Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 II 151



107 II 151

20. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. März 1981
i.S. Metro Bank AG, in Nachlassliquidation, gegen X. (Berufung) Regeste

    Organhaftung, Verjährung (Art. 60 Abs. 2 OR).

    Wird vom Organ einer juristischen Person eine strafbare Handlung
begangen, so gilt die längere Verjährungsfrist des Strafrechts nicht
nur für den Zivilanspruch gegen den Täter selbst, sondern auch für den
Anspruch gegen die juristische Person aus Organhaftung, sofern zwischen
dem fehlbaren Organ und der juristischen Person wirtschaftliche Identität
besteht (E. 4).

    Bindung des Zivilrichters an das Strafurteil (Art. 53 Abs. 2 OR).

    Der Zivilrichter ist bei der Beurteilung der Frage der Haftbarkeit
von Bundesrechts wegen verpflichtet, über die Schuldfrage und die
Schadensfeststellung ohne Rücksicht auf ein vorausgegangenes Strafurteil
frei zu entscheiden. Im übrigen steht es dem kantonalen Recht frei, die
Verbindlichkeit des Strafurteils für den Zivilrichter vorzusehen (E. 5).

Sachverhalt

    A.- X. macht gegen die in Nachlassliquidation befindliche Metro
Bank AG gestützt auf Art. 718 Abs. 3 OR bzw. Art. 55 Abs. 2 ZGB einen
Schadenersatzanspruch aus ausservertraglicher Schädigung geltend, den er
aus einer von Hugo S. begangenen unerlaubten Handlung ableitet. Dieser
war im Jahre 1965 Delegierter des Verwaltungsrates und Direktor der Metro
Bank AG, deren Aktien zu 95% in seinem Besitze standen. Im gleichen Umfang
war Hugo S. auch am Aktienkapital der Profinanz AG beteiligt.

    Fernanda S., die Ehefrau von Hugo S., betrieb in San Remo ein
Blumengeschäft und wickelte nebenbei Finanzgeschäfte ab. Partner
dieser Geschäfte war unter anderen X., dem Fernanda S. per Oktober
1965 Fr. 300'000.- schuldete. Als Sicherheit liess sie ihm drei Checks
(Nr. A 486108, Nr. A 486109 und Nr. A 486110) im Nominalwert von je
Fr. 100'000.- übergeben. Diese drei Checks waren von der Profinanz AG
(mit der Unterschrift von Hugo S.) auf die Schweizerische Bankgesellschaft
gezogen und wurden auf der Banca Weiss (Weisscredit) in Chiasso deponiert.

    Am 30. November 1965 gab X. die drei Checks an Fernanda S. zurück,
gegen Übergabe eines auf drei Monate kündbaren Einlageheftes (Nr. 4404)
der Metro Bank AG, welches auf den Inhaber lautete und eine Einlage
von Fr. 300'000.- auswies. Die Bank Weisscredit hatte sich auf Ersuchen
des X. bei der Metro Bank AG erkundigt, ob dieses Einlageheft in jeder
Beziehung in Ordnung sei. Dies wurde durch zwei Angestellte der Metro Bank
AG, L. und Z., auf Geheiss von Hugo S. schriftlich bestätigt, nachdem
L. dieselbe Auskunft am 30. November 1965 bereits mündlich am Telephon
gegeben hatte. Die Kündigung des Anlageheftes, welche am 6. Dezember 1965
durch die Bank Weisscredit auf den 6. März 1966 erfolgte, wurde durch die
nämlichen (nichtzeichnungsberechtigten) Angestellten bestätigt, nachdem
sich diese vorgängig auch darüber bei Hugo S. abgesichert hatten. Mit
Schreiben vom 28. Februar 1966 erklärte die Metro Bank AG, dass sie an
den Inhaber des Einlageheftes Nr. 4404 nicht bezahlen werde, weil das
Guthaben in vollem Umfange durch Verrechnung getilgt worden sei und sich
das Anlageheft missbräuchlich im Verkehr befinde.

