Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 II 57



107 II 57

11. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Januar 1981 i.S. SUISA gegen
Rediffusion AG (Berufung) Regeste

    Art. 12 Abs. 1 Ziff. 5 und 6 sowie Abs. 2 URG.  Kabelfernsehen.

    1. Legitimation der Parteien. Zulässigkeit von Feststellungsklagen
(E. 1).

    2. Art. 11bis Abs. 1 Ziff. 1 und 2 Berner Übereinkunft zum Schutze
von Werken der Literatur und Kunst: Anwendung des Abkommens auf ein
schweizerisches Kabelunternehmen (E. 2); Auslegung seiner Bestimmungen
nach der Entstehungsgeschichte, nach ausländischer Rechtsprechung und
nach international anerkannten Kriterien (E. 3). Ihre Bedeutung für das
Landesrecht (E. 4).

    3. Der Anspruch des Urhebers gemäss Art. 12 Ziff. 6 URG setzt
voraus, dass eine öffentliche Mitteilung vorliegt (E. 5) und diese von
einem anderen als dem ursprünglichen Sendeunternehmen vorgenommen wird
(E. 6). Ein selbständiges Kabelunternehmen erfüllt diese Voraussetzungen,
wenn es ein gesendetes Werk über seine Anlagen an 60'000 Abonnenten
weiterverbreitet (E. 6d).

    4. Eine gesonderte Vergütung ist gerechtfertigt, wenn zwei
urheberrechtlich relevante Leistungen vorliegen (E. 7); sie lässt sich
selbst dann nicht als missbräuchlich ausgeben, wenn Abonnenten sich wegen
eines kommunalen Antennenverbotes für das Kabelfernsehen entscheiden
(E. 8). Das gilt auch für ausländische Sendungen (E. 9).

    5. Möglichkeiten für die Beteiligten und den Gesetzgeber, praktikable
Lösungen zu finden und einer Gefährdung von Urheberrechten durch Auswüchse
der Technik vorzubeugen (E. 10).

Sachverhalt

    A.- Die SUISA (Schweizerische Gesellschaft für Urheberrechte an
Musik-Aufführungen und -Sendungen) ist eine Genossenschaft gemäss Art. 828
ff. OR, die vor allem aus Komponisten, Textdichtern und Verlegern von
Musikwerken besteht. Sie wahrt deren Rechte an öffentlichen Aufführungen
oder Sendungen nichttheatralischer Werke und bietet den Veranstaltern die
Möglichkeit, ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Urhebern mit
möglichst wenig Umtrieben zu erfüllen. Sie besitzt seit 1941 die dafür
in Art. 1 des Bundesgesetzes betreffend die Verwertung von Urheberrechten
(VerwG) vorgesehene Bewilligung, die inzwischen alle fünf Jahre erneuert
worden ist. Ihre Tätigkeit stützt sich ferner auf Verträge mit ihren
Mitgliedern und ausländischen Verwertungsgesellschaften.

    Die SUISA übt die ihr übertragenen oder abgetretenen Rechte im
eigenen Namen aus, zieht insbesondere die ihren Mitgliedern geschuldeten
Entschädigungen selber ein. Das gilt auch für die musikalischen Sendungen
der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG); die SUISA
erhält dafür jährlich eine Pauschalentschädigung aus dem Anteil an den
Empfangsgebühren, den die PTT-Betriebe der SRG ausrichten.

    Die Rediffusion AG betreibt in der Schweiz mehrere Fernsehanlagen,
die insbesondere aus Empfangsstellen, Verstärker- und Umsetzerstationen
sowie einem Kabelnetz bestehe. Dazu gehört unter anderem eine Anlage auf
dem Ütliberg, wo sie in- und ausländische Fernseh- und UKW-Sendungen
mit einem 32 m hohen Empfangsturm und anderen technischen Mitteln
auffängt, die Sendungen für die Kabelübertragung aufbereitet und über
Verstärkereinrichtungen an rund 60'000 Abonnenten in Zürich und Umgebung
weiterleitet. In der ganzen Schweiz sollen rund eine Million Abonnenten
über etwa 1700 grössere oder kleinere Anlagen dieser Art. versorgt werden.

    Die SUISA fand, eine solche Verbreitung von Radio- und
Fernsehprogrammen bedürfe ihrer Bewilligung. Sie stiess dabei aber auf den
Widerstand der Vereinigung Schweizerischer Gemeinschafts-Antennen-Betriebe,
der auch die Rediffusion AG angehört.

    B.- Im August 1976 klagte die SUISA beim Obergericht des Kantons
Zürich gegen die Rediffusion AG auf Feststellung, dass die Beklagte den
Abonnenten ihres Verteilnetzes in der Region Zürich nur mit Erlaubnis
der Klägerin Radio- und Fernsehsendungen zuleiten dürfe.

    Die Beklagte widersetzte sich diesem Begehren und erhob Widerklage
auf Feststellung, dass sie ohne Erlaubnis der Klägerin alle von der SRG
ausgestrahlten Radio- und Fernsehsendungen weiterleiten dürfe (Begehren
1), dass dies für andere, d.h. ausländische Sendungen ebenfalls gelte,
soweit sie von den Abonnenten auch mit eigener Antennenanlage empfangen
werden könnten (Begehren 2a), eventuell soweit der Empfang aufgrund
internationaler Vereinbarung zulässig und frei sei (Begehren 2b).

    Durch Entscheid vom 17. September 1979 wies das Obergericht
die Klage der SUISA ob (Ziff. 1) und stellte in Gutheissung der drei
Widerklagebegehren fest, dass die Beklagte ohne Erlaubnis der Klägerin
ihren Abonnenten nicht nur die Programme der SRG (Ziff. 2a), sondern auch
andere Radio- und Fernsehsendungen zuleiten dürfe, falls diese von den
Abonnenten auch mit eigener Antenne empfangen werden könnten (Ziff. 2b)
oder der Empfang aufgrund internationaler Vereinbarung zulässig und frei
sei (Ziff. 2c).

    Auf Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerin hob das Kassationsgericht
des Kantons Zürich am 11. Juli 1980 Ziff. 2c dieses Urteilsspruches auf,
weil die Beklagte diesbezüglich nur ein Eventualbegehren gestellt habe. Im
übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war.

    C.- Die Klägerin hat gegen den Entscheid des Obergerichts auch Berufung
eingelegt mit den Anträgen, ihn aufzuheben, ihr Feststellungsbegehren,
das sie auf urheberrechtlich geschützte Werke beschränkt, gutzuheissen
und die Widerklage abzuweisen, eventuell die Sache zur Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil in der vom Kassationsgericht korrigierten Fassung zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Aktivlegitimation der SUISA und die Passivlegitimation der
Rediffusion AG sind nicht streitig, auch nicht mit Bezug auf ausländische
Sendungen, die vom Obergericht freilich nur beiläufig behandelt worden
sind. Die Klageberechtigung der SUISA für solche Sendungen ergibt sich
daraus, dass sie sich auf Gegenseitigkeitsverträge mit ausländischen
Verwertungsgesellschaften berufen kann und damit praktisch das gesamte
Weltrepertoire nichttheatralischer Musik vertritt.

    Dass die Feststellungsklagen beider Parteien prozessual zulässig
sind, ist unbestritten und ebenfalls nicht zu beanstanden. Selbst wenn
der Anspruch, der ihnen zugrunde liegt, sich nicht schon aus dem
materiellen Recht ergäbe, verstiesse die Zulassung der Klagen nicht
gegen Bundesrecht (BGE 101 II 187 mit Hinweisen). Das Begehren der
Klägerin ist allerdings dahin zu verdeutlichen, dass es sich nicht auf
die sogenannten Eigensendungen der Beklagten bezieht, für die bereits eine
Regelung besteht; es betrifft nur die von ihr weitergeleiteten Radio- und
Fernsehprogramme und auch diese bloss insoweit, als es um "urheberrechtlich
geschützte Werke" geht, wie im Berufungsantrag beigefügt worden ist. Etwas
anderes konnte schon mit der ursprünglichen Fassung nicht gemeint sein.

