Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 II 246



107 II 246

36. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Juni 1981
i.S. Index Management AG in Gründung gegen Direktion der Justiz des
Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    1. Art. 699 Abs. 2 und 940 OR.

    Die Bestimmung, die ordentliche Generalversammlung finde alljährlich
innerhalb sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres statt, ist
zwingender Natur.

    Der Handelsregisterführer ist befugt, die Eintragung einer
Aktiengesellschaft abzulehnen, deren Statuten dieser Vorschrift
widersprechen (E. 1).

    2. Art. 944 Abs. 1 OR.

    Zulässigkeit der Firma "Index Management AG" (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Durch öffentliche Urkunde vom 18. November 1980 erklärten Walter
Artho, Kurt Graf, Thomas Grünenfelder, Heinz Heuberger, Daniel Huber,
Rudolf Laubacher, Hans Portmann, Hanspeter Schefer, Rudolf Schubiger,
Arnold Winzer und Kurt Zimmermann die Index Management AG mit Sitz in
Zürich zu gründen. Sie meldeten diese am 24. November 1980 zur Eintragung
in das Handelregister an.

    Das Handelsregisteramt des Kantons Zürich verlangte mit Schreiben
vom 25. November 1980 die Anpassung von Art. 8 Abs. 2 der Statuten,
wonach die ordentliche Generalversammlung alljährlich innerhalb von acht
Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres durchzuführen sei, an Art. 699
Abs. 2 OR, der die Frist auf höchstens sechs Monate bemisst. Als die
Gründer der Index Management AG auf ihrem Begehren beharrten, lehnte das
Handelsregisteramt des Kantons Zürich mit Verfügung vom 3. Dezember 1980
die Eintragung ab. Es hielt daran fest, dass Art. 8 Abs. 2 der Statuten
gegen Art. 699 Abs. 2. OR verstosse und erachtete zudem die gewählte
Firma als unwahr und zu Täuschungen Anlass gebend.

    Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich wies die von den Gründern
der Index Management AG gegen die Verfügung des Handelsregisteramtes
erhobene Beschwerde am 12. Januar 1981 ab.

    Mit ihrer gegen diesen Entscheid gerichteten
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen die Gründer, das
Handelsregisteramt des Kantons Zürich sei anzuweisen, die Index Management
AG in das Handelsregister einzutragen, eventuell verbunden mit der Auflage,
Art. 8 Abs. 2 der Statuten innert angemessener Frist zu ändern. Das
Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Vorinstanz und Handelsregisterführer betrachten Art. 699 Abs. 2 OR
als zwingende Bestimmung, welcher Art. 8 Abs. 2 der vorgelegten Statuten
der Index Management AG widerspreche.

    Die Beschwerdeführer halten dafür, bei Art. 699 Abs. 2 OR handle es
sich weder nach dem Wortlaut noch nach seinem Zweck um eine zwingende
Vorschrift. Sollte aber Art. 8 Abs. 2 der Statuten Art. 699 Abs. 2 OR
entsprechend zu fassen sein, so rechtfertige sich deswegen die Ablehnung
der Eintragung nicht, denn die Auflage, die Statuten innert bestimmter
Frist nach erfolgter Eintragung anzupassen, genüge vollauf. Da anlässlich
der Vorprüfung die Statuten in diesem Punkte nicht bemängelt wurden,
stelle deren Beanstandung im Zusammenhang mit der nachgesuchten Eintragung
der Gesellschaft in das Handelsregister einen Verstoss gegen Treu und
Glauben dar.

    Gemäss Art. 940 OR hat der Registerführer zu prüfen, ob die
Voraussetzungen für die Eintragung erfüllt sind, bei juristischen
Personen insbesondere, ob die Statuten keinen zwingenden Vorschriften
widersprechen. Wo nicht Registerrecht, sondern materielles Recht
in Frage steht, hat er bloss auf die Einhaltung jener zwingenden
Gesetzesbestimmungen zu achten, die im öffentlichen Interesse oder zum
Schutze Dritter aufgestellt sind, während die Beachtung von Vorschriften,
die nachgiebigen Rechts sind oder nur private Interessen berühren, von den
Betroffenen mit der Anfechtungsklage durchzusetzen ist. Da die Abgrenzung
im Einzelfall schwierig sein kann, ist die Eintragung nur dann abzulehnen,
wenn sie offensichtlich und unzweideutig dem Recht widerspricht, nicht
dagegen, falls sie auf einer ebenfalls denkbaren Gesetzesauslegung beruht,
deren Beruteilung dem Richter überlassen bleiben muss (BGE 91 I 362
mit Hinweisen).

