Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IV 158



107 IV 158

45. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 21. Juli 1981 i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich Regeste

    Art. 58 und Art. 351 StGB. Zuständigkeit zur Einziehung.

    Übernimmt ein Kanton die Verfolgung und Beurteilung der vom
Angeschuldigten in einem andern Kanton verübten strafbaren Handlungen,
so ist er auch zum Entscheid darüber zuständig, ob die von diesem Kanton
beim Angeschuldigten beschlagnahmten, im Zusammenhang mit dessen strafbaren
Handlungen stehenden Gegenstände und Vermögenswerte einzuziehen sind.

Sachverhalt

    A.- Die thailändische Staatsangehörige P. V. alias M. N.
stand seit August 1979 im Kanton Aargau und seit Oktober 1980 auch
im Kanton Zürich in Strafuntersuchung wegen Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz. Die anlässlich ihrer Verhaftung in Zürich bei ihr
sichergestellten, vermutlich Haschisch und vor allem Heroin enthaltenden
Plastiksäckchen und Briefcouverts, die Barbeträge von Fr. 174'500.--
und DM 610.-- sowie ein bei der Schweizerischen Kreditanstalt unter ihrem
Namen angelegter Betrag von Fr. 5'013.20 wurden von der Bezirksanwaltschaft
Zürich einstweilen beschlagnahmt.

    Auf Ersuchen der Bezirksanwaltschaft Zürich anerkannte die
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau am 16. Februar sowie erneut am
23. März 1981 die Zuständigkeit des Kantons Aargau zur Verfolgung und
Beurteilung sämtlicher P. V. zur Last gelegten Taten.

    P. V. verübte in der Nacht vom 30./31. März 1981 im Bezirksgefängnis
Zürich Selbstmord. Die Bezirksanwaltschaft Zürich schlug der
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau daraufhin vor, dass jeder
Kanton die gegen sie angehobene Untersuchung selbständig abschliesse;
sie erklärte sich bereit, der Einfachheit halber die im Kanton Aargau
angehobene Untersuchung in die von ihr zu erlassende Einstellungsverfügung
einzubeziehen. Dem widersetzte sich die Staatsanwaltschaft des Kantons
Aargau unter Hinweis auf den von ihr anerkannten Gerichtsstand; sie hielt
dafür, die aargauischen Behörden seien insbesondere auch zum Entscheid
über die Einziehung der beschlagnahmten Gegenstände und Gelder befugt. Die
Bezirksanwaltschaft Zürich und sodann auch die Staatsanwaltschaft des
Kantons Zürich beharrten demgegenüber darauf, die zürcherischen Gerichte,
welche die Mittäter von P. V. zu beurteilen hätten, seien hiefür zuständig.

    B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau stellte am 30. Juni 1981
bei der Anklagekammer das Begehren, "es sei die örtliche Zuständigkeit
zum Entscheid über die Einziehung beschlagnahmter Werte (Bargeld,
Bankguthaben und Drogen), bzw. die Bedeutung einer an sich bestehenden
Einigung über den Gerichtsstand bezüglich der Einziehung gemäss Art. 58
StGB von beschlagnahmten Werten zu bestimmen".

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragte "Eintreten auf
das Begehren und Abweisung des Ersuchens zur Zeit, solange der Richter
des Kantons Zürich nicht über die Verteilung der Gelder entschieden hat".

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach den Akten haben sich die Strafbehörden der Kantone Aargau
und Zürich dahin geeinigt, dass jener die Verfolgung und Beurteilung der
sämtlichen von P. V. verübten strafbaren Handlungen übernehme. Das wird
von der Staatsanwaltschaft Zürich in ihrer Vernehmlassung denn auch nicht
bestritten. Ein nachträglicher Wechsel des vereinbarten Gerichtsstands
wäre nur aus triftigen Gründen zulässig (BGE 98 IV 208 E. 2 mit Hinweisen).
Solche Gründe werden von der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich nicht
geltend gemacht und liegen aufgrund der Akten auch nicht vor. Insbesondere
vermag der Tod eines Beschuldigten an der zwischen den Kantonen getroffenen
Gerichtsstandsabrede nichts zu ändern.

Erwägung 2

    2.- Der Kanton, dessen Zuständigkeit feststeht, ist zur Verfolgung und
Beurteilung strafbarer Handlungen nicht nur verpflichtet, sondern auch
berechtigt (Art. 351 StGB). Diese Berechtigung schliesst insbesondere
die Befugnis ein, das Strafverfahren durch Entscheid abzuschliessen. In
einem solchen Entscheid ist stets auch über das endgültige Schicksal
beschlagnahmter Gegenstände zu befinden (HAUSER, Grundzüge des
Strafprozessrechts, S. 83; derselbe, Kurzlehrbuch des Schweiz.
Strafprozessrechts, S. 177). So waren die fraglichen Vermögenswerte und
Drogen in der Verfügung der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 21. Oktober
1980 denn auch zutreffend "zu Handen des definitiv erkennenden Gerichtes
einstweilen beschlagnahmt" worden.

    Es ist demnach offensichtlich, dass die Strafbehörden des Kantons
Aargau, nicht jene des Kantons Zürich zur Einziehung zuständig sind,
nachdem die aargauischen Behörden die Verfolgung und Beurteilung der von
P. V. begangenen Straftaten übernommen hatten und die in Frage stehenden
Gegenstände und Gelder unbestrittenermassen bei P. V. sichergestellt worden
waren, wie das aus den Beschlagnahmeverfügungen hervorgeht. Insoweit war
der Gerichtsstand zwischen den beiden Kantonen trotz der seinerzeit durch
die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau erklärten Anerkennung streitig,
und er ist deshalb von der Anklagekammer zu bezeichnen.