Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 III 97



107 III 97

23. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 9. Juni 1981 i.S. Firma S. (Rekurs) Regeste

    Arrestverfahren; Ersuchen um Auskunftserteilung unter Androhung von
Strafsanktionen.

    Das Betreibungsamt, das mit einem Arrestbegehren befasst ist, hat
Dritte aufzufordern, über die bei ihnen zu arrestierenden Gegenstände
Auskunft zu erteilen. Doch darf es bei Verweigerung der Auskunft keine
strafrechtlichen Sanktionen androhen, wenn sich die Arrestforderung nicht
auf einen vollstreckbaren Titel stützt (Präzisierung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Das Kantonsgerichtspräsidium Zug bewilligte am 8. Februar 1980
gegen den im Ausland wohnhaften R. einen Arrest für eine Forderung der
Firma S. in der Höhe von US-$ 56'180'934.31. Das Betreibungsamt der Stadt
Zug verarrestierte daraufhin bei der Firma B. AG Bargeld, Hinterlagen
und Guthaben des Arrestschuldners bis zur Höhe der Forderungssumme. Der
Arrestvollzug blieb unangefochten.

    B.- Die Arrestgläubigerin ersuchte das Betreibungsamt Zug am
9. Mai 1980, bei der B. AG bzw. deren schweizerischen Verwaltungsräten
Auskünfte über die Guthaben des Arrestschuldners einzuholen. St. teilte
dem Betreibungsamt am 21. Juli 1980 mit, dass die schweizerischen
Verwaltungsräte der B. AG die gewünschten Auskünfte nicht erteilen
könnten. Gestützt auf das Gesuch der Arrestgläubigerin forderte das
Betreibungsamt mit Verfügung vom 30. Juli 1980 St. als Verwaltungsrat der
B. AG unter Androhung der Straffolge von Art. 292 StGB auf, innert zehn
Tagen verbindlich zu erklären, ob R. gegenüber der genannten Gesellschaft
Guthaben habe oder nicht.

    Die B. AG und ihre beiden schweizerischen Verwaltungsräte erhoben
bei der Justizkommission des Kantons Zug als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde und verlangten die Aufhebung der
Verfügung des Betreibungsamtes vom 30. Juli 1980. Die Justizkommission
hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 9. April 1981 gut, soweit
darauf eingetreten werden konnte, und hob die angefochtene Verfügung
mit der Begründung auf, das Betreibungsamt sei nicht befugt gewesen,
den Beschwerdeführern gegenüber die Strafdrohung von Art. 292 StGB
auszusprechen.

    C.- Die Firma S. führt Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts mit den Anträgen, der Entscheid der
Justizkommission vom 9. April 1981 sei aufzuheben und die Rekursgegner 1
und 2, die beiden schweizerischen Verwaltungsräte der B. AG, seien gestützt
auf Art. 292 StGB unter Androhung von Haft oder Busse im Unterlassungsfall
zu einer verbindlichen Erklärung innert zehn Tagen aufzufordern, welche
Guthaben R. gegenüber der Rekursgegnerin 3, der B. AG, habe; eventuell
sei die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts, insbesondere hinsichtlich
des Verhältnisses zwischen der B. AG und R., und zu neuer Entscheidung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab, soweit
sie darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Rekurrentin wirft die Frage auf, ob im Arrestverfahren
gegenüber Dritten, die zur Auskunftserteilung verpflichtet sind, die
Androhung von Zwangsmitteln und die Inanspruchnahme von Polizeigewalt
zulässig sei, wenn sich diese Drittpersonen nicht auf eine besonders
statuierte Schweigepflicht stützen können. Sie weist darauf hin, dass
die bundesgerichtliche Praxis, wonach im Arrestverfahren Dritte nur dann
unter Straffolge zur Auskunftserteilung angehalten werden können, wenn der
Gläubiger für seine Forderung einen Vollstreckungstitel vorweisen könne,
nur für Banken Geltung habe. Daraus folgert sie, dass die Rekursgegner
aus dieser Rechtsprechung nichts zu ihren Gunsten ableiten können. Da
sie sich auch auf keine dem Bankgeheimnis vergleichbare Schutzbestimmung
stützen könnten, seien sie ohne weiteres zur Erteilung der verlangten
Auskünfte verpflichtet.

