Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IV 150



107 IV 150

42. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. September
1981 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG. Schwerer Fall.

    Der Richter hat bei der Anwendung dieser Bestimmung alle möglichen
gesundheitlichen Gefährdungen durch die in Art. 1 BetmG genannten
Stoffe zu berücksichtigen, unbekümmert um das mehr oder weniger hohe
Gefährdungspotential für den einen oder den andern der in Betracht
fallenden Konsumentenkreise. Der Richter darf dem Umstand Rechnung tragen,
dass Kokain nicht nur intranasal konsumiert, sondern auch intravenös
appliziert wird und dass bei der letzteren Konsumart schon sehr geringe
Mengen die Gesundheit gefährden können.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- ...

    b) Die Rüge der Verletzung von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG ist
unbegründet. Kokain ist ein schweres Rauschgift, dessen Gefährlichkeit
für die menschliche Gesundheit vermittels seiner Einreihung unter die
abhängigkeitserzeugenden Stoffe (Art. 1 Abs. 1 BetmG) vom Gesetzgeber für
den Richter verbindlich bejaht worden ist (s. BGE 106 IV 230). Nach den
auf die gutachtlichen Berichte gestützten Feststellungen der Vorinstanz
ist Kokain deutlich gefährlicher als Haschisch und liegt es bezüglich des
Gefährlichkeitsgrades dem Heroin näher als dem Haschisch. Bei Menschen
zwischen 30-45 Jahren ist zwar im allgemeinen das Gesundheitsrisiko
geringer als bei Jugendlichen. Doch wurde vom Experten darauf hingewiesen,
dass es hier keine "Regelmässigkeiten", keine "Gesetzmässigkeiten"
gibt, indem kleine Mengen für den einen ausserordentlich gefährlich sein
können, während grössere Dosen bei anderen zu keiner toxischen Erscheinung
führen. Diese Ungewissheit gebietet, in der Anwendung des Gesetzes alle
möglichen gesundheitlichen Gefährdungen durch die in Art. 1 Abs. 1 BetmG
genannten Stoffe zu berücksichtigen, unbekümmert um das mehr oder weniger
hohe Gefährdungspotential für den einen oder den anderen der in Betracht
fallenden Konsumentenkreise. Entsprechend hat ja auch der Gesetzgeber
selber nicht zwischen harten und leichten Drogen unterschieden (BGE 106
IV 231). Vom gleichen Grundgedanken hat sich der Richter bei Beantwortung
der Frage nach der Menge eines bestimmten Rauschgiftes leiten zu lassen,
durch die die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen gefährdet werden
kann. Das Obergericht hielt sich deshalb im Rahmen des Gesetzes, wenn
es im vorliegenden Fall jene kritische Menge nicht nach der für den
intranasalen Genuss von Kokain üblichen höheren Konsumeinheit von 0,5-1
g, sondern in Berücksichtigung der Tatsache bemessen hat, dass Kokain
auch intravenös appliziert wird und dass bei dieser viel gefährlicheren
Konsumart jene Einheit eine bedeutend geringere ist. Geht man aber davon
aus und zieht man in Betracht, dass psychopathologische Folgeerscheinungen
bei einem intranasalen Konsum von 0,5-1 g täglich bereits nach drei Monaten
eintreten, und nach dem Gesagten bei intravenöser Applikation erheblich
kleinere Dosen eine entsprechende Wirkung zeitigen können, dann ist die
Feststellung der Vorinstanz nicht zu beanstanden, dass eine Menge Kokain
von ca. 580 g durchaus ausreicht, um damit eine Vielzahl von Menschen zu
versorgen und deren Gesundheit in Gefahr zu bringen. H. wurde deshalb zu
Recht nach Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG schuldig gesprochen.