Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 II 479



107 II 479

75. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. Dezember 1981 i.S.
Nederlandsche Middenstandsbank (Schweiz) AG gegen Albarella Neve S.A. in
Nachlassliquidation (Revision) Regeste

    Schuldübernahme oder Neuerung?

    Novationsabsicht aufgrund von Parteiäusserungen, Umständen und
angesichts der Interessenlage verneint. Blosse Änderungen am Inhalt des
ursprünglichen Schuldverhältnisses, die dessen Wesen nicht berühren,
haben keine Novationswirkung (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Transitbank Zürich, die ihre Firmenbezeichnung am 7.
Dezember 1977 in Nederlandsche Middenstandsbank (Schweiz) AG änderte,
gewährte der Albarella Neve S.A. am 3. Juli 1975 ein Darlehen im Betrage
von Fr. 4'000'000.-- mit einer Laufzeit bis zum 15. Dezember 1975 und
einem Zinssatz von 8 1/2%. Als Sicherheiten dienten ein Schuldbrief über
Fr. 5'000'000.-- im ersten Rang auf dem Grundstück der Albarella Neve
S.A. in San Bernardino sowie eine Bürgschaft der Helfin Holding S.A. über
Fr. 4'170'000.--. Der Schuldbrief wurde später durch Errichtung einer
erstrangigen Grundpfandverschreibung von Fr. 5'000'000.-- ersetzt.

    Als die Albarella Neve S.A. das am 15. Dezember 1975 fällig gewordene
Darlehen nicht zurückzahlen konnte, gewährte die Transitbank Zürich mit
Verträgen vom 16. Dezember 1975 der Helfin Holding S.A. ein Darlehen
von Fr. 500'000.-- mit einer Laufzeit bis zum 15. Dezember 1976 und
einem Zinssatz von 8 1/2% sowie der Albarval Holding S.A. ein solches
von Fr. 3'500'000.-- mit einer Laufzeit bis zum 15. Juni 1976 und
einem Zinssatz von 8 1/4%. In beiden Verträgen war als Sicherheit unter
anderem die auf dem Grundstück der Albarella Neve S.A. in San Bernardino
lastende Grundpfandverschreibung angeführt. Die Albarella Neve S.A.,
welche die aufgelaufenen Zinsen von Fr. 148'277.80 sowie die vereinbarte
Kreditbearbeitungsgebühr von Fr. 500.-- bezahlt hatte, erkannte die
Transitbank Zürich per 15. Dezember 1975 mit Fr. 4'000'000.--.

    Am 15. Juni 1976 gewährte die Transitbank Zürich der Helfin
Holding S.A. ein Darlehen von Fr. 4'000'000.-- mit einer Laufzeit für
Fr. 500'000.-- bis zum 31. Dezember 1976 und für Fr. 3'500'000.-- bis
zum 15. September 1976 sowie einem Zinssatz von 8%, wobei die Parteien
erklärten, der Vertrag ersetze denjenigen vom 16. Dezember 1975. Unter
den bestellten Sicherheiten wurde wiederum die Grundpfandverschreibung
der Albarella Neve S.A. erwähnt.

    Die Transitbank Zürich forderte am 28. Oktober 1976 die Helfin
Holding S.A. auf, das am 15. September 1976 fällig gewordene Darlehen
von Fr. 3'500'000.-- bis zum 3. November 1976 zurückzuzahlen, unter der
Androhung, dass im Säumnisfall das gesamte Darlehen von Fr. 4'000'000.--
zur Rückzahlung fällig werde. Nachdem binnen Frist keine Zahlung
eingegangen war, leitete die Transitbank Zürich am 15. November 1976
Betreibung auf Grundpfandverwertung ein.

    Der Albarella Neve S.A. wurde am 23. November 1976 eine
Nachlassstundung gewährt. Am 11. Februar 1977 meldete die Transitbank
Zürich eine Forderung von Fr. 5'000'000.-- an und verwies auf
die errichtete Grundpfandverschreibung von Fr. 5'000'000.--. Der
Nachlassliquidator wies die beantragte Kollozierung ab und setzte Frist
zur Erhebung der Kollokationsklage.

