Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 108 IA 111



108 Ia 111

22. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Mai 1982 i.S.
Rothenberger und Signer gegen Gemeinderat Wädenswil und Regierungsrat
des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; Erhebung einer Abgabe für nächtliches Dauerparkieren auf
öffentlichem Grund.

    Das Gleichheitsgebot wird nicht verletzt, wenn von Dauerparkierern auf
öffentlichem Grund lediglich Nachtparkiergebühren verlangt werden (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Am 5. Dezember 1977 verabschiedete der Gemeinderat Wädenswil
eine Verordnung über das nächtliche Dauerparkieren auf öffentlichem Grund
(nachstehend Verordnung genannt). Die Verordnung bestimmt in Art. 1, es sei
nur mit behördlicher Bewilligung gestattet, Fahrzeuge nachts regelmässig
auf öffentlichem Grund oder auf allgemein zugänglichen Parkplätzen der
Stadt Wädenswil abzustellen. Gemäss Art. 4 ist für die Bewilligung eine
Gebühr zu entrichten, welche für leichte Motorwagen monatlich Fr. 20.--
und für schwere Motorwagen monatlich Fr. 40.-- beträgt. Art. 5 erklärt
jene in Wädenswil wohnhaften Fahrzeugbesitzer für gebührenpflichtig,
welche sich nicht darüber ausweisen können, dass sie berechtigt sind,
ihre Fahrzeuge während der Nacht auf privatem Grund zu parkieren.

    Mit Rekurs vom 27. Dezember 1977 beantragten Christoph Rothenberger
und Curt Signer beim Bezirksrat Horgen, die Verordnung sei aufzuheben. Der
Bezirksrat wies den Antrag mit Beschluss vom 20. Februar 1978 ab. Dagegen
rekurrierten Rothenberger und Signer an den Regierungsrat des Kantons
Zürich, welcher den Rekurs am 12. September 1979 ebenfalls abwies.

    Christoph Rothenberger und Curt Signer führen gegen den Entscheid
des Regierungsrates fristgerecht staatsrechtliche Beschwerde. Sie
rügen eine Verletzung von Art. 4 BV und machen im wesentlichen
geltend, die Art. 1, 4 und 5 der Verordnung würden gegen das Gebot der
Rechtsgleichheit verstossen, weil sie in sachlich unhaltbarer Weise nur
das nächtliche Dauerparkieren, nicht aber auch das Dauerparkieren bei
Tag gebührenpflichtig erklären.

    Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 87 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 4 BV erst gegen letztinstanzliche Endentscheide
zulässig. Gemäss ständiger Praxis nimmt das Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich keine abstrakte Normenkontrolle vor; insbesondere werden
auch generell-abstrakte Gemeindeerlasse nur im Anwendungsfall überprüft
(KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich,
Zürich 1978, N. 143 zu § 50). Die Beschwerdeführer haben somit den
kantonalen Instanzenzug ausgeschöpft.

    b) Gemäss Art. 84 Abs. 2 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde nur
zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage
oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde
gerügt werden kann. Als anderweitiges Rechtsmittel käme höchstens die
Beschwerde an den Bundesrat gemäss Art. 3 Abs. 4 SVG in Frage. Dieses
Rechtsmittel kann gegen sogenannte funktionelle Verkehrsbeschränkungen
der Kantone ergriffen werden, d.h. gegen kantonale Beschränkungen des
Motorfahrzeug- und Fahrradverkehrs, die anders geartet sind als allgemeine
oder zeitlich beschränkte Fahrverbote und die erlassen werden, weil die
Sicherheit, die Erleichterung oder die Regelung des Verkehrs, der Schutz
der Strasse oder andere in den örtlichen Verhältnissen liegende Gründe
solche Massnahmen erfordern. Die Regelung des Dauerparkierens durch die
Gemeinde Wädenswil stellt nun allerdings keine Verkehrsbeschränkung im
Sinne von Art. 3 Abs. 4 SVG dar. Wie das Bundesgericht und der Bundesrat
bereits früher entschieden haben, erfasst der Geltungsbereich des SVG
und des ihm zugrunde liegenden Art. 37bis BV den rollenden und ruhenden
Verkehr nur insoweit, als es sich um Verkehr handelt, der sich im Rahmen
der Zweckbestimmung der Strassen hält und mithin als Gemeingebrauch
erscheint (BGE 89 I 538; 81 I 190; VPB 43.23 E. 4). Das Parkieren während
der ganzen Nacht oder während der halb- oder ganztägigen Arbeitszeit
ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kein Verkehr im Sinne des
SVG und der Bundesverfassung (Art. 37bis), sondern stellt gesteigerten
Gemeingebrauch dar, dessen Regelung in der alleinigen Kompetenz der Kantone
steht (Botschaft des Bundesrates zum SVG, BBl 1955 II 9; vgl. SAXER,
Das Parkierungsproblem in rechtlicher Sicht in ZBl 63/1962 S. 1 ff.; BGE
98 IV 268/69 E. 4). Unter diesen Umständen steht den Beschwerdeführern
die Beschwerde an den Bundesrat nicht offen: auf ihre staatsrechtliche
Beschwerde ist einzutreten.