    Klarzustellen sind auch die Widerklagebegehren, die zwar zwischen
Sendungen der SRG und anderen (d.h. ausländischen) unterscheiden, sich
im Unterschied zum Begehren der SUISA aber nicht auf die Region Zürich
beschränken. Das tut auch der angefochtene Entscheid nicht, obwohl seinen
Erwägungen eine solche Beschränkung zugrunde liegen dürfte. Es kann dies
allenfalls bedeutsam werden für ausländische Sendungen, welche nach dem
Wortlaut des Widerklagebegehrens 2a und des entsprechenden Urteilsspruches
(Ziff. 2b) nicht bloss im Raum Zürich, sondern überall ohne Erlaubnis der
SUISA weitergeleitet werden dürfen, wo sie von Abonnenten mit eigener
Antenne ebenfalls empfangen werden könnten. Das ist nicht mehr eine
auf die Region Zürich bezogene Feststellung, wie sie mit der Hauptklage
verlangt wird, sondern eine von den tatsächlichen Verhältnissen unabhängige
Rechtsanwendung, die freilich mit den Urteilserwägungen der Vorinstanz
nicht übereinstimmt.

Erwägung 2

    2.- Die Parteien streiten sich hauptsächlich über die Frage, unter
welchen Voraussetzungen Sendungen, die zeitgleich und unverändert über
Gemeinschaftsantennen weitergeleitet werden, einer Erlaubnis der Urheber
bedürfen und deren Rechte finanziell abzugelten sind. Ob es sich dabei
nur um Fernseh- oder auch um Radiosendungen handelt, rechtfertigt keine
unterschiedliche Beurteilung. Vorweg zu klären ist dagegen, was unter einer
Gemeinschaftsantenne zu verstehen ist, da damit Anlagen unterschiedlichster
Grösse gemeint sein können; der Begriff reicht von der Dachantenne eines
Mehrfamilienhauses über die gemeinsame Antenne mehrerer benachbarter Häuser
oder Quartiere bis zur Grossanlage, über die eine ganze Stadt oder Region
mit Sendungen versorgt wird (H.J. STERN, Die Weiterverbreitung von Radio-
und Fernsehsendungen, Diss. Zürich 1970, S. 36). Vorliegend geht es um
eine solche Grossanlage mit einem weitverzweigten Kabelnetz, über das
in Zürich und Umgebung rund 60'000 Abonnenten die streitigen Sendungen
empfangen.

    Art. 12 URG sichert dem Urheber das ausschliessliche Recht, sein Werk
durch Rundfunk zu senden (Abs. 1 Ziff. 5) und es zudem "mit oder ohne
Draht öffentlich mitzuteilen, wenn diese Mitteilung von einem anderen
als dem ursprünglichen Sendeunternehmen vorgenommen wird" (Ziff. 6);
die öffentliche Mitteilung des Werkes durch eine Fernsehsendung ist der
Rundfunksendung gleichgestellt (Abs. 2). Wer Urheberrechte im Sinne
dieser Bestimmungen verletzt, ist gemäss Art. 42 Ziff. 1 lit. f URG
zivil- und strafrechtlich verfolgbar. Nach Auffassung des Obergerichts
ist eine solche Verletzung im vorliegenden Fall zu verneinen, weil die
Beklagte keine Sendetätigkeit ausübe, sondern nur technische Empfangshilfe
leiste. Entscheidend sei, dass sie die Sendungen zeitgleich und unverändert
an einen Personenkreis weiterleite, der die gleichen Programme auch mittels
einer Einzelantenne empfangen könnte. Im einen wie im andern Fall benötige
der Empfänger eine Konzession der PTT und bezahle dafür eine Gebühr, von
der die SUISA über die SRG einen Anteil zugunsten der Urheber beziehe;
die Klage laufe darauf hinaus, sich für die gleiche Leistung zweimal
bezahlen zu lassen, was missbräuchlich sei.

    Das Obergericht stellt dabei ausschliesslich auf das URG ab und
lässt die Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und
Kunst (RBUe) in der am 26. Juni 1948 in Brüssel revidierten Fassung (SR
0.231.13), selbst für die ausländischen Sendungen, ausser Betracht. Die
Klägerin beharrt dagegen auf ihrem Standpunkt, dieses Abkommen sei
hier, wie sich aus seinem Art. 4 Abs. 1 und Art. 68bis URG ergebe,
unmittelbar anwendbar. Die Beklagte scheint aus dem Vorbehalt der
nationalen Gesetzgebung in Art. 11bis Abs. 2 RBUe einen andern Schluss
zu ziehen, räumt aber ein, dass die Schweiz von diesem Vorbehalt keinen
Gebrauch gemacht hat und eine abweichende Beurteilung deshalb entfällt.
Ebensowenig ist ihr entgangen, dass Lehre und Rechtsprechung zum Abkommen
auch für die Auslegung von Art. 12 Abs. 1 Ziff. 5 und 6 URG von Bedeutung
sind, weil der schweizerische Gesetzgeber diese Bestimmungen bewusst und
wörtlich aus Art. 11bis Ziff. 1 und 2 RBUe übernommen hat (Botschaft vom
12. Oktober 1954 zur Revision des URG, BBl 1954 II S. 654).

Erwägung 3

    3.- Deswegen berufen die Parteien sich denn auch auf die
Entstehungsgeschichte der übernommenen Normen, auf ausländische Urteile
und internationale Bemühungen, das Abkommen in diesen Punkten auszulegen
und der technischen Entwicklung gemäss fortzubilden.

    a) In der Römer Fassung des Abkommens von 1928 wurde dem Urheber
erstmals das Senderecht vorbehalten, dessen Umschreibung angesichts der
technischen Möglichkeiten, Sendungen weiterzuverbreiten, in der Folge
nicht mehr zu umgehen war. Aus den Vorarbeiten der Brüsseler Konferenz zu
Art. 11bis RBUe entstand der Vorschlag, dass "toute nouvelle communication
publique, soit par fil, soit sans fil, de l'oeuvre radiodiffusée" einer
neuen Erlaubnis des Urhebers bedürfe. Diese Fassung ging einzelnen
Delegationen zu weit, andern zu wenig weit und erschien zudem als zu
vage. Auf Antrag von Belgien einigte man sich schliesslich auf die Wendung
"toute communication publique", machte die Erlaubnis des Urhebers aber
von der zusätzlichen Voraussetzung abhängig, "lorsque cette communication
est faite par un autre organisme que celui d'origine" (A. BAUM, in GRUR
1949 S. 18 ff.).

    Nach Auffassung der Klägerin ist damit das Erfordernis der "neuen
Öffentlichkeit" fallengelassen worden. Die Beklagte bestreitet dies und
ist zudem der Meinung, mit dem Merkmal des "autre organisme" habe man den
Anspruch des Urhebers noch mehr einschränken wollen. Dass dies auch die
Meinung der Konferenz gewesen sei, ist den von der Beklagten zitierten
Voten indes nicht zu entnehmen. Auch im Generalrapport vom 25. Juni 1948,
welcher der Verabschiedung des Abkommens am 26. Juni 1948 zugrunde lag,
ist nur noch vom Erfordernis eines anderen Organismus die Rede (Text bei
MESTMÄCKER/SCHULZE, Urheberrechtskommentar, Bd. II Anhang B/2). Hätte die
Konferenz dieses Erfordernis bloss als Einschränkung der ersten Fassung
betrachtet, wie die Beklagte behauptet, so hätte sie sich mit seiner
Beifügung begnügen können. Das hat sie nicht getan, sondern statt einer
"nouvelle communication publique" nur noch eine "communication publique"
verlangt. Art. 11bis Ziff. 2 RBUe kann folglich auch dann erfüllt sein,
wenn mit der Weiterleitung der Sendung nicht eine neue Öffentlichkeit
oder ein neues Publikum erreicht, der Empfangsbereich der ursprünglichen
Sendung also nicht erweitert wird.

    In diesem Sinne werden die Vorarbeiten zur Brüsseler Fassung
auch von zahlreichen Autoren, namentlich von M. WALTER gewürdigt,
der sich damit (in GRUR Int. 1974 S. 120/21 und in Film und Recht 1975
S. 754/5) am gründlichsten auseinandergesetzt hat. Gleicher Auffassung
ist D. GAUDEL (La télédistribution, Paris 1976, S. 23 ff. mit Hinweis
auf andere franz. Autoren). R. DITTRICH (Kabelfernsehen und Probleme
des Urheberrechts, in Internat. Gesellschaft für Urheberrecht 1979
S. 381 ff. und in Le droit d'auteur 1979 S. 27 ff.) widerspricht
dem nicht, befürwortet aber aus anderen, vorwiegend technischen und
gesetzgeberischen Überlegungen, dass man auf den Versorgungsbereich des
ursprünglichen Senders abstellen sollte. Der historischen Auslegung folgen
ferner J. VON UNGERN-STERNBERG (Die Rechte der Urheber an Rundfunk-
und Drahtfunksendungen, München 1973 S. 36 ff. und 50; derselbe in
GRUR 1973 S. 18/9). Ebenso NORDEMANN/VINCK/HERTIN (Internationales
Urheberrecht, Düsseldorf 1977, N. 4 zu Art. 11bis RBUe) und E. ULMER (in
GRUR 1980 S. 582 ff.). Schliesslich versteht auch D. REIMER (in GRUR
Int. 1979 S. 93) die streitige Bestimmung nicht anders, hält sie aber
für revisionsbedürftig, weil er wie DITTRICH auf den Versorgungsbereich
des ursprünglichen Senders abstellen möchte.