    Die von der Nederlandsche Middenstandsbank (Schweiz) AG gegen die
Albarella Neve S.A. erhobene Klage wurde vom Kantonsgericht von Graubünden,
an das die Parteien den Prozess prorogiert hatten, abgewiesen. Das
Bundesgericht heisst sie teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- (Zu beurteilen bleibt, ob die Schuld der Beklagten gegenüber
der Klägerin durch die Vereinbarung vom 16. Dezember 1975 von der
Helfin Holding S.A. übernommen wurde, oder ob zwischen dieser und der
Klägerin damals oder durch die Vereinbarung vom 15. Juni 1976, soweit
die ursprüngliche Forderung von Fr. 500'000.-- betreffend, ein neues
Schuldverhältnis begründet wurde.)

Erwägung 3

    3.- Die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen
wird gemäss Art. 116 Abs. 1 OR nicht vermutet. Um Neuerung anzunehmen,
bedarf es der unzweideutigen Willensäusserung der Vertragsparteien
über den Untergang der alten Forderung. Den Neuerungswillen hat jener,
der sie behauptet, nachzuweisen, vorliegend also die Beklagte. Novation
ergibt sich nicht bereits aus der Tatsache, dass ein neuer Schuldschein
ausgestellt wird. Gegen eine Novationsabsicht spricht das Bestehen
von Sicherheiten, die der Gläubiger verlieren würde, wenn er sich auf
Neuerung einliesse. Sie ist deshalb nicht leichthin anzunehmen, wenn der
Gläubiger kein Interesse an einer solchen hatte. Parteiäusserungen und
Interessenlage sind somit in erster Linie massgebend für den Entscheid, ob
die alte Schuld unterging oder fortbesteht. Blosse Änderungen am Inhalt
des ursprünglichen Schuldverhältnisses, welche wie die Veränderung der
Schuldhöhe, der Laufzeit, des Zinsfusses oder der bestellten Sicherheiten
dessen Wesen nicht berühren, haben keine Novationswirkung (BGE 33 II 145,
31 II 94; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 14 und 18 zu Art. 116 OR; BECKER, N. 9 und
10 zu Art. 116 OR; VON TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen
Obligationenrechts, S. 182; VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht,
Allgemeiner Teil, S. 364; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse,
S. 520).

    Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Kantonsgerichts
vermochte die Beklagte das ihr von der Klägerin gewährte Darlehen
von Fr. 4'000'000.-- am 15. Dezember 1975 nicht zurückzuzahlen. Dies
war der Anlass für die am 16. Dezember 1975 zwischen der Klägerin und
der Helfin Holding S.A. sowie der Albarval Holding S.A. geschlossenen
Verträge. Im Schreiben vom 16. Dezember 1975, mit dem die Klägerin den
von ihr ausgestellten Formularvertrag den beiden zur Unterzeichnung
zusandte, nahm sie Bezug auf das gestellte Kreditgesuch und teilte
mit, dass diesem entsprochen worden sei, so dass der per 15. Dezember
1975 fällig gewesene Kredit der Beklagten mit Fr. 500'000.-- auf die
Helfin Holding S.A., mit Fr. 3'500'000.-- auf die Albarval Holding
S.A. umgeschuldet und um ein Jahr beziehungsweise um sechs Monate
verlängert werde. Diesen Äusserungen kann keinerlei Novationsabsicht
der Klägerin entnommen werden. Sie weisen vielmehr eindeutig in Richtung
einer blossen Schuldübernahme. Es wurde, wie das Kantonsgericht zutreffend
feststellt, je ein neuer Darlehensvertrag ausgefertigt und unterzeichnet,
die ursprüngliche Schuld in zwei Teile aufgespalten sowie die Fälligkeit
und der Zinssatz unterschiedlich festgesetzt. Für die aufgeteilte
Schuld wurden nebst der von der Beklagten errichteten, als Sicherheit
beibehaltenen Grundpfandverschreibung zusätzliche Sicherheiten bestellt
und diese für weitere der Helfin Holding S.A. und der Albarval Holding
S.A. gewährte Kredite haftbar erklärt. Dadurch wird keine Novation
herbeigeführt, zumal durch die neuen Darlehensverträge an sich, und
insbesondere im Lichte des Schreibens vom 16. Dezember 1975 betrachtet,
in die Substanz der ursprünglichen Forderung weder eingegriffen wurde
noch eingegriffen werden wollte. Statt Schuldübernahme- Darlehensverträge
abzuschliessen und entsprechende Urkunden auszustellen, dürfte gemäss
allgemeiner Erfahrung ohnehin lediglich auf dem Geschäftsgebrauch der
Klägerin als Bankinstitut beruht haben (BGE 20, S. 616 E. 7).

