Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IA 33



108 Ia 33

8. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 16. März 1982 i.S. Alastor AG, Seiler und Mitbeteiligte, Erben
Armbruster und Roesen, Meyer und Roesen sowie Stolz gegen Einwohnergemeinde
Oberwil und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Art. 22ter BV; gesetzliche Grundlage für die Etappierung des
Baugebiets. Verfahren.

    1. Verfahren: Dass der Regierungsrat die Revision von
Zonenplanvorschriften genehmigt und zugleich die dagegen erhobenen
Einsprachen erledigt, ist mit Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG vereinbar (E. 1a).

    2. Das Baugesetz des Kantons Basel-Landschaft bildet auch ohne
ausdrückliche Vorschrift eine klare und eindeutige gesetzliche Grundlage
für die Etappierung des Baugebiets (E. 3a).

Sachverhalt

    A.- Am 26. April 1979 beschloss die Gemeindeversammlung Oberwil
BL eine Änderung der Zonenvorschriften, wonach unter anderem einzelne
Randgebiete der Bauzone einer zweiten Etappe zugewiesen wurden. Für die
betroffenen Grundstücke kam dies einer auf 9-18 Jahre befristeten Auszonung
gleich. Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Beschluss Einsprachen,
die der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft mit Beschluss vom
21. Oktober 1980 abwies. Gleichzeitig genehmigte er die Änderung der
Zonenvorschriften. Die dagegen erhobenen staatsrechtlichen Beschwerden
weist das Bundesgericht ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Mit dem angefochtenen Entscheid hat der Regierungsrat die
streitige Revision der Zonenplanvorschriften genehmigt und zugleich die
dagegen erhobenen Einsprachen als einzige kantonale Instanz erledigt. Indem
er die Einsprachen ohne Einschränkung seiner Kognition geprüft hat, ist der
Regierungsrat den Anforderungen nachgekommen, die Art. 33 Abs. 3 lit. b
des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) an den
Rechtsschutz auf kantonaler Ebene stellt. Diese Vorschrift verlangt die
volle Überprüfung durch wenigstens eine Beschwerdebehörde. Die Botschaft
des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über die Raumplanung vom 27. Februar
1978 sowie der Gesetzesentwurf sprachen indessen nur von "Instanz" (BBl
1978 I 1032, 1044, Art. 34 des Entwurfs). Die Änderung des Ausdrucks
"Instanz" in "Beschwerdebehörde" wurde von der Redaktionskommission
der eidgenössischen Räte vorgenommen. Es versteht sich von selbst,
dass die Redaktionskommission die von ihr zu überprüfenden Erlasse
materiell nicht ändern kann. Das ergibt sich zudem aus Art. 32 Abs. 1 des
Geschäftsverkehrsgesetzes vom 23. März 1962 (GVG). Danach unterlässt die
Redaktionskommission bei der Textbereinigung materielle Änderungen. Art. 32
Abs. 2 GVG sieht im weitern vor, dass die Kommission erhebliche
Textänderungen in beiden Räten vor der Schlussabstimmung erläutern
lässt. Das ist nicht geschehen. Somit hat die Kommission die Änderung
der Bezeichnung "Instanz" auch nicht als erheblich erachtet. Demzufolge
verlangt Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG nicht zwingend eine Beschwerdebehörde im
eigentlichen Sinne; eine Einspracheinstanz genügt. Dass der Regierungsrat
als Einspracheinstanz gehandelt hat, verstösst daher nicht gegen Art. 33
Abs. 3 lit. b RPG.

