Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IV 51



107 IV 51

16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Januar 1981 i.S. E.
gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 68 Abs. 1 und 5 SSV. Bedeutung der schwarzen Konturpfeile in
Lichtsignalen.

    Die im Rot- und Gelblicht von Verkehrsampeln erscheinenden schwarzen
Konturpfeile verbieten den Benützern der zugeordneten Fahrspur auch,
in anderer als in Pfeilrichtung weiterzufahren (E. 3b).

Sachverhalt

    A.- E. fuhr am 19. April 1979 in Zürich mit seinem PW die Dörflistrasse
stadtauswärts. Es handelt sich um eine Einbahnstrasse, die bei der
Annäherung an die Verzweigung mit der Regensdorferstrasse drei durch
Leitlinien getrennte Fahrspuren aufweist. Durch Bodenmarkierungen ist die
linke Spur für Linksabbieger, die mittlere für Geradeausfahrer, die rechte
für Geradeausfahrer und Rechtsabbieger gekennzeichnet. An der Verzweigung
regelt eine Lichtsignalanlage durch mit Richtungspfeilen versehene Ampeln
die Weiterfahrt entsprechend den Einspurpfeilen.

    E. näherte sich der Kreuzung zuerst auf der mittleren Spur, wechselte
dann nach links und fuhr auf der Linksabbiegespur bis zur Kreuzung. Für
seine Fahrspur zeigte die Ampel rot, für Geradeausfahrt und Rechtsabbieger
war das Lichtsignal grün. E. fuhr aus der Linksabbiegespur geradeaus weiter
über die Kreuzung und setzte seine Fahrt zum Hallenstadion fort. Dieser
Vorgang wurde von einer automatischen Rotlichtkamera erfasst.

    B.- Das Polizeirichteramt Zürich bestrafte E. wegen unerlaubtem
Spurwechsel und Missachtung des Rotlichts mit Fr. 80.- Busse. E. verlangte
gerichtliche Beurteilung der Sache, worauf der Einzelrichter ihn
mit Urteil vom 1. November 1979 von der Missachtung des Lichtsignals
freisprach, im übrigen die Verurteilung bestätigte und die Busse auf
Fr. 40.- reduzierte. Auf Nichtigkeitsbeschwerde des Polizeirichteramts hin
verurteilte die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich E. am
13. Oktober 1980 in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit
Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 36 Abs. 1 SVG, Art. 68 Abs. 1 SSV sowie Art. 74
Abs. 2 SSV zu einer Busse von Fr. 60.-.

    Mit Nichtigkeitsbeschwerde macht die Verteidigung eine Verletzung von
Art. 36 Abs. 1 SVG und Art. 68 Abs. 1 SSV geltend. Sie beantragt Aufhebung
des Urteils und Rückweisung zur Neufestsetzung der Busse gestützt auf
Art. 90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 74
Abs. 2 SSV.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer wendet sich grundsätzlich nicht gegen die
Unterstellung des fraglichen Vorfalls unter den Art. 68 SSV. Hingegen macht
er geltend, Abs. 1 dieser Bestimmung beschränke die Wirkung des Rotlichts
mit Richtungspfeil auf die angezeigte Richtung. Also habe er das Signal
nicht missachtet, denn er sei in anderer Richtung weitergefahren. Er habe
lediglich den Bodenmarkierungen zuwider gehandelt.

