Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 II 489



107 II 489

77. Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. November 1981 i.S. Barmer
Ersatzkasse gegen Luftseilbahn Betten-Bettmeralp AG (Berufung) Regeste

    Internationales Privatrecht; Anwendung einer ausländischen
Subrogationsnorm des Sozialversicherungsrechts.

    Ausländisches öffentliches Recht ist in der Schweiz dann zu
berücksichtigen, wenn es das in der Schweiz anwendbare ausländische
Privatrecht unterstützt (E. 3).

    Ausländische öffentlichrechtliche Subrogationsklauseln des
Sozialversicherungsrechts sind unter dem Vorbehalt der Ähnlichkeit in
der Schweiz anzuwenden, sofern die Rechtsstellung des Haftpflichtigen
dadurch nicht verschlechtert wird. Die Frage der Haftpflicht ist aber
nach dem Recht zu beurteilen, das am Unfallort gilt (E. 4).

    Bei Anwendung des Kumulationsstatuts ist für eine ausländische
Krankenversicherung der Rückgriff auf den Haftpflichtigen nur möglich,
wenn diesen ein Verschulden trifft. Ist der Haftpflichtige eine juristische
Person, so stellt sich die Frage, ob ein Verschulden eines ihrer Organe
vorliegt (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Am 12. Juli 1972 ereignete sich auf der ersten Sektion der
Luftseilbahn Betten-Bettmeralp ein schweres Unglück, bei welchem 12
Personen den Tod fanden und der damals 18jährige Peter Hennemuth aus
Deutschland schwer verletzt wurde.

    Dessen Schadenersatzforderungen wurden durch Urteil des Kantonsgerichts
Wallis vom 6. September 1979 im Betrage von rund Fr. 230'000.--
gutgeheissen. Ferner wurden Peter Hennemuth eine lebenslängliche
monatliche Rente von Fr. 2'700.-- und eine lebenslängliche monatliche
Entschädigung von Fr. 720.-- für Pflegekosten, beide Beträge mit einer
Indexklausel versehen, sowie ein einmaliger Betrag von Fr. 4'500.-- für den
Umbau von Autos zugesprochen, und es wurde ihm davon Akt gegeben, dass die
Luftseilbahn Betten-Bettmeralp AG sich bereit erklärt habe, sämtliche in
Zukunft anfallenden Arzt-, Arznei- und Spitalkosten, die Kosten der Dialyse
und Behandlung sowie der Hilfsmittel (Rollstühle) zu bezahlen, soweit diese
nicht von einer öffentlichen Krankenkasse der Bundesrepublik Deutschland
übernommen werden. In der Begründung dieses Urteils wird ausgeführt,
Peter Hennemuth habe von der Ortskrankenkasse Essen Leistungen in der
Höhe von DM 114'753.-- und von der Barmer Ersatzkasse, bei der er seit
dem 22. Februar 1974 versichert sei, bis Ende 1977 solche in der Höhe von
DM 126'077.78 bezogen; diese Heilungskosten könne er nicht auch noch von
der Luftseilbahn Betten-Bettmeralp AG verlangen.

    B.- Mit Klageschrift vom 8. Juli 1976 machte die Barmer Ersatzkasse
gegen die Luftseilbahn Betten-Bettmeralp AG eine Regressforderung
von Fr. 146'083.40 geltend. Nach durchgeführter Prozessinstruktion
schlossen die Parteien vor dem Kantonsgericht Wallis am 26. Januar 1981
eine Prozessvereinbarung, wonach das Kantonsgericht Wallis nur darüber
zu entscheiden habe, ob die Barmer Ersatzkasse berechtigt sei, die für
Peter Hennemuth erbrachten Krankenkassenleistungen von der Luftseilbahn
Betten-Bettmeralp AG zurückzufordern; für den Fall, dass sich die
Parteien über die Höhe einer allfälligen Regressforderung nicht einigen
könnten, sahen sie ein Schiedsgerichtsverfahren vor. Demgemäss lautete
das Rechtsbegehren der Barmer Ersatzkasse lediglich noch auf Anerkennung
des Regressrechtes. Die Klage wurde mit Urteil des Kantonsgerichts Wallis
vom 27. Februar 1981 abgewiesen.

    C.- Mit ihrer Berufung ans Bundesgericht beantragt die Klägerin die
Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Gutheissung der Klage im
Rahmen der Prozessvereinbarung vom 26. Januar 1981.

