Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 V 59



107 V 59

11. Urteil vom 23. Februar 1981 i.S. Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern
gegen Laner und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern Regeste

    Art. 23 Abs. 1 AlVV. Ermittlung der normalen Arbeitszeit bei
Arbeitskräften, die nach Bedarf eingesetzt werden.

Sachverhalt

    A.- Margaritha Laner versah vom Frühjahr 1971 bis zum Frühjahr 1974 bei
der Genossenschaft X eine Dauerstelle mit normaler Arbeitszeit, während sie
vom 1. April 1974 bis zum 31. Januar 1977 nur noch stundenweise zum Einsatz
gelangte. Am 4. April 1979 wurde zwischen ihr und der Genossenschaft durch
"Anstellungsvertrag für Aushilfspersonal" vereinbart, dass sie "nach
tätlichem oder stundenweisem Bedarf: gemäss Einsatzplan" ab 1. April
1979 in der Zentralküche beschäftigt werde. In der Folge arbeitete
Margaritha Laner im April 1979 117,5 Stunden, im Mai 148 Stunden und im
Juni 119,5 Stunden. Nachdem sie ihren Vorgesetzten gebeten hatte, künftig
nur noch "halbtäglich arbeiten zu dürfen und nur bei Bedarf den ganzen Tag
eingesetzt zu werden", leistete sie im Juli 1979 noch 60 Stunden, im August
44, im September 80, im Oktober 92 und im Dezember 32 Arbeitsstunden.

    Am 2. November 1979 meldete sich Margaritha Laner wegen durch
Arbeitsmangel verkürzter Arbeitszeit zum Leistungsbezug bei der
Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern. Diese verneinte am 26. November
1979 verfügungsweise einen Taggeldanspruch. Sie begründete dies damit,
dass die Gesuchstellerin keinen anrechenbaren Verdienstausfall erlitten
habe, weil keine Arbeitsstundenzahl vertraglich festgelegt und sie bloss
nach Bedarf beschäftigt worden sei.

    B.- Auf Beschwerde der Versicherten hin hob das Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern die angefochtene Verfügung am 3. April 1980 auf. Es wies
die Sache an die Verwaltung zurück, damit diese abkläre, ob Margaritha
Laner entgegen der Auffassung der Arbeitslosenkasse nicht doch einen
anrechenbaren Verdienstausfall erlitten habe. Das kantonale Gericht
begründete dies damit, dass bei der Versicherten dann ein rechtlich
relevanter Ausfall an normaler Arbeitszeit angenommen werden müsse,
"wenn und soweit sie unabhängig von ihren persönlichen Verhältnissen im
massgeblichen Zeitraum offensichtlich und eindeutig weniger Arbeitszeit
aufbringen konnte, als sie minimal bei objektiver Würdigung der gesamten
Umstände nach der Absprache mit dem Arbeitgeber und der seitherigen
effektiven Entwicklung des Arbeitsverhältnisses als sehr wahrscheinlich
annehmen durfte".

    C.- Die Arbeitslosenkasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit
dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und ihre
Verfügung wiederherzustellen.

    Margaritha Laner lässt durch ihren Ehemann die Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. Da sie vom April bis Juni 1979
ganztags beschäftigt worden sei und anschliessend gewünscht habe, nur
noch halbtags und bloss bei Bedarf während des ganzen Tages eingesetzt
zu werden, habe sie selbstverständlich mit mindestens halbtägiger
Beschäftigung gerechnet.

    Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit trägt auf Gutheissung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an.

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Eine wesentliche Voraussetzung für den Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung besteht gemäss Art. 24 Abs. 2 lit. c AlVG
darin, dass der Versicherte einen anrechenbaren Verdienstausfall erlitten
hat. Anrechenbar ist der Verdienstausfall, wenn er durch einen Ausfall an
normaler Arbeitszeit in einem gesetzlich näher umschriebenen Mindestmass
innerhalb bestimmter Zahltagsperioden entsteht und der Versicherte während
der Dauer des Arbeitsausfalls vermittlungsfähig ist (Art. 23 Abs. 1 AlVV
in Verbindung mit Art. 26 Abs. 1 AlVG).

    Nach der Rechtsprechung ist der Ausfall an normaler Arbeitszeit in der
Regel aufgrund der im Beruf oder Erwerbszweig des Versicherten allgemein
üblichen Arbeitszeit zu ermitteln. Besteht hingegen eine besondere
Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, so bemisst sich die
normale Arbeitszeit nach der persönlichen Arbeitszeit des Versicherten (ARV
1963 Nr. 26 S. 57 und EVGE 1958 S. 207). Wird ein Versicherter regelmässig
als Aushilfskraft beschäftigt, wobei er die Arbeit vereinbarungsgemäss
jeweils nur auf Aufforderung des Arbeitgebers aufnimmt, so gilt im
allgemeinen die auf dieser besondern Vereinbarung beruhende Arbeitszeit
als normal, so dass der Versicherte während der Zeit, da er nicht zur
Arbeit aufgefordert wird, keinen anrechenbaren Verdienstausfall erleidet
(ARV 1956 Nr. 20 S. 29 sowie unveröffentlichte Urteile Wipf vom 17.
Januar 1978 und Schmutz vom 28. März 1977).