Erwägung 3

    3.- Mit der streitigen Revision des Zonenplans wurden die Grundstücke
der Beschwerdeführer einer zweiten Baugebietsetappe zugewiesen.
Dies stellt eine öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung dar,
die einem befristeten Bauverbot für nicht landwirtschaftliche Bauten
gleichkommt. Derartige Eigentumsbeschränkungen sind mit der in Art. 22ter
BV festgelegten Eigentumsgarantie vereinbar, sofern sie auf gesetzlicher
Grundlage beruhen und im öffentlichen Interesse liegen. Kommen sie einer
Enteignung gleich, so ist volle Entschädigung zu leisten (BGE 105 Ia 226
E. 2a mit Hinweisen)...

    a) Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage ist erfüllt, wenn
ein staatlicher Eingriff in einem Gesetz im materiellen Sinn, d.h. in
einer generell-abstrakten Norm vorgesehen ist, die sich ihrerseits als
verfassungsmässig erweist (BGE 102 Ia 114 E. 4 mit Hinweisen).

    Bei Anrufung der Eigentumsgarantie prüft das Bundesgericht Auslegung
und Anwendung kantonalen Gesetzesrechts grundsätzlich nur unter dem
Gesichtswinkel der Willkür; die Frage der gesetzlichen Grundlage prüft es
hingegen frei, wenn es um einen besonders schweren Eingriff geht (BGE 104
Ia 331 E. 4, 338 E. 2 mit Hinweisen). Ein solcher liegt in der Regel vor,
wenn Grundeigentum zwangsweise entzogen wird oder wenn durch Verbote und
Gebote der bisherige oder künftig mögliche bestimmungsgemässe Gebrauch des
Grundstücks verunmöglicht oder stark erschwert wird (BGE 99 Ia 250/51 E. 2
mit Hinweisen). Ob das auf die Grundstücke der Beschwerdeführer zutrifft
kann indessen offen gelassen werden, da auch eine freie Prüfung nicht zu
einem andern Ergebnis führt.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts muss die gesetzliche
Grundlage für schwere Eingriffe in das Privateigentum klar und eindeutig
sein (BGE 106 Ia 366 E. 2 mit Hinweisen). Im Bau- und Planungsrecht des
Kantons Basel-Landschaft fehlt unbestrittenermassen eine ausdrückliche
Bestimmung, die eine Etappierung des Baugebiets vorsieht. Darauf allein
kommt es indessen nicht an; entscheidend ist vielmehr, ob für eine solche
Etappierung im Baugesetz des Kantons Basel-Landschaft vom 15. Juni 1967
(BauG) eine hinreichend klare und eindeutige gesetzliche Grundlage gesehen
werden kann. Es genügt, wenn sich aus dem Gesetz der klare Schluss ziehen
lässt, die Baugebietsetappierung sei im System der ausdrücklich angeführten
Planungsinstrumente mitenthalten.

    Die Gemeinden des Kantons Basel-Landschaft sind gemäss §§ 3 und 4
BauG unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch den Regierungsrat befugt,
Bauvorschriften und die für die Ortsplanung massgebenden Pläne mit den
dazugehörigen Reglementen zu erlassen. Sie sind auf dem Gebiet des Bau-
und Planungsrechts autonom (vgl. unveröffentlichtes Urteil Therwil vom
4. November 1981, E. 3). Die §§ 9 und 10 BauG ermächtigen die Gemeinden
ausdrücklich, ihr Baugebiet festzulegen.

    Das Bundesgericht hat für das Bau- und Planungsrecht des Kantons Aargau
- allerdings unter dem Gesichtswinkel der Willkür - entschieden, dass
die Planungsorgane die Möglichkeit hätten, die Bauzone in verschiedene,
stufenweise zu überbauende Abschnitte zu unterteilen, wenn sie schon befugt
seien, das Baugebiet auf das für eine zweckmässige Besiedlung erforderliche
Mass zu beschränken (BGE 104 Ia 141 E. 4b). Im bereits erwähnten Urteil
Therwil vom 4. November 1981 hat das Bundesgericht festgestellt,
dass der Leitgedanke des Aargauer Entscheids auch im Recht des Kantons
Basel-Landschaft als massgebend betrachtet werden kann (E. 5b). Daran ist
festzuhalten. In der umfassenden Kompetenz, das Baugebiet abzugrenzen, ist
klarerweise auch die weniger weitgehende Befugnis enthalten, die Bauzone
zeitlich gestaffelt für die Überbauung freizugeben bzw. eine solche
Etappierung neu einzuführen. Die Baugebietsetappierung fügt sich somit
als Zwischenstufe in das System der baugesetzlichen Planungsinstrumente
ein. Sie findet daher im Baugesetz die von Art. 22ter Abs. 2 BV geforderte
gesetzliche Grundlage.

