Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 II 419



107 II 419

67. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. November 1981 i.S.
Grüninger gegen Neumann (Berufung) Regeste

    Erwerb eines Handelsgeschäfts durch Kauf aller Aktien.

    1. Bei unrichtiger Erfüllung kann der Käufer sich wahlweise auf
Gewährleistung oder einen Willensmangel berufen. Voraussetzungen einer
Gewährleistung gemäss Art. 197 ff. OR für den wirtschaftlichen Wert der
Aktien (E. 1).

    2. Prüfungspflicht des Käufers gemäss Art. 201 OR bei Zusicherungen.
Umstände, die eine absichtliche Täuschung im Sinne von Art. 203 OR
ausschliessen (E. 2).

    3. Art. 20 Abs. 2 OR. Teilweise Unverbindlichkeit eines Vertrages;
Tat- und Rechtsfragen (E. 3a). Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens;
Anspruch auf Beweisabnahme gemäss Art. 8 ZGB (E. 3b).

    4. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR. Umstände, unter denen ein Irrtum über
die Vermögenswerte der Gesellschaft als wesentlich und kausal für den
Vertragsabschluss anzusehen ist (E. 3c).

Sachverhalt

    A.- Die Ibelo-F. Neumann-Lienhard AG in Zürich handelt mit
Feuerwerkskörpern und anderen Bazarwaren, die zum Wiederverkauf bestimmt
sind. Ihr Grundkapital von Fr. 300'000.-- ist in 300 Namenaktien zerlegt.

    Mit Vertrag vom 20. Dezember 1977 verkaufte Ferdinand Neumann diese
Aktien, die alle ihm gehörten, zum Preise von Fr. 250'000.-- an Willy
Grüninger. Fr. 50'000.-- davon waren sofort zu bezahlen; der Rest war
mit 5% zu verzinsen und in zwei Raten von je Fr. 100'000.-- Ende 1978 und
1979 zu tilgen. Die aufgeschobenen Forderungen wurden vom Käufer durch eine
Bankgarantie im vollen Betrag sichergestellt. Unter Ziff. II des Vertrages
erklärten die Parteien, dass der Kaufpreis "sich in genauer Höhe aus der
Substanz des Warenlagers und dem Zeitwert des Inventars" vom 30. September
1977 ergebe und "dem inneren Wert" entspreche. Gemäss Bilanz vom gleichen
Tag bestanden die Aktiven der Gesellschaft insbesondere aus Waren im
Werte von Fr. 306'773.30 und einem Verlustvortrag von Fr. 53'992.38 der
zu Fr. 41'596.03 auf 1976 und zu Fr. 12'396.35 auf 1977 entfiel.

    Im Juni 1978 verlangte Grüninger eine Herabsetzung des Kaufpreises,
weil das Warenlager zahlreiche Ladenhüter umfasse und in der
Übernahmebilanz krass überwertet worden sei, was er erst nachträglich
erfahren habe. Ferdinand Neumann liess weder das eine noch das andere
gelten.

    B.- Im Januar 1979 klagte Grüninger gegen Neumann auf Feststellung,
dass er ihm nur noch Fr. 65'000.-- nebst Zins seit 1. Januar 1978 schulde
und die Forderung am 30. Dezember 1979 fällig sei. Er beantragte ferner,
die Bankgarantie auf diesen Betrag herabzusetzen und den Beklagten zu
verpflichten, ihm die entsprechenden Bankspesen zu vergüten.

    Der Beklagte widersetzte sich diesen Begehren und erhob Widerklage auf
Zahlung von Fr. 105'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Januar 1979. Er forderte
damit die Ende 1978 fällige Rate und Fr. 5'000.-- ausstehende Zinsen.

    Das Bezirksgericht Zürich und auf Appellation hin am 25. November
1980 auch das Obergericht des Kantons Zürich wiesen die Klage ab und
hiessen die Widerklage gut.

    Der Kläger beschwerte sich beim Kassationsgericht des Kantons
Zürich, das am 30. Juni 1981 die Erwägungen des Obergerichts, wonach
die Herabsetzung des Kaufpreises nur teilweise substanziert worden sei,
strich und die Beschwerde im übrigen abwies, soweit darauf einzutreten war.

