Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 II 44



107 II 44

9. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Februar 1981 i.S.
Regionalspital St. Maria gegen AG für Isolierungen AGI (Berufung) Regeste

    Bauhandwerkerpfandrecht an der Spitalliegenschaft eines Vereins:
Art. 839 ff. ZGB.

    1. Für die Frage der Verpfändbarkeit ist nicht bloss auf den Zweck
abzustellen, dem das Grundstück dient, sondern darauf, ob dieses zum
Verwaltungsvermögen der öffentlichen Hand gerechnet werden muss. Letzteres
trifft dann zu, wenn die Sache in der Verfügungsgewalt des Staates steht
(E. 1b).

    2. Art. 9 und Art. 10 des BG über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden
und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts, wonach
Vermögenswerte nicht gepfändet und nicht verpfändet werden können, gilt nur
für Sachen, die im Eigentum der Gemeinden und anderer Körperschaften des
kantonalen öffentlichen Rechts stehen, nicht aber für solche im Eigentum
privatrechtlicher Körperschaften (E. 1c).

Sachverhalt

    A.- Im Jahre 1972 schloss das Regionalspital St. Maria in Visp als
Bauherr mit Oskar Studer in Visp als Unternehmer einen Werkvertrag ab
über die Ausführung sanitärer Installationen sowie die Isolierung der
sanitären Installationen. Der Unternehmer Studer übertrug in der Folge
die Ausführung der Isolierungsarbeiten der AG für Isolierungen AGI in
Zürich als Unterakkordantin. Diese verlangte nach Vollendung der ihr
übertragenen Arbeiten für den unbezahlt gebliebenen Rechnungsbetrag von
Fr. 73'993.15 die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts
auf der Spitalliegenschaft. Mit Verfügung vom 3. Juli 1974 bewilligte der
Instruktionsrichter in Visp superprovisorisch die vorläufige Eintragung,
welche gleichentags im Grundbuch vorgenommen wurde. Erst am 12. November
1976 traf der Instruktionsrichter auf wiederholtes Drängen der AG für
Isolierungen AGI die endgültige Verfügung über die vorläufige Eintragung
des Bauhandwerkerpfandrechts. Darin befristete er die Wirkung der
vorläufigen Eintragung bis auf einen Monat nach Rechtskraft des die Frage
der definitiven Eintragung beantwortenden Urteils und setzte Klageerhebung
an, unter der Androhung, dass sonst die provisorische Eintragung des
Buahandwerkerpfandrechts im Grundbuch gelöscht würde. Aufgrund dieser
Verfügung erfolgte wiederum ein entsprechender Eintrag im Grundbuch.

    B.- Innerhalb der vom Instruktionsrichter angesetzten Frist erhob
die AG für Isolierungen AGI gegen das Regionalspital St. Maria Klage
auf Feststellung der ihr als Unterakkordantin zustehenden Forderung von
Fr. 73'993.15 und auf definitive Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts
in diesem Betrag. Da im Laufe des Verfahrens Fr. 36'442.65 an die Klägerin
bezahlt wurden, reduzierte sich die den Gegenstand der Klage bildende
Forderung auf Fr. 37'550.50. Mit Urteil vom 10. Oktober 1980 hiess das
Kantonsgericht des Kantons Wallis die Klage, abgesehen vom ebenfalls
geltend gemachten Zins, gut und wies das Grundbuchamt in Brig an, das
Bauhandwerkerpfandrecht zugunsten der Klägerin auf dem Grundstück Nr. 2140
des beklagten Spitals im Betrage von Fr. 37'550.50 definitiv einzutragen.