    Die Beklagte lässt Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Urteils beantragen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Streitwert des vorliegenden Prozesses übersteigt offensichtlich
den Betrag von Fr. 15'000.--. Es bestehen auch sonst keine Bedenken
gegen die Zulässigkeit der Berufung. Einigen sich die Parteien darauf,
nur einzelne Teile eines Rechtsstreites den staatlichen Gerichten zu
unterbreiten, andere Fragen dagegen einer schiedsgerichtlichen Erledigung
vorzubehalten, so liegt mit Bezug auf die den staatlichen Gerichten
unterbreiteten Streitfragen ein Endurteil vor, das mit der Berufung ans
Bundesgericht weitergezogen werden kann (BGE 41 II 696).

Erwägung 2

    2.- Die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zur Beurteilung
der vorliegenden Klage war schon vor dem Kantonsgericht unbestritten und
bildet nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Weiter sind die Parteien
auch darüber einig, dass die Klägerin eine Körperschaft des deutschen
öffentlichen Rechts ist und dass ihr nach deutschem öffentlichem Recht
(§ 1542 der Reichsversicherungsordnung, RVO) im Sinne einer gesetzlichen
Subrogation ein allgemeines Regressrecht gegen alle jene Personen zusteht,
gegen welche der Versicherte nach anderen gesetzlichen Vorschriften Ersatz
seines Schadens beanspruchen kann.

    Streitig ist zwischen den Parteien lediglich, ob die Klägerin sich im
international-privatrechtlichen Verhältnis gegenüber einem schweizerischen
Beklagten auf dieses Regressrecht berufen könne. Das ist in erster
Linie eine Frage des schweizerischen internationalen Privatrechts,
die der Überprüfung durch das Bundesgericht unterliegt. Dabei besteht
auch Einigkeit darüber, dass die Frage nicht nach einem Staatsvertrag zu
beurteilen ist, weil das einzige in Betracht fallende Abkommen zwischen
der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland
über soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 (AS 1966 S. 602) sich in
der Bundesrepublik Deutschland nur auf Rechtsvorschriften über die
Rentenversicherung, die Altershilfe für Landwirte, die gesetzliche
Unfallversicherung und das Kindergeld sowie in der Schweiz auf die
Alters- und Hinterlassenenversicherung, die Invalidenversicherung, die
staatliche obligatorische Unfallversicherung und die Familienzulagen
bezieht. Dagegen werden Leistungen von Krankenkassen durch dieses
Abkommen nicht erfasst. Keine Bedeutung kommt schliesslich auch dem
im vorinstanzlichen Urteil erörterten sogenannten Quotenvorrecht zu,
weil sich die Frage nach einem solchen Vorrecht nur stellt, wenn ein
Haftpflichtiger lediglich zu teilweisem Ersatz des Schadens verpflichtet
ist (vgl. BGE 104 II 309 E. 9d mit Hinweisen).