    C.- Eine Berufung des Klägers, der an seinen Rechtsbegehren festhielt,
hiess das Bundesgericht dahin gut, dass es das Urteil des Obergerichts
aufhob und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an
die Vorinstanz zurückwies.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach ständiger Rechtsprechung hat der Käufer bei unrichtiger
Erfüllung die Wahl, ob er gemäss Art. 197 ff. OR auf Gewährleistung klagen
oder nach Art. 97 ff. OR Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen
oder den Vertrag wegen eines Willensmangels im Sinne von Art. 23 ff. OR
anfechten will (BGE 98 II 20/21, 88 II 412, 84 II 517/18 mit weiteren
Hinweisen); anders verhält es sich nur beim Viehkauf (BGE 70 II 48).
Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche, die aus Mängeln der Kaufsache
abgeleitet werden, unterliegen dabei in bezug auf die Verjährung,
die Prüfung der Ware und die Mängelrüge den gleichen Vorschriften
(BGE 107 II 231/32 mit Zitaten). Die Anfechtung wegen Irrtums hängt
dagegen nicht von den besonderen Voraussetzungen der Sachgewährleistung
ab, selbst wenn der Irrtum sich auf eine wesentliche Eigenschaft der
Kaufsache bezieht; diesfalls genügt in der Regel, dass der Käufer sich
innert der Frist des Art. 31 OR auf Irrtum beruft, gleichviel ob er die
Sache geprüft und allfällige Mängel dem Verkäufer sogleich angezeigt
habe (BGE 84 II 517, 82 II 422). Nach CAVIN (Schweiz. Privatrecht Bd.
VII/1 S. 119) berücksichtigt die Praxis in Fällen von Irrtum freilich
auch die Sorgfalt des Käufers, dem normalerweise zugemutet werden könne,
den Verkäufer unverzüglich zu benachrichtigen, wenn er entdeckt, dass er
über eine wesentliche Eigenschaft getäuscht worden ist. Daraus darf indes
nicht abgeleitet werden, seine Klage oder Einrede wegen Willensmängeln
unterliege den allgemeinen Voraussetzungen der Mängelrüge gemäss Art. 201
OR, mag in einer verspäteten Prüfung und Anzeige je nach den Umständen
auch ein Verhalten erblickt werden, das der Käufer sich im Rahmen der
Art. 25 und 26 OR entgegenhalten lassen muss.

    Die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bis in die neueste
Zeit in der Lehre und im Schrifttum teils ausdrücklich gebilligt (GIGER,
N. 62 und 64 zu Art. 197-210 OR mit Hinweisen; mit gewissen Vorbehalten
ferner BÜHLER, in SJZ 74/1978 S. 1 ff.), teils aber auch kritisiert oder
angezweifelt worden (CAVIN, aaO, S. 117/18 und in Semaine judiciaire
91/1969 S. 329 ff.;

GUHL/MERZ/KUMMER, OR S. 353; KOLLY, Der Grundlagenirrtum nach Art. 24
OR, Diss. Freiburg 1978 S. 103 ff. mit weiteren Zitaten). Darauf
zurückzukommen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, zumal die
Vorschriften über die Anfechtung von Verträgen wegen Willensmängeln sich
gerade bei einem Aktienkauf als notwendige Ergänzung erweisen.

    Ein solches Rechtsgeschäft ist nach den Bestimmungen über den
Fahrniskauf (Art. 187 ff. OR) zu beurteilen, selbst wenn die Aktien
nicht herausgegeben, folglich auch nicht in Wertpapieren verbrieft worden
sind; Art. 187 Abs. 1 OR beschränkt den Gegenstand des Kaufes nicht auf
verurkundete Rechte oder körperliche Sachen (GIGER, N. 23/24 zu Art. 187
OR). Die gesetzliche Gewährleistung bezieht sich aber nicht auf die
Vermögenswerte der Gesellschaft, sondern ist auch bei einem Verkauf aller
Aktien bloss für den Bestand und Umfang der damit veräusserten Rechte
gegeben. Für den wirtschaftlichen Wert der Aktien haftet der Verkäufer
gemäss Art. 197 OR nur dann, wenn er dafür besondere Zusicherungen
abgegeben hat und der Käufer sich seinerseits an die Vorschriften
des Art. 201 OR hält. Liegt über die Vermögenswerte der Gesellschaft
ein Irrtum vor, so kann der Erwerber den Aktienkauf dagegen wegen des
Willensmangels anfechten (BGE 79 II 159 ff.). Diese Auffassung wird von
CAVIN (aaO S. 78/79) und GUHL/MERZ/KUMMER (OR S. 342) geteilt, von GIGER
(N. 85-89 zu Art. 197 OR) aber als zu weitgehend abgelehnt; er möchte
bei Verkauf sämtlicher Aktien vom Erfordernis besonderer Zusicherungen
abgesehen wissen, weil der Käufer diesfalls die Herrschaft über ein
Unternehmen erlangen wolle, das durch die Aktien repräsentiert werde.

