Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 V 145



107 V 145

31. Auszug aus dem Urteil vom 17. August 1981 i.S. G. gegen Ausgleichskasse
des Kantons Graubünden und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
Regeste

    Art. 42 Abs. 2 IVG, Art. 36 IVV.

    - Der Katalog der sechs alltäglichen Lebensverrichtungen gilt für die
Bemessung der Hilflosigkeit in allen drei Hilflosigkeitsgraden, soweit
dabei auf diese Lebensverrichtungen Bezug genommen wird (Art. 36 Abs. 1,
2 und 3 lit. a IVV; Erw. 1b).

    - Die Hilfsbedürftigkeit ist auch dann erheblich, wenn ein Versicherter
eine bestimmte Lebensverrichtung selbst mit Dritthilfe nicht (mehr)
erfüllen kann, weil sie für ihn gar keinen Sinn hat (Erw. 1c).

    - Der dauernden persönlichen Überwachung ist im Rahmen des Art. 36
Abs. 2 lit. b und Abs. 3 lit. b IVV ein grösseres Gewicht beizumessen als
bei Art. 36 Abs. 1 IVV, wo nach der Rechtsprechung schon eine minimale
Erfüllung genügt (Erw. 1d).

    - Wird bei der notwendigen Anzahl Lebensverrichtungen die Erheblichkeit
der Dritthilfe bejaht, so darf nicht im nachhinein eine gesamthafte
Würdigung vorgenommen und der Anspruch auf die entsprechende Entschädigung
verneint werden; insofern ist Rz 301 der Wegleitung über Invalidität und
Hilflosigkeit unzutreffend (Erw. 2c).

Sachverhalt

    A.- Die am 28. September 1960 geborene Versicherte leidet an
angeborenem Schwachsinn sowie an rechtsseitiger Hemiplegie durch
Geburtsschaden. Die Invalidenversicherung erbrachte bisher aufgrund
zahlreicher Verfügungen verschiedene Leistungen wie medizinische
Massnahmen, Hilfsmittel, Sonderschulbeiträge sowie Pflegebeiträge
(für Hilflosigkeit leichten Grades). Vom 1. April bis 1. Oktober 1978
absolvierte die Versicherte im Werkheim X eine erstmalige berufliche
Ausbildung, nach deren Abschluss man sie dort auf Wunsch ihrer Eltern
weiterhin beschäftigt hat, um sie in zusätzliche Arbeiten einzuführen und
soweit möglich noch zu fördern. Seit dem 1. Oktober 1978 bezieht sie bei
einem Invaliditätsgrad von 90% eine ganze ausserordentliche Invalidenrente.

    Im Januar 1979 wurde die Versicherte von ihrem Vater zum Bezug
einer Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung angemeldet. Die
Invalidenversicherungs-Kommission holte bei Dr. med. J., Hausarzt des
Werkheimes, einen Arztbericht ein (vom 27. Mai 1979) und gelangte gestützt
darauf zum Ergebnis, dass bloss leichtgradige Hilflosigkeit vorliege,
worauf die Ausgleichskasse der Versicherten mit Verfügung vom 6. September
1979 ab 1. Oktober 1978 eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit
leichten Grades zusprach.

    B.- Mit der hiegegen eingereichten Beschwerde liess die Versicherte
sinngemäss geltend machen, dass von einer höhergradigen Hilflosigkeit
auszugehen sei. Mit Entscheid vom 21. Dezember 1979 wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden die Beschwerde ab.

    C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die
Versicherte beantragen, es sei ihr eine Hilflosenentschädigung für
Hilflosigkeit mittelschweren Grades zuzusprechen.

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) In der Schweiz wohnhafte invalide Versicherte, die hilflos
sind, haben Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, welche frühestens
vom ersten Tag des der Vollendung des 18. Altersjahres folgenden Monats
an gewährt wird (Art. 42 Abs. 1 IVG).

    Als hilflos gilt, wer wegen der Invalidität für die alltäglichen
Lebensverrichtungen (dazu nachstehend Erw. 1b) dauernd der Hilfe Dritter
oder der persönlichen Überwachung bedarf (Art. 42 Abs. 2 IVG).

