Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 III 88



107 III 88

21. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 14. Januar 1981 i.S. Schilling (Rekurs) Regeste

    Verwertung von Fahrnis im Konkurs.

    Art. 128 VZG ist auf die Verwertung von Fahrnis nicht analog
anwendbar. Die Verwertung von retinierten Gegenständen darf daher
nach der zweiten Gläubigerversammlung ohne Rücksicht auf allfällige
Kollokationsprozesse über das Retentionsrecht angeordnet werden.

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs der R. Schilling Stahlbau AG machte R.  Schilling
persönlich Mietzinsforderungen geltend und beanspruchte für diese an
den von der AG in die gemieteten Werkhallen eingebrachten Mobilien
das Retentionsrecht. Im Kollokationsverfahren anerkannte das mit der
Konkursverwaltung betraute Konkursamt Bischofszell das Retentionsrecht
grundsätzlich; die Mietzinsforderungen wies es jedoch unter Hinweis auf
behauptete Gegenforderungen aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit
ab. Gegen die Abweisung der Mietzinsforderungen erhob R. Schilling
Kollokationsklage. Der Kollokationsprozess ist noch nicht abgeschlossen.

    Am 20. Dezember 1979 schloss die Konkursverwaltung mit R. Schilling
folgende Vereinbarung:

    "1. Die Eigentümerin der Hallen (H. + R. Schilling) verzichtet ab

    Konkurseröffnung auf weitere Mietzinse gegenüber der Konkursmasse.

    2. Die Konkursverwaltung räumt dafür Rudolf Schilling unentgeltlich
   das Recht zur Benützung in normalem Rahmen der vorhandenen Maschinen und

    Einrichtungen ein (ohne Verbräuche des Warenlagers) und zwar:

    a) längstens bis zum Zeitpunkt, da der Verkauf nach ordentlichem

    Ablauf des Konkursverfahrens vorgenommen werden muss oder sich ein
   vorzeitiger Verkauf aus jetzt nicht voraussehbaren Gründen,
   beispielsweise infolge langwierigem Verfahrensablauf, durch plötzlich
   eintretende rasche

    Wertverminderung oder andere Schwierigkeiten doch aufdrängen würde;

    b) bis zum Zeitpunkt, da Herr Schilling seine Bemühungen oder sein

    Interesse für eine Übernahme bzw. Verkauf der Maschinen aufgibt."

    B.- Am 28. Mai 1980, einen Tag vor der zweiten Gläubigerversammlung,
ersuchte R. Schilling die Konkursverwaltung, die Verwertung der retinierten
Gegenstände bis zur rechtskräftigen Erledigung des Kollokationsprozesses
über die Mietzinsforderungen aufzuschieben. Die Konkursverwaltung
wies dieses Gesuch am 10. Juli 1980 und, nachdem diese Verfügung von
der Aufsichtsbehörde aus formellen Gründen aufgehoben worden war, ein
zweites Mal am 23. Oktober 1980 ab. Gegen die Verfügung vom 23. Oktober
1980 führte R. Schilling bei der Rekurs-Kommission des Obergerichts des
Kantons Thurgau als kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung
und Konkurs Beschwerde, die am 26. November 1980 abgewiesen wurde.

    C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts hält R. Schilling an seinem Gesuch um
Aufschub der Verwertung bis zur Erledigung des Kollokationsprozesses fest.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 243 Abs. 3 SchKG werden die zur Masse gehörenden
Vermögensstücke grundsätzlich nach der zweiten Gläubigerversammlung
verwertet. Handelt es sich um Sachen, die einer schnellen Wertverminderung
ausgesetzt sind oder einen kostspieligen Unterhalt erfordern, oder
um Gegenstände, die einen Börsen- oder Marktpreis haben, so darf die
Verwertung nach Art. 243 Abs. 2 SchKG sofort angeordnet werden. Die
Verwertung von Grundstücken darf dagegen nach Art. 128 Abs. 1 VZG
selbst im Falle der Dringlichkeit erst stattfinden, wenn allfällige
Kollokationsprozesse über geltend gemachte Pfandrechte oder andere
beschränkte dingliche Rechte rechtskräftig erledigt sind.

    In BGE 53 III 12 ff. hat das Bundesgericht entschieden, Art. 128
VZG sei analog auch auf die Verwertung von Fahrnis anzuwenden; ein
Konkursgläubiger, der ein Fahrnispfandrecht angemeldet habe, jedoch
damit nicht zugelassen werde, könne daher regelmässig Verschiebung der
Versteigerung des beanspruchten Pfandgegenstandes bis nach Erledigung des
Kollokationsprozesses verlangen. Diese Rechtsprechung wurde indessen
in BGE 71 III 72 ff. aufgegeben. Wohl bezog sich dieser Entscheid
nur auf einen Fall von Dringlichkeit der Verwertung wegen drohender
Wertverminderung im Sinne von Art. 243 Abs. 2 SchKG; der Grundsatz der
Nichtanwendbarkeit von Art. 128 VZG auf die Fahrnisverwertung wurde darin
aber mit Recht ganz allgemein aufgestellt. Diese Bestimmung beruht auf
der Überlegung, dass bei der Verwertung von Grundstücken nur dann ein
ihrem wahren Wert entsprechender Erlös erzielt werden kann, wenn Klarheit
über die zu überbindenden Lasten besteht. Da bei der Fahrnisverwertung
im Konkurs kein Lastenverzeichnis aufgestellt wird und keine Lasten
überbunden werden, fehlt es daher an einer inneren Rechtfertigung für
die analoge Anwendung von Art. 128 VZG (BGE 71 III 73). Solange der
Kollokationsprozess dauert, ist der Pfandansprecher freilich im Ungewissen,
ob er ein Interesse daran hat, an der Versteigerung mitzubieten, und ob er
gegebenenfalls den Steigerungspreis mit seiner Pfandforderung verrechnen
kann. Auf diesen Gesichtspunkt kann es jedoch nicht entscheidend ankommen
(BGE 71 III 73/74). Die VZG findet schon ihrem Wortlaut nach nur auf die
Verwertung von Grundstücken Anwendung. Eine analoge Anwendung von in ihr
enthaltenen Bestimmungen auf die Fahrnisverwertung kann nur dort in Frage
kommen, wo eine solche sich zwingend aufdrängt; sie ist insbesondere dann
problematisch, wenn eine Vorschrift der VZG den Gesetzestext einschränkt,
wie das hier im Verhältnis zwischen Art. 128 VZG und Art. 243 Abs. 3
SchKG der Fall ist.

    Im vorliegenden Fall hat die zweite Gläubigerversammlung bereits
stattgefunden. Die Konkursverwaltung ist daher auch ohne Dringlichkeit
berechtigt, die Verwertung der retinierten Gegenstände anzuordnen,
obwohl der Kollokationsprozess über die durch die Retention gesicherten
Mietzinsforderungen noch nicht erledigt ist. Auf die Vereinbarung vom 20.
Dezember 1979 kann sich der Rekurrent nicht berufen, da die Verwertung,
wenn die analoge Anwendbarkeit von Art. 128 VZG auf die Fahrnisverwertung
verneint wird, innerhalb des ordentlichen Ablaufs des Konkursverfahrens
erfolgt. Der Rekurs ist daher abzuweisen.