    In der Folge führten Hugo S., X. und dessen Rechtsvertreter
Verhandlungen, um zu einer gütlichen Einigung zu gelangen. Diese schlugen
indessen fehl. Daraufhin zedierte X. das Anlageheft an die Giropa S.A.,
mit der Verpflichtung, dieses zurückzunehmen, sofern keine Zahlung
erfolge. Die Klage der Giropa S.A. gegen die Metro Bank AG wurde
vom Handelsgericht des Kantons Zürich am 4. März 1970 abgewiesen. Das
Urteil erwuchs in Rechtskraft und die Giropa S.A. zedierte die Forderung
vereinbarungsgemäss an X. zurück. Dieser ging - mit Erfolg - strafrechtlich
gegen Fernanda und Hugo S. vor, denn mit Urteil vom 18. Mai 1973 bestrafte
die Corte delle Assise Criminali di Mendrisio die beiden wegen Betruges
zum Nachteil des X. mit je 15 Monaten Gefängnis und verpflichtete
sie solidarisch zur Bezahlung von Fr. 300'000.-, zuzüglich Zins zu 5%
seit 30. November 1965, als Schadenersatz. Das Urteil wurde von der Corte
die Cassazione e Revisione Penale del Ticino am 28. Januar 1974 und vom
Schweizerischen Bundesgericht am 17. Mai 1974 bestätigt. Die Verurteilung
zu Fr. 300'000.- Schadenersatz (zuzüglich 5% Zins) wurde von der Camera
Civile del Tribunale di Appello am 21. Mai 1975 rechtskräftig bestätigt.

    Da X. seine Forderung von Fr. 300'000.-, zuzüglich Zins, bei
Hugo s. nicht eintreiben konnte, gab er sie am 16. Juli 1975 im
Nachlassverfahren gegen die Metro Bank AG ein, wurde aber mit Verfügung
der Liquidatorin vom 24. Januar 1976 abgewiesen.

    B.- Mit Klageschrift vom 9. Februar 1976 erhob X. beim Einzelrichter
im beschleunigten Verfahren des Bezirksgerichtes Zürich gegen die Metro
Bank AG, in Nachlassliquidation, eine Kollokationsklage mit folgendem
Rechtsbegehren:

    "Es sei die vom Kläger im Nachlassverfahren gegenüber der Metro Bank

    AG angemeldete Forderung im Betrage von Fr. 450'000.- als begründet im

    Kollokationsplan zuzulassen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu

    Lasten der Beklagten."

    Mit Urteil vom 29. Dezember 1978 verwarf der Einzelrichter die von der
Beklagten erhobene Verjährungseinrede und hiess die Klage vollumfänglich
gut. In einem Vorentscheid vom 11. Juli 1977 hatte er bereits die von
der Beklagten erhobene Einrede der abgeurteilten Sache verworfen. Dieser
Entscheid war auf Rekurs der Beklagten hin vom Obergericht des Kantons
Zürich bestätigt worden, und das Kassationsgericht des Kantons Zürich
war auf eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen den obergerichtlichen Entscheid
nicht eingetreten.

    Mit Entscheid vom 9. Mai 1980 wies das Obergericht des Kantons Zürich
die von der Beklagten gegen das einzelrichterliche Urteil eingereichte
Berufung ab und liess die vom Kläger im Nachlassverfahren der Beklagten
angemeldete Forderung von Fr. 450'000.- zu.

    Das Kassationsgericht des Kantons Zürich trat auf eine
Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten gegen den obergerichtlichen Entscheid
mit der Begründung nicht ein, dass es sich bei den erhobenen Rügen um
Fragen des Bundesrechts handle, die vom Bundesgericht als Berufungsinstanz
geprüft werden könnten.

    C.- Die Beklagte hat gegen das obergerichtliche Urteil ausser der
Nichtigkeitsbeschwerde Berufung an das Bundesgericht erhoben. Sie
beantragt, die Klage sei in Aufhebung des angefochtenen Urteils
vollumfänglich abzuweisen; eventuell sei die Streitsache zur weiteren
Abklärung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen; die Vorinstanz
sei überdies anzuweisen, für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren
einen neuen Kostenentscheid zu erlassen.

