Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 V 89



107 V 89

19. Urteil vom 27. März 1981 i.S. Elsener gegen Eidgenössische
Ausgleichskasse und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich Regeste

    Art. 21 und 21bis Abs. 1 IVG, Ziff. 9.02 und 10 HVI Anhang.

    - Erfüllt das von einem Versicherten selber angeschaffte Hilfsmittel
auch die Funktion eines ihm an sich zustehenden Hilfsmittels, so
steht einer Gewährung von Amortisationsbeiträgen auf der Basis der
Anschaffungskosten des dem Versicherten an sich zustehenden Hilfsmittels
nichts entgegen.

    - In casu Anspruch auf Amortisationsbeiträge verneint, da der
Versicherte nur Anspruch auf einen nicht strassenverkehrstauglichen
Elektrofahrstuhl hat, das angeschaffte Elektromobil aber in der Wohnung
nicht verwendet werden kann.

Sachverhalt

    A.- Der 1926 geborene Versicherte leidet an multipler Sklerose
mit Tetraspastik. Seit 1976 kann er im Freien nicht mehr gehen; in
der Wohnung kann er sich nur äusserst mühsam fortbewegen. Im Rahmen
der verbliebenen Arbeitsfähigkeit ist er für die Kreispostdirektion
tätig, indem er in Heimarbeit schriftliche Arbeiten der Lehrlingskurse
korrigiert. Im Mai 1976 schaffte er sich auf eigene Kosten ein Elektromobil
des Modells STUMP-Batricars zum Preis von Fr. 5'000.-- an, welches für
den Strassenverkehr zugelassen ist, in einer Wohnung aber wegen der
Grösse und des Gewichts nicht benutzt werden kann. Mit Verfügung vom
15. Juni 1977 lehnte die Eidgenössische Ausgleichskasse einen Beitrag an
die Anschaffungskosten ab, da die Voraussetzungen für die Abgabe eines
Motorfahrzeuges nicht erfüllt seien.

    B.- Der Versicherte liess hiegegen Beschwerde einreichen mit dem
Begehren, es seien ihm Kostenbeiträge in der Höhe der Kosten eines
Elektrofahrstuhls, eventualiter eines gewöhnlichen Fahrstuhls zuzusprechen.

    Mit Entscheid vom 13. Juni 1980 wies die AHV-Rekurskommission des
Kantons Zürich die Beschwerde ab.

    C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der
Versicherte beantragen, es seien ihm Amortisationsbeiträge auf der
Basis der Anschaffungskosten für einen nicht strassenverkehrstauglichen
Elektrofahrstuhl zu gewähren.

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 21 Abs. 1 IVG hat der Versicherte im Rahmen einer
vom Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel,
deren er für die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit in
seinem Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung oder zum
Zwecke der funktionellen Anpassung bedarf. Ferner bestimmt Art. 21
Abs. 2 IVG, dass der Versicherte, der infolge seiner Invalidität für die
Fortbewegung, für die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für
die Selbstsorge kostspieliger Geräte bedarf, im Rahmen einer vom Bundesrat
aufzustellenden Liste ohne Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit Anspruch auf
solche Hilfsmittel hat. Die Befugnis zur Aufstellung der Hilfsmittelliste
und zum Erlass ergänzender Vorschriften im Sinne des Art. 21 Abs. 4 IVG
hat der Bundesrat in Art. 14 IVV an das Eidgenössische Departement des
Innern übertragen. Diese Behörde hat am 29. November 1976 die Verordnung
über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI)
erlassen. Deren Art. 2 führt aus, dass im Rahmen der im Anhang aufgeführten
Liste Anspruch auf Hilfsmittel besteht, soweit diese für die Fortbewegung,
die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge
notwendig sind (Abs. 1), und dass der Anspruch auf die in dieser Liste mit
* bezeichneten Hilfsmittel nur besteht, soweit diese für die Ausübung einer
Erwerbstätigkeit oder die Tätigkeit im Aufgabenbereich, für die Schulung,
die Ausbildung oder die funktionelle Anpassung notwendig sind (Abs. 2).

    Ziff. 9 der Hilfsmittelliste sieht zwei Arten von Fahrstühlen vor,
nämlich "Fahrstühle ohne motorischen Antrieb" (Ziff. 9.01) und "Fahrstühle
mit elektromotorischem Antrieb (für den Strassenverkehr nicht zugelassene
Elektrofahrstühle), sofern gehunfähige Versicherte infolge von Lähmungen
oder anderen Gebrechen der oberen Extremitäten einen gewöhnlichen Fahrstuhl
nicht bedienen und sich nur dank elektromotorischem Antrieb selbständig
fortbewegen können" (Ziff. 9.02). Als dritte Art von Fahrstühlen sind
unter Ziff. 10.03* der Liste "Elektrofahrstühle (für den Strassenverkehr
zugelassene Elektrofahrstühle)" vorgesehen, und zwar "für Versicherte,
die voraussichtlich dauernd eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit
ausüben und die zur Überwindung des Arbeitsweges auf ein persönliches
Motorfahrzeug angewiesen sind und dieses gefahrlos bedienen können".

    b) Nach Art. 21 Abs. 3 IVG werden die Hilfsmittel zu Eigentum oder
leihweise in einfacher und zweckmässiger Ausführung abgegeben; durch
eine andere Ausführung verursachte zusätzliche Kosten hat der Versicherte
selbst zu tragen. Schliesslich sieht Art. 21bis Abs. 1 IVG die Gewährung
von Amortisationsbeiträgen vor, wenn ein Versicherter ein Hilfsmittel,
auf das er Anspruch besitzt, auf eigene Kosten angeschafft hat (vgl. auch
Art. 8 HVI).