Erwägung 2

    2.- ob vorliegend in Ziff. II des Vertrages solche Zusicherungen oder
blosse Angaben über den Vermögenswert des Unternehmens zu erblicken seien
(vgl. BGE 91 II 354/55; GIGER N. 47 zu Art. 197 OR; GUHL/MERZ/KUMMER, OR
S. 343), kann dahingestellt bleiben. So oder anders hat der Kläger sich
nicht an Art. 201 OR gehalten, der auch für zugesicherte Eigenschaften
gemäss Art. 197 OR gilt (BGE 81 II 56). Nach dem angefochtenen Urteil hat
er das Warenlager, das den weitaus grössten Aktivposten der Gesellschaft
ausmachte, mit dem Vertragsabschluss vom 20. Dezember 1977 übernommen, dem
Beklagten deswegen aber erst am 29. Juni 1978 geschrieben. Die Vorinstanz
hält ihm mit Recht entgegen, dass er die inventarisierten Waren, die
angeblich weitgehend aus Ladenhütern bestanden, spätestens anfangs Januar
1978 hätte prüfen und beanstanden müssen, wenn er den Kaufpreis deswegen
im Sinne von Art. 205 OR gemindert wissen wollte.

    Nach dem, was in tatsächlicher Hinsicht feststeht, kann auch von einer
absichtlichen Täuschung im Sinne von Art. 203 OR nicht die Rede sein. Der
Kläger ist Verwaltungsrat zahlreicher Wirtschaftsunternehmen und gilt
als erfahrener Geschäftsmann. Wie aus seinem Brief vom 11. August 1977
an die Neutra Treuhand AG erhellt, wusste er sich namentlich über die
Bewertung des Warenlagers richtig zu erkundigen. Der Kläger durfte sich
zu diesem Zweck auch an die Lieferfirma Ibelo wenden, mit der ihn der
Beklagte an der Frankfurter Messe bekannt gemacht hatte. Was der Kläger
gegen diese Feststellungen des angefochtenen Urteils vorbringt, um eine
absichtliche Täuschung des Beklagten darzutun, ist als unzulässige Kritik
an der Beweiswürdigung des Obergerichts nicht zu hören (BGE 98 II 78/9,
96 II 27 E. 2b, 95 II 146 mit Hinweisen). Dass die Vorinstanz dabei den
Rechtsbegriff der absichtlichen Täuschung verkannt habe, ist nicht zu
ersehen; insbesondere lässt sich nicht sagen, sie habe ihn mit einem
allfälligen Mitverschulden des Getäuschten vermengt. Fragen kann sich
daher bloss, ob der Kläger sich über einen Sachverhalt geirrt habe, der
für beide Parteien zur Grundlage des Vertrages gehörte, und ob er sich
deswegen auf einseitige Unverbindlichkeit berufen könne.

