Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 II 26



107 II 26

5. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. März 1981 i.S. T. gegen Direktion
des Innern des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Wahl der Vornamen (Art. 301 Abs. 4 ZGB; Art. 69 Abs. 2 ZStV).

    Unzulässigkeit des Vornamens "Wiesengrund" mit Rücksicht auf das
Kindeswohl und die Interessen Dritter.

Sachverhalt

    A.- Der Vater T. meldete am 17. August 1980 beim Zivilstandsamt der
Stadt Zürich die Geburt seines Sohnes an. Als die vier Vornamen des Kindes
nannte er Florio, Wiesengrund, Walter, Tibor.

    Mit Schreiben vom 25. August 1980 lehnte das Zivilstandsamt Zürich
die Eintragung von "Wiesengrund" als Vornamen ab. Die Eltern erhoben
hierauf Beschwerde bei der Direktion des Innern des Kantons Zürich als
kantonaler Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen. Diese wies die Beschwerde
mit Verfügung vom 6. Oktober 1980 ab.

    B.- Gegen den Entscheid der Direktion des Innern des Kantons Zürich
führen die Eltern Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie
beantragen dessen Aufhebung und verlangen die Eintragung von "Wiesengrund"
als Vorname ihres Sohnes in das Zivilstandsregister.

    Die kantonale Aufsichtsbehörde und das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung
der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das den Eltern nach Art. 301 Abs. 4 ZGB grundsätzlich zustehende
Recht, den Vornamen ihres Kindes frei zu wählen, wird eingeschränkt
durch Art. 69 Abs. 2 ZStV, der die Zivilstandsbeamten anhält,
Vornamen zurückzuweisen, welche die Interessen des Kindes oder Dritter
offensichtlich verletzen, insbesondere anstössige oder widersinnige
sowie Vornamen, die allein oder zusammen mit andern das Geschlecht des
Kindes nicht eindeutig erkennen lassen. Unter diesem Gesichtspunkt ist
das Begehren der Beschwerdeführer zu prüfen, es sei für ihren Sohn der
Vorname "Wiesengrund" in das Zivilstandsregister einzutragen.

    a) "Wiesengrund" ist vor allem eine Sachbezeichnung. Mag einer grossen
Zahl von Menschen die von dieser Sachbezeichnung angeregte Volksweise
"Im schönsten Wiesengrunde ..." bekannt sein, so wissen doch nur wenige,
dass "Wiesengrund" im deutschen Sprachraum vereinzelt als Familienname
auftritt. Als Vorname hingegen wird "Wiesengrund" überhaupt nicht erkannt;
in dieser Hinsicht besteht ein Unterschied zum Beispiel zu "Arnold",
"Ernst" oder "Peter", die sowohl als Familiennamen wie als Vornamen im
Gebrauch sind.

    Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist "Wiesengrund"
auch nicht vergleichbar mit den Namen "Heidelinde", "Burglinde" und
"Bergfriede". Diese Namen sind in der Schweiz nicht üblich, werden aber
immerhin noch als Vornamen erkannt. Doch sogar wenn die Beschwerdeführer
ein Beispiel zu nennen wüssten, welches der Vorschrift von Art. 69
Abs. 2 ZStV widerspricht, gäbe das ihnen selbst noch keinen Anspruch auf
Eintragung eines solchen Vornamens.

    Ganz allgemein können die Beschwerdeführer nicht damit argumentieren,
dass viele Vornamen auf Sachbezeichnungen zurückgehen (hiezu wären die
von ihnen in anderem Zusammenhang erwähnten "Rosa", "Rösli", "Viola" zu
zählen). Solche Vornamen haben den Realitätsbezug weitgehend verloren. Auch
wenn gedanklich noch hie und da die Verbindung zur Sache hergestellt
werden mag, wird hier eindeutig ein Vorname erkannt. Anderseits hat das
Bundesgericht gerade deshalb eine Bezeichnung als nicht eintragungsfähig
erklärt, weil sie nicht als Vornamen erkannt würde und dadurch die
Interessen Dritter an klaren Namensverhältnissen offensichtlich verletzen
würde (BGE 71 I 366: "Mayor").

