Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IV 172



107 IV 172

50. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Oktober 1981 i.S. T.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 148 Abs. 2 StGB. Betrügerischer Spendenaufruf.

    1. Gewerbsmässig kann auch jener Betrüger handeln, der aus einem
einzigen Willensentschluss tätig wird. Ob diese Tätigkeit gleichzeitig oder
sukzessive gegen unbestimmt viele Personen gerichtet sei, ist belanglos
(E. 2).

    2. Formulierung des Schuldspruchs im Falle von gewerbsmässigen
Betrügen und Betrugsversuchen, die alle auf demselben Willensentschluss
des Täters beruhen. (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Nach dem Erdbeben von El Asnam in Algerien vom 10.  Oktober 1980
versandte T. in der Schweiz etwa 30'000 Spendenaufrufe einer von ihm
1979 aus dem deutschen Strafvollzug heraus auf dem Korrespondenzweg im
US-Staat Delaware gegründeten Organisation zugunsten der überlebenden
Erdbebenopfer. In der Folge zahlten eine unbekannte Anzahl sowie 113
namentlich bekannte Spender insgesamt Fr. 8'165.55 ein. T. wird zur Last
gelegt, er habe die eingegangenen Gelder für eigene Bedürfnisse verwenden
wollen. Eine bereits in Druck gegebene zweite Serie von Prospekten und
Einzahlungsscheinen gelangte nicht zur Verteilung.

    B.- Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach
T. am 27. Mai 1981 im Berufungsverfahren schuldig des "gewerbsmässigen
Betrugs und Betrugsversuchs im Sinne von Art. 148 Abs. 1 und 2
StGB, teilweise in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB, in einem bei
den vollendeten Tatbeständen Fr. 8'165.55 ausmachenden Betrag" und
verurteilte ihn zu zwei Jahren Zuchthaus, abzüglich 187 Tage erstandener
Untersuchungshaft, sowie zu einer Busse von Fr. 8'000.-- und zu zehn
Jahren unbedingter Landesverweisung.

    C.- Der Verurteilte erhebt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht
mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei vollumfänglich
aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:
   ...

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe aufgrund eines
Willensentschlusses nur eine Serie von Einzahlungsscheinen und Prospekten
versandt und zur Einzahlung auf ein Postcheckkonto aufgefordert. Es liege
deshalb nur eine Tat mit einem einheitlichen Tatrahmen und einem Entschluss
vor, so dass er nicht wegen gewerbsmässiger Tatbegehung schuldig gesprochen
werden dürfe.

    Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung handelt gewerbsmässig,
wer in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der
Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, die Tat wiederholt
begeht (BGE 94 IV 21 E. 1, 88 IV 19, 86 IV 207, 81 IV 36). Dass der
Beschwerdeführer mit der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen,
und mit der Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, delinquierte,
ist nicht bestritten. Seine Behauptung, es liege nicht wiederholte,
sondern nur eine Tatbegehung vor, trifft nicht zu. Wohl hat er nur
eine Serie von Einzahlungsscheinen versandt. Ob er dies am selben Tage
oder an verschiedenen Tagen tat, kann dahingestellt bleiben. Auf jeden
Fall versandte er die Spendenaufrufe an eine Vielzahl von Personen
und insofern beging er die Tat wiederholt im Sinne der zitierten
Definition. Die Merkmale der gewerbsmässigen Begehung der strafbaren
Handlung sind dem Begriff des erlaubten Gewerbes entnommen (BGE 86 IV
12). Wie ein erlaubtes Gewerbe vorliegen kann, wenn jemand in einem Zuge
einen grösseren Stock der zu veräussernden Ware herstellt oder anschafft
und diesen dann aufgrund eines Willensentschlusses veräussert, so kann
auch die strafrechtlich erhebliche Gewerbsmässigkeit schon dadurch
gekennzeichnet sein, dass ein Täter aufgrund eines Willensentschlusses
gegen unbestimmt viele vorgeht. Der in der Definition der Gewerbsmässigkeit
häufig (vgl. die bereits zitierten BGE), aber nicht immer (s. etwa BGE 99
IV 88) verwendete Begriff der wiederholten Tatbegehung bedeutet nichts
anderes als mehrfaches Handeln (BGE 107 IV 82 E. 3a). Gewerbsmässig
kann auch jener handeln, der aus einem einzigen Willensentschluss tätig
wird; ob diese Tätigkeit gleichzeitig oder sukzessive gegen unbestimmt
viele gerichtet sei, ist belanglos. Der einheitliche Willensentschluss
schliesst die Gewerbsmässigkeit entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers
nicht aus (s. BGE 105 IV 13). Die Voraussetzungen zur Verurteilung wegen
gewerbsmässiger Tatbegehung waren demnach gegeben. Die Beschwerde erweist
sich somit in diesem Punkt als unbegründet.
   ...

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, er dürfe nicht wegen
gewerbsmässigen Betrugs und Betrugsversuchs schuldig gesprochen werden.
Es kann ihm beigepflichtet werden, dass die ihm zur Last gelegten
versuchten und vollendeten gewerbsmässigen Betrüge eine Einheit im Sinne
eines Kollektivverbrechens bilden. Wohl führte das Bundesgericht in BGE
105 IV 159 aus, die Schuldigerklärung dürfe in solchen Fällen nur auf
gewerbsmässigen Betrug, nicht auch zusätzlich noch auf gewerbsmässigen
Betrugsversuch lauten (vgl. dazu auch BGE 71 IV 237 unten und ZR 66
Nr. 49 und 50). Damit wollte indessen nur zum Ausdruck gebracht werden,
dass ein Angeklagter in Fällen dieser Art nur wegen eines Deliktes,
des Kollektivdeliktes, schuldig gesprochen werden darf. Dem Gericht kann
indessen nicht verwehrt sein, auch im Urteilsdispositiv zum Ausdruck zu
bringen, dass dieses Kollektivverbrechen sowohl vollendete wie versuchte
Tathandlungen in sich schliesst. Die Vorinstanz trug dem Rechnung, indem
sie den Beschwerdeführer schuldig sprach "des gewerbsmässigen Betrugs
und Betrugsversuchs im Sinne von Art. 148 Abs. 1 und 2 StGB, teilweise
in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB, in einem bei den vollendeten
Tatbeständen Fr. 8'165.55 ausmachenden Betrag". Damit gab sie deutlich zu
verstehen, dass sie den Beschwerdeführer nur wegen eines Deliktes, nämlich
wegen des Kollektivdeliktes des (teils vollendeten und teils versuchten)
gewerbsmässigen Betrugs schuldig sprach. Ihr Dispositiv stellt keine
Verletzung von Bundesrecht dar.