Erwägung 3

    3.- § 1542 RVO, auf welchen die Klägerin ihren Regressanspruch
stützt, ist eine Vorschrift des deutschen öffentlichen Rechts.
Nach einem allgemein anerkannten Grundsatz des Völkerrechts gilt
öffentliches Recht in der Regel nur in jenem Staat, der es erlassen
hat (Territorialitätsprinzip). Diesem Grundsatz folgt auch die
bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 95 II 114, 82 I 197, 80 II 61 mit
Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre), jedoch mit der Einschränkung, dass
ausländisches öffentliches Recht in der Schweiz dann zu berücksichtigen
ist, wenn es das in der Schweiz anwendbare ausländische Privatrecht
unterstützt, insbesondere in das Privatrecht oder in privatrechtliche
Verhältnisse vorwiegend oder ausschliesslich zum Schutze privater
Interessen eingreift. Dieser Ausnahmefall liegt hier vor. Bei der
Vorschrift von § 1542 RVO handelt es sich um eine Regressnorm, die, wie
noch darzulegen sein wird, auch in der Schweiz und in anderen Staaten
sowohl im öffentlichen wie im privaten Recht vorzukommen pflegt. Das
Bundesgericht hat schon im Jahre 1913 die öffentlichrechtliche Vorschrift
von § 140 des deutschen Reichs-Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes als
in der Schweiz anwendbar erklärt, weil sie nicht wesentlich von der
Regressordnung von Art. 51 OR abweiche (BGE 39 II 76 ff. E. 4). Auch
das Kantonsgericht Waadt (Urteil vom 16. Januar 1979) und der
Appellationshof des Kantons Bern (ZBJV 100/1964 S. 270 ff.) haben die
Anwendung ausländischer öffentlichrechtlicher Subrogationsklauseln
des Sozialversicherungsrechtes in der Schweiz zugelassen; beide
Urteile betreffen den auch im vorliegenden Fall in Frage stehenden §
1542 RVO. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt steht in dem
in der SJZ 64/1968 S. 135 f. wiedergegebenen Urteil grundsätzlich auf
dem gleichen Standpunkt; es hat die Nichtanwendung einer ausländischen
Subrogationsnorm nur deswegen als nicht willkürlich bezeichnet, weil die
betreffende ausländische (französische) Rechtsordnung nicht Gegenrecht
halte. Der deutsche Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. April 1966 in VersR
1966 S. 662 ff.) und der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich
(Urteil vom 14. Mai 1975 in ZVR 21/1976 S. 79 ff.) haben im gleichen
Sinne entschieden. Diese Auffassung entspricht auch der einhelligen
schweizerischen Lehre (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allgemeine Einleitung
zu Art. 1-17 OR, N. 134-137; VISCHER, Internationales Vertragsrecht,
S. 244 Anm. 1; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I
S. 417; STEIN, Das internationale Sozialversicherungsrecht der Schweiz,
in SZS 15/1971, S. 85 f., 98 f. und 102; KELLER, Die Subrogation
als Regress im internationalen Privatrecht, in SJZ 71/1975, S. 329
Anm. 120). Sie liegt ferner dem Entwurf zu einem Bundesgesetz über das
internationale Privatrecht zugrunde (Art. 13 Abs. 3 und Begleitbericht
zum Gesetzesentwurf, S. 71).

Erwägung 4

    4.- Ist somit die Anwendung einer ausländischen öffentlichrechtlichen
Subrogationsnorm in der Schweiz durch das schweizerische internationale
Privatrecht nicht zum vorneherein ausgeschlossen, so bleibt zu prüfen, nach
welchen Grundsätzen sich die Anwendbarkeit im einzelnen Fall richtet. Dabei
ist vorweg festzuhalten, dass nach allgemeiner Auffassung die Frage der
Haftpflicht nach dem Recht des Unfallortes zu beurteilen ist. Will ein
ausländischer Sozialversicherer aufgrund von ihm erbrachter Leistungen in
die Ansprüche des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtigen subrogieren,
so bieten sich drei Möglichkeiten an, um das auf diese Subrogation
anwendbare Recht zu bestimmen:

    a) Die Subrogation richtet sich wie die Hauptforderung ausschliesslich
nach dem Recht des Unfallortes, im vorliegenden Falle also nach
schweizerischem Recht (sog. Haftpflichtstatut).

    b) Für die Subrogation ist ausschliesslich die Rechtsordnung
massgebend, die das Versicherungsverhältnis zwischen dem Geschädigten und
dem die Subrogation beanspruchenden Sozialversicherungsträger beherrscht,
im vorliegenden Fall also das deutsche Recht (sog. Versicherungsstatut).

    c) Die Subrogation wird nur dann zugelassen, wenn sie im konkreten
Einzelfall sowohl vom Haftpflicht- wie vom Versicherungsstatut vorgesehen
ist (sog. Kumulationsstatut).

    Die herrschende schweizerische Lehre befürwortet die Anwendung
des Kumulationsstatuts (MAURER, aaO, S. 415 ff.; SCHÖNENBERGER/JÄGGI,
aaO, N. 381-383; VISCHER, aaO, S. 243 ff.; STEIN, aaO, S. 99 ff.;
KARRER, Der Regress des Versicherers gegen Dritthaftpflichtige,
Diss. Zürich 1965, S. 107 ff.). Dabei nehmen die meisten Autoren an,
die Frage, ob überhaupt eine Subrogation stattfinde, richte sich
nach dem Versicherungsstatut; der Regress könne aber nur zugestanden
werden, wenn auch das Haftpflichtstatut im zu beurteilenden Falle eine
Subrogation zulassen würde (ähnlich auch KELLER, aaO, S. 328 ff., der
allerdings im Falle öffentlichrechtlicher Subrogationsbestimmungen die
Subrogation generell zulassen will, unter dem Vorbehalt, dass auch das
Haftpflichtstatut die Abtretbarkeit der Forderung zulässt und dass diesem
auch alle mit dem Gläubigerwechsel zusammenhängenden Fragen unterstellt
werden). Demgegenüber steht die bundesgerichtliche Rechtsprechung
vorwiegend auf dem Boden des Versicherungsstatuts, wobei immerhin
festgehalten wurde, die Rechtsstellung des Haftpflichtigen dürfe dadurch
nicht verschlechtert werden (BGE 98 II 237, 88 II 437 E. 3, 85 II 272,
74 II 88 und 39 II 76 E. 4). Damit hat sich aber auch das Bundesgericht im
Grunde für das Kumulationsstatut ausgesprochen. Es hat sinngemäss erklärt,
dass das ausländische Sozialversicherungsrecht unter dem Vorbehalt der
Rechtsähnlichkeit anzuwenden sei. Diese Lösung erscheint als durchaus
angemessen; es rechtfertigt sich, im abkommensfreien Raum ausländisches
Subrogationsrecht nur anzuwenden, wenn dadurch die Lage des einheimischen
Schuldners nicht verschlechtert wird (vgl. MAURER, aaO, S. 416 f.).

