Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IV 182



107 IV 182

53. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. November 1981 i.S. H.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 221, 222 StGB. Schädigung eines andern.

    Geschädigt im Sinne dieser Bestimmungen ist nicht der Versicherer
des Brandobjekts, hingegen der Pfandgläubiger, sofern sein Anspruch als
unmittelbare Folge des Feuers gefährdet ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 222 Abs. 1 StGB wird mit Gefängnis oder Busse bestraft,
"wer fahrlässig zum Schaden eines andern oder unter Herbeiführung einer
Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht".

    a) Dass das hier in Frage stehende Feuer nicht mehr beherrscht werden
konnte und im Sinne der Rechtsprechung (BGE 85 IV 227, vgl. STRATENWERTH,
Besonder Teil II, 2. Aufl. 1978, S. 108/9) das Ausmass einer Feuersbrunst
erreichte, ist unbestritten. Das Vorliegen einer Gemeingefahr wurde weder
von der Anklagebehörde noch vom Kantonsgericht angenommen. Bejaht wurde
hingegen, dass die Verursachung der Feuersbrunst zum Schaden eines andern,
nämlich zum Schaden der Gebäudeversicherungsanstalt und der privaten
Versicherungsgesellschaft X., erfolgt sei. Dieses Tatbestandselement
wird mit der Nichtigkeitsbeschwerde bestritten (b/c). Zudem stellt der
Beschwerdeführer in Abrede, dass er fahrlässig gehandelt habe (d).

    b) In BGE 83 IV 30 ff. hat das Bundesgericht - entgegen der
ältern Doktrin - entschieden, dass die durch den Brandfall ausgelöste
Zahlungspflicht einer Versicherung keinen "Schaden eines andern" im Sinne
der Art. 221/222 StGB darstelle. Diese Auffassung wurde in BGE 85 IV 228
f. und 105 IV 39 f. grundsätzlich bestätigt. WAIBLINGER begrüsste BGE
83 IV 30 ausdrücklich (ZBJV 1959 S. 187). SCHULTZ hingegen warf in seiner
Besprechung von BGE 85 IV 228 die Frage auf, ob Art. 221 StGB nicht doch
eine andere Auslegung nahelege, ohne jedoch bestimmte Einwände vorzutragen
(ZBJV 1961 S. 187). STRATENWERTH stimmt im Ergebnis der Rechtsprechung
des Bundesgerichtes zu, sieht aber die zutreffende Begründung eher darin,
dass der Schaden unmittelbar durch die Zerstörung oder Beschädigung des
Brandobjektes entstanden sein müsse (aaO, S. 111).

    Das Kantonsgericht St. Gallen ist im angefochtenen Entscheid von der
Praxis des Bundesgerichts abgewichen. Es betrachtet die Versicherer, die
Gemeinschaft der übrigen Versicherten (wegen des möglichen Einflusses
des Schadenvolumens auf die Prämienhöhe) sowie die Aktionäre der
Versicherungsgesellschaft als indirekt Geschädigte.

    Eine erneute Prüfung der Frage, ob die Tatsache, dass das
Brandobjekt versichert ist, für die Anwendbarkeit der Art. 221 und 222
StGB wesentlich sei, führt nicht zu einer Änderung der Praxis. Das
Tatbestandserfordernis der Schädigung eines andern ("zum Schaden
eines andern") soll in denjenigen Fällen, in welchen die Feuersbrunst
keine Gemeingefahr mit sich brachte, den Bereich des Strafbaren in
vernünftiger Weise einschränken. Die Versicherungsleistung kann nicht
als Schaden bezeichnet werden. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch
ist die für die Versicherung sich ergebende finanzielle Belastung nicht
Schaden; ihre Leistung dient der Deckung eines dem Anspruchsberechtigten
entstandenen Schadens (vgl. ROELLI-KELLER, Komm. zum VVG, Bd. I, S. 545;
W. KÖNIG, Schweizeriches Privatversicherungsrecht, 3. Aufl. S. 99). Die
Verpflichtung der Versicherung beruht auf vertraglichen Abmachungen
(Versicherungspolicen). Der Versicherungsnehmer bezahlt als Gegenleistung
Prämien, die aufgrund von Erfahrungszahlen der Häufigkeit des Eintritts
des versicherten Ereignisses, der durchschnittlichen Schadenshöhe, der
Anzahl der Versicherungsnehmer und weiterer Faktoren errechnet worden
sind. Bei Eintritt eines Schadensfalles erbringt die Versicherung im
Rahmen des kalkulierten Risikos ihre Leistung, für welche sie sich im
synallagmatischen Vertrag verpflichtete.