    Der Kläger beantragt die Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut und weist die Sache
im Sinne der Erwägungen zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Die Vorinstanz hat die von der Beklagten erhobene
Verjährungseinrede verworfen, indem sie auf die eingeklagte Forderung
nicht die einjährige Verjährungsfrist des Art. 60 Abs. 1 OR, sondern
die längere Verjährung des Strafrechts zur Anwendung brachte, davon
ausgehend, die Klage werde im Sinne von Art. 60 Abs. 2 OR aus einer
strafbaren Handlung hergeleitet. Es ist unbestritten und trifft zu, dass
die längere Verjährungsfrist des Strafrechts im vorliegenden Fall zehn
Jahre beträgt und dass diese Frist, wenn sie rechtlich massgebend ist,
rechtzeitig unterbrochen worden ist. Die Beklagte bestreitet jedoch, dass
die längere Verjährungsfrist des Art. 60 Abs. 2 OR auf den ihr gegenüber
erhobenen Anspruch anwendbar sei.

    a) Nach feststehender Rechtsprechung und herrschender Lehre gilt die
längere Verjährungsfrist des Strafrechts nicht nur für die (absolute)
Verjährung von zehn Jahren, die mit dem Tage der schädigenden Handlung
beginnt, sondern auch für jene von einem Jahr, die mit der Kenntnis des
Geschädigten vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen zu
laufen beginnt (BGE 106 II 215 E. 2 mit Hinweisen).

    b) Das Bundesgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung
in Übereinstimmung mit dem grössten Teil der Lehre angenommen,
dass Art. 60 Abs. 2 OR grundsätzlich nur Anwendung finde auf die
Verjährung der Forderung gegen den Täter selbst, nicht aber auch auf
jene des Ersatzanspruches gegenüber Dritten, die zivilrechtlich für den
Schaden einstehen müssten (BGE 55 II 28 mit Hinweisen; VON TUHR/PETER,
aaO S. 439; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 15 zu Art. 60 OR; BECKER, N. 4
zu Art. 60 OR). Dieser Auffassung ist in neuester Zeit Widerspruch
erwachsen. Mit beachtlichen Gründen wird die Meinung vertreten, die
längere strafrechtliche Verjährung müsse auch jenen Ersatzpflichtigen
gegenüber Platz greifen, die einzig aufgrund ihrer Beziehung zum Täter für
die Folgen von dessen Verhalten einzustehen hätten, wie dies vor allem
bei der Haftung der juristischen Person für ihre Organe der Fall sei
(SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs-
und Fatalfristen, Bd. I, S. 209; THOMAS BÄR, Gedanken zur praktischen
Anwendung der strafrechtlichen Verjährungsfristen im Zivilprozess,
SJZ 61/1965, S. 75 f.). Dies stünde in der Tat mit dem Organbegriff
des schweizerischen Rechts in Einklang, nach welchem die Organe Teil
der juristischen Person selbst sind und ihr Handeln deshalb nicht als
Handeln für eine andere Person aufzufassen ist. Mit dem Wortlaut des
Gesetzes wäre eine etwas extensivere Auslegung von Art. 60 Abs. 2 OR
ebenfalls durchaus vereinbar, da dort von der Klage die Rede ist, die aus
einer strafbaren Handlung hergeleitet wird. Die neuere bundesgerichtliche
Rechtsprechung hat zur Anwendung von Art. 60 Abs. 2 OR auf ersatzpflichtige
Dritte indessen noch nicht Stellung genommen. So wurde die Frage, ob die
längere strafrechtliche Verjährung auch gegenüber den Erben eines Täters
oder gegenüber einer (direkt belangbaren) Haftpflichtversicherung gelte,
ausdrücklich offen gelassen (BGE 93 II 502, 90 II 435 E. 4).

    c) Wie es sich mit diesem Problem verhält, braucht im vorliegenden
Fall indessen nicht entschieden zu werden. Bereits die bisherige
Rechtsprechung hat nämlich einen Vorbehalt wenigstens für den Fall
angebracht, dass zwischen dem fehlbaren Organ und der Gesellschaft
selber wirtschaftliche Identität besteht; unter dieser Voraussetzung soll
gegenüber der Gesellschaft die gleiche Verjährungsfrist Anwendung finden
wie gegenüber dem Organ als solchem (BGE 55 II 28). Diese Lösung ist
in der Lehre auf Zustimmung gestossen (vgl. die bei SPIRO, aaO, S. 209
Anm. 19 zitierten Autoren). Es rechtfertigt sich, daran festzuhalten
und jedenfalls überall dort in gleichem Sinne zu entscheiden, wo eine
entsprechend enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen einem Organ und
der Gesellschaft besteht.

    Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass
Hugo S. im massgebenden Zeitraum Mehrheitsaktionär, geschäftsführendes
Verwaltungsratsmitglied und Direktor der Beklagten war und dass er
faktisch die Verfügungsmacht über diese besass. Sie hat deshalb die
in BGE 55 II 28 getroffene Lösung mit Recht auch im vorliegenden Fall
als anwendbar betrachtet. Entgegen der von der Beklagten vertretenen
Auffassung kann es nicht darauf ankommen, dass sich die Klage hier im
Unterschied zu dem in BGE 55 II 23 ff. beurteilten Fall gegen eine Bank
richtet und dass diese durch das Verhalten ihres Organs offenbar nicht
direkt bereichert wurde. Die Rechtfertigung für die Anwendung der längeren
Verjährungsfrist des Strafrechts gegenüber der beklagten Gesellschaft
ist darin zu erblicken, das diese von S. dank dessen Verfügungsmacht
als blosses Instrument gebraucht werden konnte, weshalb es nicht
richtig wäre, wenn sie sich dem Zugriff des Klägers gegenüber auf ihre
juristische Selbständigkeit berufen könnte. Dass sich die Beklagte heute
in Nachlassliquidation befindet und sie sich im Interesse der übrigen
Gläubiger gegen den Anspruch des Klägers zur Wehr setzt, vermag sodann
ihre Rechtsstellung selbstverständlich nicht zu verbessern.

    d) Ist der angefochtene Entscheid in bezug auf die Verwerfung der
Verjährungseinrede aus den dargelegten Gründen zu bestätigen, kann offen
gelassen werden, ob die Verjährung auch deshalb nicht eingetreten wäre,
weil der Kläger die einjährige Verjährungsfrist des Art. 60 Abs. 1 OR
gegenüber dem als Solidarschuldner für die gleiche Forderung haftenden Hugo
S. immer wieder rechtzeitig unterbrochen habe, wie in der Berufungsantwort
eventualiter geltend gemacht wird.

Erwägung 5

    5.- Die Beklagte vertritt des weiteren gestützt auf Art. 53 OR die
Auffassung, sie habe Anspruch darauf, dass der Zivilrichter den Sachverhalt
bei der Beurteilung der Frage ihrer Haftbarkeit umfassend prüfe und
diesbezüglich nicht einfach auf das Strafurteil gegen Hugo und Fernanda S.
abstelle, wie dies die Vorinstanz getan habe. Es müsse dies hier umso eher
gelten, als die Beklagte am Strafverfahren gegen die Eheleute S. selber
nicht beteiligt gewesen sei und ihre Interessen somit nicht habe wahren
können. Das angefochtene Urteil sei auch insofern mangelhaft, als es
den massgebenden Sachverhalt nur unvollständig wiedergebe; so fehle es
an Feststellungen über Tatbestandselemente, die für die Beurteilung
des Verschuldens von Hugo S. und des (adäquaten) Kausalzusammenhangs
wesentlich seien. Die von der Beklagten angebotenen Beweise seien im
übrigen in Verletzung von Art. 4 BV nicht abgenommen worden.

    Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, eine Bindung des Zivilrichters
an strafrechtliche Erkenntnisse sei soweit gegeben, als darin festgestellt
werde, dass der Verurteilte die ihm zur Last gelegten Handlungen begangen
habe und diese Handlungen widerrechtlich seien. Selbst wenn indessen
in bezug auf die Bindung des Zivilrichters weniger weit gegangen werden
wollte, sei es doch geboten, in diesen Punkten nicht ohne sehr gewichtige
Gründe vom Strafurteil abzuweichen. Im vorliegenden Verfahren habe daher
als erwiesen zu gelten, dass Hugo S. zuhanden des Klägers ein nicht
gedecktes Einlageheft ausgestellt habe, dieses dem Kläger habe zukommen
lassen und es sodann wider besseres Wissen als gültig erklärt habe. Zu
prüfen sei daher lediglich noch, ob S. die betrügerischen Machenschaften
als Organ der Beklagten begangen und in dieser Eigenschaft den Kläger
geschädigt habe. Diesen Problemkreis aber habe die Beklagte in üblichem
Ausmass im Prozess zur Geltung bringen können.

    a) Auf die von der Beklagten erhobene Rüge, es sei ihr das rechtliche
Gehör verweigert worden, indem auf ihren vom Strafurteil gegen Hugo
S. abweichenden Standpunkt von den kantonalen Instanzen zu wenig
eingegangen und die Abnahme angebotener Beweise verweigert worden sei,
kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht eingetreten werden. Die
Verletzung verfassungsmässiger Rechte - wie hier des Art. 4 BV - kann
nicht mit der Berufung, sondern nur mit staatsrechtlicher Beschwerde
geltend gemacht werden (Art. 43 Abs. 1 OG). Im Falle der Nichtabnahme
von Beweisen kann das Bundesgericht als Berufungsinstanz nur prüfen,
ob dadurch der sich aus Art. 8 ZGB ergebende Anspruch einer Partei auf
Beweisführung verletzt worden sei.

    b) Art. 53 Abs. 2 OR bestimmt, ein strafgerichtliches Erkenntnis sei
mit Bezug auf die Beurteilung der Schuld und die Bestimmung des Schadens
für den Zivilrichter nicht verbindlich.

    Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stellt diese Vorschrift
einen auf die Schuldfrage und die Schadensbestimmung beschränkten
Eingriff des Bundesgesetzgebers in das sonst den Kantonen vorbehaltene
Prozessrecht dar; in bezug auf diese beiden Problemkreise ist demnach
eine Bindung des Zivilrichters an ein vorausgegangenes Strafurteil im
Interesse des materiellen Bundesrechts ausgeschlossen. Im übrigen steht
es jedoch den Kantonen von Bundesrechts wegen frei, die Verbindlichkeit
eines Strafurteils für den Zivilrichter vorzusehen, insbesondere was die
Feststellung der Tat als solcher und deren Widerrechtlichkeit anbetrifft
(BGE 57 II 32 E. 1, 56 II 438/439; vgl. auch BGE 79 II 148 E. 1 und
77 II 306 lit. c). Im gleichen Sinne hat sich auch die neuere Lehre
ausgesprochen, dies im Unterschied zur älteren, welche durch Umkehrschluss
aus Art. 53 Abs. 2 OR eine sich aus Bundesrecht ergebende Bindung des
Zivilrichters bezüglich der in dieser Bestimmung nicht ausdrücklich
erwähnten Fragen ableiten wollte (vgl. vor allem VON TUHR/PETER, aaO
S. 437, insb. N. 22a und 22b; OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht,
Bd. I, Allgem. Teil, 4. Aufl., S. 156 f., insbesondere N. 115 und 117;
DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, S. 205 f.; P. ENGEL, Traité
des obligations en droit suisse, S. 386; G. SCYBOZ, L'effet de la chose
jugée au pénal sur le sort de l'action civile, S. 110 ff., insbesondere
S. 141; etwas abweichend GULDENER, aaO, S. 384 f.).

    Es trifft somit nicht zu, wie im angefochtenen Urteil ausgeführt
wird, dass der Zivilrichter nach Bundesrecht an ein verurteilendes
Straferkenntnis mindestens insoweit gebunden sei, als dieses die Tat
und deren Widerrechtlichkeit feststelle. Richtig ist hingegen, dass die
kantonale Rechtsprechung von einer solchen Bindung ausgehen kann, ohne
dadurch Bundesrecht zu verletzen. Wenn im Kanton Zürich eine dahingehende
Gerichtspraxis besteht, wie die Vorinstanz hervorhebt und wofür auch der
in ZR 65/1966 Nr. 113 wiedergegebene Entscheid spricht, ist unter dem
Gesichtspunkt des Bundesrechts dagegen nichts einzuwenden. Der Beklagten
ist allerdings zuzugeben, dass die Annahme einer solchen Bindung sich
dort nicht rechtfertigt, wo wie hier die Auswirkungen eines Strafurteils
auf einen Dritten, der am Strafverfahren nicht beteiligt war, in Frage
stehen (so ausdrücklich GULDENER, aaO s. 385). Ein Verstoss gegen diesen
Grundsatz verletzt indessen keine Bestimmung des Bundeszivilrechts,
sondern höchstens Art. 4 BV; er könnte deshalb nur mit staatsrechtlicher
Beschwerde gerügt werden.

    Aus Art. 53 Abs. 2 OR ergibt sich aber wie gesehen die
Verpflichtung des Zivilrichters, mindestens über die Schuldfrage und
die Schadensbestimmung frei zu entscheiden, ohne sich dabei durch ein
vorausgegangenes Strafurteil gebunden zu fühlen. Es bleibt zu prüfen,
ob die Vorinstanz diesem bundesrechtlichen Grundsatz nachgekommen ist.

    c) Im Rahmen ihrer Erwägungen zur Tragweite von Art. 53 Abs. 2 OR hat
die Vorinstanz eine Bindung des Zivilrichters an ein vorausgegangenes
Strafurteil an sich nur insoweit bejaht, als darin festgestellt wird,
dass der Verurteilte die ihm zur Last gelegten Handlungen begangen
habe und diese Handlungen als widerrechtlich zu betrachten seien. Von
einer Bindung auch in bezug auf die Schuldfrage hat sie zu Recht nicht
gesprochen, stünde dies doch in direktem Widerspruch zum Gesetzeswortlaut.