    C.- Gegen dieses Urteil hat das Regionalspital St. Maria sowohl
Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht
erhoben. In der Berufung stellt es den Antrag, die Klage sei in Aufhebung
des angefochtenen Urteils abzuweisen und das Grundbuchamt in Brig
anzuweisen, die provisorische Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts
zugunsten der Klägerin zu löschen. Die AG für Isolierungen AGI beantragt
die Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Es wird geltend gemacht, das Regionalspital St. Maria erfülle
eine öffentliche Aufgabe im Gesundheitswesen des Kantons Wallis und diene
ausschliesslich der Verfolgung öffentlicher Zwecke. Die Spitalliegenschaft
sei deshalb ungeachtet der privaten Organisationsform des Spitals
als eine öffentliche Sache zu betrachten. Als solche könne sie weder
in eine Zwangsvollstreckung einbezogen werden, noch Gegenstand eines
Bauhandwerkerpfandrechts im Sinne von Art. 839 ff. ZGB sein.

    a) Es ist unbestritten und steht aufgrund des angefochtenen Urteils
sowie der Akten fest, dass es sich bei der Trägerschaft des Regionalspitals
St. Maria um einen privatrechtlich organisierten Verein im Sinne der
Art. 60 ff. ZGB handelt, dessen Mitglieder vorwiegend Gemeinden, daneben
aber auch juristische Personen des Privatrechts sowie vereinzelt sogar
natürliche Personen sind. In der Berufung wird jedoch die vorinstanzliche
Feststellung, dass das Spital eine weitgehend öffentliche Aufgabe erfülle,
als auf einem offensichtlichen Versehen beruhend beanstandet. Unter Hinweis
auf die Ordnung des Spitalwesens im Kanton Wallis wird geltend gemacht,
es handle sich um ein Spital, das ausschliesslich öffentlichen Zwecken
diene. Daraus wird abgeleitet, dass das Spital eine öffentliche Sache
sei, die nicht mit beschränkten dinglichen Rechten wie einem Pfandrecht
belastet werden könne.

    b) Ob das beklagte Spital lediglich weitgehend oder aber
ausschliesslich der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe diene, ist
für die Zulässigkeit der Begründung von Bauhandwerkerpfandrechten an
der Spitalliegenschaft nicht von Bedeutung. Es erübrigt sich daher
zu prüfen, ob die in der Berufung als versehentlich beanstandete
Feststellung der Vorinstanz im Widerspruch zu den Akten stehe. Für die
Frage der Verpfändbarkeit kommt es rechtlich zunächst darauf an, ob
das Bundesprivatrecht auf die Rechtsverhältnisse an dieser Liegenschaft
vollumfänglich zur Anwendung gelangt oder ob seine Anwendbarkeit durch
das öffentliche Recht beschränkt wird. Dabei ist entgegen der Auffassung
des Beklagten nicht bloss auf den Zweck abzustellen, dem das Grundstück
dient, sondern vielmehr darauf, ob dieses zum Verwaltungsvermögen der
öffentlichen Hand gerechnet werden muss. Nur dieses Vermögen ist neben
den Sachen im Gemeingebrauch, wozu Spitalgebäulichkeiten zum vornherein
nicht gehören, der Herrschaft des Bundesprivatrechts ganz oder teilweise
entzogen (MEIER-HAYOZ, N. 3 und 5 ff. zu Art. 664 ZGB sowie N. 112
des systematischen Teils; vgl. im übrigen auch LIVER, Das Eigentum, in:
Schweizerisches Privatrecht, Bd. V-1, S. 128).

