Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IV 9



107 IV 9

4. Urteil des Kassationshofes vom 24. April 1981 i.S. Christian Dior
S.à r.l. gegen Daniel Beck (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 29 StGB. Strafantragsfrist bei Auskunftsverweigerung nach Art. 24
lit. e MSchG.

Sachverhalt

    A.- Im November 1977 stellte die Christian Dior S.à r.l.  fest, dass
die BEMA AG, deren Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer Daniel
Beck ist, nachgeahmte Dior-Halstücher vertrieb. Sie leitete Zivilprozesse
nach Markenschutzgesetz ein.

    In einem Vergleich vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich vom
21. November 1977 verpflichtete sich die BEMA AG, der Christian Dior S.à
r.l. die genaue Adresse des Lieferanten der nachgeahmten Dior-Halstücher
bis 25. November 1977 bekanntzugeben.

    B.- Am 30. November 1977 schrieb Beck dem Vertreter der Christian
Dior S.à r.l.: "Hiermit teile ich Ihnen gerne mit, wie sich die Herren
bei meinem Tücherkauf vorgestellt haben: "Firma Bianchi, via Viale 378,
Como/Italien." Am 8. Dezember 1977 erwiderte dieser, eine Überprüfung
in Italien habe ergeben, dass die angegebene Adresse in Como nicht
existiere. Auf spätere Anfragen liess Beck erklären, er kenne keine
andere Adresse.

    Am 7. Juli 1978 stellte die Christian Dior S.à r.l. gegen Beck
Strafantrag wegen Verletzung der Auskunftspflicht über seinen Lieferanten
im Sinne von Art. 24 lit. e MSchG.

    C.- Am 23. Mai 1980 hat die Bezirksanwaltschaft Zürich dieses
Strafverfahren nicht anhandgenommen, weil der Strafantrag verspätet
gestellt worden sei, denn spätestens am 23. März 1978 seien dem
Antragsberechtigten Sachverhalt und Täter bekannt gewesen.

    Einen Rekurs dagegen hat die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
am 24. Dezember 1980 abgewiesen.

    D.- Die Christian Dior S.à r.l. führt gegen diesen Entscheid
Nichtigkeitsbeschwerde. Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf
Gegenbemerkungen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 24 lit. e MSchG kann auf Antrag bestraft werden,
"wer sich weigert, die Herkunft von in seinem Besitz befindlichen
Erzeugnissen oder Waren anzugeben, welche nachgemachte, nachgeahmte oder
rechtswidrigerweise angebrachte Marken tragen". Infolge des Strafrahmens
von Busse bis Fr. 2'000.-- und Gefängnis bis zu einem Jahr (Art. 25
MSchG) ist diese Markenrechtsverletzung ein Vergehen (Art. 9 Abs. 2
StGB), und soweit allgemeine Bestimmungen im MSchG fehlen, gelten jene
des Strafgesetzbuches (Art. 333 StGB). Da das Markenschutzgesetz keine
Regelung des Strafantrags enthält, sind Art. 28-31 StGB anwendbar. Ein
Strafantrag ist gemäss Art. 29 StGB binnen einer Frist von drei Monaten
zu stellen, die mit dem Tage beginnt, an welchem dem Antragsberechtigten
der Täter und die Tat bekannt werden (BGE 101 IV 116).

    b) Der in Art. 24 lit. e MSchG unter Strafe gestellte Tatbestand
besteht in der Verletzung der Auskunftspflicht bzw. in der Weigerung,
die Herkunft der Ware anzugeben, wobei die Tat im Augenblick dieser
Weigerung vollendet ist (DAVID, Kommentar zum MSchG, 2. Aufl. N. 42 zu
Art. 24, N. 32 zu Art. 28). Wenn wie hier der Gesetzgeber das Verhalten,
dessen Unterlassung mit Strafe bedroht ist, nennt, liegt ein sog. echtes
Unterlassungsdelikt vor, bei dem die Verfolgungsverjährung an dem Tage zu
laufen beginnt, an welchem oder bis zu welchem der Täter hätte handeln
sollen (SCHULTZ, Allg. Teil des Strafrechts, 3. Aufl. I S. 117, 227
mit Verweisungen).

Erwägung 2

    2.- Nach der durch Aufnahme in die Erledigungsverfügung in Rechtskraft
erwachsenen Verpflichtung zur Auskunftserteilung hatte Daniel Beck
bis 25. November 1977 schriftlich die genaue Adresse des Lieferanten
bekanntzugeben. Aus verschiedenen Sachverhalten verdichtete sich bei der
Geschädigten der Verdacht spätestens am 23. März 1978 zur Gewissheit,
dass die von Beck mit Schreiben vom 30. November 1977 bekanntgegebene
Herkunftsangabe wissentlich unwahr sei, mithin die Angabe verweigert
werde. Die Feststellungen der Vorinstanz über den für den Beginn des
Fristenlaufes massgeblichen Zeitpunktes der Kenntnis von Tat und Täter
bei der Strafantragsberechtigten sind, weil tatsächlicher Natur, für den
Kassationshof gemäss Art. 277bis BStP verbindlich.

    Der Tatbestand der Auskunftsverweigerung gemäss Art. 24 lit. e MSchG
kann ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten erfüllt werden
(BLUM/PEDRAZZINI, Das schweiz. Patentrecht, 2. Aufl. Bd. III S. 466
lit. e zu Art. 66 PatG). Wissentlich wahrheitswidrige Herkunftsangabe
stellt ein konkludentes Verhalten der Auskunftsverweigerung dar
bzw. lässt den zwingenden Schluss auf deren Verweigerung zu. Indem der
Auskunftspflichtige auf mehrere Aufforderungen der Auskunftsberechtigten
hin auf seiner ursprünglichen falschen Herkunftsangabe beharrte und sie
durch seinen Anwalt bestätigen liess, setzte er weder neue Tathandlungen
wie bei fortgesetzter Begehung (fortgesetztes Delikt) noch bewirkte er
ein Aufrechterhalten eines strafbaren Erfolges (Dauerdelikt), sondern
erinnerte bloss an seine bereits begangene, durch ihre Konkretisierung
in sich abgeschlossene Tat. Die Meinung der Beschwerdeführerin, die
Strafantragsfrist könne erst nach Beendigung des rechtswidrigen Zustandes,
der nach wie vor durch Nichterfüllen der Auskunftspflicht fortbestehe,
zu laufen beginnen, ist unzutreffend, weil gemäss Art. 24 lit. e MSchG
die Tat im Augenblick der Weigerung vollendet ist. Die Auffassung der
Beschwerdeführerin hätte zur Folge, dass das Antragsrecht beim Delikt der
Auskunftsverweigerung praktisch nicht verwirken könnte; denn durch eine
neue Aufforderung an den sich Weigernden liesse sich jederzeit ein neuer,
auf Antrag verfolgbarer Straftatsbestand herbeiführen.

    Da die Beschwerdeführerin innert drei Monaten seit der Kenntnis
von der Weigerung, den Lieferanten der Dior-Halstücher bekanntzugeben,
keinen Strafantrag stellte, verwirkte ihr Strafverfolgungsanspruch.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.