    Im schweizerischen Schrifttum nimmt STERN (Diss. S. 58 ff. und in
Film und Recht 1975 S. 773) ebenfalls an, Art. 11bis Ziff. 2 RBUe setze
keine neue Öffentlichkeit, keinen erweiterten Empfangsbereich voraus. Das
ist auch die Meinung von K. GOVONI (Urheberrechtliche Probleme des
Kabelfernsehens, S. 10). Nach M. J. LUTZ (Die Schranken des Urheberrechts
nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1964 S. 133/4) spielte die Theorie
der neuen Öffentlichkeit in der Schweiz eine bedeutsame Rolle, bevor die
Brüsseler Fassung übernommen wurde. Zum gleichen Ergebnis wie die Beklagte
gelangen hingegen R. GILLARD (L'antenne collective et la communication
par fil au public en droit de propriété intellectuelle, Diss. Freiburg
1976 S. 40 f.), A. TRITTEN (Antenne commune et droit d'auteur, S. 6 ff.),
PEDRAZZINI (in ZSR 96/1977 II S. 90) und sinngemäss D. BARRELET (Droit
suisse des mass media, 1980 S. 163). Bei all diesen Autoren fällt jedoch
auf, dass sie ihre Auffassung nicht begründen, geschweige denn sich mit
gegenteiligen auseinandersetzen. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte
dagegen auf J. F. EGLI (Le droit de la radiodiffusion en Suisse, in ZSR
87/1968 S. 303), der das Kriterium der neuen Öffentlichkeit ausdrücklich
ablehnt (S. 306).

    b) Von den Parteien zitierte ausländische Urteile sind vom
Obergericht übergangen worden, weil sie angeblich in der Schweiz nicht
zur Rechtsfindung taugen. Soweit sie sich auf das Abkommen beziehen,
können sie zu dessen Auslegung jedoch durchaus beitragen. Zu beachten
ist dabei allerdings, dass sie teils auf Landesrecht beruhen, das dem
Abkommen vorgeht, wenn ein Verbandsland von dem Vorbehalt des Art. 11bis
Abs. 2 RBUe Gebrauch gemacht hat.

    Aufschlussreich ist die Rechtslage in Belgien, wo das Abkommen
unmittelbar anzuwenden ist. In einem Prozess gegen das Kabelunternehmen
CODITEL wurde eine Verletzung von Art. 11bis Abs. 1 Ziff. 2 RBUe am
19. Juni 1975 von der ersten Instanz und am 30. März 1979 auch vom
Appellationshof von Brüssel bejaht; beide beschränkten ihre Prüfung
strikt auf die im Abkommen erwähnten Voraussetzungen und gingen weder auf
technische Einzelheiten noch auf Fragen der neuen Öffentlichkeit näher
ein. Der Hinweis der Beklagten auf ein Urteil des Appellationshofes von
Antwerpen, der am 3. Dezember 1980 anders entschieden haben soll, hilft
darüber nicht hinweg. Dieser Entscheid richtete sich gegen ein eigentliches
Sendeunternehmen im Sinne von Art. 11bis Abs. 1 Ziff. 1 RBUe, das von dem
in Ziff. 2 gemeinten Kabelunternehmen zu unterscheiden sei (S. 8 oben);
er äusserte sich zum Urteil aus Brüssel denn auch mit keinem Wort.

    Aus Österreich ist ein Prozess bekannt, in dem ein Kabelunternehmen
in Feldkirch wegen Urheberrechtsverletzung verurteilt worden ist. Während
die unteren Instanzen dabei auf die, allerdings nur teilweise Erweiterung
des Versorgungsbereiches des Senders abstellten, hielt der Oberste
Gerichtshof von Österreich in seinem Urteil vom 25. Juni 1974 diese Frage
für unerheblich (GRUR Int. 1975 S. 68/9). In einem weiteren Verfahren
gegen das Kabelunternehmen Telesystem entschied er am 12. November 1979
im gleichen Sinne. Die Kritik an dieser Rechtsprechung führte zur Revision
des österreichischen Urheberrechtsgesetzes vom 2. Juli 1980, wobei in § 17
Abs. 3 die Drahtverbreitung von Sendungen des Österreichischen Rundfunks
(ORF) sowie kleinere Gemeinschaftsantennen, denen nicht mehr als 500
Teilnehmer angeschlossen sind, von einer besonderen Urhebererlaubnis
befreit und in § 59a für die Drahtverbreitung ausländischer Sendungen
eine gesetzliche Lizenz vorgesehen wurden. Die Novelle unterscheidet sich
dadurch deutlich von der schweizerischen Regelung und ergibt daher nichts
zugunsten der Beklagten.

    Für die Auffassung der Beklagten spricht dagegen die Rechtsprechung in
den Niederlanden, wo zwei Klagen gegen das Kabelunternehmen Amstelveen
abgewiesen worden sind. Das Bezirksgericht Amsterdam bejahte zwar
eine "communication publique" im Sinne der RBUe, die keinen neuen
Publikumskreis voraussetze; es lehnte einzig die nach Landesrecht
erforderliche eigenständige Veröffentlichung ab. Auf Appellation
hin verwarf der Gerichtshof von Amsterdam am 12. Juni 1980 diese
Unterscheidung und bestätigte das erstinstanzliche Urteil, ohne sich mit
der RBUe auseinanderzusetzen, weil die streitigen Sendungen auch direkt
über Einzelantennen hätten empfangen werden können (Urteil S. 4).

    Zwei Entscheide deutscher Gerichte sprechen im Ergebnis ebenfalls
für die Beklagte, weil die Klagen der deutschen Verwertungsgesellschaft
GEMA gegen die Bundespost wegen deren Kabelnetze in Hamburg und Nürnberg
abgewiesen worden sind. Diese Urteile, die inzwischen vom Bundesgerichtshof
bestätigt worden sein sollen, setzen sich jedoch nicht mit dem Abkommen
auseinander; sie halten vielmehr gestützt auf Landesrecht für entscheidend,
ob ein Kabelnetz der Sender- oder Empfangsseite zuzurechnen sei. Das
Landgericht Hamburg fand am 6. Januar 1978, dass mit einem solchen
Netz kein neuer Hörerkreis erschlossen werde, stehe der Annahme einer
Sendung nicht im Wege; Unternehmen mit Gemeinschaftsantennen und echten
Drahtfunk- oder Kabelübermittlungssystemen seien aber auseinanderzuhalten
(S. 15/16). Das Hanseatische Oberlandesgericht bestätigte am 14. Dezember
1978 dieses Urteil, wobei es als urheberrechtlich relevant nur eine
"rundfunkmässige" Weitersendung gelten liess. Es verneinte dieses
Erfordernis, weil die Bundespost kein Programm gestalte und auch
nicht eine die normalen Empfangsmöglichkeiten wesentlich übersteigende
Programmauswahl biete. Unter diesen Umständen müsste eine Anlage schon
von erheblicher Grösse sein und einem grösseren Abonnentenkreis dienen, um
als Drahtrundfunk zu gelten; das lasse sich bei Netzen mit 3000 bzw. 6000
Anschlüssen nicht sagen (S. 29/30). Danach könnte bei grösseren Anlagen
also auch anders entschieden werden.