    Auch aus praktischen Überlegungen drängt sich eine andere Auffassung
nicht auf. Gegen missbräuchliche Inanspruchnahme der Versicherung bietet
Art. 148 StGB ausreichenden strafrechtlichen Schutz. Da heute sozusagen
bei jedem fahrlässig verursachten Schadenfeuer im häuslichen Bereich
(wie Brandentstehung durch Bügeleisen, Unvorsichtigkeit von Rauchern,
überhitztes Fett usw.) auch brandversicherte Objekte betroffen werden,
hätte die vom Kantonsgericht vertretene Auffassung zur Folge, dass
bei derartigen Kleinbränden (ohne Gemeingefahr) stets von Amtes wegen
Strafverfahren durchgeführt werden müssten, auch wenn ausschliesslich
dem Schuldigen gehörende, aber gegen Feuerschaden versicherte
Gegenstände betroffen wären, und nur eine leichte Fahrlässigkeit in
Frage stände, welche gemäss Art. 14 VVG nicht einmal zu einer Kürzung
des Versicherungsanspruchs führt. Die Subsumtion aller dieser Fälle
unter Art. 222 StGB wäre mit der ratio legis nicht im Einklang; das
Tatbestandselement der Schädigung eines andern würde seine limitierende
Wirkung in weitem Masse verlieren.

    c) Als Schädigung eines andern hat das Bundesgericht in BGE
105 IV 40 auch die Wertverminderung eines Pfandes zum Schaden
des Pfandgläubigers bezeichnet und dabei erklärt, die durch Brand
herbeigeführte Wertverminderung des Pfandes sei ein Schaden ohne
Rücksicht darauf, ob im Falle einer Zwangsvollstreckung das im Wert
verminderte Pfand für die Deckung der Pfandforderungen samt Zinsen
ausreichen würde. Bei vorsätzlicher Brandstiftung ergibt sich eine
Schranke subjektiver Natur, indem mindestens der Eventualvorsatz
einer Schädigung der Hypothekargläubiger nachgewiesen sein muss. Bei
fahrlässiger Verursachung einer nicht gemeingefährlichen Feuersbrunst kann
die verursachte Wertverminderung eines Pfandobjektes als "Schaden eines
andern" in Betracht fallen, sofern infolge der Feuersbrunst zumindest
das erkennbare Risiko entstanden ist, dass das im Wert verminderte
Pfandobjekt die gesicherte Forderung nicht mehr in vollem Umfange
decken könnte. Hingegen liegt eine Schädigung der Pfandgläubiger nicht
vor, sofern das Pfandobjekt nur in ganz geringem Umfange betroffen
wurde und eine Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion des Pfandes
durch die Feuersbrunst nach menschlichem Ermessen als ausgeschlossen
erscheint. Dass Pfandgläubiger allenfalls von der Brandversicherung eine
Entschädigung erhalten, ist dabei nicht in Rechnung zu stellen, d.h. das
Tatbestandselement der Schädigung ist erfüllt, sobald die unmittelbaren
Folgen des Feuers ihre Ansprüche gefährden. Das erwähnte Präjudiz BGE
105 IV 39 ist in diesem Sinne zu präzisieren.

    Das Kantonsgericht hat im vorliegenden Fall eine Schädigung der
Hypothekargläubiger zu Recht als nicht gegeben erachtet. Bei einer
Pfandbelastung von Fr. 114'000.--, einer amtlichen Verkehrswertschätzung
von Fr. 130'500.-- und einem erheblichen Mehrwert des in der Wohnzone
befindlichen Landes (5300 m2) ist offensichtlich, dass ein Gebäudeschaden
von rund Fr. 3'000.-- die Ansprüche der Hypothekargläubiger nicht
gefährdet. Auch unter diesem Aspekt ist daher das Erfordernis der
Schädigung eines andern nicht erfüllt.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der
Strafkammer des Kantonsgerichts St. Gallen vom 26. Mai 1981 aufgehoben
und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz
zurückgewiesen.