Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 V 129



107 V 129

28. Auszug aus dem Urteil vom 9. Juni 1981 i.S. Bundesamt für
Sozialversicherung gegen Brunner und AHV-Rekurskommission des Kantons
Zürich Regeste

    Art. 41bis Abs. 3 AHVV. Unter der Beitragsnachzahlung im Sinne der
lit. c dieser Bestimmung ist nur die im Rahmen des Art. 25 Abs. 5 AHVV
nach Eingang der endgültigen Steuermeldung und aufgrund einer definitiven
Beitragsberechnung angeordnete Nachzahlung zu verstehen. Dagegen fällt die
Nachzahlung von Beiträgen, die im ausserordentlichen Verfahren provisorisch
festgelegt und für ein vorangegangenes Kalenderjahr eingefordert werden,
unter lit. b dieser Bestimmung.

Sachverhalt

    A.- Mit rechtskräftiger Verfügung vom 23. Juni 1980
setzte die Ausgleichskasse des Kantons Zürich die persönlichen
Sozialversicherungsbeiträge des 1908 geborenen Ulrich Brunner, der als
selbständigerwerbender Rechtsanwalt im AHV-Rentenalter ab 1. Januar
1979 wieder der Beitragspflicht unterstellt wurde, für das Jahr 1979 auf
Fr. ... fest. Ende Juli 1980 überwies Ulrich Brunner diese Beiträge. Mit
Rechnung vom 21. August 1980 forderte die Kasse auf dem Beitrag für 1979
die Bezahlung von Verzugszinsen für den Zeitraum vom 1. Januar 1980 bis
31. Juli 1980 in der Höhe von Fr. ... und erliess am 5. September 1980
eine entsprechende Verfügung.

    B.- Ulrich Brunner erhob Beschwerde mit dem Begehren, dass von der
Erhebung von Verzugszinsen abzusehen sei, da der Verzugszins erst nach
Erlass der Beitragsverfügung und Ablauf der darin angesetzten Zahlungsfrist
laufe und da die Beiträge innerhalb der viermonatigen Schonfrist des
Art. 41bis AHVV entrichtet worden seien.

    Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich stellte fest, dass die
Beiträge im ausserordentlichen Verfahren festgesetzt wurden, weshalb der
Verzugszins bei der Nachzahlung solcher Beiträge gemäss Art. 41bis Abs. 3
lit. c AHVV erst von dem auf den Erlass der Verfügung folgenden Monat an,
d.h. vorliegendenfalls ab 1. Juli 1980 laufe; Ulrich Brunner habe aber
die Beiträge innert vier Monaten nach Beginn des Zinslaufes entrichtet;
ein Verzugszins sei daher nicht geschuldet. Mit Entscheid vom 21. November
1980 hiess die Rekurskommission die Beschwerde gut und hob die Verfügung
vom 5. September 1980 auf.

    C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung erhebt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, Ulrich Brunner sei zu
verpflichten, für die Zeit von Januar bis Mai 1980 Verzugszinsen von
Fr. ... zu bezahlen, da für den Beginn des Zinslaufes nicht lit. c,
sondern lit. b des Art. 41bis Abs. 3 AHVV anwendbar sei.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Mit dem am 1. Januar 1979 in Kraft getretenen Art. 14 Abs. 4
lit. e AHVG erhielt der Bundesrat die Kompetenz, u.a. Vorschriften über
die Erhebung von Verzugszinsen beim Bezug von Beiträgen zu erlassen. Davon
machte er in Art. 41bis AHVV Gebrauch. Nach dessen Abs. 3 laufen die
Verzugszinsen

    "a. im allgemeinen vom Ende der Zahlungsperiode an;

    b. bei Nachzahlung vom Ende des Kalenderjahres an, für das die

    Beiträge geschuldet sind;

    c. bei der Nachzahlung von Beiträgen von Einkommen aus selbständiger

    Erwerbstätigkeit, wenn diese im ausserordentlichen Verfahren
festgesetzt
   wurden, von dem Monat an, der auf den Erlass der Verfügung folgt,
   aus der sich die Nachzahlung ergibt."