    Soweit diese ausländischen Urteile die RBUe nicht schlicht ignorieren,
wie das für die Niederlande und Deutschland der Fall ist, bestätigen sie
die dargelegten Auslegung von Art. 11bis Ziff. 2. Das nimmt auch E. ULMER
an (in GRUR 1980 S. 584). Die ausländische Rechtsprechung rechtfertigt
daher ebenfalls nicht, die Bestimmung entgegen ihrem Wortlaut auszulegen
und dabei entscheidend auf die Frage der neuen Öffentlichkeit oder den
erweiterten Empfangsbereich abzustellen. Die deutschen Urteile zeigen
übrigens deutlich, wie schwer in der Rechtsprechung taugliche Kriterien
zu finden sind, um urheberrechtlich relevante Kabelfernsehbetriebe von
nicht relevanten abzugrenzen.

    c) Gewichtige Anhaltspunkte ergeben sich schliesslich aus
den internationalen Bemühungen, die streitigen Bestimmungen des
Abkommens auszulegen oder fortzubilden. Das gilt vorweg vom Guide de
la Convention de Berne, der 1978 von der Organisation mondiale de la
propriété intellectuelle (OMPI) herausgegeben worden ist. Darin ist
ebenfalls nur von den in Art. 11bis Ziff. 2 RBUe genannten Kriterien,
nicht vom zusätzlichen Erfordernis einer neuen Öffentlichkeit die
Rede, wobei es aber Sache der nationalen Gesetzgebung sei, zwischen
öffentlicher Mitteilung nach RBUe und blossem Empfang abzugrenzen (N.
10 zu Art. 11bis). In Expertengesprächen vom Januar 1979 zum Strassburger
Fernsehabkommen wurde deutlich, dass ein Abstellen auf den direkten
Empfangs- bzw. Versorgungsbereich nicht befriedige, weil dieser weder
technisch zu umschreiben noch rechtlich verlässlich sei; als nötig erschien
eine Annäherung der nationalen Gesetzgebung. Eine von der UNESCO und
der OMPI eingesetzte Expertengruppe fand bereits im Juni 1977, dass der
Begriff des direkten Empfangsbereichs Art. 11bis RBUe fremd sei; dieses
Kriterium wurde noch 1980 von den nämlichen Experten überdies verworfen,
weil Kabelunternehmen sich immer an ein anderes, wenn auch teilweise
gleiches Publikum wendeten, da sonst für sie kein Bedürfnis bestünde.

    Äusserungen der Interessenverbände vermögen dagegen weniger zu
überzeugen. Immerhin ergibt sich aus den Akten, dass sei längerer Zeit
internationale Verbände der Urheber- bzw. Verwertungsgesellschaften, der
Sendeanstalten und der Kabelunternehmen miteinander verhandeln. Danach
scheinen die Kabelunternehmen den Grundsatz anzuerkennen,
Urheberrechtsentschädigungen zu schulden; sie bestreiten ihn jedoch für
den Bereich der direkten Empfangszone.

Erwägung 4

    4.- Da die Novelle des URG mit der Brüsseler Fassung der RBUe
übereinstimmen sollte, gilt das zum Abkommen Gesagte auch für
die Auslegung des revidierten Art. 12 Abs. 1 Ziff. 6 URG. In der
bundesrätlichen Botschaft zur Ratifikation der RBUe wird freilich
erklärt, nach deren Art. 11bis Ziff. 2 bedürfe sowohl die Reemission
wie die Radiodistribution einer Erlaubnis des Urhebers, wenn sie von
einem andern als dem ursprünglichen Organismus vorgenommen werde,
denn diesfalls könne die Sendung von einem Personenkreis empfangen
werden, der vom ursprünglichen Sendeunternehmen nicht erreicht werde
(BBl 1954 II S. 608). Die Beklagte, welche die gleichzeitige Botschaft
zum URG als ungenau bezeichnet, sieht darin zu Unrecht die massgebende
Auslegung des Abkommens. Sie übersieht, dass die Botschaft damit nur
den Grund der Neuregelung, nicht eine zusätzliche Schranke angibt. Die
Möglichkeit sodann, einen neuen Personenkreis zu erreichen, ist beim
Kabelfernsehen stets gegeben. Schliesslich fällt auf, dass der Bundesrat
die Befürchtungen von Rediffusion, Radibus und PTT gegen die aus dem
Abkommen übernommene Bestimmung nicht etwa mit dem Hinweis entkräftete,
mangels neuer Öffentlichkeit fielen diese Betriebe nicht unter die Norm;
er hob vielmehr hervor, dass die SRG damals die Urheberrechte für alle
drei Organisationen abgalt (S. 612 und 656).

    Die Beklagte will ferner mit den Entwürfen zur hängigen Revision des
URG dartun, wie der Gesetzgeber heute die Frage gestützt auf das Abkommen
regeln würde. Einer neuen Erlaubnis bedarf nach den Vorentwürfen (VE)
wie bisher die Weitersendung (auch mittels Draht) durch ein anderes
als das ursprüngliche Sendeunternehmen, wobei es der Rechtsprechung
überlassen bleiben soll, diesen Begriff von Fall zu Fall zu umschreiben
(VE I Art. 14 Ziff. 7 und Erläuterungen S. 47/8). Gleich verhält es sich
nach dem. VE II, der ausdrücklich davon absieht, zwischen Einrichtungen,
welche nur gemeinschaftlichem Empfang dienen, und andern, die eigentlichen
Radio- und Fernsehanstalten gleichzusetzen sind, eine Grenze zu ziehen;
der Entscheid über die Frage, ob die umstrittene, drahtgebundene
Übermittlung von Sendungen unter die genannte Bestimmung falle, wird
ebenfalls dem Richter vorbehalten (Art. 14 Ziff. 5 und Erläuterungen
S. 11/12). Die Expertenkommissionen haben somit die RBUe jedenfalls
nicht dahin verstanden, dass eine neue Erlaubnis des Urhebers nur im
Fall einer "neuen Öffentlichkeit" erforderlich sei, sonst hätten sie dies
ausdrücklich gesagt.

    Das Obergericht entnimmt die Theorie der "neuen Öffentlichkeit" nicht
den Materialien zur RBUe, die es ja ignoriert, sondern sieht darin eine
zweckmässige Möglichkeit zur Lückenfüllung. Auch die Beklagte geht von
einer Lücke aus, die von der Klägerin aber mit Recht bestritten wird. An
der Brüsseler Konferenz wurde eindeutig die Weiterverbreitung gesendeter
Werke durch Draht geregelt. Damals waren zudem sowohl das Netz des
Telephonrundspruchs wie Netze der Rediffusion und der Radibus bereits in
Betrieb. Dass man die stürmische Weiterentwicklung der Einrichtung nicht
voraussah, ist ebenso unerheblich wie der Umstand, dass die genannten
Unternehmen damals noch vermehrt Eigenprogramme verbreiteten. Es geht also
keineswegs darum, einen neuen Schutztatbestand zu schaffen, der weder vom
Abkommen noch vom URG geregelt wird; zu entscheiden ist vielmehr, ob der
Schutz von Art. 11bis Ziff. 2 RBUe und Art. 12 Ziff. 6 URG zulasten der
Urheber durch eine zusätzliche Voraussetzung eingeschränkt werden darf. Da
dies zu verneinen ist, bleibt es dabei, dass Abkommen und schweizerisches
Recht den Anspruch des Urhebers bei Weiterverbreitung eines gesendeten
Werkes nur vom Vorliegen einer öffentlichen Mitteilung durch ein anderes
als das ursprüngliche Sendeunternehmen abhängig machen, gleichviel ob
damit der ursprüngliche Sendebereich erweitert wird oder nicht.

    Entgegen dem angefochtenen Urteil kann somit nicht entscheidend
sein, dass die Beklagte mit ihrem Kabelnetz nicht eine "neue
Öffentlichkeit" schafft. Es kann deshalb offen bleiben, ob die
vom Obergericht festgestellten tatsächlichen Verhältnisse zum
Empfangsbereich der ursprünglichen Sendungen dafür genügen würden
oder auf einem Versehen und einer Verletzung vom Art. 8 ZGB beruhen,
wie die Klägerin behauptet. Jedenfalls hat das Kassationsgericht die
Feststellungen des Obergerichts dahin präzisiert, dass die Beklagte
auch im direkten Empfangsbereich neue Empfänger gewinnen könne,
da die Empfangsbedingungen bei ihr unter Umständen günstiger seien;
dies veranlasste die Beklagte denn auch, ihre Netze aufzubauen. Damit
stimmt überein, was in den Vorbereitungen der RBUe, in der angeführten
Lehre und in den Expertenkommission immer wieder betont worden ist, dass
nämlich das Kriterium des normalen Empfangsbereichs und damit der neuen
Öffentlichkeit nicht dazu taugt, die Ansprüche der Urheber abzugrenzen
(vgl. zur technischen Problematik insbesondere R. DITTRICH, Kabelfernsehen
und Probleme des Urheberrechts, S. 394/5). Die Abgrenzung wird nicht
dadurch erleichtert, dass auf ein Zielpublikum abgestellt wird.