    Im zitierten Fall Schmutz hat jedoch das Eidg. Versicherungsgericht
bei einer mehr als fünf Jahre dauernden Arbeitsleistung, welche zudem
einer regelmässigen ganztägigen Beschäftigung gleichkam, das Vorliegen
eines anrechenbaren Verdientsausfalles bejaht, obwohl die Versicherte
aushilfsweise und nach Bedarf eingesetzt worden war. Ebenso wurde im
Fall Wipf die sich im Monatsdurchschnitt und über mehrere Jahre hinweg
trotz gewisser Schwankungen in einzelnen Monaten wenigstens einigermassen
gleichbleibende Arbeitszeit als die normale betrachtet. Diese Entscheide
beruhen auf der Überlegung, dass sich die normale Arbeitszeit eines
Versicherten nicht nur aufgrund der in seinem Beruf oder Erwerbszweig
üblichen oder mit ihm besonders vereinbarten Arbeitszeit ermitteln
lässt, sondern auch aufgrund eines während längerer Zeit erfolgten, im
wesentlichen mehr oder weniger konstanten Einsatzes. Je weniger dabei die
Arbeitseinsätze in den einzelnen Monaten schwanken, umso kürzer kann die
für die Annahme einer Normalarbeitszeit erforderliche Periode sein. Bei
sehr unregelmässigem Einsatz wie beispielsweise wegen wiederholten
längeren oder kürzeren Fehlens jeglicher Erwerbstätigkeit oder wegen
starker Schwankungen der Arbeitsdauer während der einzelnen Einsätze von
Monat zu Monat wird sich allerdings auch aus dem Durchschnitt einer sehr
langen Periode keine normale Arbeitszeit im Sinne von Art. 23 Abs. 1 AlVV
ermitteln lassen.

Erwägung 2

    2.- Margaritha Laner arbeitete aufgrund des Anstellungsvertrages
bei X im April 1979 117,5 Stunden, im Mai 148 und im Juni 119,5
Stunden. Aufgrund eines Gesuchs an ihren Vorgesetzten, künftig nur noch
halbtags zu arbeiten und bloss bei Bedarf den ganzen Tag beschäftigt
zu werden, sank ihr Arbeitseinsatz in der Folge beträchtlich. Die von
ihr geleisteten Einsätze umfassten im Juli 1979 noch 60, im August 44,
im September 80, im Oktober 92 und im Dezember 32 Stunden, während sie im
November überhaupt nicht eingesetzt worden ist. Da also der Arbeitseinsatz
der Beschwerdegegnerin nach Äusserung ihres Wunsches um möglichst
nur noch halbtageweise Beschäftigung ab Ende Juni 1979 ganz wesentlich
zurückgegangen ist, können die in den Monaten April bis Juni geleisteten
Stunden für die Ermittlung ihrer allfälligen normalen Arbeitszeit nicht
in Betracht gezogen werden. Die von ihr in den Monaten Juli bis Dezember
1979 geleisteten Einsätze zeigen von Monat zu Monat ganz erhebliche
Schwankungen. Von ihrer mittleren Einsatzdauer in diesem halben Jahr von
monatlich rund 50 Stunden wichen die effektiven Einsätze nach oben um über
80% und nach unten um 36% ab. Unter diesen Umständen lässt sich aus der
vom Juli 1979 hinweg geleisteten Einsatzzeit keine normale Arbeitszeit
ableiten, welche als Ausgangspunkt für die Ermittlung eines durch die
Arbeitslosenversicherung zu entschädigenden Arbeitsausfalles dienen könnte.

    Schliesslich ist noch auf das Fehlen jeglicher Anhaltspunkte
dafür hinzuweisen, dass zwischen der Beschwerdegegnerin und X
je eine bestimmte Mindestarbeitszeit vereinbart worden wäre. Der
Ehemann der Beschwerdegegnerin erklärt zwar in seiner Stellungnahme zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, er und seine Frau hätten auch für die Zeit
ab Juni 1979 "selbstverständlich mit mindestens halbtäglicher Beschäftigung
gerechnet". Diese Annahme war jedoch bestenfalls eine Hoffnung, deren
Verwirklichung offenblieb.

    Muss demnach ein Ausfall an normaler Arbeitszeit im Sinne von
Art. 23 Abs. 1 AlVV verneint werden, so besteht kein Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung.

Entscheid:

       Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 3. April 1980 aufgehoben.