Erwägung 2

    2.- a) Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass die Regelung des
gesteigerten Gemeingebrauchs nach zürcherischem Recht der Gemeinde kraft
ihrer Autonomie zusteht (vgl. den zu den Akten beigegebenen Bericht des
Regierungsrates vom 11. August 1976 betreffend Gebühren über das nächtliche
Dauerparkieren von Motorfahrzeugen auf öffentlichem Grund; vgl. auch
JACQUES MEYLAN, problèmes actuels de l'autonomie communale, ZSR Bd 91
II/1972 S. 131 ff.). Die Beschwerdeführer behaupten ebenfalls nicht, für
das Dauerparkieren in Wädenswil dürfe überhaupt keine Gebühr erhoben werden
(vgl. dazu BGE 89 I 533 und 94 IV 28). Sie machen bloss geltend, das Gebot
der Rechtsgleichheit verlange, nicht nur das nächtliche Dauerparkieren,
sondern zugleich auch das Dauerparkieren bei Tag der Bewilligungs- und
Gebührenpflicht zu unterstellen. Im folgenden ist somit zu prüfen, ob
sich die im angefochtenen Reglement vorgenommene Differenzierung zwischen
Nacht- und Tagparkieren mit Art. 4 BV vereinbaren lässt.

    b) Den Grundsatz der Rechtsgleichheit gemäss Art. 4 BV verletzt ein
gesetzgeberischer Erlass, der sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe
stützen lässt, sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen
trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen
Verhältnissen nicht ersichtlich ist. Innerhalb dieses Rahmens bleibt den
Kantonen ein weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit (BGE 106 Ia 244;
102 Ia 43; 99 Ia 652/654 E. 9). Insbesondere ist zu beachten, dass
Art. 4 BV keine absolute Rechtsgleichheit gewährleistet und erlaubt,
einfachheitshalber nach einem abstrakten, technischen Kriterium -
beispielsweise nach dem Ort oder nach der Zeit - zu differenzieren, falls
die zu bewältigende Situation dies gebietet und die unterschiedliche
Behandlung nicht zu unbilligen Resultaten führt (vgl. BGE 100 Ia 328 und
102 Ia 45).

    c) Der Regierungsrat führt im angefochtenen Entscheid aus, zahlreiche
Formen des Dauerparkierens bei Tag dürften an sich von einer Bewilligung
und der Bezahlung einer Gebühr abhängig gemacht werden. Trotzdem erscheine
die in Wädenswil getroffene Lösung aus verschiedenen Gründen als sachlich
haltbar: Während das Nachtparkieren wegen seiner Regelmässigkeit, Dauer
und Ortsgebundenheit administrativ leicht zu erfassen sei, biete die
Kontrolle des Tagparkierens zwar nicht unlösbare, aber immerhin grössere
Probleme. Sodann werde durch die Gebührenpflichtigkeit des Nachtparkierens
einer der Hauptzwecke der Beschränkung des Dauerparkierens überhaupt -
nämlich das Freihalten der Strassen in Wohngebieten durch die vermehrte
Schaffung privater Parkplätze - in nicht unwesentlichem Umfang auch für
die Tagzeit erreicht. Schliesslich seien vom Dauerparkieren am Tag zu einem
grossen Teil Stadtbereiche betroffen, in denen differenzierte Instrumente
zur Lenkung des ruhenden Verkehrs (z.B. Parkuhren) zweckmässiger seien als
das Erheben monatlicher Gebühren. Aus diesen und ähnlichen Gründen habe
die Mehrzahl der Gemeinden mit Nachtparkiergebühren das Dauerparkieren
am Tag nicht gebührenpflichtig erklärt.