    Das Obergericht und die Beklagte möchten das streitige Merkmal
gleichwohl nicht nur zur Lückenfüllung, sondern auch zur Auslegung der in
Art. 12 Ziff. 6 URG formulierten Voraussetzungen verwenden. Das Erfordernis
der neuen Öffentlichkeit ist indes nach der Entstehungsgeschichte zur
gleichen Bestimmung der RBUe ausdrücklich fallengelassen worden; es darf
folglich nicht auf dem Umweg über andere Begriffe wieder eingeführt werden
(WALTER, in GRUR Int. 1974 S. 121). Die gegenteilige Äusserung von STERN
(Diss. S. 63/4, ebenso in Schweizerische Mitteilungen 1970 S. 203) ist
wohl dahin zu verstehen, dass ein neuer Hörerkreis den Urheberanspruch
zusätzlich rechtfertigen kann, sein Fehlen ihn aber nicht ausschliesst. Im
vorliegenden Fall ist daher unbekümmert um eine solche Erweiterung des
Personenkreises zu prüfen, ob die Voraussetzungen von Art. 12 Ziff. 6
URG erfüllt sind.

Erwägung 5

    5.- Zu diesen Voraussetzungen gehört vorweg eine "öffentliche
Mitteilung" ("communication publique"). Im Unterschied zur vorangehenden
Ziff. 5 und der entsprechenden Ziff. 1 von Art. 11bis RBUe ist in
Ziff. 6 nicht von "Sendung" ("radiodiffusion") die Rede, weil diese
Bestimmung neben der drahtlosen Weitersendung ausdrücklich auch die
Weiterleitung durch Draht erfasst und beide gleich behandelt wissen
will. Eine öffentliche Mitteilung lässt sich schon nach dem vorstehenden
Ergebnis nicht damit verneinen, dass sie sich nicht an ein neues Publikum
richte. Andere Gründe vermögen aber die Beklagte und die Vorinstanz
nicht anzuführen; sie nehmen insbesondere nicht an, die Öffentlichkeit
werde dadurch ausgeschlossen, dass die Beklagte so oder anders nur die
an ihr Netz angeschlossenen Abonnenten versorgen kann. Wollte man die
streitige Bestimmung der RBUe und des URG so auslegen, so verlöre sie
für die Drahtverbreitung jeden Sinn.

    Dass ihre Tätigkeit im Raume Zürich als öffentliche Mitteilung
anzusehen ist, versucht die Beklagte angesichts der 60'000 Abonnenten, die
an ihr Kabelnetz angeschlossen sind, mit Recht nicht zu bestreiten. Welche
Mindestzahl allgemein erforderlich ist, braucht nicht entschieden zu
werden. Jedenfalls bietet der Begriff der Öffentlichkeit ein taugliches
Kriterium, um den urheberrechtlich freien Privatempfang etwa durch die
Gemeinschaftsantenne eines Mehrfamilienhauses oder einer geschlossenen
Überbauung von der "öffentlichen Mitteilung" abzugrenzen. Dieser
Meinung sind insbesondere STERN (in Mitteilungen 1970 S. 201, ferner
in Film und Recht 1975 S. 772), GOVONI (S. 8) und VON UNGERN-STERNBERG
(S. 82/3 und 88). Die Beklagte kann ihre Anlage weder mit solchen
Gemeinschaftsantennen vergleichen, noch sich darauf berufen, dass
in den Vorarbeiten zur Brüsseler Konferenz Empfangsanlagen für ein
Mehrfamilienhaus oder eine Gruppe von solchen als urheberrechtlich frei
bezeichnet worden sind. Hinsichtlich der Abgrenzung der öffentlichen
Mitteilung vom urheberrechtlich freien Privatempfang sollte der Gesetzgeber
die Möglichkeit nutzen, die ihm das Abkommen bietet (GUIDE OMPI, S. 80
N. 10; VON UNGERN-STERNBERG, S. 32; EGLI, S. 304).

Erwägung 6

    6.- Art. 12 Ziff. 6 URG setzt ferner voraus, dass die öffentliche
Mitteilung von einem andern als dem ursprünglichen "Sendeunternehmen"
ausgeht. Die Beklagte bestreitet auch diese Voraussetzung, weil sie kein
Sendeunternehmen sei.

    a) Gemäss Art. 31 Abs. 1 RBUe ist der französische Text des
Abkommens massgebend, der in Art. 11bis Ziff. 2 bloss verlangt,
dass "cette communication est faite par un autre organisme que celui
d'origine" (FFS 1954 II 623); dem entspricht auch die englische Fassung
("by a body other than the original one"), welche ebenfalls offizielle
Bedeutung hat. Die Botschaft des Bundesrates zur RBUe folgt selbst in der
deutschen Fassung dem französischen Text und spricht "von einem andern als
dem Ursprungsorganismus" (BBl 1954 II 608). Dass die davon abweichende
deutsche Übersetzung keine materielle Bedeutung hat, ist auch in der
deutschen und österreichischen Lehre unbestritten (VON UNGERN-STERNBERG,
S. 49 f. und 60/61; WALTER, S. 122; NORDEMANN/VINCK/HERTIN, N. 3 zu § 20).

    Dagegen ist auch mit dem Einwand nicht aufzukommen, die deutsche
Fassung des Gesetzes habe diesbezüglich selbständige Bedeutung. Dem steht
schon der französische Gesetzestext entgegen, der mit dem massgebenden
Wortlaut des Abkommens übereinstimmt. Als zutreffend erweist sich
auch der italienische Gesetzestext, weil er eine Mitteilung verlangt,
die "non sia fatta dall'azienda originaria di emissione". Die dem
Abkommen entsprechenden romanischen Texte machen deutlich, dass die
ursprüngliche Sendung zwar von einem Sendeunternehmen ausgehen muss,
für die Weiterleitung aber auch ein anderes Unternehmen genügt. Die
missverständliche deutsche Fassung kann daher nicht etwas anderes sagen
wollen (STERN, in Mitteilungen 1970 S. 201/2; GOVONI, S. 7). Freilich wird
in den VE von 1971 und 1974 die französische Fassung der unzutreffenden
deutschen Übersetzung angepasst, indem nun in Art. 14 ebenfalls von einem
"autre organisme émetteur" die Rede ist. In den Erläuterungen zum VE I
wird dabei ohne weitere Begründung auf das geltende Recht verwiesen,
zugleich aber erklärt, es handle sich "um ein anderes Sende- oder
Drahtübermittlungsunternehmen" (S. 47 und 50). Das ist widersprüchlich
und daher kein Grund, das geltende Recht anders auszulegen.

    b) Dass die Beklagte im Verhältnis zur SRG und ausländischen Sendern
als ein anderes Unternehmen anzusehen ist, bestreitet sie im übrigen
nicht. Sie hält den Streit über die Auslegung des Unternehmensbegriffs
vielmehr für müssig, weil RBUe und URG jedenfalls ein "Weitersenden"
verlangten und das begrifflich nur einem "Sendeunternehmen" möglich
sei. Dem ist vorweg entgegenzuhalten, dass die massgebenden Bestimmungen
gerade nicht von einem "Weitersenden" handeln, sondern unter der
Bezeichnung "Mitteilung" die Weiterleitung durch Draht der drahtlosen
gleichsetzen.

    Nach technischen Gesichtspunkten lässt sich nicht klären, ob das
Kabelfernsehen dem Sende- oder dem Empfangsbereich zuzuordnen ist. Die
Übergänge sind fliessend; eine Vermutung ergibt sich höchstens daraus,
dass mit der Grösse des Netzes auch der technische Aufwand steigt und
grosse Unternehmen daher eher der Sendeseite zuzurechnen sind (STERN,
Diss. S. 34 ff., 41 und 49; ders. in Mitteilungen 1970 S. 198; GOVONI,
S. 5; GAUDEL, S. 22; VON UNGERN-STERNBERG, S. 9, 38 und 88). Auch für
die Beklagte besteht technisch kein grundsätzlicher Unterschied zwischen
einer gewöhnlichen Hausantenne und der grössten Gemeinschaftsantenne. Sie
urheberrechtlich gleich behandeln zu wollen, geht aber im vornherein nicht
an, weil diesfalls die Drahtvermittlung von der RBUe und dem URG wieder
ausgenommen würde. Wenn die deutsche Rechtsprechung das Kabelfernsehen
nicht als Sendung versteht und deshalb urheberrechtlich freistellt,
so beruht dies vor allem darauf, dass § 20 des deutschen URG auch die
Weiterverbreitung durch Draht unter dem Begriff des Senderechts regelt;
bezeichnend ist immerhin, dass die Hamburger Gerichte in ihren Urteilen
vom 6. Januar und 14. Dezember 1978 für grosse Kabelunternehmen einen
Vorbehalt machten.