    a) Die gleiche Auffassung, wie sie der Beschwerdeführer jetzt für
die Richtungspfeile in Rotlichtsignalen vertritt, wurde schon für die
Grünpfeile nach Art. 49 aSSV verfochten und vom Bundesgericht in BGE
104 IV 110 ff. mit ausführlicher Begründung verworfen. Auch Art. 49
Abs. 3 aSSV erklärte nur, durch die grünen Pfeile in Lichtsignalen werde
der Verkehr in der angegebenen Richtung gestattet. Aus der allgemeinen
Zweckbestimmung der Richtungspfeile in Signalampeln ergibt sich jedoch,
dass damit zugleich zwingend vorgeschrieben wird, die Fahrt aus der
zugeordneten Fahrspur ausschliesslich in der angegebenen Richtung
fortzusetzen. Richtungspfeile in Ampeln dienen wie die Bodenmarkierungen
durch Einspurpfeile der Entflechtung verschiedener Fahrströme auf eine
Kreuzung hin und deren gegenseitig unbeeinflusste Weiterführung. Ampeln
und Bodenmarkierungen ergänzen sich. Lichtsignale mit Richtungspfeilen
sind bei dichtem Verkehr oder schneebedeckter Fahrbahn zuverlässiger
erkennbar als Bodenpfeile. Letztere können auch völlig verschwunden sein,
z.B. durch Abrieb im Winter oder unmittelbar nach Belagsarbeiten vor der
neuen Markierung. In diesen Fällen wird die vorgeschriebene Richtung
ausschliesslich durch die Pfeile in den Ampeln angezeigt. Es kann keine
Rede davon sein, dass dann aus einer bestimmten Fahrspur auf der Kreuzung
in jede beliebige Richtung weitergefahren werden dürfte, weil auf dem
Belag keine Einspurpfeile sichtbar sind und die Richtungspfeile in den
Ampeln "nur" die zulässige Weiterfahrt anzeigen.

    Der Kassationshof verwies im zitierten Urteil auch auf die
gleichlautende und gleich interpretierte Regel des deutschen
Strassenverkehrsrechts und auf die Verkehrsordnung über Europäische
Verkehrszeichen. Eine abweichende und zudem völlig sinnwidrige Auslegung in
der Schweiz würde sich schon aus Rücksicht auf den starken internationalen
Verkehr verbieten.

    b) Art. 68 der neuen SSV erweitert die bisher nur für Grünlicht
geltende Regel auf Rot- und Gelblicht. Während für diese früher gemäss
Art. 49 und Art. 50 SSV Richtungspfeile ausdrücklich untersagt waren,
werden sie jetzt in Art. 68 Abs. 1 und 5 SSV erwähnt. Wie in Art. 49 aSSV
für das Grünlicht, wird nun in Art. 68 Abs. 1 bis 5 SSV die Wirkung der
durch das Rot-, Grün- und Gelblicht sichtbar gemachten Verkehrsregeln bei
Lichtsignalen mit eingeblendeten Pfeilen auf die angezeigte Richtung
beschränkt. Die für einzelne Fahrstreifen getrennt angebrachten,
mit Richtungspfeilen versehenen Ampeln regeln - nach dem neuen Recht
hinsichtlich aller drei Funktionsbereiche - den Verkehr nur noch für die
betreffenden Fahrspuren. Der im Lichtsignal erscheinende Pfeil aber behält
seine zusätzliche Bedeutung als optische Weiterführung verpflichtender,
der Kanalisierung des Verkehrs dienender Bodenmarkierungen weiterhin
bei (vgl. BGE 104 IV 115). Das mit ihm zum Ausdruck gebrachte Gebot,
ausschliesslich in der Pfeilrichtung weiterzufahren, wird nunmehr
wesentlich noch dadurch verdeutlicht, dass es nicht nur zusammen mit
Grünlicht signalisiert ist, sondern auch im Rot- und Gelblicht mittels
schwarzer Konturpfeile angezeigt werden kann. Die Verpflichtung, auf einer
bestimmten Fahrspur die Fahrt nur in der angegebenen Richtung fortzusetzen,
wird aufgrund dieser Neuregelung unmissverständlich und unabhängig
von der jeweiligen Phase im Lichtwechsel markiert. Sie gilt auch, wenn
(z.B. nachts) die Anlage auf gelbes Blinklicht umgeschaltet wird.

    c) Was die Nichtigkeitsbeschwerde vorbringt, ist buchstabenmässige
Auslegung eines aus dem Zusammenhang gerissenen Satzes. Vom ganzen
System des Verkehrsrechts her gesehen und unter dem Gesichtspunkt der
Verkehrssicherheit wäre es widersinnig, den Fahrer zuerst auf eine
bestimmte Spur zu führen und ihn zu verpflichten, bei Grünlicht nur in
die angezeigte Richtung weiterzufahren, ihm aber zu gestatten, trotz des
auch bei Rotlicht sichtbaren Richtungspfeils dann eine andere Richtung
einzuschlagen, sofern nur die jener Fahrspur zugeordnete Ampel grün
zeigt. Der vom Beschwerdeführer vertretenen These kann nicht gefolgt
werden.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.