    Ebenfalls auf dem Boden des Kumulationsstatuts steht der Entwurf
für ein Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz)
in Art. 142 Abs. 1. Eine Ausnahme ist allerdings vorgesehen für
Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, wozu insbesondere
Sozialversicherungsträger gehören; diese subrogieren ausschliesslich nach
ihrem eigenen Recht, d.h. sie unterstehen dem Versicherungsstatut (Art. 142
Abs. 3; vgl. auch den Begleitbericht zum Gesetzesentwurf, S. 154 ff.). Die
in neuerer Zeit von der Schweiz abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen
sehen meist das Kumulationsstatut vor (Abkommen über soziale Sicherheit mit
Deutschland vom 25. Februar 1964, Art. 39, AS 1966 S. 615, mit Österreich
vom 15. November 1967, Art. 31, AS 1969 S. 25, mit Luxemburg vom 3. Juni
1967, Art. 22, AS 1969 S. 419, mit Spanien vom 13. Oktober 1969, Art. 28,
AS 1970 S. 963, mit den Niederlanden vom 27. Mai 1970, Art. 20, AS 1971
S. 1044, mit Griechenland vom 1. Juni 1973, Art. 28, AS 1974 S. 1693, mit
Portugal vom 11. September 1975, Art. 36, AS 1977 S. 305, und mit Belgien
vom 24. September 1975, Art. 38, AS 1977 S. 726). Demgegenüber folgen
das Abkommen mit Frankreich vom 3. Juli 1975 (Art. 35, AS 1976 S. 2076)
allgemein und jenes mit der Türkei vom 1. Mai 1969 (Art. 22, AS 1971
S. 1776) für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten dem Versicherungsstatut.

Erwägung 5

    5.- Nach dem Ausgeführten ist im vorliegenden Fall das
Kumulationsstatut anzuwenden, d.h. es ist zu prüfen, ob sowohl das
schweizerische wie das deutsche Recht die Subrogation zulassen.

    a) Die Klägerin kann nicht der öffentlichrechtlichen
schweizerischen Unfallversicherungsanstalt gleichgestellt werden,
wie die Berufungsschrift geltend macht. Sie entspricht viel eher einer
schweizerischen Krankenkasse im Sinne des Bundesgesetzes über die Kranken-
und Unfallversicherung (KUVG, SR 832.01). Dieses Gesetz sieht für die
Krankenversicherung (im Gegensatz zur obligatorischen Unfallversicherung,
Art. 100 KUVG) keine allgemeine gesetzliche Subrogation der Träger
der öffentlichrechtlichen Krankenversicherung in Haftpflichtansprüche
ihres Versicherten, dem sie Leistungen erbracht haben, vor. Vielmehr
gilt für die Krankenversicherung die normale Regressordnung von Art. 51
OR (OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, 4. Aufl., Bd. I S. 402 ff.;
MAURER, aaO, S. 384; BGE 104 II 189). Dabei beruht die Leistungspflicht
der Krankenkasse auf Vertrag. Die Krankenkasse gehört also zur zweiten
der in Art. 51 Abs. 2 OR aufgeführten Kategorien; ein Regressanspruch
steht ihr zu gegenüber einem Haftpflichtigen, den ein Verschulden
trifft, nicht aber gegenüber einem solchen, der lediglich kausal, ohne
eigenes Verschulden, haftet. Diese Regelung steht auch in Einklang mit
Art. 72 Abs. 1 VVG, wonach der Versicherer lediglich gegenüber einem aus
Verschulden Haftpflichtigen Regress nehmen kann (Oftinger, aaO, S. 383
ff. mit Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung). Die Klägerin geht in
der Berufungsschrift zu Unrecht von der Annahme aus, eine schweizerische
private Kranken- oder Unfallversicherung hätte gemäss Art. 72 VVG das
gleiche unbeschränkte Regressrecht, wie es der SUVA aufgrund von Art. 100
KUVG zukommt. Vielmehr ist der Vorinstanz zuzustimmen, dass bei Anwendung
des Kumulationsstatuts der Klägerin dann kein Regressanspruch zusteht,
wenn die Beklagte lediglich kausal haftet und ihr keinerlei Verschulden
zur Last fällt.

