Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IV 72



107 IV 72

21. Urteil der Anklagekammer vom 7. April 1981 i.S. C. gegen
Generaldirektion der PTT (Beschwerde gegen Beschlagnahme) Regeste

    Art. 29 Abs. 2 OG, Art. 25 ff. VStrR. Parteivertretung im Verfahren
vor der Anklagekammer des Bundesgerichts.

    Bei den der Anklagekammer des Bundesgerichts in Art. 25 ff. VStrR
übertragenen Beschwerdesachen und Anständen handelt es sich um Strafsachen
im Sinne von Art. 29 Abs. 2 OG. Zur Parteivertretung im Verfahren vor der
Anklagekammer sind daher nur patentierte Anwälte sowie die Rechtslehrer
an schweizerischen Hochschulen befugt (E. 3).

Sachverhalt

    A.- C. ist Inhaber einer Radioempfangskonzession der Klasse IIIe
und einer Radiosendekonzession der Klasse A 3.2/III für allgemeine
Verwendung (sog. Jedermannsfunk). Die erste gibt ihm das Recht zum
Empfang von Sendungen der lizenzierten Radioamateure mit einem Empfänger
der Marke MONITOR SR-9; die zweite erlaubt ihm, ein PTT-typengenehmigtes
Handsprechfunkgerät SOMMERKAMP TS 5612 zu erstellen und zu betreiben. Seine
Ehefrau besitzt ebenfalls eine Radiosendekonzession für den Jedermannsfunk,
und zwar auch für ein Gerät SOMMERKAMP TS 5612.

    Wegen Verdachts einer Verletzung des Fernmelderegals eröffnete
die Kreistelefondirektion (KTD) Olten am 16. März 1981 gegen C. eine
Untersuchung nach Art. 37 ff. VStrR. Gestützt auf einen Durchsuchungsbefehl
des Kreistelefondirektors vom 19. März 1981 führten Beamte der KTD
gleichentags in Oberentfelden/AG eine Durchsuchung von Wohnung und
Personenwagen von C. durch, wobei drei Funkgeräte, ein Spezialempfänger
und zwei 27 MHz-Sende-Empfangsantennen festgestellt wurden, für welche
weder C. noch dessen Ehefrau eine Konzession besitzen. Überdies wurde
verschiedenes Zusatz- und Hilfsmaterial gefunden. Der untersuchende Beamte
beschlagnahmte diese Gegenstände gestützt auf Art. 46 VStrR.

    B.- Mit einer am 23. März 1981 zur Prost gegebenen Eingabe erhebt
die D. AG in Glarus "namens und im Auftrage" von C. Beschwerde bei der
Anklagekammer mit dem Begehren, die Beschlagnahme der KTD vom 19. März
1981 sei aufzuheben und die beschlagnahmten Gegenstände seien dem
Beschwerdeführer unverzüglich auszuhändigen.

    Die Generaldirektion PTT beantragt, es sei auf die Beschwerde nicht
einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Die Anklagekammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Generaldirektion PTT macht geltend, die Beschwerde sei
einzig von der D. AG unterzeichnet, die gemäss Art. 29 Abs. 2 OG nicht
als Parteivertreterin in Strafsachen vor Bundesgericht auftreten könne.

Erwägung 2

    2.- Das VStrR enthält keine Bestimmungen über die Parteivertretung
im Beschwerdeverfahren vor der Anklagekammer des Bundesgerichts. Art. 32
Abs. 2 VStrR gilt, wie schon aus dem Gesetzestext erhellt und überdies vom
Bundesrat in seiner Botschaft noch ausdrücklich hervorgehoben wurde (BBl
1971 I 1010), ausschliesslich für das Verfahren vor der Verwaltung. Soweit
aber die Art. 25 ff. VStrR die Anklagekammer des Bundesgerichts mit dem
Entscheid über Beschwerden und Anstände im Verwaltungsstrafverfahren
befassen, wird ihr diese Aufgabe als eidgenössische Strafgerichtsbehörde
(Art. 1 Abs. 1 Ziff. 4 BStP) und nicht als eine obere Verwaltungsinstanz
übertragen. Das Beschwerdeverfahren vor der Anklagekammer ist
demgemäss nicht ein oberinstanzliches Verwaltungsverfahren, sondern
ein Gerichtsverfahren. Entsprechend wurde denn auch in BGE 102 IV 144
darauf hingewiesen, dass Art. 31 Abs. 1 VStrR, der für die Berechnung der
Fristen, die Fristverlängerung und die Wiederherstellung gegen die Folgen
der Säumnis auf die Art. 20-24 VwVG verweist, nur für das Verfahren vor
der Verwaltung, insbesondere auch für das Beschwerdeverfahren vor dem
Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung (Art. 27 Abs. 1 VStrR),
nicht aber für das gerichtliche Verfahren vor der Anklagekammer gilt;
für dieses seien in Anwendung von Art. 31 Abs. 2 VStrR die Vorschriften
des OG massgebend, wie auch hinsichtlich der Formerfordernisse, denen die
Beschwerde an die Anklagekammer gemäss Art. 25 ff. VStrR genügen muss,
die Bestimmungen des OG zum Zuge kämen unter Ausschluss derjenigen des
VwVG. Nach den Vorschriften des OG ist folglich auch zu entscheiden,
ob die D. AG im vorliegenden Fall befugt ist, den Beschwerdeführer vor
der Anklagekammer des Bundesgerichts zu vertreten.

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 29 Abs. 2 OG können in Zivil- und Strafsachen nur
patentierte Anwälte sowie Rechtslehrer an schweizerischen Hochschulen
als Parteivertreter vor Bundesgericht auftreten.

    Bei den der Anklagekammer des Bundesgerichts in Art. 25 ff. des
Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht übertragenen Beschwerdesachen
und Anständen handelt es sich um Strafsachen, was analog schon in
Anwendung von Art. 34 Abs. 2 OG entschieden wurde (nicht veröffentlichter
Entscheid der Anklagekammer vom 7.2.1978 i.S. Sch. c. Generaldirektion
PTT). Tatsächlich tritt die Anklagekammer - wie ausgeführt - insoweit
als eidgenössische Strafgerichtsbehörde auf (s. BGE 103 Ia 367).

    Die D. AG, die als Aktiengesellschaft eigene Rechtspersönlichkeit hat,
erfüllt die von Art. 29 Abs. 2 OG verlangte Eigenschaft nicht. Da die
Beschwerde nur die Unterschriften der Organe dieser Firma trägt und weder
die Rechtsschrift noch der Briefumschlag von C. selber unterzeichnet ist,
genügt das Rechtsmittel den Anforderungen des Art. 30 Abs. 1 OG nicht
(BGE 102 IV 143, 99 II 121), weshalb darauf nicht einzutreten ist.

Entscheid:

              Demnach erkennt die Anklagekammer:

    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.