Erwägung 3

    3.- Das Obergericht geht zu Recht davon aus, dass der Kläger
Fr. 50'000.-- bezahlt und die verbleibende Schuld bis zum Betrag von Fr.
65'000.-- stets anerkannt hat, den Vertrag folglich nur teilweise nichtig
erklärt wissen will.

    a) Betrifft ein Verstoss im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR bloss einzelne
Teile eines Vertrages, so sind gemäss Abs. 2 nur diese nichtig, wenn nicht
anzunehmen ist, dass der Vertrag ohne sie überhaupt nicht geschlossen
worden wäre. Es handelt sich dabei um eine Schutzvorschrift zugunsten
der Partei, die bei Teilnichtigkeit des Vertrages benachteiligt würde;
sie gestattet dem Richter nicht, die Ganznichtigkeit auszusprechen,
wenn die dem Nachteil ausgesetzte Partei selber am übrigen Vertrag
festhält. Sie ist nach ständiger Rechtsprechung sinngemäss auch anzuwenden,
wenn nur einzelne Klauseln unter einem Willensmangel zustande gekommen
sind und der Vertrag teilbar ist. Dies trifft zu, wenn die vereinbarten
Leistungen und Gegenleistungen durch die Beschränkung der Nichtigkeit
oder Unverbindlichkeit auf einen Teil des Vertrages miteinander in das
zulässige Gleichgewicht gebracht werden können (BGE 99 II 309, 96 II 106,
80 II 334 E. a, 78 II 217). Wie es sich damit im Einzelfall verhält, ist
eine Frage der Vertragsauslegung oder der allgemeinen Lebenserfahrung und
damit der Rechtsanwendung, die vom Bundesgericht auf Berufung hin frei
überprüft werden darf. Dazu gehört auch die Bestimmung des mutmasslichen
Parteiwillens, von dem Art. 20 Abs. 2 OR die teilweise Nichtigkeit oder
Unverbindlichkeit abhängig macht. Gebunden ist das Bundesgericht dagegen
an Feststellungen der Vorinstanz über Tatsachen, die bei der Ermittlung
dieses Willens als Anhaltspunkte in Betracht kommen (BGE 107 II 218/19,
86 II 187/88, 80 III 57, 76 II 15 und 279).

    b) Nach dem angefochtenen Urteil ist nicht anzunehmen, dass der
Beklagte die Aktien auch zum Preise von Fr. 115'000.--, den der Kläger nach
Beseitigung seines angeblichen Irrtums über den Wert des Warenlagers für
angemessen hält, verkauft hätte. Das Obergericht begründet dies damit,
dass der Beklagte eine entsprechende Offerte, die ihm am 23. März 1977
von der Ibelo, d.h. von der deutschen Hauptlieferantin der Gesellschaft
unterbreitet worden sei, ausdrücklich abgelehnt habe; er verfüge zudem
über erhebliche finanzielle Mittel und sei daher nicht gezwungen gewesen,
die Aktien zu verkaufen, um Verluste der Gesellschaft verkraften zu können;
weitere Beweise darüber erübrigten sich.

    Der Kläger lässt diese Auffassung nicht gelten, weil damit die
Möglichkeit einer Teilanfechtung völlig vom subjektiven Empfinden des
Beklagten abhängig und zum vornherein illusorisch gemacht werde. Bei der
Bestimmung des mutmasslichen Parteiwillens seien noch andere Umstände,
insbesondere der Wert der inventarisierten Waren, die ihrerseits die
Klausel über den Kaufpreis beeinflusst hätten, zu berücksichtigen. Mit
seiner Beschränkung auf prozessuale Behauptungen des Beklagten habe das
Obergericht das Ergebnis beantragter Beweismittel in unzulässiger Weise
vorweggenommen und dem Kläger das Recht abgesprochen, für erhebliche
Tatsachen zum Beweise zugelassen zu werden.