    Die Beschwerdeführer wenden zu Unrecht ein, die auf das aargauische
Recht abgestimmten Erwägungen des erwähnten Urteils träfen auf das
Bau- und Planungsrecht des Kantons Basel-Landschaft nicht zu, weil die
Bauetappierung im Aargauer Recht ausdrücklich geregelt sei. Davon kann
keine Rede sein. Auch im aargauischen Recht ist die Baugebietsetappierung
nirgends ausdrücklich angeordnet; § 34 der Vollziehungsverordnung vom
17. April 1972 zum Baugesetz des Kantons Aargau regelt lediglich die damit
nicht zu verwechselnde Erschliessungsetappierung, die der systematischen
und rationellen Erschliessung dient. Die Baugebietsetappierung
bezweckt darüber hinaus, den Ablauf der Überbauung nach allgemeinen
raumplanerischen Gesichtspunkten zu lenken (geordnete Überbauung,
Verhinderung der Streubauweise). In den entfernter gelegenen Teilen
der Bauzone ist das Bauen vorläufig grundsätzlich verboten, doch kann
das einbezogene Land sukzessive in definitives Baugebiet umgewandelt
und damit zur Überbauung freigegeben werden (BGE 104 Ia 140 E. 4a mit
Hinweisen). Diese Grundgedanken kommen auch in den §§ 1 und 10-12 des
Baugesetzes des Kantons Basel-Landschaft deutlich zum Ausdruck.

    Nicht stichhaltig ist auch die Berufung der Beschwerdeführer auf
das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom
6. August 1980 i.S. Gutzwiller. Danach sprechen die Gesetzesmaterialien
eher dafür, dass bei Erlass des geltenden Baugesetzes auf eine Regelung
des Baureservegebiets bewusst verzichtet wurde. Die Materialien fallen
nach der Rechtsprechung nur dann ins Gewicht, wenn sie angesichts einer
unklaren gesetzlichen Bestimmung eine klare Antwort geben (BGE 100 II 57
E. 2). Sie sind umso weniger zu beachten, je weiter die Gesetzesentstehung
zeitlich zurückliegt (BGE 103 Ia 290 E. 2c). Das geltende Baugesetz ist
vor 15 bis 20 Jahren entstanden. Den Materialien ist deshalb nurmehr eine
geringe Bedeutung beizumessen, zumal in der Zwischenzeit auf dem Gebiet
des Bau- und Planungsrechts eine erhebliche Entwicklung stattgefunden
hat. U.a. ist das Bundesgesetz über die Raumplanung in Kraft getreten, das
in Art. 18 Abs. 2 die grundsätzliche Möglichkeit einer Nutzungsetappierung
vorsieht. Abgesehen davon geben die Gesetzesmaterialien keine klare Antwort
auf die streitige Frage. Das Bundesgericht hat denn auch die Richtigkeit
der Auffassung des Verwaltungsgerichts im erwähnten Urteil Therwil vom
4. November 1981 ausdrücklich in Zweifel gezogen (E. 5).

    Die Rüge, der Baugebietsetappierung fehle es an einer gesetzlichen
Grundlage, erweist sich somit als unbegründet.

    (b-d: Prüfung der weitern Vorbringen, mit denen die Beschwerdeführer
eine Verletzung der Eigentumsgarantie rügen.)