    Bei der Anwendung ihrer allgemeinen Überlegungen auf den vorliegenden
Fall bezeichnete es die Vorinstanz indessen unter blossem Hinweis auf
das Strafurteil gegen die Eheleute S. als erwiesen, dass Hugo S. mit
der Ausstellung und der Aushändigung eines Einlageheftes der Beklagten
an den Kläger eine widerrechtliche Handlung begangen habe. Zur Frage
seines Verschuldens nahm sie dabei überhaupt nicht Stellung. Dies
läuft aber darauf hinaus, dass die Vorinstanz das Strafurteil auch
diesbezüglich als für sie verbindlich betrachtete. Ein solches Vorgehen
ist mit Art. 53 Abs. 2 OR nicht vereinbar. Der Zivilrichter, der über
einen bereits vom Strafrichter beurteilten Sachverhalt zu entscheiden
hat, muss die Frage der Schuld selbständig und frei prüfen. Wie weit er
dabei auf Ermittlungen und tatsächliche Feststellungen des Strafrichters
abstellen darf und will, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechts und
der Beweiswürdigung, die sich der Kontrolle durch das Bundesgericht als
Berufungsinstanz entzieht. Der Zivilrichter muss aber in seinem Entscheid
zum Ausdruck bringen, von welchen Feststellungen tatsächlicher Natur
er bei der Beurteilung der Schuldfrage ausgeht und aus welchen Gründen
er zur Bejahung eines Verschuldens gelangt. Nur wenn das Urteil diesen
Erfordernissen entspricht, kann von einer selbständigen Beurteilung der
Schuldfrage durch den Zivilrichter die Rede sein.

    Der angefochtene Entscheid genügt diesen Anforderungen offensichtlich
nicht und muss deshalb aufgehoben werden. Die Sache ist an die Vorinstanz
zurückzuweisen, damit diese unabhängig von der Beurteilung der Schuldfrage
durch den Strafrichter prüft, ob und allenfalls aus welchen Gründen
angenommen werden muss, Hugo S. habe dem Kläger absichtlich oder fahrlässig
Schaden zugefügt, was Voraussetzung für eine Haftung der Beklagten gemäss
Art. 718 Abs. 3 OR bzw. Art. 55 Abs. 2 ZGB bildet. Dabei wird auch
dem sich aus Art. 8 ZGB ergebenden Anspruch der Beklagten auf Antretung
des Gegenbeweises angemessen Rechnung zu tragen sein. Eine sorgfältige
Prüfung der Beweisanträge der Beklagten rechtfertigt sich umso eher,
als diese im Strafprozess nicht Partei war und auf dessen Ausgang somit
keinen Einfluss hatte.

    d) Auch die Frage des Kausalzusammenhangs hat die Vorinstanz
nicht selbständig geprüft. Die Beklagte hatte schon im kantonalen
Berufungsverfahren bestritten, dass das Verhalten des S. als Organs
der Beklagten die adäquate Ursache des dem Kläger erwachsenen Schadens
darstelle. Die Vorinstanz hat sich hiezu nicht geäussert. Sie hat
aber auch nicht angenommen, die Bindung des Zivilrichters an das
Strafurteil erstrecke sich nach zürcherischem Prozessrecht auch auf diesen
Punkt. Offenbar hat sie den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren
Handlung des S. und dem Schaden des Klägers trotz der Einwendungen der
Beklagten aufgrund des Strafurteils als selbstverständlich erachtet.
Selbständige Feststellungen hat sie jedoch nicht getroffen. Auch das wird
im Rückweisungsverfahren nachzuholen sein.

    e) Zu bestätigen sind hingegen die Überlegungen der Vorinstanz zur
Frage, ob Hugo S. eine allfällige unerlaubte Handlung als Organ der
Beklagten begangen habe. In dieser Hinsicht kann auf die zutreffenden
Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden, gegen welche die
Beklagte keine Einwendungen erhoben hat.