    In technischer Hinsicht stellt das Obergericht lediglich fest, dass
die Beklagte die Sendungen mit ihren Empfangsanlagen auf dem Ütliberg
und in den Felsen der Falätsche auffange, sie über Koaxialkabel der
Kopfstation in Zürich zuführe, dort für die Kabelübertragung aufbereite
und dann über das mit Verstärkeranlagen versehene Blocknetz den Abonnenten
ins Haus liefere. Ob daraus gefolgert werden kann, die Beklagte übe keine
Sendetätigkeit aus, sondern erbringe eine blosse technische Hilfeleistung,
ist fraglich, jedenfalls aber nicht ausschlaggebend. Das entscheidende
Kriterium, eine Sendetätigkeit zu verneinen, ist nämlich nach der
Auffassung der Vorinstanz darin zu erblicken, dass die empfangenen
Sendungen zeitgleich und unverändert an die Abonnenten weitergeleitet
werden. Deshalb vergleicht das Obergericht die Tätigkeit der Beklagten denn
auch mit den Weitersendungen, die von den Hilfssendern (Relaisstationen)
der SRG ausgingen und urheberrechtlich frei seien. Es übersieht dabei aber,
dass in der Brüsseler Konferenz das Kriterium des andern Unternehmens
gerade eingefügt worden ist, um die Weitersendung innerhalb des gleichen
Unternehmens nicht von einer neuen Erlaubnis des Urhebers abhängig zu
machen. Mit dem Vergleich widerlegt die Vorinstanz daher ihren eigenen
Schluss, wird die Beklagte doch als anderes Unternehmen eingeschaltet,
was für die Hilfssender, welche die PTT-Betriebe der SRG zur Verfügung
stellen, nicht zutrifft. Umsoweniger ist zu verstehen, wie die Vorinstanz
im gleichen Zusammenhang erklären kann, es sei unerheblich, dass die
Beklagte als rechtlich selbständige Organisation erscheine.

    c) Mit Art. 11bis Ziff. 2 RBUe dürfte nur die zeitgleiche
Weiterverbreitung einer Sendung gemeint sein, weil jede Verschiebung eine
Aufzeichnung voraussetzt und die Verbreitung sodann wieder als (drahtlose)
Erstsendung im Sinne von Art. 11bis Ziff. 1 RBUe oder als Übertragung
(durch Draht) gemäss Art. 11 Ziff. 2 erfasst wird (VON UNGERN-STERNBERG,
S. 50/51; GILLARD, S. 36 ff.; anderer Meinung EGLI, S. 302). Dass die
Bestimmung zumindest für die zeitgleiche Sendung gilt, steht dagegen bei
allen Autoren ausser Zweifel.

    Nach herrschender Lehre kommt urheberrechtlich auch darauf
nichts an, ob die übernommenen Sendungen integral und unverändert
weitergeleitet werden. H. HUBMANN glaubte 1980 in einem Vortrag in
München (in Kabelfernsehprojekte, S. 31) in der Programmgestaltung den
entscheidenden Unterschied zwischen Sendung und Empfang zu erkennen,
doch stiess er schon in der anschliessenden Diskussion auf Widerspruch
(S. 76). GILLARD (S. 106), SCHULZE (Urheberrechtskommentar, Frankfurt
1978, S. 3 zu § 20) und NORDEMANN/VINCK/HERTIN (N. 4 zu § 20) lehnen
dieses Kriterium ausdrücklich ab; das tut jedenfalls für grosse
Unternehmen auch VON UNGERN-STERNBERG (S. 9, 61 und 88). In der Tat ist
nicht zu ersehen, wie sich daraus eine tragfähige Abgrenzung ergeben
könnte. Nach der Feststellung des Obergerichts hat die Beklagte in Zürich
ein eigenes Studio, in dem sie Musiksendungen für gewisse Tageszeiten
zusammenstellt. Diese Sendungen liegen nicht im Streit, zeigen aber,
dass die Beklagte eigene Programme gestalten kann und daher nach ihrer
eigenen Terminologie als Sendeunternehmen anzusehen ist, selbst wenn
die Feststellung der Vorinstanz sich nur auf Radiosendungen beziehen
sollte. Entscheidend bleibt jedoch so oder anders, dass den Materialien
zur RBUe und zum URG nichts zu entnehmen ist, was dem Richter erlauben
würde, die Urheberansprüche aus einer Weiterleitung der Sendungen von
einer eigenen Programmgestaltung abhängig zu machen. Daran ändert auch
nichts, dass die Beklagte und die Radibus AG früher angeblich noch mehr
eigene Programme gestalteten als heute. Darauf wird selbst in den hängigen
Revisionsarbeiten nicht abgestellt; dies wäre umso weniger zu verstehen,
als heute auch im Kabelfernsehen die Tendenz besteht, den Programmdienst
der Unternehmen durch eigene Lokalsendungen zu erweitern (J.P. MÜLLER,
Rundfunkorganisation und Kommunikationsfreiheit, 1979 S. 246/7; BARRELET,
S. 59 und 210/11) oder gar Werbesendungen zuzulassen.

    d) Zusammenfassend kann sich im vorliegenden Fall somit bloss fragen,
ob die Beklagte als ein von den Sendeunternehmen unabhängiges Unternehmen
eine öffentliche Mitteilung vornehme, indem sie Sendungen der SRG oder
ausländischer Sendeanstalten über ihre Anlagen verbreitet. Das ist nach
den angestellten Überlegungen zu bejahen, und zwar unbekümmert darum,
ob sie Abonnenten bedient, welche die Sendungen auch über Einzelantennen
empfangen könnten. Für Sendungen von Werken, die urheberrechtlich geschützt
sind, bedarf sie daher einer Erlaubnis der SUISA. Durch ihr eigenmächtiges
Vorgehen verletzte sie entgegen der Annahme des Obergerichts die den
Urhebern in Art. 12 Ziff. 6 URG vorbehaltenen Rechte. Das angefochtene
Urteil ist daher aufzuheben und das Rechtsbegehren der Klägerin
grundsätzlich zu schützen. Damit wird nur die Feststellung verlangt, dass
die Sendungen nicht ohne Erlaubnis der SUISA verbreitet werden dürfen;
über mehr ist folglich nicht zu entscheiden. Da die Aktivlegitimation
der Klägerin anerkannt ist, braucht insbesondere nicht geprüft zu werden,
ob die SUISA über alle erforderlichen Rechte verfüge.

Erwägung 7

    7.- Vorinstanz und Beklagte sind der Meinung, die dargelegte
Rechtsauffassung sei insbesondere wegen finanzieller Auswirkungen nicht
gerechtfertigt. Die Beklagte bezieht in der Region Zürich jährlich
Fr. 156.- Gebühren von ihren Abonnenten, die zudem den PTT-Betrieben
Fr. 120.- für die Empfangskonzession bezahlen. Nach dem Ausgang des
Berufungsverfahrens ist damit zu rechnen, dass die Beklagte die ihr
auferlegten Urheberrechtsentschädigungen auf die Abonnenten abwälzen,
ihre Gebühr also erhöhen wird. Das darf jedoch den Entscheid des Richters
nicht beeinflussen, denn es liegt in der Natur der Sache, dass der Genuss
eines geschützten Werkes sich für das Publikum verteuert, wenn der Urheber
dafür zu entschädigen ist.

    Das Obergericht billigt dem Urheber zwar eine Entschädigung für
jede Werknutzung zu, empfindet es aber als missbräuchlich, wenn er sich
für die gleiche Leistung doppelt bezahlen lasse. Dem hält die Klägerin
mit Recht entgegen, dass es vorliegend nicht um eine, sondern um zwei
urheberrechtlich relevante Leistungen geht, weil das Gesetz neben der
Sendung auch die Weiterleitung von der Erlaubnis des Urhebers und damit
von einer separaten Vergütung abhängig macht. Dies deckt sich mit der
Vorschrift, die für die Verbreitung von Sendungen durch Lautsprecher
gilt (Art. 12 Ziff. 7 URG). Allgemeine Ausführungen zum Wesen der
Werknutzung (TROLLER, Immaterialgüterrecht II S. 783) vermögen an dieser
positiven Regelung nichts zu ändern. Ebensowenig ist mit gebühren-
oder konzessionsmässigen Überlegungen eine "neue Öffentlichkeit" zu
konstruieren, wenn RBUe und URG nicht auf dieses Kriterium abstellen. Da
es sich bei der Beklagten um ein anderes Unternehmen handelt, versagen
auch in diesem Zusammenhang die vom Obergericht gezogenen Parallelen zu
den Hilfssendern der SRG und der als aufschlussreich bezeichnete Vergleich
mit dem Telephonrundspruch.

