Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IV 88



107 IV 88

26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. November
1981 in Sachen S. gegen Regierung des Kantons Graubünden
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 38 Ziff. 3 StGB.

    Auch Weisungen im wirtschaftlichen Bereich sind zulässig;
überschuldete oder wirtschaftlich gefährdete Verurteilte haben
einschneidende Beschränkungen ihrer Handlungsfähigkeit hinzunehmen,
die den Anordnungen eines Vormundes ähnlich sein können.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Die zuständige Behörde kann einem bedingt Entlassenen
neben der Anordnung der Schutzaufsicht Weisungen über sein Verhalten
während der Probezeit erteilen, namentlich auch Weisungen bezüglich
der Berufsausübung (Art. 38 Ziff. 3 StGB). Derartige Weisungen dürfen
indessen nicht vorwiegend oder ausschliesslich den Zweck verfolgen, dem
Verurteilten Nachteile zuzufügen (BGE 94 IV 12, 77 IV 76 E. 4). Sie dienen,
wie die Schutzaufsicht, dazu, die Gefahr der Begehung neuer Verbrechen
oder Vergehen zu verhindern und/oder auf den Verurteilten erzieherisch
einzuwirken (BGE 71 IV 178) und sollen mithelfen, die Bewährungschancen
zu verbessern. Die Art einer bestimmten Weisung ist nach fürsorgerischen,
kriminalpädagogischen oder medizinischtherapeutischen Bedürfnissen zu
wählen. Die Weisung selbst darf nicht willkürlich und nicht so sein,
dass ihre Auswirkung einer Nebenstrafe oder sichernden Massnahme
gleichkommt. Nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit darf eine vom
Zweck her an sich erlaubte Weisung im konkreten Fall nicht über Gebühr
einschneidend sein und nur angeordnet werden, wenn der Eingriff in die
Persönlichkeitsrechte des Täters aufgewogen wird durch die Art und die
Schwere der zu sühnenden Tat oder der Delikte, die der Täter in Zukunft
allenfalls begehen könnte, oder durch die Grösse der Wahrscheinlichkeit
neuer Straftaten (MARKUS ZINGG, Der Ausbau der Schutzaufsicht für
Straffällige zum Sozialdienst der Justizdirektion des Kantons Diss. Zürich,
1977 S. 31-34).

    Weisungen im wirtschaftlichen Bereich sind zulässig. Oft
genügt es nicht, eine blosse Auskunftspflicht über Vermögensvorgänge
aufzustellen. Überschuldete oder wirtschaftlich gefährdete Verurteilte
haben oft einschneidende Beschränkungen bei der Ausübung ihrer
Handlungsfähigkeit hinzunehmen, die den Anordnungen eines Vormundes
ähnlich sein können. In Frage kommen in diesem Zusammenhang etwa die
Anordnung einer Lohnverwaltung oder die Weisung, während der Probezeit
als Unselbständigerwerbender zu arbeiten (ZINGG aaO S. 42).

    b) Im vorliegenden Fall erteilte die Regierung dem Beschwerdeführer
die Weisung, während der Probezeit der Schutzaufsicht auf Verlangen
Einsicht in seine Geschäftskorrespondenz zu gewähren. Diese Weisung geht
weniger weit als z.B. eine Lohnverwaltung oder die Anweisung, nur als
Unselbständigerwerbender tätig zu sein. Sie ist grundsätzlich erlaubt,
was der Beschwerdeführer denn auch nicht bestreitet.

    Der der letzten Verurteilung zugrunde liegende Betrug geschah im
Rahmen einer selbständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers. Dieser ist
heute wiederum selbständig tätig und hat für eine ausländische Firma die
Vertretung von Sandstrahl-Geräten übernommen. Die erteilte Weisung ist
geeignet, dazu beizutragen, dass diese Geschäftstätigkeit kontrolliert
und dadurch der Gefahr der Begehung neuer Verfehlungen entgegen gewirkt
werden kann. Auch wenn der ausländische Hersteller mit klaren Vertrags-
und Lieferbedingungen arbeitet, kann es möglicherweise nach einiger Zeit
doch zu Spannungen oder Differenzen zwischen ihm und dem Beschwerdeführer
kommen. Wenn das Schutzaufsichtsorgan dies durch die Einsichtnahme in
die Korrespondenz rechtzeitig feststellen kann, ist es in der Lage,
rechtzeitig erzieherisch auf den Verurteilten einzuwirken und dadurch
seine Bewährungschancen zu verbessern.

    Übermässig einschneidend und unverhältnismässig ist die Weisung
nicht. Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, wenn das Schutzaufsichtsamt
Einsicht in die Geschäfte der ausländischen Firma nehmen könne, sei zu
befürchten, dass der Hersteller dies als Einmischung einer staatlichen
Behörde in seinen Geschäftsbereich betrachte und das Arbeitsverhältnis
mit ihm deswegen kündige. Die Gefahr, dass sich diese Befürchtung
bewahrheitet, ist indessen gering, weil ein Aussenstehender von der
fraglichen Weisung kaum Kenntnis erhalten und der Beschwerdeführer selbst
keinen Anlass haben wird, die Weisung bekannt zu machen. Bei dieser
Sachlage kann der Regierung nicht zur Last gelegt werden, sie habe durch
die Anordnung dieser Weisung das Bundesrecht verletzt oder ihr Ermessen
überschritten. Die Beschwerde ist deshalb als unbegründet abzuweisen.