    Die Beschwerdeführer halten dem entgegen, die Art des gesteigerten
Gemeingebrauchs sei beim Nacht- und beim Tagparkieren die gleiche. Auch
wer sein Fahrzeug tagsüber auf öffentlichem Grund regelmässig für
längere Zeit abstelle, weiche dem Erstellen oder Mieten eines privaten
Abstellplatzes aus. Die Behinderung des fliessenden Verkehrs oder
allfälliger Strassenunterhaltsarbeiten durch Dauerparkieren sei tagsüber
eher grösser als nachts. Mit Parkuhren, blauen Zonen oder zeitlich
differenzierten Fahrverboten lasse sich das Problem des Dauerparkierens
bei Tag nicht lösen, weil die betreffenden Fahrzeugführer in andere
Stadtgebiete ausweichen würden. Das Dauerparkieren bei Tag sei aus diesen
Gründen noch weniger gemeinverträglich als jenes bei Nacht. Besonders
stossend erscheine das Fehlen der Gebührenpflicht für alle auswärts
wohnenden Automobilisten, welche ihr Fahrzeug am Tag regelmässig auf
öffentlichem Grund der Stadt Wädenswil abzustellen pflegen. Im weiteren
trage die Erhebung einzig von Nachtparkiergebühren entgegen der Meinung
des Regierungsrates sozusagen nichts zur Freihaltung der Strassen in
Wohngebieten während des Tages bei. Schliesslich zeige das Beispiel der
Stadt Luzern, welche auch für das Dauerparkieren am Tag Gebühren erhebe,
dass die Frage der Kontrolle keine grossen Probleme stelle. Aus all
diesen Gründen müsse das Dauerparkieren am Tag gleich wie das nächtliche
Dauerparkieren behandelt werden. Da es sich bei der Parkgebühr um eine
Gemengsteuer handle, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an
Steuern zu entsprechen habe, verletze die angefochtene Verordnung zudem
das Gebot der Allgemeinheit und Gleichheit von Steuern.

    d) Die angefochtene Verordnung ist nicht sinn- und zwecklos und trifft
auch keine rechtliche Unterscheidung, für die ein vernünftiger Grund in
den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist; die
Differenzierung lässt sich vielmehr aus technischen und praktischen Gründen
rechtfertigen (vgl. BGE 100 IA 328/29 E. 4b): so ist offensichtlich,
dass die Kontrolle von Dauerparkierern am Tag bedeutend schwieriger und
aufwendiger ist als in der Nacht. Zudem erscheint die regierungsrätliche
Annahme, die Gebührenpflicht für Nachtparkierer sei geeignet, die
Erstellung von neuen Abstellplätzen auf privatem Grund zu initiieren, was
sich in Wohngebieten auch bei Tag positiv auswirken würde, im Hinblick auf
die Erfahrungen anderer Gemeinden im Kanton Zürich stichhaltig (vgl. den
von den Beschwerdeführern zu den Akten gelegten Artikel des Tages-Anzeigers
vom 16. Dezember 1977, wonach in den meisten Zürcher Gemeinden,
welche das nächtliche Dauerparkieren gebührenpflichtig erklärt haben,
eine fühlbare Abnahme der Zahl der Dauerparkierer festgestellt werden
konnte). Schliesslich lässt sich entgegen der Meinung der Beschwerdeführer
nicht generell sagen, eine differenzierte Verkehrslenkung in Gebieten,
die tagsüber mit Dauerparkieren belastet sind, führe automatisch und in
jedem Fall zu einer Verlagerung des Problems in andere Stadtteile. Es sind
durchaus Lösungen mit blauen Zonen, Parkingmetern und ähnlichen Massnahmen
denkbar, die geeignet sind, Dauerparkierer zu veranlassen, sich auch
für den Tag private Abstellflächen zu suchen. Für die Beschränkung der
angefochtenen Gebührenpflicht auf Nachtparkierer sprechen somit haltbare
Gründe. Die getroffene Regelung hält damit vor Art. 4 BV stand.