    Art. 36 IVV sieht drei Hilflosigkeitsgrade vor. Gemäss Abs. 2 dieser
Bestimmung gilt die Hilflosigkeit als mittelschwer, wenn der Versicherte
trotz der Abgabe von Hilfsmitteln

    a. in den meisten alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in
erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist oder

    b. in mindestens zwei alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig
in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und überdies
einer dauernden persönlichen Überwachung bedarf.

    b) Nach der Rechtsprechung zu der bis Ende 1976 geltenden Regelung,
welche ebenfalls drei Grade der Hilflosigkeit festlegte, sie aber
begrifflich nicht umschrieb (Art. 39 Abs. 2 IVV in der Fassung vom
11. Oktober 1972), lag Hilflosigkeit mittleren Grades vor, falls der
Versicherte mindestens zur Hälfte, jedoch weniger als zu zwei Dritteln
hilflos war; der leichte Grad umfasste eine weniger als die Hälfte,
aber mindestens einen Drittel betragende Hilflosigkeit, während der
schwere Grad bei einer Hilflosigkeit von mindestens zwei Dritteln
erreicht war (BGE 98 V 24 f.). Wohl verwies Art. 42 Abs. 2 IVG schon
damals auf die alltäglichen Lebensverrichtungen; angesichts der groben
Festlegung der Hilflosigkeitsgrade in alt Art. 39 Abs. 2 IVV sowie im
Hinblick darauf, dass selbst bei der Hilflosigkeit schweren Grades nicht
bei allen Lebensverrichtungen eine ins Gewicht fallende Hilflosigkeit
gegeben sein musste, bestand für das Eidg. Versicherungsgericht keine
zwingende Veranlassung, die Gesamtzahl der massgebenden alltäglichen
Lebensverrichtungen zu bestimmen und diese im einzelnen zu umschreiben.
Ursprünglich ist das Eidg. Versicherungsgericht davon ausgegangen,
dass unter den "alltäglichsten und gewöhnlichsten Lebens- und
Leibesverrichtungen... in erster Linie das An- und Auskleiden, die
Nahrungsaufnahme und die Verrichtung der Notdurft zu verstehen" sind
(EVGE 1961 S. 61; vgl. auch EVGE 1966 S. 133); später hat es auch die
Körperpflege dazu gezählt (EVGE 1967 S. 254). Im Jahre 1969 ist der
Katalog nochmals erweitert und folgendes festgehalten worden:

    "Dazu zählt aber auch das normalmenschliche, der Gemeinschaft
   angepasste und an diese gewöhnte Verhalten, wie es der Alltag mit
   sich bringt. Wer zu solchem Verhalten nicht oder nicht mehr fähig ist,
   muss grundsätzlich ebenfalls als hilflos betrachtet werden. Nach der

    Verwaltungspraxis ist in diesem Zusammenhang ferner die Herstellung des

    Kontaktes zur Umwelt zu berücksichtigen. Es ist jedoch zu beachten,
dass
   die notwendige Hilfe bei der Herstellung dieses Kontaktes in der Regel
   nur als zusätzliches Element, neben anderen nötigen Hilfeleistungen,
   einen

    Anspruch auf die Entschädigung zu begründen vermag; unter ganz
besonderen

    Voraussetzungen liessen sich allerdings Fälle denken, bei denen
diese Art
   von Hilfe, für sich allein genommen, bereits leistungsbegründend
   sein könnte." (ZAK 1970 S. 37 f., 41 f. und 73, 1969 S. 617 und 747;
   vgl. auch

    BGE 104 V 128, 98 V 24; EVGE 1969 S. 217; ZAK 1971 S. 37.)  In BGE
105 V 54 wurden neu auch das Aufstehen, Absitzen und Abliegen sowie die
Fortbewegung aufgeführt, während in BGE 106 V 157 das normalmenschliche,
der Gemeinschaft angepasste Verhalten weggelassen und nur die
Kontaktaufnahme zur Umwelt erwähnt worden ist.