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer anerkennt in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausdrücklich, dass er auf einen
strassenverkehrstauglichen Elektrofahrstuhl im Sinne der Ziff. 10.03*
der Hilfsmittelliste keinen Anspruch hat, da er die Erwerbstätigkeit zu
Hause ausübt und demnach keinen Arbeitsweg zu überwinden hat. Unbestritten
ist auch, dass der Beschwerdeführer an sich Anspruch auf einen für den
Strassenverkehr nicht zugelassenen Elektrofahrstuhl (Ziff. 9.02 der
Hilfsmittelliste) hätte, um sich innerhalb der Wohnung fortbewegen zu
können, da sein Zustand - objektiv gesehen - ein solches Gerät erfordern
würde und ein gewöhnlicher (motorloser) Fahrstuhl nicht bedient werden
könnte. Sodann ist auch nicht bestritten, dass das vom Beschwerdeführer
angeschaffte Elektromobil STUMP-Batricars in der Wohnung nicht verwendet
werden kann.

    b) Zur Begründung seines Begehrens verweist der Beschwerdeführer
auf die beiden Urteile Gschwend vom 24. Juli 1979 (ZAK 1979
S. 564) und Furginé vom 29. November 1979. Im ersten Urteil hat das
Eidg. Versicherungsgericht festgehalten, dass der Versicherte, der auf
eigene Kosten einen strassenverkehrstauglichen Elektrofahrstuhl gekauft
hatte, Anspruch auf einen für den Strassenverkehr nicht zugelassenen
Elektrofahrstuhl hat, weshalb Amortisationsbeiträge auf der Basis des
Anschaffungspreises eines derartigen Hilfsmittels zu gewähren sind. Diese
Ausführungen finden sich auch im Urteil Furginé. Der Beschwerdeführer
bemerkt dazu in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, dass es - jedenfalls
im Urteil Furginé - offensichtlich unerheblich gewesen sei, dass der
angeschaffte strassenverkehrstaugliche Elektrofahrstuhl in der Wohnung
gar nicht verwendet werden könne. Das Bundesamt für Sozialversicherung
lehnt in seiner Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde die
Interpretation des Beschwerdeführers ab und wendet im wesentlichen
ein, in beiden Fällen sei es um jugendliche Versicherte gegangen,
die lediglich einen Anspruch auf einen für den Strassenverkehr nicht
zugelassenen Elektrofahrstuhl gehabt, sich zur Überwindung des Schulweges
aber ein strassenverkehrstaugliches Modell selber angeschafft hätten. Das
Eidg. Versicherungsgericht habe dabei den in Ziff. 10 der Hilfsmittelliste
erwähnten "Arbeitsweg" durch den "Schulweg" ersetzt, was die Ausrichtung
von Amortisationsbeiträgen gerechtfertigt habe. Im vorliegenden Fall
gehe es jedoch dem erwachsenen, nicht in der Eingliederung befindlichen
Beschwerdeführer mit dem selber gekauften Elektromobil ausschliesslich
darum, sich im Freien fortbewegen zu können, ohne dass dafür eine
invaliditätsbedingte Notwendigkeit bestünde; zudem könnte der eigentliche
Zweck des ihm an sich zustehenden Gerätes (Fortbewegung in der Wohnung)
mit dem von ihm gekauften Modell gar nicht erfüllt werden.

    Der Überlegung des Bundesamtes ist entgegenzuhalten, dass von einer
Ersetzung des Arbeitsweges durch den Schulweg (zur Normalschule) nicht
die Rede sein kann. Andernfalls hätte in beiden Fällen der Anspruch
auf den Elektrofahrstuhl unter dem Gesichtspunkt des Art. 21 Abs. 1
IVG (sowie des Art. 2 Abs. 2 HVI und der Ziff. 10, insbesondere
10.03* der Hilfsmittelliste) nicht verneint werden können. Zudem
ist darauf hinzuweisen, dass das Eidg. Versicherungsgericht damals
aufgrund der Modellangaben in den Akten davon ausging, dass die
strassenverkehrstauglichen Elektrofahrstühle ohne weiteres auch im
Wohnbereich verwendbar waren. Umfasst aber - wie in den genannten
Fällen - das selber angeschaffte Hilfsmittel auch die Funktion eines dem
Versicherten an sich zustehenden Hilfsmittels, so steht einer Gewährung
von Amortisationsbeiträgen nichts entgegen; diese sind alsdann auf der
Basis der Anschaffungskosten des Hilfsmittels zu berechnen, auf das der
Versicherte an sich Anspruch hat. An dieser Voraussetzung gebricht es im
vorliegenden Falle, da das vom Beschwerdeführer gekaufte Elektromobil
STUMP-Batricars unbestrittenermassen im Wohnbereich überhaupt nicht
verwendet werden kann und somit die Funktion des ihm an sich zustehenden,
für den Strassenverkehr nicht zugelassenen Elektrofahrstuhls nicht mit
umfasst. Amortisationsbeiträge können daher nicht gewährt werden.

Entscheid:

       Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.