    Die Beschwerdeführer widersprechen sich selbst, wenn sie einerseits
darauf hinweisen, dass viele Namen auf Sachbezeichnungen zurückgehen
oder - in ihren Worten - "beeinflusst wurden durch die Gewichtung der
Lebensinhalte der Eltern", und sich anderseits daran stossen, dass eine
grosse Zahl von Vornamen religiösen Ursprungs sind. Wenn die Eltern die
Verbindung zu einer Religion nicht hergestellt wissen wollen, so bleibt
- eben unter den Namen, die ursprünglich eine Sachbezeichnung waren,
und unter Namen irgendwelchen Ursprungs - noch immer eine grosse Auswahl
von Vornamen, die eindeutig als solche erkannt werden und dennoch keine
Dutzendnamen zu sein brauchen.

    b) Entscheidend für die Namensgebung ist letztlich nicht die
Einstellung der Eltern zur Religion und auch nicht das Bedürfnis nach
Originalität, sondern was hier zählt, ist das Kindeswohl (vgl. die
Leitgedanken der Art. 301 Abs. 1 und Art. 302 Abs. 1 ZGB). Im Interessen
des Kindes hat die in der Frage der Namensgebung sonst sehr zurückhaltende
Rechtsordnung Vorkehren getroffen, dass dem Kind (welches naturgemäss
hiezu nicht befragt werden kann) kein Name gegeben werde, welcher ihm
während seines ganzen Lebens schaden könnte. Selbst einmal erwachsen, wird
sich der Namensträger der mit einem widersinnigen Vornamen verbundenen
Nachteile möglicherweise zu entledigen wissen. Zu Recht aber weisen die
Vernehmlassungen darauf hin, dass vor allem das Kind im Schulalter wegen
seines Namens dem Spott der Kameraden ausgesetzt wäre, woraus psychische
Störungen entstehen könnten, die sich hindernd auf das ganze Leben
des Betroffenen auswirken. Kinder haben in aller Regel kein bewusstes
Bedürfnis nach Originalität; sie leiden im Gegenteil darunter, wenn sie -
auf welche Weise auch immer - unter ihresgleichen auffallen.

    c) Es mag in diesem Zusammenhang dahingehend argumentiert
werden, dass es den Eltern und dem Kind noch immer freistehe, den ins
Zivilstandsregister eingetragenen Vornamen als Rufnamen zu verwenden oder
nicht. Einmal eingetragen jedoch, kann der Gebrauch des missverständlichen
oder nachteiligen Namens nicht verwehrt werden. Es muss deshalb im
Interesse der Dritten und des Kindes schon die Eintragung untersagt werden
(BGE 71 I 366). Das bedeutet entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer
keineswegs, dass geradezu ein Verbot der Eintragung neuer Namen bestünde
(vgl. BGE 69 I 61).

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer rügen schliesslich, in der Verfügung
vom 6. Oktober 1980 habe die Direktion des Innern des Kantons Zürich
ihnen Verehrung für den Philosophen und Soziologen Theodor W. Adorno
unterstellt. Bei flüchtiger Betrachtung könnte man aus der entsprechenden
Stelle der Verfügung eine solche Aussage herauslesen. Doch ging es der
kantonalen Behörde selbstverständlich keineswegs um Adorno - dessen
Familienname früher "Wiesengrund" war, was später zu der bekannten, als
Vornamen aufgefassten Benennung "Theodor W." führte -, sondern wiederum
um das Anliegen des Kindeswohls. Nicht die Vorliebe der Eltern für
diese oder jene Persönlichkeit, für diesen oder jenen Namen hat Gewicht;
entscheidend ist vielmehr einzig und allein der Anspruch des Kindes, nicht
unnötigerweise in der Entfaltung seiner Persönlichkeit gehemmt zu werden.

Erwägung 3

    3.- Nach dem Gesagten kann eine Verletzung von Bundesrecht in dem
Entscheid der kantonalen Behörden nicht erblickt werden. Die Beschwerde
ist deshalb abzuweisen.