Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 V 191



107 V 191

43. Auszug aus dem Urteil vom 7. August 1981 i.S. Randazzo gegen
Ausgleichskasse des Kantons Glarus und Rekurskommission des Kantons Glarus
für die AHV Regeste

    Art. 97 AHVG und 58 VwVG. Während der Rechtsmittelfrist kann die
Verwaltung auf eine (unangefochtene) Verfügung zurückkommen, ohne an
die für die Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen geltenden
Voraussetzungen gebunden zu sein.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts
kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht
Gegenstand einer materiellen gerichtlichen Beurteilung gebildet hat, in
Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung
von erheblicher Bedeutung ist (BGE 103 V 128, 102 V 17).

    Im vorliegenden Fall ist die Verwaltung auf eine Verfügung
zurückgekommen, die mangels Ablaufs der Rechtsmittelfrist (Art. 84 Abs. 1
AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG) noch nicht in formelle Rechtskraft
erwachsen war. Es stellt sich daher die Frage, ob für die Wiedererwägung
einer solchen Verfügung die gleichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen,
wie sie für die Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen
Geltung haben. Gemäss einem Beschluss des Gesamtgerichtes ist diese
Frage dahingehend zu beantworten, dass die Verwaltung während der
Rechtsmittelfrist auf eine (unangefochtene) Verfügung zurückkommen kann,
auch wenn diese nicht zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung nicht von
erheblicher Bedeutung ist. Massgebend hiefür ist, dass der Rechtssicherheit
und dem Vertrauensgrundsatz bis zum Eintritt der Rechtskraft der Verfügung
nicht die gleiche Bedeutung zukommt wie nach diesem Zeitpunkt. Ferner ist
auf die Regelung des Art. 58 VwVG hinzuweisen, wonach die Verwaltung die
Verfügung pendente lite abändern kann, ohne an die für die Wiedererwägung
formell rechtskräftiger Verfügungen geltenden besonderen Voraussetzungen
gebunden zu sein. Es soll damit dem objektiven Recht auf möglichst
einfache Weise zur Durchsetzung verholfen werden (vgl. hiezu auch
BGE 103 V 107). Dieser Gedanke rechtfertigt eine voraussetzungslose
Wiedererwägung umso mehr, wenn auf eine noch nicht rechtskräftige,
unangefochtene Verfügung zurückgekommen wird.