    Abs. 1 bestimmt, dass - ausser im Falle der Betreibung oder der
Konkurseröffnung - Verzugszinsen nur zu entrichten sind, sofern die
Beiträge nicht innert vier Monaten nach Beginn des Zinslaufes bezahlt
werden. Werden Beiträge nachgefordert, so sind - gemäss Abs. 2 - u.a.
keine Verzugszinse zu entrichten für die vier Monate, die auf die
Nachzahlungsverfügung folgen, sofern die nachgeforderten Beiträge und die
bis dahin geschuldeten Verzugszinsen innert dieser Frist entrichtet werden.
Schliesslich sieht Abs. 5 einen Zinssatz von 0,5 Prozent je abgelaufenen
Monat vor.

Erwägung 4

    4.- Vorinstanz und Beschwerdegegner halten dafür, dass vorliegend
für den Zinslauf Art. 41bis Abs. 3 lit. c AHVV massgebend sei, da die
Kasse den Beitrag im ausserordentlichen Verfahren nach Art. 25 AHVV
festgesetzt habe. Demgegenüber verlangt das beschwerdeführende Bundesamt
die Anwendung des Art. 41bis Abs. 3 lit. b AHVV, da der Beschwerdegegner
1980 rückwirkend für 1979 erfasst worden sei und 1979 keine Akontozahlungen
geleistet habe; lit. c könne nur dann in Betracht kommen, wenn der
Beitragspflichtige Akontozahlungen geleistet habe und es sich nicht um
eine rückwirkende Erfassung handle. Das Bundesamt verweist dabei auf sein
Kreisschreiben über Verzugs- und Vergütungszinsen, gültig ab 1. Januar
1979. Es fragt sich somit, was im Rahmen des Art. 41bis Abs. 3 lit. c
AHVV unter der "Nachzahlung von Beiträgen von Einkommen aus selbständiger
Erwerbstätigkeit, wenn diese im ausserordentlichen Verfahren festgesetzt
wurden", zu verstehen ist.

