Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 V 177



107 V 177

38. Auszug aus dem Urteil vom 24. Juli 1981 i.S. Kantonales Amt für
Industrie, Gewerbe und Arbeit, Zürich gegen Trabucco und Kantonale
Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung, Zürich Regeste

    Art. 28 Abs. 1 AlVG. Verzicht auf Durchsetzung der Lohnansprüche bei
Kurzarbeit während der Kündigungsfrist.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 24 Abs. 2 lit. c AlVG hat der Versicherte Anspruch
auf Arbeitslosenentschädigung, wenn er einen anrechenbaren Verdienstausfall
erleidet. Nach Art. 28 Abs. 1 AlVG ist der Verdienstausfall nicht
anrechenbar während Arbeitstagen, für welche dem Versicherten Ansprüche
gegenüber dem Arbeitgeber zustehen...

    Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht
geleistet werden oder kommt er aus andern Gründen mit der Annahme der
Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er gemäss Art. 324 Abs. 1 OR zur
Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur
Nachleistung verpflichtet ist. Der Arbeitgeber kann sich dabei nicht
auf sein Betriebsrisiko berufen; auch wenn die Aufträge ausbleiben,
schuldet er den Lohn bis zum Kündigungstermin (SCHWEINGRUBER, Kommentar
zum Arbeitsvertrag, 2. Aufl. S. 101 f.; HOLZER, Kommentar zum AlVG,
S. 135). Diese Bestimmung ist insofern zwingend, als von ihr durch Abrede,
Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag zuungunsten des Arbeitnehmers nicht
abgewichen werden darf (Art. 362 Abs. 1 OR).

    b) Nach der Rechtsprechung zu Art. 28 Abs. 1 AlVG in Verbindung
mit alt Art. 332 OR führt der Verzicht auf die Lohnzahlung seitens
des Arbeitnehmers nicht regelmässig zum Verlust des Anspruchs auf
Arbeitslosenentschädigung. Dies namentlich dann nicht, wenn es bei
konjunkturbedingten Arbeitsunterbrüchen oder vorübergehenden Kürzungen
der Arbeitszeit darum geht, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu
vermeiden. Wie das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt ausgeführt hat,
vermag eine solche Regelung das Interesse des Arbeitnehmers wie auch
dasjenige der Arbeitslosenversicherung besser zu wahren als ein Beharren
auf alt Art. 332 OR, was die permanente Gefahr der Kündigung in sich
schliessen würde (ARV 1977 S. 84; EVGE 1964 S. 53, 1962 S. 83, 1960 S.
326). Dies gilt in gleicher Weise unter der Herrschaft des seit dem
1. Januar 1972 geltenden Art. 324 OR (BGE 105 V 234 und unveröffentlichtes
Urteil Kuhn vom 19. Oktober 1977).

    Zu beachten ist indessen, dass der Arbeitnehmer nicht beliebig auf
den Lohnanspruch gegenüber dem Arbeitgeber verzichten und statt dessen
die Arbeitslosenentschädigung beanspruchen darf. Wenn es nicht darum geht,
eine bevorstehende gänzliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses und damit
eine drohende Arbeitslosigkeit zu verhüten, muss dem Versicherten zugemutet
werden, seinen Lohnanspruch gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. Ein
Arbeitnehmer, der sich bereits in gekündigter Stellung befindet, braucht
sich eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohneinbusse nicht gefallen zu lassen
(ARV 1977 S. 84, HOLZER, aaO, S. 135). Auch haben Arbeitnehmer, denen
im gleichen Zeitpunkt gekündigt wird, in dem eine Arbeitszeitverkürzung
eingeführt wird, Anspruch auf den vollen Lohn, was den Bezug einer
Arbeitslosenentschädigung in der Regel ausschliesst (BGE 105 V 234;
vgl. auch Ziff. 3 des Kreisschreibens des BIGA vom 24. Juli 1975).

    c) Aufgrund der soeben dargelegten Praxis ist das
Eidg. Versicherungsgericht in dem im vorinstanzlichen Entscheid
zitierten Urteil Müller vom 31. Januar 1980 zum Schluss gekommen, dass
der Versicherte während der Kündigungsfrist keinen Anspruch auf Taggelder
für Kurzarbeit gehabt habe. Damit wurde jedoch - entgegen der Auffassung
der Rekurskommission - nicht etwa der allgemeine Grundsatz aufgestellt,
dass während der Kündigungsfrist der Bezug von Arbeitslosenentschädigungen
wegen Kurzarbeit immer ausgeschlossen sei, weil der Versicherte nicht
mehr befürchten müsse, durch Beharren auf dem Lohnanspruch eine Kündigung
auszulösen, und daher auch nicht auf seinen Lohnanspruch verzichten
dürfe. Das Eidg. Versicherungsgericht hat im Urteil Müller vielmehr
geprüft, ob "besondere Umstände" vorlägen, "die einen Verzicht auf die
arbeitsrechtlichen Ansprüche zu rechtfertigen vermöchten", und dies
gestützt auf die konkreten Gegebenheiten des Falles verneint. Damit
knüpfte das Gericht an EVGE 1959 S. 209 an, wo festgehalten worden war:

    "Dans un arrêt du 23 décembre 1954 en la cause Gafner, le Tribunal
   fédéral des assurances a relevé que l'on ne saurait affirmer d'une
   façon générale que l'employeur a l'obligation de garantir le plein
   emploi pendant le délai de congé et en inférer que l'assurance-chômage
   n'a pas à indemniser la perte de gain subie par l'assuré durant cette
   période. Une interprétation aussi rigoureuse de l'art. 28 al. 1er
   LAC ne serait guère conciliable avec la tendance actuelle du droit
   du travail et irait souvent à l'encontre des intérêts véritables des
   assurés et des caisses. Seul un examen des circonstances particulières
   de chaque cas permet de déterminer si l'ouvrier avait le droit de
   mettre l'employeur en demeure et si, en n'exerçant pas ce droit,
   il tombe sous le coup de l'art. 28 al. 1er LAC. En ne procédant pas,
   ou que de manière incomplète, à cet examen, les premiers juges ne se
   sont donc pas conformés aux exigences du droit fédéral."

    Es besteht kein Anlass, von dieser Praxis abzuweichen.