    Aufschlussreich am Beispiel des Telephonrundspruchs ist dagegen,
dass dieser mit Bezug auf die Sendungen der SRG urheberrechtlich frei ist,
dass er aber bezüglich eigener Programme und der Verbreitung ausländischer
Sendungen einer Erlaubnis bedarf und die SRG die Urheberrechte der SUISA
gegenüber zusätzlich abgilt. Das ist in Ergänzung zum angefochtenen Urteil
auch vom Kassationsgericht festgestellt worden, weshalb offen bleiben kann,
ob dem Obergericht in diesem Punkte ein Versehen unterlaufen sei. Der
Telephonrundspruch befindet sich insoweit durchaus in der gleichen
Rechtslage wie die Beklagte. Aus der Botschaft zur Revision von Art. 12
Ziff. 6 URG erhellt, dass 1954 von der SRG die entsprechenden Rechte auch
zugunsten der Rediffusion und der Radibus AG abgegolten wurden (BBl 1954
II 656); die Vorinstanz bemerkt daher zu Recht, dass damals die Tätigkeit
dieser Gesellschaften von der Sendeerlaubnis der SRG miterfasst wurde.

    Wichtiger als die damalige Parallele zum Telephonrundspruch ist
die Diskrepanz, die darin besteht, dass die SRG heute keine Rechte der
Beklagten mehr abgilt, weil nun der für sie gültige Tarif A der SUISA
nur noch den Telephonrundspruch einschliesst, alle anderen Unternehmen
mit Gemeinschaftsantennen aber ausdrücklich ausnimmt (D. STAUFFACHER, Der
Sendevertrag, Diss. Zürich 1979 S. 67/8). Das wird auch von der Vorinstanz
anerkannt, aber als unerheblich erklärt, weil es vorliegend nur auf die
Gesetzesmaterialien ankomme. In diesem Zusammenhang geht es indes nicht
um die Auslegung der RBUe, sondern ausschliesslich darum, ob auch heute
die Tätigkeit der Beklagten von der Sendererlaubnis der SRG erfasst und
ob die Urheberrechte noch immer auf diesem Wege abgegolten werden. Dabei
ist erneut bezeichnend, dass der Bundesrat in der Botschaft nicht davon
ausging, die Rediffusion bedürfe keiner Urhebererlaubnis; er stützte
deren Berechtigung vielmehr auf die damalige Vereinbarung der SUISA mit
der SRG. Unerheblich ist schliesslich, ob eine einseitige Änderung des
Tarifs vorliegt, wie die Beklagte behauptet; das ändert nichts am Umstand,
dass die SRG heute keine solchen Rechte mehr abgilt.

Erwägung 8

    8.- Das Vorgehen der SUISA soll ferner missbräuchlich sein, weil
die Abonnenten der Beklagten auf diese Weise für den Kabelempfang mehr
Urheberrechtsentschädigungen zu zahlen hätten, als wenn sie die gleiche
Sendung direkt über eine Individualantenne empfangen würden. Damit
übernimmt das Obergericht auch hier die von der Beklagten verfochtene
These, die offenbar auf GILLARD (S. 145 ff.) zurückgeht.

    a) Dazu ist vorweg zu bemerken, dass in der Schweiz jeder Radio-
und Fernsehteilnehmer eine Empfangskonzession der PTT benötigt
und dafür jährlich eine Gebühr zu zahlen hat. An diesen Einnahmen
ist die SRG beteiligt. Sie erwirbt ihrerseits durch Einzel- oder
Kollektivvereinbarungen die erforderlichen Urheberrechte. Mit der
SUISA rechnet sie gestützt auf den Tarif A ab, welcher gemäss Art. 4
VerwG der Genehmigung durch eine Eidg. Schiedskommission bedarf. Nach
diesem Tarif werden von der SRG die Rechte für den Telephonrundspruch,
für ihre Eigensendungen und für die von ihr übernommenen ausländischen
Sendungen abgegolten. Im Jahre 1975 soll die SRG der SUISA dafür rund
11 Mio. Franken bezahlt haben. Zwischen der Beklagten und der SUISA gilt
eine Regelung über die Entschädigung bei Verbreitung von Eigenprogrammen,
nicht aber bei Übernahme schweizerischer oder ausländischer Radio- und
Fernsehprogramme. Für die Vorinstanz ist entscheidend, dass die Beklagte
sich nur an Abonnenten wendet, welche über die PTT-Empfangskonzession
ebenfalls von der Sendegebühr der SRG erfasst werden, womit die Urheber für
ihre Rechte entschädigt seien. Das trifft in dem hier massgebenden Bereich
indes nicht zu, weil die SRG nach dem Tarif A die Urheberrechte nicht
auch zugunsten der Beklagten erwirbt und vergütet. Was das Obergericht
über eine angebliche Vertretung der Empfangskonzessionäre durch die SRG
gegenüber der SUISA ausführt, ist deshalb belanglos.

    Nach den Konzessionsvorschriften muss die SRG ihre Programme den
Kabelunternehmen zur Verfügung stellen, die sie ihrerseits zu verbreiten
haben. Obschon das urheberrechtlich irrelevant ist (VON UNGERN-STERNBERG,
S. 60 Anm. 176), versucht die Beklagte daraus eine Pflicht der SRG
abzuleiten, auch die entsprechenden Urheberrechte zu erwerben. Das
widerspricht sogar der für die Beklagte geltenden Konzession, wonach es
ihre Sache ist, allfällige Urheberrechte zu vergüten. Für die Mitglieder
der SUISA ist zudem allein entscheidend, dass mit ihnen darüber nicht
abgerechnet wird.

    b) Ähnlich verhält es sich mit dem Argument des Obergerichts, nach den
Konzessionsvorschriften müsse die SRG ihre Programme gesamtschweizerisch
ausstrahlen, und zwar mit allen technischen Mitteln, ohne dass sie dafür
eine neue Erlaubnis der Urheber einholen müsse. Urheberrechtlich trifft
dies nur insoweit zu, als sich die SRG zusammen mit den PTT eigener
technischer Mittel bedient; für die Verbreitung der Sendungen durch ein
anderes Unternehmen, nämlich die Beklagte, ist dies hingegen nicht der
Fall. Das Argument des Obergerichts vermöchte zudem nur dort zu überzeugen,
wo ein Kabelnetz Lücken im Empfangsbereich der SRG schliesst, was im
Raume Zürich gerade nicht der Fall sein soll. Wieweit Kabelunternehmen im
Weg der Gesetzgebung urheberrechtlich in einen nationalen Sendeauftrag
einbezogen werden können und sollen, wie dies in der österreichischen
Gesetzesnovelle vom 2. Juli 1980 gestützt auf den Versorgungsauftrag
des ORF geschehen ist, braucht hier nicht erörtert zu werden, weil das
geltende Recht anzuwenden ist.

    Nicht übersehen werden darf freilich, dass jeder Kabelabonnent genau
wie der Benützer einer Hausantenne eine PTT-Konzession benötigt und dafür
Gebühren zahlt, von denen im einen wie im anderen Fall der gleiche Anteil
über die SRG der Klägerin zukommt. Die Gutheissung der Klage kann deshalb
dazu führen, dass der Kabelabonnent künftig mehr an Urhebervergütungen
aufbringen muss als der Direktempfänger, und zwar auch für Sendungen
der SRG. Dieses doch auffallende Ergebnis kann die Klägerin nicht damit
rechtfertigen, dass SRG und PTT, wenn sie die Kabelnetze selbst erstellen
und betreiben würden, dafür höhere Konzessionsgebühren beziehen müssten,
von denen die Klägerin wiederum ihren Anteil beanspruchen könnte. Das mag
nach dem geltenden Tarif zutreffen, doch entfiele dabei ein zusätzlicher
Vergütungsanspruch der Urheber, weil es diesfalls nicht um Verbreitung
durch ein anderes Unternehmen geht. Auch die Auffassung der Beklagten
vermag für jene Gegenden nicht zu überzeugen, in denen ihre Abonnenten die
SRG-Sendungen mit einer gewöhnlichen Hausantenne nicht oder jedenfalls
nicht einwandfrei empfangen könnten; sie beschränkt sich denn auch auf
den von der Vorinstanz für Zürich unterstellten Fall, dass Sendungen
im Empfangsbereich der SRG über ein Kabelnetz verbreitet werden. Der
Einwand der Beklagten, es gehe nicht an, dass ihr Abonnent mehr für die
SRG-Sendungen zahlen müsste, die er genau gleich mit einer eigenen Antenne
empfangen könnte, überzeugt indessen nicht, weil die Empfangsbedingungen
sich qualitativ kaum gleichsetzen lassen. Er läuft zudem darauf hinaus, den
Urheberrechtsanspruch gemäss Art. 12 Ziff. 6 URG aus Billigkeitserwägungen
doch noch von einer neuen Öffentlichkeit abhängig zu machen. Da die
Abonnenten trotz direkten Empfangsmöglichkeiten vom Kabelanschluss
Vorteile erwarten, nehmen sie Mehrkosten in Kauf, gleichviel ob diese
ausschliesslich technische oder auch urheberrechtliche Gründe haben (vgl.
GAUDEL, S. 26 ff.).