    a) Gelangt das ausserordentlich Verfahren zur Anwendung und ist für die
Beitragsbemessung somit das Gegenwartseinkommen massgebend (Art. 25 Abs. 1
und 2 AHVV), so müssen die Beiträge zunächst provisorisch festgesetzt
werden, da bis zum Eintreffen einer definitiven Steuermeldung mit für die
Ausgleichskasse verbindlichen Angaben (Art. 23 Abs. 4 AHVV) unter Umständen
mehrere Jahre vergehen können. Die Ausgleichskasse schätzt daher - in der
Regel aufgrund der Angaben des Beitragspflichtigen - das massgebende reine
Erwerbseinkommen selber ein (Art. 26 Abs. 1 und 2 AHVV), setzt die Beiträge
fest (Art. 24 AHVV) und fordert den Beitragspflichtigen zu entsprechenden
Akontozahlungen auf (Rz 136 und 198 der Wegleitung des Bundesamtes
über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen,
gültig ab 1. Januar 1980) oder sie erlässt gegebenfalls eine formelle
Beitragsverfügung (ZAK 1978 S. 308). Der Beitragspflichtige hat alsdann
die Beiträge laufend vierteljährlich zu entrichten (Art. 34 Abs. 1 lit. c
AHVV) oder er hat, wenn er erst im nachhinein für das laufende oder ein
vorangegangenes Kalenderjahr erfasst wird, diese provisorisch festgesetzten
Beiträge nachzuentrichten (vgl. Rz 9 und 15 des Kreisschreibens über
Verzugs- und Vergütungszinsen). Von dieser Nachzahlung zu unterscheiden
ist diejenige, welche erst nach Eintreffen der Steuermeldung und aufgrund
der definitiven Beitragsberechnung allenfalls angeordnet werden muss. Denn
gemäss Art. 25 Abs. 5 AHVV hat die Ausgleichskasse Beiträge nachzufordern
bzw. zurückzuerstatten, wenn sich später aus der Meldung der kantonalen
Steuerbehörde ein höheres oder niedrigeres reines Erwerbseinkommen
ergibt. Erhebt sich im Falle einer derartigen Nachzahlung die Frage des
Verzugszinses, so ist für den Beginn des Zinslaufes Art. 41bis Abs. 3
lit. c AHVV anwendbar. Dagegen ist bei der Nachzahlung provisorisch
festgesetzter Beiträge für ein abgelaufenes Kalenderjahr Art. 41bis
Abs. 3 lit. b AHVV massgebend. Allerdings entbehrt der Wortlaut des
Art. 41bis Abs. 3 lit. c AHVV einer gewissen Klarheit, werden doch nur
ganz allgemein Beiträge erwähnt, welche im ausserordentlichen Verfahren
festgesetzt wurden. Es kann sich dabei aber nur um die Nachzahlung von
zuwenig entrichteten Beiträgen, d.h. um Differenzzahlungen handeln, was
klarerweise eine Steuermeldung und eine definitive Beitragsberechnung
voraussetzt und somit die Nachzahlung lediglich provisorisch festgelegter
Beiträge ausscheiden lässt. Dies ergibt sich deutlich aus dem
Vergleich mit Art. 41ter Abs. 3 AHVV, der im umgekehrten Falle der
Vergütungszinsen vorschreibt, dass solche nicht ausgerichtet werden,
wenn der Selbständigerwerbende, dessen Beiträge im ausserordentlichen
Verfahren festgesetzt wurden, zuviel Beiträge bezahlt hat, womit ebenfalls
eine Steuermeldung und eine definitive Beitragsberechnung vorausgesetzt
ist. Im übrigen rechtfertigt es sich auch aus sachlichen Gründen, bloss
für die Differenzbeträge der im ausserordentlichen Verfahren festgesetzten
Beiträge eine Sonderstellung vorzusehen. Somit ist festzuhalten, dass
der Lauf der Verzugszinsen gemäss Art. 41bis Abs. 3 lit. c AHVV nur für
die im Rahmen des Art. 25 Abs. 5 AHVV angeordnete Beitragsnachzahlung gilt.

    b) Nachdem der Beschwerdegegner in seiner Eingabe vom 10. Juni 1980
eine Änderung der Einkommensgrundlagen geltend gemacht und provisorische
Zahlen für das Jahr 1979 genannt hatte, setzte die Ausgleichskasse
mit Verfügung vom 23. Juni 1980 die Beiträge für das vorangegangene
Kalenderjahr im ausserordentlichen Verfahren provisorisch fest und ordnete
deren Nachzahlung an. Entgegen dem im vorinstanzlichen Entscheid Gesagten
liegt daher kein Anwendungsfall des Art. 41bis Abs. 3 lit. c AHVV vor;
dieser könnte erst nach Eingang der endgültigen Steuermeldung für das
Jahr 1979 eintreten, falls sich dannzumal ein höheres massgebendes
Erwerbseinkommen ergeben sollte. Vielmehr laufen die Verzugszinsen
vorliegendenfalls entsprechend Art. 41bis Abs. 3 lit. b AHVV vom 1. Januar
1980 an. Da die Nachzahlungsverfügung am 23. Juni 1980 erlassen wurde,
hat der Beschwerdegegner für die fünf abgelaufenen Monate bis Mai 1980
2,5 Prozent Verzugszinsen auf dem Betrag von Fr. ... zu bezahlen.

Entscheid:

       Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid
der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 21. November 1980 und
die Verfügung der Ausgleichskasse des Kantons Zürich vom 5. September
1980 aufgehoben mit der Feststellung, dass der Beschwerdegegner für die
Zeit von Januar bis Mai 1980 Verzugszinsen von Fr. ... schuldet.