    Da dem Schreiben vom 16. Dezember 1975 zufolge sowohl die Helfin
Holding S.A. wie auch die Albarval Holding S.A. um Kreditgewährung
ersucht hatten, stand es im Belieben der Klägerin, ob sie die fällige
Darlehensforderung gegenüber der Beklagten zur Vollstreckung bringen
oder den beiden Gesuchstellerinnen Kredit gewähren wollte. Dieser
Umstand sowie das unbestreitbare Interesse der Klägerin daran, möglichst
umfassend gesichert zu sein und zu bleiben, sprechen eindeutig gegen
die Absicht einer Neuerung, durch welche sie die ihr von der Beklagten
bestellte ursprüngliche Sicherheit verloren hätte. Weil das Kantonsgericht
feststellt, die Beklagte habe das ihr gewährte Darlehen bei Fälligkeit
am 15. Dezember 1975 nicht zurückzahlen können, kann für die Frage,
ob ein neues Schuldverhältnis begründet wurde, nichts auf die in den
Schreiben vom 8. Januar und 16. Juli 1976 an das Grundbuchamt Mesocco
enthaltene unzutreffende Äusserung der Klägerin ankommen, der Kredit sei
zurückbezahlt. Eine Erfüllung der Verbindlichkeit durch die Beklagte hat
offensichtlich nicht stattgefunden und somit notwendigerweise auch keine
geldmässige Auszahlung an die Helfin Holding S.A. und an die Albarval
Holding S.A. Entscheidend kann demzufolge ebensowenig die Tatsache sein,
dass dem Konto der Beklagten am 15. Dezember 1975 eine Vergütung von
Fr. 500'000.-- durch die Helfin Holding S.A. und von Fr. 3'500'000.--
durch die Albarval Holding S.A. gutgeschrieben wurde. Denn sie offenbart
nichts weiter als die buchhalterische Erledigung des Geschäftes, die sowohl
bei Novation wie bei blossem Schuldnerwechsel nur so geschehen konnte,
dass das Konto der Beklagten mit Fr. 4'000'000.-- erkannt wurde, während
jenes der Helfin Holding S.A. mit Fr. 500'000.-- und jenes der Albarval
Holding S.A. mit Fr. 3'500'000.-- belastet wurden. Ohne Belang ist deshalb
der unwiderrufliche Vergütungsauftrag der Albarval Holding S.A. vom 9.
Dezember 1975. Es ist unbestritten, dass die Beklagte die bis 15. Dezember
1975 aufgelaufenen Zinse sowie die Kreditbearbeitungsgebühr beglich. Eine
Veränderung in der Höhe der Schuld hat indessen, wie ausgeführt, keine
Novationswirkung.

    Fehlt es am Nachweis eines Neuerungswillens, sprechen
Parteiäusserungen, Umstände sowie Interessenlage vielmehr für einen
blossen Schuldnerwechsel, und wird die Tilgung einer alten Schuld durch
Begründung einer neuen von Gesetzes wegen nicht vermutet, so folgt daraus,
dass die von der Beklagten ursprünglich bestellte Sicherheit der Klägerin
auch später noch haftete. Was für den Vorgang vom 16. Dezember 1975 gilt,
muss uneingeschränkt und um so mehr für jenen vom 15. Juni 1976 Geltung
haben, bei dem die Helfin Holding S.A. für Fr. 500'000.-- Schuldnerin
der Klägerin blieb.