    Aus dem Wortlaut von Art. 699 Abs. 2 OR, wonach die ordentliche
Versammlung alljährlich innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des
Geschäftsjahres stattfindet, ist nichts Schlüssiges für den behaupteten
dispositiven Charakter dieser Norm abzuleiten; denn das Gesetz bedient
sich, wie der Vergleich beispielsweise mit Art. 622 Abs. 1, 643 Abs. 1
und 645 Abs. 1 OR zeigt, solcher Ausdrucksweise auch dann, wenn es eine
rechtliche Regelung verbindlich festsetzen will. Sowohl aus dem Bericht
Eugen Hubers an das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement über die Revision
der Titel 24 bis 33 des Schweizerischen Obligationenrechts vom März 1920
(S. 128) wie aus der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung
zu einem Gesetzesentwurf über die Revision der Titel XXIV bis XXXIII
des Schweizerischen Obligationenrechts (BBl 1928 I S. 250) ergibt sich
unverkennbar die Meinung, dass die ordentliche Generalversammlung zur
Abnahme der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung innert sechs
Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres stattfinden müsse. Das blieb in
den parlamentarischen Beratungen unwidersprochen. Dass der Gesetzgeber
Art. 699 Abs. 2 OR als zwingende Norm versteht, folgt ebenfalls aus
Art. 21 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die Aufsicht über die
privaten Versicherungseinrichtungen (SR 961.01); denn der dort angebrachte
Vorbehalt, die Aufsichtsbehörde könne den Versicherungseinrichtungen
gestatten, ihre ordentliche Generalversammlung in einem späteren
Zeitpunkt durchzuführen, als es Art. 699 OR vorsieht, hätte sonst keinen
Sinn. Einzig wenn Art. 699 Abs. 2 OR zwingender Charakter zukommt, ist
sodann gewährleistet, dass innerhalb bestimmter maximaler Frist durch die
Generalversammlung als oberstes Organ der AG über die Abnahme von Bilanz
sowie Verlust- und Gewinnrechnung Beschluss gefasst wird; andernfalls
stände es im Belieben einer AG, diesen Beschluss durch entsprechende
Fassung ihrer Statuten hinsichtlich der Durchführung der ordentlichen
Generalversammlung beliebig hinauszuzögern. Das widerspräche angesichts
von Art. 704 und 725 OR sowohl dem Interesse der Gläubiger der AG wie
auch öffentlichen Interessen, die begründeterweise darauf gerichtet
sind, dass möglichst rasch klare Verhältnisse geschaffen werden. Auch
die Zweckbestimmung von Art. 699 Abs. 2 OR spricht demnach entschieden
für die zwingende Natur dieser Vorschrift.

    In der Lehre wird sie durch VON STEIGER (Das Recht der
Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. Aufl., S. 186) offenkundig als
unabänderlich betrachtet, wenn er erklärt, im Rahmen der gesetzlichen
Vorschrift stehe es den Statuten und bei ihrem Schweigen der Verwaltung
frei, den Zeitpunkt der Versammlung nach Ermessen festzusetzen. BÜRGI
(N. 36 zu Art. 699 OR) bezeichnet demgegenüber "die Innehaltung der
Frist von sechs Monaten" als blosse "Ordnungsvorschrift", die "in der
Praxis aus sachlichen Gründen nicht selten verlängert werden" müsse;
auch SCHUCANY (Kommentar zum Schweizerischen Aktienrecht, 2. Aufl., S.
133/34) weist darauf hin, die Abhaltung der ordentlichen Generalversammlung
werde häufig auf einen späteren als den in Art. 699 Abs. 2 genannten
Zeitpunkt verschoben, was jedoch nur bei stichhaltigen Gründen geschehen
sollte. Wäre aus diesen Erläuterungen zu folgern, es handle sich bei der
genannten Bestimmung um dispositives Recht, so liesse sich das nach dem
klar zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers sowie ihrer Bedeutung
innerhalb der übrigen Vorschriften des OR über die Organisation der AG
nicht halten. Ist die Bestimmung von Art. 699 Abs. 2 aber zwingender Natur
und dient sie mittelbar dem Schutz Dritter sowie öffentlicher Interessen,
so verletzte der Handelsregisterführer weder Registerrecht noch materielles
Bundesrecht, weil er die Angleichung von Art. 8 Abs. 2 der Statuten an
Art. 699 Abs. 2 OR verlangte.