    Diese Einwände haben vieles für sich. Der hypothetische Parteiwille
im Sinne von Art. 20 Abs. 2 OR darf entgegen der Annahme des Obergerichts
nicht mit dem innern Willen oder Gutdünken des Beklagten gleichgesetzt
werden, der allein darüber zu entscheiden gehabt habe, ob nach den
bestehenden Ertragsverhältnissen der Gesellschaft ein Verkauf der
Aktien auch unter ungünstigeren Vertragsbedingungen angezeigt gewesen
wäre. Entscheidend ist vielmehr, ob der Beklagte bei objektiver
Einschätzung der vorhandenen Vermögenswerte nach der Erfahrung bereit
gewesen wäre, die Aktien der Gesellschaft zu einem niedrigeren Preis zu
verkaufen. Diese Betrachtungsweise liegt umso näher, als der Kaufpreis
sich gemäss Ziff. II des Vertrages "aus der Substanz des Warenlagers"
ergab und "dem inneren Wert" des Inventars entsprach, über die sich der
Kläger beim Kauf der Aktien gerade getäuscht haben will. Der mutmassliche
Wille des Beklagten brauchte sich nicht mit dem nachträglich vom Kläger
ermittelten Preis zu decken, sondern konnte sich auch auf einen höheren
beziehen. Wie es sich mit dem Betrag von Fr. 115'000.-- verhält, ist
übrigens noch offen, weil darüber nicht Beweis geführt worden ist und das
Kassationsgericht die Erwägungen des Obergerichts über die ungenügende
Substantiierung des Betrages gestrichen hat. War der vereinbarte
Preis offensichtlich übersetzt, so lässt sich nach der allgemeinen
Lebenserfahrung auch nicht sagen, der Beklagte hätte daran unbekümmert
um den Wert der Aktiven, eine lohnende Weiterführung des Betriebes oder
Drittinteressenten festgehalten; diesfalls drängte sich eine Herabsetzung
vielmehr auf.

    Dass der Beklagte vermögend ist, im März 1977 ein tieferes Angebot der
Ibelo abgelehnt hat und nicht verkaufen musste, ändert daran nichts. Weder
das eine noch das andere schliesst aus, dass er den Kaufpreis bei
zutreffender Bewertung der inventarisierten Waren dem Überschuss der
Aktiven angepasst hätte; dies gilt umsomehr, als die Gesellschaft
seit längerer Zeit mit Verlusten arbeitete und Ibelo sie liquidieren,
der Kläger den Betrieb aber weiterführen wollte. Dazu kommt, dass der
Beklagte so oder anders bereit war, die Aktien weit unter ihrem Nominalwert
zu verkaufen. Aus diesen Gründen durfte das Obergericht den "inneren Wert"
des Warenlagers nicht übergehen, als es den mutmasslichen Parteiwillen des
Beklagten im Sinne von Art. 20 Abs. 2 OR zu bestimmen suchte. Da es sich
dabei um rechtserhebliche Tatsachen handelte, hatte es den Kläger gemäss
Art. 8 ZGB vielmehr zum Beweise zuzulassen. Sein Urteil ist daher gestützt
auf Art. 64 Abs. 1 OG aufzuheben und die Sache zur weiteren Abklärung
des Sachverhaltes und neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    c) Nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR ist an den Vertrag nicht gebunden,
wer sich bei seinem Abschluss über einen bestimmten Sachverhalt geirrt
hat, der ihm notwendige Grundlage des Vertrages war und von ihm nach Treu
und Glauben im Geschäftsverkehr auch als gegeben vorausgesetzt werden
durfte. Ein solcher Irrtum kann sich nach der Rechtsprechung insbesondere
auf Waren beziehen, die zum Wiederverkauf bestimmt sind (BGE 79 II 217
E. 5), oder die finanzielle Lage einer Gesellschaft betreffen, wenn deren
Aktien verkauft werden (BGE 97 II 46/47).

    Im vorliegenden Fall bestanden die Aktiven der Gesellschaft vor
allem aus solchen Waren, die in der Zwischenbilanz für Ende September
1977 auf Fr. 306'773.30 geschätzt wurden. Gemäss Ziff. II des Vertrages
entsprach diese Summe nicht nur dem "Zeitwert", sondern auch "dem inneren
Wert" des Inventars. Besondere Umstände, die beim Käufer zum vornherein
hätten Misstrauen erwecken müssen, sind nicht zu ersehen und auch nicht
geltend gemacht; der Kläger durfte in guten Treuen vielmehr davon ausgehen,
dass die Gesellschaft sich bei der Schätzung des Warenlagers an die
Bilanzvorschriften der Art. 666 und 960 Abs. 2 OR gehalten hatte. Unter
diesen Umständen muss ein Irrtum über den Wert der Warenvorräte, die nach
Auffassung des Klägers nur etwa einen Drittel des angegebenen Betrages
ausmachten, nicht nur als wesentlich, sondern auch als kausal für den
Vertragsabschluss angesehen werden. Auch deshalb ist der Kläger für seine
Sachvorbringen zum Beweise zuzulassen (BGE 105 II 144/45 mit Zitaten).