Verleger mit der Post versandt werden". Die
vom Eidg. Verkehrs-und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) erlassenen
Ausführungsbestimmungen zur V(1) zum PVG (AB, publiziert im PTT-Amtsblatt
vom 18. Oktober 1967 und im PTT-Amtsblatt vom 23. Oktober 1972) bestimmen
in Ziffer 136 unter der Marginalie "Herstellungsverfahren" näher, dass
als gedruckt im Sinne dieser Bestimmung die in einem Hoch-, Tief-, Flach-
oder Offsetdruckverfahren hergestellten Erzeugnisse gelten.

    Die Beschwerdeführerin stellt die SJU-News, für deren Versand sie
die Taxe für abonnierte Zeitungen und Zeitschriften beansprucht, in
einem Vervielfältigungsverfahren her, das die Eidg. Materialprüfungs-
und Versuchsanstalt für Industrie, Bauwesen und Gewerbe (EMPA) in ihrem
Gutachten an die Vorinstanz als "Durchdruckverfahren mit Wachsschablonen"
beschreibt. Dieses sog. "Roneo-Vervielfältigungsverfahren" soll zwar nach
der Darstellung der Beschwerdeführerin in der Replik ein Siebdruckverfahren
sein. Die Beschwerdeführerin behauptet indessen nicht, es handle sich
bei diesem Vervielfältigungsverfahren um eines der in Ziffer 136 AB
genannten Herstellungsverfahren. Sie rügt vielmehr, die in dieser
Ausführungsbestimmung verwendete Definition des Begriffes "gedruckt"
sei bundesrechtswidrig, soweit damit gewisse Vervielfältigungsverfahren
ausgeschlossen würden.

Erwägung 2

    2.- a) Art. 10 PVG in der Fassung vom 17. Dezember 1976 ermächtigt den
Bundesrat zur Festsetzung der Posttaxen. Dabei ist Rücksicht zu nehmen
auf die Erhaltung einer vielfältigen Presse. Diese Bestimmung wurde in
der parlamentarischen Beratung auf Antrag der Nationalratskommission in
das Gesetz aufgenommen (vgl. Amtl. Bull. NR 1976 S. 1057/1069). Mit dem
Ausdruck "vielfältige Presse" wird auf die Definition der Pressevielfalt
verwiesen, welche die Expertenkommission für die Revision von Art. 55 der
Bundesverfassung im Anhang zu ihrem Bericht vom 1. Mai 1975 (Anhang 1 zum
Bericht "Presserecht, Presseförderung", herausgegeben vom Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement, Bern 1975, "Anhang") ausgearbeitet hat (Amtl. Bull. SR
1976 S. 578). Die Vielfalt der Presse wird in diesem Bericht im Gegensatz
zur Pressekonzentration als Vielzahl von unabhängig-selbständigen
Druckerzeugnissen verstanden, welche die unterschiedlichen Gruppen der
Gesellschaft, ihre Einstellungen und Meinungen in der Öffentlichkeit
repräsentieren. Als massgebend erscheint nach dieser Definition, dass in
der Vielfalt d.h. in der inhaltlich und formal unterschiedlichen Gestaltung
der einzelnen Zeitungen eine Garantie demokratischer Meinungsbildung
gesehen wird (Anhang S. 55).

    b) Es gehört zum Begriff der Zeitung oder Zeitschrift, dass es
sich dabei um ein Druckerzeugnis handelt. Nach dem Gutachten der EMPA,
das die Vorinstanz eingeholt hat, lassen sich indessen in der Praxis
die Tätigkeitsbereiche "drucken", "vervielfältigen" und "kopieren"
insbesondere wegen der starken technischen Entwicklung der letzten 10-20
Jahre nicht klar gegeneinander abgrenzen. Dabei ist die Unsicherheit in
der Abgrenzung namentlich auf die Verbesserung bei den Schreibmaschinen
und den Vervielfältigungsapparaten zurückzuführen, die auch im Bürobetrieb
eingesetzt werden. Die EMPA hält in ihrem Gutachten zwar die Abgrenzung
von Druckerzeugnissen entsprechend den in Ziffer 136 AB genannten
Verfahren grundsätzlich für geeignet, wenn damit ausschliesslich
die im graphischen Gewerbe hergestellte Zeitung oder Zeitschrift als
"gedruckt" anerkannt werden soll. Sie weist aber darauf hin, dass die
von den PTT befürwortete Abgrenzung des Begriffs "gedruckt" den neueren
Entwicklungen zu wenig Rechnung trage, und legt im übrigen dar, dass eine
Auflage von 100 Exemplaren (nach Art. 58 Abs. 2 lit. e V(1) zum PVG die
Mindestauflage für eine Beförderung zur Zeitungstaxe) wirtschaftlich durch
Vervielfältigungsverfahren oder einfache Druckverfahren hergestellt werde,
welche im Grenzbereich zwischen Druck und Vervielfältigung liegen.

