Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 II 141



107 II 141

18. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Mai 1981 i.S.
Stockwerkeigentümergemeinschaft Sommerweid gegen Sommerweid Immobilien
AG und Mitbeteiligte (Berufung) Regeste

    Stockwerkeigentum; Tragung der Kosten für Arbeiten an einem Gebäude,
das in Stockwerkeigentumseinheiten aufgeteilt ist (Art. 712h ZGB).

Sachverhalt

    A.- An drei Terrassenhäusern mit Garagen in Stansstad wurde
mit öffentlicher Urkunde vom 17. Juli 1973 Stockwerkeigentum
begründet. Die gesamte Liegenschaft wurde in diesem Begründungsakt
schon vor der Fertigstellung der Überbauung in 17 Stockwerkeinheiten
aufgeteilt. Gleichzeitig wurde als Bestandteil des Begründungsaktes ein
Reglement für die Benutzung und Verwaltung der Liegenschaft aufgestellt
und im Grundbuch angemerkt. Sieben der vorgesehenen Stockwerkeinheiten
entfielen auf das Haus I, sechs auf das Haus II und vier auf das Haus
III. Alle 17 Stockwerkeinheiten wurden jedoch als Miteigentumsanteile
an der Gesamtliegenschaft, und nicht nur an einem der drei Häuser,
ausgestaltet.

    An der Versammlung der Stockwerkeigentümergemeinschaft vom 10. Mai
1978 wurde beschlossen, am Hause I Sanierungsarbeiten für insgesamt mehr
als 80'000 Franken vornehmen zu lassen (Ziffer 6a des Protokolls), wobei
es - stillschweigend - die Meinung hatte, die Kosten gingen zu Lasten
der Gesamtheit der Stockwerkeigentümer. Ein zweiter Beschluss (Ziffer 6b
des Protokolls) betraf die Frage der Eigen- oder Fremdfinanzierung der
Sanierungsmassnahmen, und durch einen dritten Beschluss (Ziffer 6c des
Protokolls) wurden die Arbeiten an ein bestimmtes Unternehmen vergeben. Den
drei Beschlüssen hatten die Inhaber der Stockwerkeinheiten in den Häusern
II und III, die zusammen über Wertquoten von 661/1000 gegenüber 339/1000
der andern Versammlungsteilnehmer verfügten, nicht zugestimmt.

    Die Miteigentümer, die den Beschlüssen nicht zugestimmt hatten,
erhoben in der Folge beim Kantonsgericht Nidwalden gegen die
Stockwerkeigentümergemeinschaft Klage, unter anderem mit folgenden
Rechtsbegehren:

    "1. Es sei der Beschluss der Stockwerkeigentümerversammlung Sommerweid
   vom 10. Mai 1978 (Ziff. 6a, b+c des Protokolls) betreffend die
   Sanierung des Hauses I (Stockwerkeinheiten GB Nr. 5069, 5070, 5071,
   5072, 5073, 5074,

    5075) aufzuheben.

    2. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die gemeinschaftlichen

    Kosten im Sinne von Art. 712h Abs. 1 ZGB, insbesondere die Auslagen
für den
   laufenden Unterhalt, für Reparaturen und Erneuerungen
   der gemeinschaftlichen Teile allein von den Eigentümern der
   Stockwerkeinheiten zu tragen sind, denen die betreffenden Bauteile,
   Anlagen oder Einrichtungen dienen, d.h. insbesondere laufender
   Unterhalt, Reparaturen und Erneuerungen am Haus I nur durch die am
   Haus I berechtigten Stockwerkeinheiten, solche am Haus II nur durch
   die am Haus II berechtigten Stockwerkeinheiten und solche am Haus III
   nur durch die am Haus III berechtigten

    Stockwerkeinheiten zu tragen sind."

    Mit Urteil vom 16. Oktober 1979 hiess das Kantonsgericht Nidwalden
die Klage insofern im Sinne der Motive gut, als es den Beschluss der
Stockwerkeigentümergemeinschaft vom 10. Mai 1978 in den Ziffern 6a-6c
des Protokolls aufhob.

    Durch Urteil vom 12. Juni 1980 wies das Obergericht sowohl eine
Appellation der Beklagten als auch die von den Klägern hierauf erhobene
Anschlussappellation ab.

    Die Beklagte hat gegen das obergerichtliche Urteil Berufung an das
Bundesgericht erhoben. Sie verlangt die vollumfängliche Abweisung der
Klage unter entsprechender Aufhebung der kantonalen Entscheide.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die kantonalen Instanzen haben die strittigen Beschlüsse
aufgehoben, ohne zur Frage Stellung zu nehmen, ob es sich bei den
Sanierungsarbeiten um notwendige Massnahmen im Sinne von Art. 647c ZGB
handle, die mit gewöhnlicher Mehrheit beschlossen werden können. Sie
haben angenommen, dass von Unterhaltsarbeiten, die zu Lasten aller
Stockwerkeigentümer gehen würden, nicht gesprochen werden könne;
es seien vielmehr eigentliche Fertigstellungs- oder Garantiearbeiten
infolge der mangelhaften Bauausführung durch den ehemaligen Eigentümer und
Bauunternehmer Duss. Unterhaltsarbeiten zu Lasten der ganzen Gemeinschaft
würden ihrer Natur nach voraussetzen, dass ein Bau vorerst mängelfrei
erstellt worden sei. An dieser Voraussetzung fehle es hier, weshalb die
Kosten für die Behebung dieser Mängel nicht allen Stockwerkeigentümern
entsprechend den Wertquoten überbunden werden könnten.

