Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 V 187



107 V 187

41. Auszug aus dem Urteil vom 9. April 1981 i.S. Riso gegen Ausgleichskasse
des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich Regeste

    Art. 69 IVG, 84 Abs. 1 AHVG und 22 Abs. 1 VwVG.

    - Wer sich während eines hängigen Verfahrens von seinem Adressort
entfernt, hat geeignete Vorkehren für die Zustellbarkeit behördlicher
Mitteilungen zu treffen (Bestätigung der Rechtsprechung). Zu Vorkehren
ist indes nur verhalten, wer auf die Zustellung eines behördlichen Akts
während seiner Abwesenheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gefasst
sein muss (Präzisierung der EVG-Praxis im Sinne von BGE 101 Ia 7).

    - Der Postrückbehaltungsauftrag ist keine taugliche Vorkehr im obigen
Sinn. Diesfalls ist die rechtlich relevante Zustellung nicht erst bei
der effektiven Empfangnahme der Sendung als erfolgt zu betrachten.

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügung vom 16. Juli 1979 wies die Ausgleichskasse des
Kantons Zürich das Begehren des Quintino Riso um Übernahme der Kosten
für medizinische und berufliche Eingliederungsmassnahmen ab. Gleichzeitig
schrieb sie das Gesuch um Gewährung einer Invalidenrente als durch Verzicht
erledigt ab.

    Am 14. September 1979 erhob der Anwalt des Versicherten gegen diese
Verfügung Beschwerde. Gemäss Präsidialverfügung vom 26. September 1979
trat jedoch die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich auf die Beschwerde
wegen Verspätung nicht ein.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Quintino Riso beantragen,
es sei die Präsidialverfügung vom 26. September 1979 aufzuheben und die
AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich zu verpflichten, auf die Beschwerde
vom 14. September 1979 einzutreten.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 69 IVG in Verbindung mit Art. 84 Abs. 1 AHVG kann gegen
Verfügungen der Ausgleichskassen innert 30 Tagen seit der Zustellung
Beschwerde erhoben werden. Diese gesetzliche Frist darf der Richter
nicht erstrecken (Art. 22 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit Art. 96 AHVG und
Art. 81 IVG). Läuft die Frist unbenützt ab, so erwächst die Verfügung in
formelle Rechtskraft mit der Wirkung, dass der Richter auf die verspätet
eingereichte Beschwerde nicht eintreten kann.

    Hingegen kann gemäss Art. 24 VwVG in Verbindung mit Art. 96 AHVG und
Art. 81 IVG eine Frist wiederhergestellt werden, wenn der Gesuchsteller
oder sein Vertreter unverschuldet abgehalten worden ist, innert der Frist
zu handeln, und wenn er binnen 10 Tagen nach Wegfall des Hindernisses
ein begründetes Begehren um Wiederherstellung einreicht und die versäumte
Rechtshandlung nachholt.

Erwägung 2

    2.- Nach der Rechtsprechung hat derjenige, der sich während eines
hängigen Verfahrens für längere Zeit von dem den Behörden bekanntgegebenen
Adressort entfernt, ohne für die Nachsendung der an die bisherige Adresse
gelangenden Korrespondenz zu sorgen und ohne der Behörde zu melden, wo
er nunmehr zu erreichen ist, bzw. ohne einen Vertreter zu beauftragen,
nötigenfalls während seiner Abwesenheit für ihn zu handeln, eine am
bisherigen Ort versuchte Zustellung als erfolgt gelten zu lassen.
Voraussetzung ist allerdings, dass die Zustellung eines behördlichen
Aktes während der Abwesenheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu
erwarten ist (BGE 102 V 242 und 101 Ia 7 mit Hinweisen).

    Der Beschwerdeführer ist durch einen Rechtsanwalt vertreten, und
die Kassenverfügung vom 16. Juli 1979 ist diesem zugestellt worden. Die
Beschwerdefrist begann somit ab Zustellung an den Rechtsvertreter zu
laufen. Nach den zutreffenden Feststellungen der Vorinstanz war diesem
die Kassenverfügung spätestens am 18. Juli 1979 zugegangen. Die erst am 14.
September 1979 eingereichte Beschwerde erweist sich daher als verspätet.

    Dagegen wendet der Anwalt des Beschwerdeführers ein, sein Büro sei
vom 16. Juli bis 16. August 1979 ferienhalber geschlossen gewesen. Er
habe daher der Post für die Zeit vom 16. Juli bis 17. August 1979
einen Postrückbehaltungsauftrag erteilt. Demzufolge habe er die
Kassenverfügung erst am 17. August 1979 entgegengenommen. Dieser Tag habe
als Zustelldatum zu gelten. Indes hatte der bereits im Verwaltungsverfahren
mitbeteiligte Anwalt des Beschwerdeführers noch im April 1979 mit der
Invalidenversicherungs-Kommission einen Briefwechsel geführt, aus welchem
auf einen baldigen Entscheid geschlossen werden konnte. Als er am 16. Juli
1979 die Ferien antrat, musste er daher mit einiger Wahrscheinlichkeit
damit rechnen, dass während seiner Abwesenheit die fragliche Verfügung
eintreffen könnte. Er hätte demzufolge für deren Empfang das Zweckdienliche
veranlassen müssen. Indessen hatte er der Ausgleichskasse weder seine
Ferienabwesenheit angezeigt noch einen handlungsbevollmächtigten
Vertreter bestellt noch anderweitig dafür gesorgt, dass ihm ein
allfälliger Verwaltungsakt in der vorliegenden Rentensache rechtzeitig
zur Kenntnis gelangt wäre. Der Postrückbehaltungsauftrag bildet hiefür
keine taugliche Vorkehr. Somit muss es bei der Feststellung bleiben,
dass als Zustelldatum der 18. Juli 1979 zu geltend hat und die Beschwerde
vom 14. September 1979 demnach verspätet eingereicht worden ist.

    Eine Wiederherstellung der Frist kommt nicht in Frage, weil die
10tägige Frist für die Stellung des Gesuchs und das Nachholen der
versäumten Rechtshandlung nicht eingehalten ist.