    c) Das Verfahren, in dem eine Zeitung oder Zeitschrift hergestellt
wird, kann an sich für die Anwendbarkeit der Zeitungstaxe nicht
massgebend sein. Die Beförderung der Zeitungen und Zeitschriften
durch die PTT-Betriebe wird nicht wegen des Verfahrens privilegiert,
in welchem diese Presseerzeugnisse entstehen. Das Erfordernis, dass
Zeitungen oder Zeitschriften "gedruckt" sein müssen, um in den Genuss der
Zeitungstaxe zu kommen, kann somit nicht bedeuten, dass ausschliesslich
von Fachleuten des graphischen Gewerbes hergestellte Erzeugnisse zur
ermässigten Taxe befördert werden. Daran ändert nichts, dass Art. 51a
V(1) zum PVG die "Drucksachen" unter anderem als "bedrucktes Papier und
bedruckte papierähnliche Stoffe" definiert, "sofern die Abdrucke mit einer
im graphischen Gewerbe gebräuchlichen Maschine hergestellt sind". Die
Unterscheidung zwischen "gedruckten" und "vervielfältiten" Sendungen
ist als Voraussetzung für die (ebenfalls ermässigte) Drucksachentaxe
ohne Bedeutung; denn Art. 51a Abs. 6 lit. b V(1) zum PVG erlaubt, auch
"Vervielfältigungen, die mit Kopierapparaten und -maschinen hergestellt
sind", zur Drucksachentaxe zu befördern. Im übrigen werden an den Inhalt
einer Drucksache keinerlei Anforderungen gestellt; die Drucksachentaxe
bezweckt im Gegensatz zur Taxe für abonnierte Zeitungen und Zeitschriften
nicht die Förderung einer vielfältigen Presse.

    d) Die Vorschrift, dass Zeitungen und Zeitschriften in der Schweiz
"gedruckt" sein müssen, um in den Genuss der ermässigten Zeitungstaxe
zu kommen, findet sich bereits im PVG vom 2. Oktober 1924 (AS 1925
S. 335). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann daraus jedoch für
die Privilegierung bestimmter Herstellungsverfahren nichts abgeleitet
werden. Der Ausdruck "gedruckt" ist in den früheren Erlassen nicht
verwendet. Nach Art. 10 des Bundesgesetzes betreffend die Posttaxen
vom 26. Juni 1884/24. Juni 1890 wird die ermässigte Zeitungstaxe
"Zeitungen und andere(n) periodische(n) Blätter(n), welche in der Schweiz
erscheinen" gewährt (AS Bd. 7 S. 588/Bd. 11 S. 720) und nach Art. 31
des Bundesgesetzes betreffend das Schweizerische Postwesen vom 5. April
1910 werden "Zeitungen und Zeitschriften, die in der Schweiz erscheinen",
zur ermässigten Taxe befördert (AS Bd. 26 S. 1027). Eine Begründung für
die offenbar redaktionell verstandene Änderung im Jahre 1924 findet
sich in den Materialien nicht (vgl. Botschaft des Bundesrates in BBl
1921 IV S. 708/785). Eine nähere Umschreibung des Begriffes "gedruckt"
wurde denn auch, wie die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid darlegt,
erstmals im Jahre 1956 als notwendig erachtet; eine derartige Umschreibung
drängte sich vorher offenbar nach dem Stand der technischen Entwicklung
nicht auf (vgl. FISCHER, Über den Geltungsbereich der Pressefreiheit,
Diss. Zürich 1973, S. 9 f.).