    Der Vollständigkeit halber sei beigefügt, dass der vom
Bundesrat bereits verabschiedete Entwurf zu einer Revision des
Krankenversicherungsgesetzes in Art. 32 (BBl 1981 II 1253, Erläuterungen
dazu S. 1987) den Trägern der sozialen Krankenversicherung das gleiche
umfassende Regressrecht zugestehen will, wie es die obligatorische
Unfallversicherung gemäss Art. 100 KUVG von Anfang an besessen hat. Es
entspricht der Tendenz in der neueren Gesetzgebung, den Trägern der
Sozialversicherung ganz allgemein die umfassende Subrogation in Ansprüche
des Geschädigten einzuräumen; für die AHV und die Invalidenversicherung
wurde dieses Subrogationsrecht mit der am 1. Januar 1979 in Kraft
getretenen 9. AHV-Revision geschaffen (MAURER, aaO, S. 397).

    b) Zwar ist die Schadenersatzforderung des Peter Hennemuth gestützt auf
die Kausalhaftpflicht der Beklagten nach dem Eisenbahnhaftpflichtgesetz
geschützt worden. Damit ist indessen nicht gesagt, dass die Frage nach
dem Verschulden der Beklagten am Unfall keine Rolle spiele. Vielmehr
ist im Falle einer Kausalhaftpflicht im Zusammenhang mit der Frage des
Regresses nach Art. 72 Abs. 1 VVG und Art. 51 Abs. 2 OR jeweils zu prüfen,
ob dem Kausalhaftpflichtigen zusätzlich ein Verschulden zur Last fällt
(OFTINGER, aaO, S. 349 Anm. 79 und S. 384/85; OSWALD, Das Regressrecht in
der Privat- und Sozialversicherung, SZS 16/1972, S. 30). Trifft dies zu,
steht dem Versicherer, der Entschädigungsleistungen erbracht hat, der
Rückgriff auf den Haftpflichtigen zu. Handelt es sich um die Haftpflicht
einer juristischen Person, so ist ein Verschulden dann zu bejahen, wenn
ein solches einem ihrer Organe zur Last fällt (OFTINGER, aaO, S. 141 und
349). Organ einer juristischen Person ist, wer deren Geschäftsführung
besorgt oder für sie in leitender Stellung tätig ist (BGE 104 II 197
mit Hinweisen).