    Die Frage, ob die angefochtenen Beschlüsse überhaupt mit der
erforderlichen Mehrheit zustandegekommen seien, haben die Parteien nicht
wieder aufgegriffen. Sie kann deshalb auch im Verfahren vor Bundesgericht
offen bleiben. Immerhin sei festgehalten, dass die Behebung von Mängeln
an gemeinschaftlichen Bauteilen in aller Regel zur Erhaltung des Wertes
eines Hauses nötig und dass sie deshalb grundsätzlich als notwendige
bauliche Massnahme im Sinne von Art. 647c ZGB zu betrachten ist.

Erwägung 3

    3.- In der Berufung wird die Auffassung vertreten, bei den Kosten
der beschlossenen Sanierung handle es sich entgegen dem angefochtenen
Entscheid um solche gemeinschaftlicher Art im Sinne von Ziff. 16 des hier
massgebenden Stockwerkeigentümerreglementes und Art. 712h Abs. 2 ZGB,
um Kosten also, die von sämtlichen Stockwerkeigentümern nach Massgabe
der Wertquoten zu tragen seien.

    Die Tragung der Kosten für Arbeiten an einem Gebäude, das in
Stockwerkeigentumseinheiten aufgeteilt ist, hängt letztlich nicht von
der Natur der Arbeiten ab, sondern vom Gebäudeteil, an dem sie ausgeführt
wurden bzw. ausgeführt werden sollen. Beziehen sich solche Aufwendungen
auf Teile des Gebäudes, die im Sonderrecht eines Stockwerkeigentümers
stehen, gehen sie ausschliesslich zu dessen Lasten.

    Durch die von den Klägern angefochtenen Beschlüsse wurden unter
anderem Sanierungsmassnahmen bezüglich verschiedener Wohnungen im Hause
I angeordnet, wobei nicht ersichtlich ist, was für Arbeiten im einzelnen
ausgeführt werden sollen. Soweit diese ausschliesslich im Interesse der
betreffenden Stockwerkeigentümer liegen, sind sie auch von diesen allein
zu bezahlen.

    Was sodann die Sanierungsarbeiten an gemeinschaftlichen Teilen
des Hauses I betrifft, so ist Art. 712h Abs. 3 ZGB zu beachten, wonach
für den Fall, dass die in Frage stehenden gemeinschaftlichen Bauteile,
Anlagen oder Einrichtungen einzelnen Stockwerkeinheiten nicht oder nur
in ganz geringem Masse dienen, dies bei der Verteilung der Kosten zu
berücksichtigen ist. Hierbei handelt es sich um eine zwingende Bestimmung
(FRIEDRICH, Das Stockwerkeigentum, 2. A., S. 96, N. 1 zu § 19, und S. 98,
N. 11 zu § 19).

    Dem angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, dass das Haus I insofern
auch den Eigentümern der Stockwerkeinheiten in den Häusern II und III
dient, als sich darin beispielsweise die Heizungsanlage für die gesamte
Überbauung befindet. An Kosten, die einen derartigen Teil des Hauses I
betreffen, haben sich - rechtsgültiger Beschluss vorausgesetzt - sämtliche
Mitglieder der Stockwerkeigentümergemeinschaft zu beteiligen, nicht aber
an solchen für Arbeiten an gemeinschaftlichen Teilen, die ausschliesslich
den Inhabern von Wohnungen und Garagen in diesem Haus zugutekommen.

    Nach dem Gesagten haben die kantonalen Instanzen die angefochtenen
Beschlüsse, durch die Sanierungskosten ohne Rücksicht darauf, welche Teile
des Hauses I sie betreffen, allen Stockwerkeigentümern nach Wertquoten
auferlegt wurden, zu Recht aufgehoben. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft
wird nun - unter Beachtung der Art. 647c ff. ZGB - über die
Sanierungsmassnahmen bzw. über die Verteilung der entsprechenden Kosten
neu zu beschliessen haben. Sollte sich dabei ergeben, dass gewisse Arbeiten
unumgänglich sind, um Anlagen die - wie beispielsweise die Heizung - allen
Stockwerkeinheiten in gleichem Masse dienen, gebrauchsfähig zu erhalten,
so müssten auch die Kläger entsprechend den Wertquoten an die Kosten
beitragen. Dies gilt insoweit auch für die Behebung von Baumängeln, als
der zur Gewährleistung verpflichtete Bauunternehmer bzw. Verkäufer dafür
nicht mehr sollte herangezogen werden können (vgl. BGE 106 II 21 f.).