    Aus Art. 643 in Verbindung mit Art. 940 OR ergibt sich, dass die
Eintragung einer Aktiengesellschaft vom Handelsregisterführer nur
vorzunehmen ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind;
dazu gehört insbesondere, dass die Statuten keinen zwingenden gesetzlichen
Vorschriften widersprechen. Das Handelsregisterrecht kennt keine vorläufige
oder bedingte Eintragung (HIS, N. 9 zu Art. 940 OR). Es blieb deshalb
dem Registerführer von Bundesrechts wegen nichts anderes übrig, als die
Eintragung der Index Management AG abzulehnen; anders war die Angleichung
von Art. 8 Abs. 2 der Statuten an Art. 699 Abs. 2 OR nicht erzwingbar.

    Die Beschwerdeführer berufen sich schliesslich auch erfolglos auf
den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Eine dem Bürger von einer Behörde
erteilte unrichtige Auskunft oder Zusicherung ist nur unter ganz bestimmten
Umständen bindend, zu welchen insbesondere gehört, dass der Bürger im
Vertrauen darauf eine nicht wieder rückgängig zu machende Disposition
getroffen hat (BGE 103 Ia 113 E. 3c mit Hinweisen). Daran gebricht es
vorliegend offensichtlich.

Erwägung 2

    2.- Vorinstanz und Handelsregisterführer beanstanden die Bezeichnung
"Management" als Firmenbestandteil an sich nicht, erachten die Firma
aber als monopolisierend, weil sie aus blossen Sachbezeichnungen
zusammengesetzt sei, und bewerten die Bezeichnung "Index" als täuschend
und rein reklamehaft.

    Die Beschwerdeführer halten dem entgegen, weder "Index" noch
"Management" stellten Sachbezeichnungen dar, noch weniger treffe das
auf die gewählte Verbindung von "Index" und "Management" zu; einen
individualisierenden Zusatz zu verlangen, um die Monopolisierung von
Sachbezeichnungen auszuschliessen, sei daher ebenso verfehlt wie der
Schluss, die Kombination sei durch die vorgenommene Zweckumschreibung der
AG nicht gedeckt. "Management" weise als der wesentliche Firmenbestandteil
auf die Art der hauptsächlichsten Tätigkeit zutreffend hin; dem
untergeordnet zugesetzten "Index" vermöge der Durchschnittsleser
keine einleuchtende Bedeutung beizumessen, so dass es als reine
Phantasiebezeichnung erscheine.

    Ob es sich bei den Angaben "Management" und "Index" in der umstrittenen
Firmenbezeichnung für sich allein genommen um Sachbegriffe und insbesondere
um solche ohne Kennzeichnungskraft handle (BGE 101 Ib 369), kann offen
bleiben. Denn in der gewählten Zusammenstellung "Index Management"
vermag der Durchschnittsleser, auf den es entscheiden ankommt (BGE 100 Ib
243 mit Hinweisen), keinen Sachbegriff zu erkennen. Das Ergebnis der vom
Handelsregisterführer vorgenommenen Testumfrage bestätigt dies; als Sach-
oder Tätigkeitsumschreibung verstanden, ergibt die Verbindung der Begriffe
Index und Management offenkundig keinen Sinn. Das den hauptsächlichen
Bestandteil "Management" ergänzende "Index" stellt somit in der gewählten
Verwendungsart eine Phantasiebezeichnung dar. Solche Bezeichnungen
unterliegen wesensgemäss dem Wahrheitsgebot nicht (HIS, N. 54 zu Art. 944
OR). Inwiefern "Index", als Phantasiebezeichnung aufgefasst, vorliegend
täuschend sein soll, ist nicht ersichtlich. Das überwiegende Element
"Management" in der umstrittenen Firmenbezeichnung ist anerkanntermassen
wahr; es gibt zu keinen Täuschungen Anlass und erscheint auch nicht als
reklamehaft; denn geplante Tätigkeit der AG ist nach Art. 2 ihrer Statuten
neben der Ausübung aller Treuhandgeschäfte die Beratung von Unternehmen,
die dauernde oder vorübergehende Führung von Unternehmen und/oder deren
Zweigbetrieben sowie die Miete, Vermietung, der Kauf und Verkauf (Handel)
von bzw. mit allen Artikeln der elektronischen Datenverarbeitung.

    Die Beanstandung der Firmenbezeichnung durch Vorinstanz und
Handelsregisterführer ist vor Bundesrecht demnach nicht haltbar. Das
ändert indessen nichts daran, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
abgewiesen werden muss, weil die Eintragung der AG wegen des offensichtlich
gesetzeswidrigen Inhaltes von Art. 8 Abs. 2 der Statuten zu Recht abgelehnt
worden ist.