    Damit eine Sache dem Verwaltungsvermögen zugerechnet werden kann,
genügt es nicht, dass sie öffentlichen Zwecken dient, sondern sie muss
zusätzlich in der Verfügungsgewalt des Staates stehen, sei es aufgrund
des Eigentums oder eines beschränkten dinglichen oder ausnahmsweise
auch eines persönlichen Rechts (GRISEL, Droit administratif suisse,
S. 282/283 und 290/291). Wenn der Staat die Erfüllung einer öffentlichen
Aufgabe einer Rechtsperson des Privatrechts überlässt, gehören die
im Eigentum dieser Person stehenden Sachen nicht zum staatlichen
Verwaltungsvermögen, solange sich der Staat das Verfügungsrecht darüber
nicht ausdrücklich gesichert hat. Er muss es deshalb hinnehmen, dass diese
Sachen vollumfänglich dem Privatrecht unterstellt bleiben und damit auch
Gegenstand einer Zwangsvollstreckung bilden können. Das gleiche gilt, wenn
verschiedene Gemeinden oder andere öffentlichrechtliche Körperschaften
sich zur Verfolgung öffentlicher Zwecke unter einer privatrechtlichen
Rechtsform, sei es als Verein, Genossenschaft oder Aktiengesellschaft,
zusammenschliessen und auf diese Weise am Rechtsverkehr teilnehmen. Auch
in einem solchen Fall können sie sich nicht darauf berufen, dass die ihnen
zu Eigentum zustehenden Sachen wegen der von ihnen verfolgten öffentlichen
Zwecke als Verwaltungsvermögen zu behandeln und daher von der Anwendung
des Bundesprivatrechts ganz oder teilweise auszunehmen seien. Etwas
anderes ergibt sich auch nicht aus den in der Berufung zitierten Stellen
des Kommentars von MEIER-HAYOZ (insbesondere N. 64 ff. zu Art. 664
ZGB). Ganz abgesehen davon, dass sich diese Ausführungen nur auf die
Sachen im Gemeingebrauch - somit also nicht auf das Verwaltungsvermögen -
beziehen (so ausdrücklich N. 14 zu Art. 664 ZGB), geht auch MEIER-HAYOZ
davon aus, dass der öffentliche Charakter einer im Privateigentum einer
im stehenden Sache nicht nur eine entsprechende staatliche Widmung
voraussetzt, sondern dass der Staat aufgrund eines öffentlichrechtlichen
oder privatrechtlichen Titels auch wirklich befugt sein muss, die Sache zur
Verfolgung öffentlicher Zwecke zu gebrauchen (N. 66 zu Art. 664 ZGB). An
einem solchen Verfügungsrecht des Staates fehlt es aber hier.

    c) Was die Begründung eines Pfandrechts im besondern anbetrifft,
ergibt sich die Anwendbarkeit des Bundesprivatrechts im übrigen auch
aufgrund folgender Überlegung:

    Selbst wenn die Spitalliegenschaft entgegen dem soeben Ausgeführten als
eine öffentliche Sache zu betrachten wäre, würde sich die Möglichkeit
der Bestellung eines Pfandrechts an ihr danach richten, ob im Falle
einer Zwangsvollstreckung auf die Liegenschaft gegriffen werden
kann. Die gültige Bestellung eines Pfandrechts setzt mit andern Worten
die Zulässigkeit einer Pfandverwertung voraus (BGE 103 II 235 f. und
dort wiedergegebene Literaturzitate). Nach Art. 30 Ziff. 3 SchKG findet
dieses Gesetz keine Anwendung auf die Zwangsvollstreckung gegen Kantone,
Bezirke und Gemeinden, soweit hierüber besondere eidgenössische oder
kantonale Vorschriften bestehen. Eine Beschränkung der Möglichkeit
der Zwangsvollstreckung müsste sich somit auf besondere Vorschriften
des Bundes oder der Kantone stützen können. Die Schuldbetreibung gegen
Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts
unterliegt seit dem Erlass des diesbezüglichen Bundesgesetzes vom
4. Dezember 1947 (SR 282.11) einer abschliessenden bundesrechtlichen
Regelung. Danach kann das Verwaltungsvermögen eines Gemeinwesens weder
gepfändet noch verwertet und daher auch nicht gültig verpfändet werden,
solange es öffentlichen Zwecken dient (Art. 9 und Art. 10 des erwähnten
Gesetzes). Diese Beschränkung gilt jedoch nur für Sachen, die im Eigentum
der Gemeinden und anderer Körperschaften des kantonalen öffentlichen
Rechts stehen, nicht aber für solche im Eigentum privatrechtlicher
Körperschaften. Diesen gegenüber bleibt das SchKG vielmehr unbeschränkt
anwendbar, was vernünftigerweise dazu führt, dass die Verpfändung der im
Eigentum solcher Körperschaften stehenden Sachen ebenfalls zulässig sein
muss. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich somit die Begründung
eines Bauhandwerkerpfandrechts an der Spitalliegenschaft des Beklagten als
zulässig (im gleichen Sinn auch R. SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht,
S. 68).