Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 III 75



107 III 75

18. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 20. Juli
1981 i.S. X. (Rekurs) Regeste

    Lohnpfändung für Unterhaltsansprüche bei bestehenden Lohnzessionen.

    Verhältnis der Ansprüche der Alimentengläubiger zum Notbedarf des
Schuldners (E. 1 und 2) und zu den Ansprüchen der Lohnzessionare (E. 2).

Sachverhalt

    A.- In den von X. für ausstehende Unterhaltsbeiträge (von Fr.
120.-- im Monat; Forderungsbetrag Fr. 1'560.--) und von der früheren
Ehefrau des Y. ebenfalls für Unterhaltsbeiträge (von Fr. 528.--
im Monat; ursprünglicher Forderungsbetrag Fr. 3'150.--) gegen diesen
eingeleiteten Betreibungen vollzog das Betreibungsamt am 8. Januar 1981 die
Pfändung. Dabei stellte es fest, dass keine beweglichen pfändbaren Aktiven
vorhanden seien, dass der Betreibungsschuldner einen Arbeitsverdienst von
Fr. 2'020.-- im Monat erziele, dass sich sein Notbedarf auf monatlich
Fr. 1'445.45 belaufe und dass bereits Lohnzessionen im Umfange der
pfändbaren Quote bestünden. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei
den in Betreibung gesetzten Forderungen um Unterhaltsansprüche handelt,
verfügte das Betreibungsamt eine in das Existenzminimum des Schuldners
eingreifende Lohnpfändung von Fr. 447.-- im Monat, wobei es bei der
Ermittlung des Notbedarfs die erwähnten Unterhaltsansprüche von insgesamt
Fr. 648.-- im Monat ausser acht liess. Daneben pfändete es einen Betrag
von Fr. 120.-- im Monat als bestrittene Forderung mit der Begründung,
die Lohnzessionen seien durch X. in dieser Höhe bestritten worden.

    X. erhob gegen die Pfändung Beschwerde und verlangte, dass die in
Betreibung gesetzten Unterhaltsbeiträge bei der Ermittlung des Notbedarfs
des Betreibungsschuldners miteinbezogen würden. Mit Entscheid vom 26. März
1981 wies die untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab.

    Auf einen Rekurs von X. hin hob die obere kantonale Aufsichtsbehörde
durch Beschluss vom 5. Mai 1981 die Pfändung auf; sie wies das
Betreibungsamt an, lediglich den Betrag von Fr. 120.-- im Monat - als
bestrittene Forderung - zu pfänden und alsdann gegebenenfalls im Sinne
von Art. 131 Abs. 2 SchKG zu verfahren.

    Gegen den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde hat X. an
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert
mit dem Antrag, das Betreibungsamt sei anzuweisen, bei der Pfändung
das Existenzminimum des Betreibungsschuldners um die monatlichen
Unterhaltsbeiträge zu erhöhen und die pfändbare Quote entsprechend
herabzusetzen.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss ständiger Rechtsprechung sind familienrechtliche
Unterhaltsbeiträge bei der Ermittlung des Existenzminimums des Schuldners
als Notbedarfsausgaben mitzuberücksichtigen, soweit der Alimentengläubiger,
was im Zweifelsfall vermutet wird, die Beiträge zur Bestreitung seines
Unterhalts wirklich benötigt und vorausgesetzt, dass der Schuldner sie
auch tatsächlich bezahlt (BGE 89 III 66 f. mit Hinweisen). In Betreibung
gesetzte Unterhaltsforderungen sind dabei stets zu berücksichtigen
(vgl. BGE 89 III 67). Reicht der Verdienst des für Unterhaltsbeiträge
Betriebenen nicht aus, den Notbedarf einschliesslich der für den
Unterhalt des Gläubigers notwendigen Alimente zu decken, hat sich der
betriebene Schuldner einen Eingriff in sein Existenzminimum gefallen zu
lassen. Dieser Eingriff ist so zu bemessen, dass sich der Schuldner und
der Gläubiger im gleichen Verhältnis einschränken müssen (BGE 105 III 53
E. 3 mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- Aus dem Gesagten erhellt, dass der Vorinstanz nicht beizupflichten
ist, wenn sie die Auffassung vertritt, die Lohnzessionare gingen
den beiden betreibenden Alimentengläubigern grundsätzlich vor und es
dürfe unter den gegebenen Verhältnissen nur insoweit eine Lohnpfändung
vorgenommen werden, als die Lohnzessionen durch den Rekurrenten bestritten
würden. Es verhält sich vielmehr so, dass Lohnzessionen, die in den -
hier um die in Betreibung gesetzten Unterhaltsbeiträge zu erhöhenden -
betreibungsrechtlichen Notbedarf eingreifen, nichtig sind (Art. 325 Abs. 1
OR; dazu auch BGE 95 III 41).

    Die richtige Lösung der erwähnten Interessenkollision liegt in den
Ausführungen unter Ziffer 2b der Begründung im angefochtenen Entscheid. Zu
dem durch das Betreibungsamt mit Fr. 1'445.45 angegebenen Notbedarf des
Betreibungsschuldners sind die in Betreibung gesetzten Unterhaltsbeiträge
von Fr. 120.-- und Fr. 528.-- im Monat hinzuzuschlagen. Da dieser
erweiterte Notbedarf von Fr. 2'093.45 den Monatsverdienst von Fr. 2'020.--
überschreitet, ist der pfändbare Betrag nach der in BGE 71 III 177 f. E. 3
entwickelten Formel zu ermitteln, so dass dem Rekurrenten Fr. 115.80,
der früheren Ehefrau des Schuldners Fr. 509.60 und dem Schuldner selbst
Fr. 1'394.60 im Monat zukommen.

Erwägung 3

    3.- Die Pfändung wurde nur durch den Rekurrenten angefochten.  Sie ist
indessen auch insoweit aufzuheben, als sie zu Gunsten der früheren Ehefrau
des Schuldners vollzogen wurde, sind doch die für eine Lohnpfändung
massgebenden Verhältnisse von Amtes wegen abzuklären (BGE 105 III 55 E. 5
mit Hinweisen). Es ginge nicht an, das Betreibungsamt mit Bezug auf die
Betreibung der früheren Ehefrau des Schuldners deshalb eine unrichtige
Pfändung vornehmen zu lassen, weil diese Alimentengläubigerin die
ursprüngliche Pfändung nicht beanstandet hat. Der angefochtene Entscheid
ist nach dem Gesagten aufzuheben und das Betreibungsamt... anzuweisen,
unter Beachtung des Ausgeführten eine neue Lohnpfändung zu vollziehen.

Erwägung 4

    4.- Die Lohnzessionare werden bei der neuen Pfändung leer
ausgehen. Das Betreibungsamt wird ihnen angesichts dieses Eingriffes in
ihre Rechtsstellung von der Pfändung Kenntnis geben müssen, damit sie zur
Wahrung ihrer Interessen gegebenenfalls die für die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer im vorliegenden Verfahren verbindlichen Feststellungen
über den Lohn des Betreibungsschuldners bzw. über einzelne für dessen
Notbedarf massgebende Positionen mit Beschwerde anfechten können.