    Ob die Beklagte im Sinne dieser Betrachtungsweise ein Verschulden
am Unfall vom 12. Juli 1972 trifft, lässt sich aufgrund der Angaben im
angefochtenen Urteil nicht beurteilen. Die Vorinstanz hielt hiezu nur
fest, aus den Strafakten ergebe sich nun wohl, dass Moritz Imhof als
Betriebsleiter ein Organ der Beklagten sei, nicht aber der Mitverurteilte
Blatter, der nur ein Arbeiter gewesen sei, weshalb dessen Verschulden
der Beklagten im Zusammenhang mit dem Regressrecht nicht angerechnet
werden könne. Damit wird aber über ein allfälliges Verschulden von Imhof,
der offenbar als Organ der Beklagten zu gelten hat, nichts ausgesagt. Er
wird lediglich als Mitverurteilter von Blatter bezeichnet. Daraus ergibt
sich, dass er strafrechtlich verurteilt worden ist. Im Strafurteil des
Kantonsgerichts Wallis vom 3./4. März 1977 wurde dem Betriebsleiter
Imhof in der Tat ein schweres Verschulden zur Last gelegt, das zu
dessen Verurteilung zu zehn Monaten Gefängnis wegen fahrlässiger
Tötung, fahrlässiger schwerer Körperverletzung und fortgesetzter
Störung des öffentlichen Verkehrs führte. Nach Art. 53 Abs. 2 OR
ist ein strafrechtliches Erkenntnis mit Bezug auf die Beurteilung
der Schuld und die Bestimmung des Schadens für den Zivilrichter jedoch
nicht verbindlich. Der Zivilrichter ist verpflichtet, mindestens über die
Schuldfrage und die Schadensbestimmung selbständig und frei zu entscheiden.
Er muss im Urteil zum Ausdruck bringen, von welchen Feststellungen
tatsächlicher Natur er bei der Beurteilung der Schuldfrage ausgeht (BGE
107 II 159/160). Das Kantonsgericht hat dies im angefochtenen Urteil
nicht getan. Dem Bundesgericht ist die Beurteilung der Frage, ob der
Betriebsleiter Imhof als Organ der Beklagten zu betrachten sei und ob ihn
am Unfall vom 12. Juli 1972 ein Verschulden treffe, mangels tatsächlicher
Feststellungen im angefochtenen Urteil verwehrt. Die Vorinstanz hat sich
über diese prozessentscheidenden Fragen auszusprechen. Das angefochtene
Urteil muss daher aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen
werden, damit sie die nötigen Feststellungen über die Stellung des
Betriebsleiters Imhof und über sein allfälliges Verschulden treffe und
die sich dabei stellenden Rechtsfragen neu beurteile.

    c) Sollte sich nach Vornahme der notwendigen Abklärungen herausstellen,
dass der Beklagten am Unfall ein Verschulden anzulasten sei, so würde
der Klägerin, auch wenn sie ein Versicherungsträger der schweizerischen
sozialen Krankenversicherung wäre, im Umfang ihrer Leistungen ein
Regressrecht auf die Beklagte nach Art. 72 Abs. 1 VVG und Art. 51 Abs. 2
OR zustehen. Nach deutschem Recht (§ 1542 RVO) stünde ihr dieser Anspruch
in jedem Fall zu. Die Voraussetzungen des Kumulationsstatuts wären demnach
gegeben. Dem könnte nicht etwa entgegengehalten werden, die Stellung des
Schuldners dürfe durch die Subrogation nicht verschlechtert werden. Es
ist nämlich nicht die Stellung des Schuldners, wie sie ohne Subrogation
bestehen würde, mit jener zu vergleichen, die sich bei Bejahung des
Regressrechtes ergibt. Vielmehr ist zu prüfen, ob ein schweizerischer
Haftpflichtiger, dessen Haftpflicht dem schweizerischen Recht unterliegt,
schlechter gestellt ist, wenn er sich einem ausländischen Regressanspruch
gegenübersieht, als wenn ein schweizerischer Sozialversicherungsträger
einen solchen Regressanspruch erheben würde. So betrachtet, könnte von
einer Schlechterstellung der Beklagten nicht gesprochen werden; sie
müsste sich auch dem Regressanspruch einer schweizerischen Krankenkasse
unterziehen.

Erwägung 6

    6.- Schliesslich hat die Beklagte in der Berufungsantwort noch den
Einwand erhoben, die Klägerin könne auch deswegen keinen Regressanspruch
geltend machen, weil Peter Hennemuth zum Zeitpunkt des Unfalles noch gar
nicht bei ihr versichert gewesen, sondern der Kasse erst am 22. Februar
1974 beigetreten sei. Es ist nicht ganz klar, ob die Beklagte diesen
Einwand bereits im Verfahren vor Kantonsgericht erhoben hat. Jedenfalls
ist im vorinstanzlichen Urteil davon mit keinem Wort die Rede, und auch
in den Akten findet sich darüber nichts. Es ist daher fraglich, ob dieser
Einwand überhaupt noch zulässig sei. Das kann aber offen bleiben, weil
er auf jeden Fall unbegründet ist. Voraussetzung für eine Subrogation
ist nach schweizerischem wie nach deutschem Recht ausschliesslich,
dass der Versicherer aufgrund eines Ereignisses Leistungen erbracht
hat, die der Versicherte wegen des gleichen Ereignisses auch gegenüber
dem Haftpflichtigen hätte geltend machen können. Ob der Anspruch des
Versicherten auf Versicherungsleistungen schon mit dem Unfall oder erst
später entstanden ist, ist demgegenüber bedeutungslos.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts Wallis
vom 27. Februar 1981 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im
Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.