    Da es nach der seit 1977 geltenden Regelung einerseits bei der
Bemessung der schweren Hilflosigkeit darauf ankommt, ob der Versicherte
in allen alltäglichen Lebensverrichtungen hilfsbedürftig ist, und da
anderseits deren Gesamtzahl auch für die mittelschwere Hilflosigkeit von
Bedeutung sein kann (Art. 36 Abs. 2 lit. a IVV verlangt Hilfsbedürftigkeit
in den meisten alltäglichen Lebensverrichtungen), fragt sich, welche
Lebensverrichtungen im einzelnen massgebend sind. Das Gesamtgericht,
dem diese Rechtsfrage vorgelegt wurde, hat entschieden, dass von der
Aufzählung in BGE 106 V 157 auszugehen ist. Hinsichtlich der dort
zuletzt als selbständige Lebensverrichtung erwähnten Kontaktaufnahme
zur Umwelt sowie des mit dieser zusammenhängenden, ebenfalls im Jahre
1969 in den Katalog aufgenommenen normalmenschlichen Verhaltens hat
das Gesamtgericht erkannt, dass beide Funktionen unter dem Begriff
"zwischenmenschliche Beziehungen (im Sinne des Kontaktes mit der Umwelt)"
zu erfassen und zusammen als Teilfunktion neben der Fortbewegung (im
bzw. ausser Hause) zu berücksichtigen sind. In diesem Sinne verstanden
ist der Kontaktaufnahme bei der schweren, der mittelschweren und auch der
leichten Hilflosigkeit (hier im Rahmen des Art. 36 Abs. 3 lit. a IVV)
Rechnung zu tragen. Wegleitend für diese Beurteilung ist der Umstand,
dass, falls die Kontaktaufnahme auch unter der jetzigen Regelung als
selbständige Lebensverrichtung zu beachten wäre, sich für die schwere
Hilflosigkeit Konsequenzen ergäben, welche nicht dem Sinn des Art. 42
Abs. 2 IVG entsprächen (BGE 107 V 136). Nach dem Gesagten sind demnach
die folgenden sechs alltäglichen Lebensverrichtungen relevant:

    1. Ankleiden, Auskleiden;

    2. Aufstehen, Absitzen, Abliegen;

    3. Essen;

    4. Körperpflege;

    5. Verrichten der Notdurft;

    6. Fortbewegung (im oder ausser Hause), Kontaktaufnahme.

    c) Nach Art. 36 Abs. 2 IVV genügt es, dass der Versicherte in den
einzelnen Lebensverrichtungen "in erheblicher Weise" auf die Hilfe
Dritter angewiesen ist. Zunächst ist hier darauf hinzuweisen, dass die
vom Versicherten benötigte Hilfe nach der Rechtsprechung nicht nur in
direkter Dritthilfe, sondern auch bloss in Form einer Überwachung des
Versicherten bei Vornahme der relevanten Lebensverrichtungen bestehen
kann, indem etwa die Drittperson den Versicherten auffordert, eine
Lebensverrichtung vorzunehmen, die er wegen seines psychischen Zustandes
ohne besondere Aufforderung nicht vornehmen würde (sogenannte indirekte
Dritthilfe; BGE 106 V 157 f., 105 V 56 Erw. 4a). Sodann ist festzuhalten,
dass die einzelnen Lebensverrichtungen mehrere Teilfunktionen umfassen
können. Dabei ist nicht verlangt, dass der Versicherte bei der Mehrzahl
dieser Teilfunktionen fremder Hilfe bedarf. Vielmehr genügt es gemäss
Beschluss des Gesamtgerichts, dass der Versicherte in einer dieser
Teilfunktionen regelmässig in erheblicher Weise auf direkte oder indirekte
Dritthilfe angewiesen ist. Die in Rz 298.3 der Wegleitung des Bundesamtes
für Sozialversicherung über Invalidität und Hilflosigkeit (gültig ab
1. Januar 1979) aufgeführten, im übrigen als nicht abschliessend zu
betrachtenden Beispiele für die Erheblichkeit der Hilfe in Teilfunktionen
sind deshalb alternativ zu verstehen. In diesem Sinne ist die Hilfe
beispielsweise bereits erheblich:

    - beim Essen, wenn der Versicherte zwar selber essen, die Speisen aber
nicht zerkleinern kann, oder wenn er die Speisen nur mit den Fingern zum
Mund führen kann (BGE 106 V 158 Erw. 2b);

    - bei der Körperpflege, wenn der Versicherte sich nicht selber waschen
oder kämmen oder rasieren oder nicht selber baden bzw. duschen kann;

    - bei Fortbewegung und Kontaktaufnahme, wenn der Versicherte im oder
ausser Hause sich nicht selber fortbewegen kann oder wenn er bei der
Kontaktaufnahme Dritthilfe benötigt.