    e) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes geniessen nicht nur
Presseerzeugnisse den Schutz der Pressefreiheit, die in einem eigentlichen
Buchdruckverfahren hergestellt sind. Als Presseerzeugnisse gelten auch
Lithographien, Photographien, Heliographien oder Vervielfältigungen, sofern
sie zur Veröffentlichung bestimmt sind und der Verfolgung idealer Zwecke
dienen (BGE 96 I 588 E. 3a). Die Art des "Druckes" einer Zeitung oder
Zeitschrift ist auch nicht geeignet, die Presseerzeugnisse abzugrenzen,
deren Vielfalt nach Art. 10 PVG gefördert werden soll. Massgebend für
die Ermässigung der Zeitungstaxe im Sinne von Art. 10 PVG erscheint
vielmehr die Bedeutung der Presse für die demokratische Meinungs- und
Willensbildung (vgl. Amtl. Bull. SR 1976 S. 578, vgl. auch Stellungnahme
des Bundesrates zur Parlamentarischen Initiative Presseförderung
in BBl 1981 III S. 975 betreffend den Begriff der Vielfalt). Das zur
Herstellung eines Presseerzeugnisses verwendete "Druck"-Verfahren vermag
aber dessen Beitrag an die Darstellung der vielfältigen politischen,
sozialen und geographischen Schattierungen der öffentlichen Meinung
nicht zu charakterisieren. Dem Begriff "gedruckt" im Sinne von Art. 58
Abs. 2 lit. a V(1) zum PVG kommt daher gegenüber der Voraussetzung einer
Mindestauflage (Art. 58 Abs. 2 lit. e V(1) zum PVG) keine selbständige
Bedeutung zu. Der angefochtene Entscheid ist deshalb aufzuheben.

Erwägung 3

    3.- Hebt das Bundesgericht die angefochtene Verfügung auf, so
entscheidet es nach Art. 114 Abs. 2 OG in der Sache selbst oder weist diese
zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Die Postbetriebsabteilung
der Generaldirektion PTT hat in ihrer Verfügung vom 26. Februar 1979 zwar
ausdrücklich anerkannt, dass die SJU-News im Sinne von Art. 58b Abs. 1
lit. b V(1) zum PVG abonniert seien. Die Beschwerdegegnerin hat auch nicht
bestritten, dass die SJU-News abgesehen vom Herstellungsverfahren die
Voraussetzungen für die Zeitungstaxe erfüllten. Nach Art. 58b Abs. 1 lit. b
V(1) zum PVG ist die ermässigte Zeitungstaxe anwendbar auf "Zeitungen
und Zeitschriften, die eine Körperschaft auf Grund eines Beschlusses des
zuständigen Organs ihren Mitgliedern zukommen lässt". Diese Voraussetzung
kann dadurch erfüllt werden, dass eine Körperschaft selbst eine Publikation
mit redaktionell verarbeitetem Textteil herausgibt, welche sie ihren
Mitgliedern zukommen lässt. Eine Zeitung oder Zeitschrift wendet sich aber
grundsätzlich an einen unbegrenzten oder lediglich sachlich begrenzten
Empfängerkreis (vgl. die Definition der Zeitschrift bzw. Zeitung durch
die Expertenkommission für die Revision von Art. 55 BV im Anhang S. 56/57
zu ihrem Bericht vom 1. Mai 1975).

    Die Presseerzeugnisse unterscheiden sich in dieser Hinsicht von
Publikationen, die lediglich für Mitglieder, Mitarbeiter oder Kunden
eines Verbandes oder einer wirtschartlichen Organisation bestimmt sind
(vgl. zit. Anhang S. 44). Die Publikation einer Körperschaft, die sich
lediglich an Mitglieder richtet, weil sie nur Vereinsinterna behandelt
oder für Nichtmitglieder unzugänglich bleibt, ist daher in der Regel
nicht als "Zeitung oder Zeitschrift" im Sinne von Art. 58 V(1) zum PVG
bzw. als "Presseerzeugnis" im Sinne von Art. 10 PVG, sondern als bloss
vereinsinternes Mitteilungsblatt, zu betrachten.

    Im vorliegenden Fall hat sich die Vorinstanz nicht zur Frage geäussert,
ob es sich bei den SJU-News um eine Zeitung bzw. Zeitschrift handelt. Aus
den Akten ergibt sich namentlich nicht mit hinreichender Deutlichkeit,
ob die SJU-News auch Nichtmitgliedern zugänglich sind. Die Sache ist zur
Abklärung dieser Frage an die Vorinstanz zurückzuweisen.