    Es trifft zu, dass in allen Fällen, in denen sich das Bundesgericht
bisher mit der Frage der Anwendung von Zwangsmitteln im Zusammenhang
mit der Auskunftserteilung von Dritten im Arrestverfahren zu befassen
hatte, als Dritte Banken aufgetreten sind, die sich auf das Bankgeheimnis
berufen haben. Indessen haben die vom Bundesgericht zur Auskunftspflicht
Dritter im Arrestverfahren entwickelten Grundsätze nicht nur für Banken
Bedeutung (BGE 75 III 110 E. 3, 101 III 63 E. 3, 102 III 8, 103 III 93
ff. und 104 III 49/50). In diesen Entscheiden ist denn auch durchwegs
vom Dritten schlechthin die Rede. Wenn auch zuzugeben ist, dass ein von
Berufs wegen zur Geheimhaltung Verpflichteter ein grösseres Interesse
an der Verweigerung einer Auskunft geltend machen kann, so darf nicht
übersehen werden, dass auch eine Person, die nicht von Gesetzes wegen zur
Geheimhaltung verpflichtet ist, schützenswerte Interessen daran haben kann,
im Arrestgläubiger wirklich ein Anspruch gegen den Schuldner zusteht,
und die Gefahr eines reinen Sucharrestes mit dem Zweck, Vermögenswerte
des Schuldners auszuspionieren, gegeben ist.

    Das Bundesgericht hat sogar lange Zeit die Auffassung vertreten,
gegen Dritte könnten keine Zwangsmassnahmen angewendet werden, wenn
sie sich weigern, über Vermögenswerte des Schuldners, die sie in Händen
haben, Auskunft zu geben oder sie zur Verfügung zu stellen (BGE 51 III
39/40, 56 III 48 und 63 III 76). Erst im Laufe der Zeit gelangte das
Bundesgericht dazu, im Pfändungsverfahren Zwangsmittel wie Strafdrohung
oder Anwendung von Polizeigewalt zuzulassen (BGE 55 III 14, 66 III
32, 79 III 113 und 102 III 8). Dabei betonte es aber stets, der Grund
für die Zulassung dieser Eingriffe liege darin, dass dem Gläubiger im
Stadium der Pfändung ein Vollstreckungstitel zustehe, der die Gefahr,
dass ungerechtfertigte Zwangsmassnahmen angewendet würden, weitgehend
ausschliesse (vgl. dazu auch FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs,
Bd. I S. 171 ff. und Bd. II S. 221 ff.). Diese Argumentation muss aber
auch für einen Dritten im Arrestverfahren Geltung haben, der weder das
Bank- noch das Berufsgeheimnis für sich in Anspruch nehmen kann. Auch
ein gewöhnlicher Geschäftspartner des Schuldners kann schützenswerte
Interessen daran haben, Geschäftsbeziehungen zum Schuldner nicht
offenbaren zu müssen, solange der Gläubiger seine Forderung nicht durch
einen zuverlässigen Vollstreckungstitel wie eine Schuldanerkennung,
eine öffentliche Urkunde oder ein Urteil belegen kann. Demgegenüber hat
das Interesse des Gläubigers, möglichst rasch über Erfolg oder Misserfolg
seines Arrestbegehrens orientiert zu werden, zurückzutreten. Dem Gläubiger
ist zuzumuten, dass er in einem solchen Fall erst beim Pfändungsvollzug
Gewissheit darüber erhält, ob und wie weit sein Arrest erfolgreich
war. Gegen ein Verschieben der arrestierten Vermögenswerte durch den
Dritten in der Zwischenzeit ist der Gläubiger durch die straf- und
zivilrechtlichen Sanktionen, die den Dritten für ein solches Vorgehen
drohen, hinreichend geschützt.

    Nach dem Ausgeführten können sich auch die Rekursgegner auf die
zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichts über die Anwendung von
Zwangsmitteln gegenüber Drittpersonen im Arrestverfahren berufen. Da
die Rekurrentin ihre Forderung gegen den Arrestschuldner nicht mit einem
Vollstreckungstitel belegen konnte, hat die Vorinstanz die an die Adresse
der Rekursgegner erlassene Strafdrohung zu Recht aufgehoben. ob die B. AG
eine bankenähnliche Stellung beanspruchen könne, was in der Rekursschrift
verneint wird, braucht unter diesen Umständen nicht geprüft zu werden.