    c) Es steht den Zuschauern im direkten Empfangsbereich überdies
frei, solche Mehrkosten durch Direktempfang zu vermeiden. Zu Recht weist
demgegenüber das Obergericht aber auf kommunale Antennenverordnungen
hin, welche Individualantennen untersagen und damit zum Kabelanschluss
zwingen. Dass das auch auf die Region Zürich zutreffe, ist weder dem
angefochtenen Urteil noch der Berufungsschrift zu entnehmen; nach
den Akten besteht ein Antennenverbot bloss für Teilgebiete wie die
Zürcher Altstadt. Die Vorinstanz hält indes zu Recht für unerheblich,
ob ein Abonnent sich wegen eines solchen Verbots oder wegen besseren
Empfanges für das Kabelfernsehen entscheidet. Es sind Fragen des
öffentlichen Rechts, unter welchen Voraussetzungen ein solches Verbot
zulässig und ob es zweckmässig ist, einerseits ein nationales Sendernetz
für den Direktempfang aufzubauen und anderseits diesen Empfang, auch
wo er möglich ist, auf dem Verordnungswege wieder zu verbieten. Die
privatrechtlichen Ansprüche der Urheber werden davon nicht berührt. Dass
Eingriffe des Gemeinwesens die Betroffenen finanziell belasten können,
ist namentlich in Bereichen des Natur- und Heimatschutzes eine durchaus
gewohnte Erscheinung. Sollte urheberrechtlich auf das Bestehen kommunaler
Antennenverbote etwas ankommen, so ergäbe sich daraus eher ein Argument
gegen als für die Beklagte, wird doch in einem Gebiet, wo der Direktempfang
von SRG-Sendungen durch ein Antennenverbot verunmöglicht wird, dank dem
Kabelnetz genau die "neue Öffentlichkeit" geschaffen, auf die es nach
Meinung der Beklagten so entscheidend ankommt.

    Unter diesen Umständen ist nicht zu ersehen, weshalb es missbräuchlich
sein soll, wenn die Klägerin ausgewiesene Ansprüche ihrer Mitglieder
durchzusetzen sucht. Ebensowenig kann die Beklagte aus dem Gebot der
Rechtsgleichheit oder der Presse- und Informationsfreiheit etwas für einen
Rechtsmissbrauch ableiten. Verfassungsmässige Rechte dieser Art gelten
zwar für die staatliche Tätigkeit, können privatrechtlich den Urhebern
aber sowenig entgegengehalten werden wie der Klägerin, die sie vertritt.

Erwägung 9

    9.- Vermögen die finanziellen Auswirkungen, welche sich aus der
Rechtsauffassung der Klägerin ergeben, an den Urheberrechten ihrer
Mitglieder schon bezüglich der SRG-Programme nichts zu ändern, so gilt
dies erst recht hinsichtlich der ausländischen Sendungen. Das Obergericht
anerkennt, dass mit der schweizerischen Empfangskonzession keine Gebühren
an ausländische Sendeanstalten entrichtet werden. Es findet, dass es Sache
der Verwertungsgesellschaften sei, den grenzüberschreitenden Empfang von
Radio- und Fernsehsendungen miteinander vertraglich zu regeln.

    Dass internationale Vereinbarungen möglich wären, ändert aber, solange
sie eben nicht bestehen, nichts an den Ansprüchen der Urheber gemäss
RBUe und URG. Im übrigen fehlt es vorliegend vor allem an Verträgen
auf nationaler Ebene, weil Verhandlungen zwischen der Klägerin und den
Kabelunternehmen bisher an grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten
scheiterten. Entscheidend bleibt, dass die der Klägerin angeschlossenen
Urheber seitens der Beklagten für ausländische Sendungen nicht abgefunden
sind und die Beklagte auch nicht zur Übertragung ermächtigt haben.

Erwägung 10

    10.- Mit der Gutheissung der Klage ist die Streitfrage in finanzieller
Hinsicht freilich nicht befriedigend gelöst. Wenn die Abgabepflicht der
Kabelunternehmen urheberrechtlich auch begründet ist, so leuchtet doch
nicht ohne weiteres ein, dass die PTT von den Kabelabonnenten die gleichen
Gebühren erheben wie von den Direktempfängern, ungekümmert darum, ob ein
einwandfreier Direktempfang überhaupt möglich ist. Auch soweit es um die
Urheberanteile geht, ist das jedoch eine Frage der Tarifgestaltung und
nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

    Eine gerechte und zugleich praktikable Lösung der hängigen
Probleme ist am ehesten im Wege kollektiver Vertragsverhandlungen zu
erreichen. Diesfalls brauchen die Kabelunternehmen sich nicht an die
Urheber zu wenden und die Klägerin muss nicht mit 10'000 Unternehmen
verhandeln, die angeblich eine Gemeinschaftsanlage betreiben. Diese
Zahl dürfte freilich übersetzt sein, weil sie auch die vielen
Kleinanlagen umfasst, die urheberrechtlich irrelevant sind. Lehre und
Fachkreise sind sich ebenfalls einig, dass die Schwierigkeiten nur
mit Kollektivverhandlungen zu bewältigen sind; der Gesetzgeber sodann
hat nach dem Vorbehalt des Art. 11bis Abs. 2 RBUe die Möglichkeit,
den Unterlassungsanspruch des Urhebers im Sinne einer Zwangslizenz oder
besser einer gesetzlichen Lizenz durch einen blossen Vergütungsanspruch
zu ersetzen (STERN, Diss. S. 105 ff. und 127 ff. und in Mitteilung 1970
S. 204 ff.; DITTRICH, S. 399 ff.; EGLI, S. 338/9; STAUFFACHER, S. 150
ff.; E. BREM, Der urheberrechtliche Vergütungsanspruch, Diss. Zürich 1975
S. 50 ff.).

    Auf internationaler Ebene zeigt schon der Guide OMPI (S. 81/2) die
gleiche Tendenz, der hinsichtlich der Kabelverbreitung ausländischer
Sendungen auch das neue österreichische URG (§ 59a) sowie das neue
Copyright Law der Vereinigten Staaten (R. RIE, in NORDEMANN/ROEBER
S. 213 ff.) entsprechen. Die Vorarbeiten zur Revision des schweizerischen
URG schweigen sich über die streitigen Probleme dagegen aus, da die VE
I und II sich mit Verweisen auf die Rechtsprechung begnügen. Das ist
erstaunlich, zumal die Lehre schon seit langem eine gesetzgeberische
Lösung befürwortet (TROLLER, II S. 783; EGLI, S. 307 und 618; STERN,
Diss. S. 130; GOVONI, S. 14). Gerade in Bereichen wie hier eilt die
Technik dem Recht seit Jahrzehnten weit voraus. Das heisst nicht, das
Urheberrecht habe sich dem faktischen Zwang der Technik zu beugen;
es vor deren Auswüchsen zu schützen, ist in erster Linie aber Sache
des Gesetzgebers. Dieser wird dabei von den mit Art. 11bis Abs. 2 RBUe
gebotenen Möglichkeiten Gebrauch machen. Im Vordergrund steht die Ersetzung
des den Verhältnissen nicht entsprechenden Untersagungsanspruchs durch
einen blossen Vergütungsanspruch, der über Verwertungsgesellschaften
geltend zu machen wäre. Zudem wäre das urheberrechtlich relevante
Kabelfernsehen (und Kabelradio) abzugrenzen vom freien Privatempfang durch
kleinere Gemeinschaftsantennen, was durch nähere Umschreibung der Begriffe
der "öffentlichen Mitteilung" oder aber des "Unternehmens" geschehen
kann. Gewiss könnte die Rechtsprechung in diesem Punkte - anders als bei
der gesetzlichen Lizenz - Lösungen entwickeln. Das darf den Gesetzgeber
angesichts der grossen Bedeutung des Kabelfernsehens jedoch nicht davon
abhalten, selber die erforderlichen Grundsätze festzulegen und damit in
einer heiklen Interessenabwägung seine eigene Verantwortung zu übernehmen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 17. September 1979 aufgehoben, das Rechtsbegehren der Klägerin
geschützt und die Widerklage abgewiesen.

    Demgemäss wird festgestellt, dass die Beklagte den Abonnenten
ihres Verteilnetzes der Region Zürich nur mit Erlaubnis der Klägerin
urheberrechtlich geschützte Werke in Radio- und Fernsehsendungen zuleiten
darf.