Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IV 175



107 IV 175

51. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. September
1981 i.S. N. und M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 163 Ziff. 1, 167 und 172 StGB.

    Beiseiteschaffen von Vermögensstücken der AG auf Veranlassung und
zu Gunsten des Mehrheitsaktionärs, der zugleich Gläubiger der AG ist,
nicht Gläubigerbevorzugung, sondern betrügerischen Konkurs dar.

Sachverhalt

    A.- N. war Verwaltungsratspräsident, M. Mehrheitsaktionär der TS
AG. An Darlehen und direkt bezahlten Betriebsmobilien stellte M. der
Firma vom 26. Oktober 1973 bis 14. März 1974 nach einer Zusammenstellung
des N. insgesamt Fr. 425'000.-- zur Verfügung. Mit dem Geld wurden
u.a. am 14. November 1973 eine Folienkaschiermaschine für Fr. 205'066.65,
am 26. November 1973 ein Gabelstapler für Fr. 28'000.-- und am 2. April
1974 ein Lastwagen Opel-Blitz für Fr. 28'390.-- angeschafft.

    Kurz vor dem am 21. November 1974 über die AG eröffneten Konkurs
liess M. im Einverständnis mit N. den Gabelstapler, den Lastwagen
und die Folienkaschiermaschine abholen. Für die Wegnahme beruft sich
M. auf die von ihm erbrachte Finanzierung, einen Leasingvertrag
über die Folienkaschiermaschine, datiert vom 1. Februar 1974, und
Kompensationsvereinbarungen mit der AG.

    Im Konkurs der AG erhielten 102 Gläubiger Verlustscheine für
Fr. 928'748.--, die privilegierten Forderungen wurden nur teilweise
befriedigt und die Fünftklassgläubiger gingen leer aus.

    B.- Am 25. November 1980 erklärte das Obergericht des Kantons
Thurgau N. und M. des betrügerischen Konkurses, der Gläubigerbevorzugung
(N.) bzw. der Gehilfenschaft dazu (M.) sowie der Urkundenfälschung schuldig
und verurteilte sie zu je 16 Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug.

    C.- Sowohl N. wie M. führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag
auf Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und Rückweisung der Sache
zur Neubeurteilung.

    Obergericht und Staatsanwaltschaft beantragen Abweisung der
Beschwerden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Der Schuldner, der zum Nachteil der Gläubiger sein Vermögen
zum Scheine vermindert, namentlich Vermögensstücke beiseiteschafft,
wird, wenn über ihn der Konkurs eröffnet worden ist, mit Zuchthaus
bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft (Art. 163 Ziff. 1
StGB; Betrügerischer Konkurs). Art. 163 StGB bezweckt den Schutz
des Zwangsvollstreckungsrechtes und den Schutz der Gläubiger. Nicht
erforderlich ist, dass die Gläubiger wegen der Bankrotthandlung ganz
oder teilweise zu Verlust kommen. Es genügt, dass der Schuldner die
Zwangsvollstreckung erschwert oder verzögert. Eine Gläubigerbenachteiligung
kann schon in einer vorübergehenden Erschwerung oder Verzögerung der
Zwangsvollstreckung liegen (BGE 85 IV 219, 93 IV 17 f., 97 IV 20 f.,
102 IV 175 E. 3).

    Nach Art. 167 StGB wird der Schuldner, der im Bewusstsein seiner
Zahlungsunfähigkeit und in der Absicht, einzelne seiner Gläubiger zum
Nachteil anderer zu bevorzugen, darauf abzielende Handlungen vornimmt,
mit Gefängnis bestraft, wenn über ihn der Konkurs eröffnet worden ist
(Gläubigerbevorzugung).

    Im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person wird die
Schuldnereigenschaft im Sinne der Art. 163 und 167 StGB den Direktoren,
Bevollmächtigten, den Mitgliedern der Verwaltungs- oder Kontrollorgane und
den Liquidatoren zugerechnet (Art. 172 StGB). Ferner gelten als Schuldner
die Personen, welche die Mitglieder der statutarischen Verwaltung, die
Direktoren oder die Bevollmächtigten als Strohmänner benützen und so
die juristische Person tatsächlich leiten (BGE 78 IV 30 f., 97 IV 14,
100 IV 42).

    b) M. und der Verwaltungsratspräsident N. haben Folienkaschiermaschine,
Gabelstapler und Lastwagen beiseitegeschafft. Damit haben sie diese Aktiven
der TS AG der Zwangsvollstreckung entzogen, wodurch deren Gläubiger im
Sinne von Art. 163 StGB benachteiligt wurden (BGE 93 IV 19), was die
Beschwerdeführer übersehen. Dass der Tatbestand des Art. 163 StGB auch
sonst erfüllt ist, stellt die Vorinstanz verbindlich bzw. zutreffend
und unangefochten fest. Da M. als tatsächlicher Leiter der AG Schuldner
im Sinne des Art. 163 StGB ist, hat er sich wie Verwaltungsratspräsident
N. gemäss Ziff. 1 und nicht nach der Dritte betreffenden Ziff. 2 strafbar
gemacht.

    c) Weil M. sich durch das Beiseiteschaffen der Maschinen für seine
finanziellen Leistungen für die AG schadlos hielt, hat die Vorinstanz
überdies N. der Gläubigerbevorzugung und M. der Gehilfenschaft dazu
schuldig erklärt. Da M. aber eben Schuldner im Sinne des Art. 163 StGB
war, war seine Schadloshaltung Schuldnerbegünstigung, die nach Art. 163
zu ahnden ist (BGE 93 IV 20). Gläubigerbevorzugung, die ein privilegiertes
Bankrottdelikt ist, weil das den einen Gläubigern entzogene Vermögen nicht
für den Schuldner oder für Dritte verwendet wird, sondern immerhin andern
Gläubigern zukommt (SCHWANDER, SJK Karte 1129 S. 6 oben), liegt nicht vor.