    In diesem Zusammenhang ist noch beizufügen, dass gemäss
Gesamtgerichtsbeschluss die Hilfsbedürftigkeit auch dann als erheblich zu
betrachten ist, wenn ein Versicherter eine bestimmte Lebensverrichtung
selbst mit Dritthilfe nicht (mehr) erfüllen kann, weil sie für ihn gar
keinen Sinn hat. Dies mag etwa vorkommen bei einem Versicherten mit
schwersten Hirnschädigungen und rein vegetativen Lebenserscheinungen,
der vollständig ans Bett gefesselt und wegen seines Zustandes zu
keinerlei Kontakten mit der Umwelt fähig ist. In einem solchen Fall
darf nicht davon ausgegangen werden, in bezug auf die sinnlos gewordene
sechste Lebensverrichtung (Fortbewegung, Kontaktaufnahme) liege keine
Hilfsbedürftigkeit vor. Andernfalls könnte bei solchermassen schwerst
Hilfsbedürftigen eine Hilflosigkeit schweren Grades zum vornherein nie
angenommen werden.

    d) Die schwere Hilflosigkeit setzt gemäss Art. 36 Abs. 1 IVV voraus,
dass der Versicherte in allen alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig
auf die Hilfe Dritter angewiesen ist. Das Eidg. Versicherungsgericht hat
wiederholt festgehalten, dass die (direkte bzw. indirekte) Dritthilfe
bei Vornahme der einzelnen Lebensverrichtungen bereits derart umfassend
ist, dass der weitern - gemäss Art. 36 Abs. 1 IVV kumulativ notwendigen
- Voraussetzung der dauernden Pflege oder der dauernden persönlichen
Überwachung nur noch eine untergeordnete Bedeutung zukommen kann und dass
im Rahmen der genannten Vorschrift daher schon eine minimale Erfüllung
eines dieser zusätzlichen Erfordernisse genügen muss (BGE 106 V 158,
105 V 56 Erw. 4b). Wie das Gesamtgericht entschieden hat, kann diese
Rechtsprechung nicht unbesehen für die mittelschwere und die leichte
Hilflosigkeit übernommen werden, soweit bei diesen beiden Graden in
Art. 36 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 lit. b IVV eine dauernde persönliche
Überwachung verlangt wird; denn die Voraussetzungen in bezug auf die
Dritthilfe bei Vornahme der Lebensverrichtungen sind weit weniger umfassend
(so bei Art. 36 Abs. 2 lit. b IVV) bzw. wird Dritthilfe nicht gefordert
(so bei Art. 36 Abs. 3 lit. b IVV), weshalb der dauernden persönlichen
Überwachung in diesen beiden Fällen ein grösseres Gewicht beizumessen
ist und nicht bloss ein minimales wie bei Art. 36 Abs. 1 IVV.

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die Beschwerdeführerin in
mittelschwerem oder bloss in leichtem Grade hilflos ist. Zu prüfen ist
zunächst, ob die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 2 lit. a IVV erfüllt
sind, was dann zu bejahen ist, wenn ein Versicherter in mindestens vier
alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf
Dritthilfe angewiesen ist.
   a) ...

    b) Die Vorinstanz geht anscheinend davon aus, dass es insgesamt neun
Lebensverrichtungen gebe, welche bei der Bemessung des Hilflosigkeitsgrades
zu beachten seien. In der Tat sind im (mittlerweile ersetzten) Fragebogen
für den Arzt, den Dr. med. J. ausfüllte, neun Positionen erwähnt. Diese
Aufzählung ist jedoch ungenau, indem verschiedene Teilfunktionen, die
zusammengehören, getrennt aufgeführt sind. So beziehen sich die tägliche
Toilette und das Baden auf eine und dieselbe Lebensverrichtung, nämlich
die Körperpflege. Ferner gehören nach dem in Erw. 1b hievor Gesagten die
Fortbewegung im Haus, die Fortbewegung ausser Haus und die Kontaktaufnahme
mit der Umwelt zur gleichen Lebensverrichtung. Geht man richtigerweise
von den sechs relevanten alltäglichen Lebensverrichtungen aus, so ergibt
sich für die Beschwerdeführerin folgendes Bild:

    Vorweg ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin beim Aufstehen,
Absitzen und Abliegen unbestrittenermassen keine ins Gewicht fallende
Dritthilfe benötigt, weshalb sich die im Arztzeugnis des Dr. med. B. vom
13. Dezember 1979 sinngemäss aufgeworfene Frage einer schweren
Hilflosigkeit, welche erhebliche Hilfsbedürftigkeit bei allen alltäglichen
Lebensverrichtungen voraussetzen würde, zum vornherein nicht stellen
kann. Aufgrund der Angaben des Dr. med. J. und des Dr. med. B. steht
fest, dass die Beschwerdeführerin beim An- und Auskleiden in erheblicher
Weise auf Dritthilfe angewiesen ist. Wohl kann sie selber essen, die
Speisen aber nicht zerkleinern; deshalb muss die Erheblichkeit auch in
bezug auf das Essen bejaht werden (vgl. Erw. 1c hievor). Ferner ist
die Dritthilfe bei der Körperpflege erheblich, da die Beschwerdeführerin
die tägliche Toilette (Waschen, Kämmen) nicht selber ausführen und nicht
selber baden kann. Nach den Angaben der beiden Ärzte sowie auch gemäss
Zeugnis der Schweizerischen Epilepsie-Klinik Zürich vom 16. Oktober 1979
benötigt die Beschwerdeführerin überdies bei der Fortbewegung ausser
Haus die Hilfe Dritter, da sie angesichts ihres Zustandes nicht allein
gelassen werden kann. Diese Hilflosigkeit in einer Teilfunktion genügt,
um die Hilfsbedürftigkeit im Rahmen der sechsten Lebensverrichtung als
erheblich zu bezeichnen. Es kann deshalb offenbleiben, ob - wie in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde dargelegt wird - die Beschwerdeführerin
auch bei der Kontaktaufnahme mit der Umwelt in erheblicher Weise
Hilfe benötigt. Somit ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin in vier
alltäglichen Lebensverrichtungen erheblich der Hilfe Dritter bedarf.

    c) Die Vorinstanz hält nun allerdings dafür, auch wenn ein Versicherter
für mindestens vier Lebensverrichtungen auf Dritthilfe angewiesen sei, so
bedeute dies nicht, dass unter diesen Umständen bereits ein Anspruch auf
eine Entschädigung für Hilflosigkeit mittelschweren Grades bestehe. Nach
Rz 301 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherung über
Invalidität und Hilflosigkeit sei nämlich "schwergewichtig auf die Dauer
und den Umfang der für die alltäglichen Lebensverrichtungen notwendigen
Hilfe oder persönlichen Überwachung abzustellen". Dieser Auffassung
kann nicht beigepflichtet werden. Rz 301 figuriert unter dem Titel
"2. Ermittlung des zutreffenden Hilflosigkeitsgrades; a. Bemessung im
allgemeinen". Titel wie auch Text lassen auf allgemeine Hinweise für die
Bemessung der Hilflosigkeit schliessen. Diese (recht vagen) Grundsätze
werden im einzelnen durch die Rz 298 bis 300 näher präzisiert; insbesondere
werden in Rz 298.3 Beispiele dafür angegeben, wann die bei einer einzelnen
Lebensverrichtung benötigte Dritthilfe als erheblich zu gelten hat. Wenn
aber einmal die in Art. 36 Abs. 2 lit. a IVV verlangte erhebliche
Hilfsbedürftigkeit bei wenigstens vier Lebensverrichtungen festgestellt
wird, wie dies vorliegend aufgrund der Ausführungen in Erw. 2b zutrifft,
so darf nicht im nachhinein noch eine gesamthafte Würdigung gemäss Rz 301
vorgenommen werden mit der Folge, dass dann die Erheblichkeit und mithin
die mittelschwere Hilflosigkeit doch verneint wird.

    d) Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin in
den meisten alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher
Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und dass sie damit die
Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 2 lit. a IVV für die Annahme einer
mittelschweren Hilflosigkeit erfüllt. Bei diesem Ergebnis braucht
nicht geprüft zu werden, ob sie allenfalls auch beim Verrichten der
Notdurft in erheblichem Umfang hilfsbedürftig ist, wie dies in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und auch im Zeugnis des Dr. med. B. vom 13.
Dezember 1979 angedeutet wird. Ferner kann auch die Frage der dauernden
persönlichen Überwachung offenbleiben, die nur im Rahmen des Art. 36
Abs. 2 lit. b IVV beachtlich wäre.

    Gemäss Arztbericht des Dr. med. J. vom 27. Mai 1979 besteht die
Hilflosigkeit im genannten Umfange schon seit vielen Jahren und ist
gleichbleibend. Die Entschädigung für Hilflosigkeit mittelschweren Grades
ist der Beschwerdeführerin daher vom ersten Tag des der Vollendung
des 18. Altersjahres folgenden Monats, mithin vom 1. Oktober 1978 an
auszurichten.

Entscheid:

       Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 21. Dezember 1979 und
die Verfügung der Ausgleichskasse des Kantons Graubünden vom 6. September
1979 aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ab
1. Oktober 1978 Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung für mittelschwere
Hilflosigkeit hat.