Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 III 73



107 III 73

17. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 15. Oktober 1981 i.S. Erben G. und Mitbeteiligte (Rekurs) Regeste

    Pfändung.

    1. Der Betreibungsbeamte kann bei der Pfändung vom Schuldner nicht
verlangen, dass dieser sich über die Verwendung von Geldbeträgen ausweist,
die er möglicherweise vor Jahren besessen hat (E. 3).

    2. Behauptet der Gläubiger, dem Schuldner stehe eine Forderung
zu, so ist diese auch dann zu pfänden, wenn deren Bestand bestritten
ist. Pfändung einer Ersatzforderung einer Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann
für eingebrachtes Frauengut (E. 4).

Sachverhalt

    A.- In den zehn Betreibungen 946/80 bis 955/80 stellten
die Gläubiger am 31. Oktober 1980 beim Betreibungsamt Brusio das
Fortsetzungsbegehren. Darin wiesen sie darauf hin, die Schuldnerin
habe am 23. Dezember 1974 Fr. 20'000.-- und am 12. April 1977
Fr. 46'774.25 aus Erbschaft erhalten; nötigenfalls seien diese
Beträge bzw. entsprechende Ersatzforderungen der Ehefrau gegenüber
ihrem Ehemann zu pfänden. Anlässlich der Pfändung vom 9. Januar 1981
erklärte die Schuldnerin, sie besitze keine pfändbaren Vermögenswerte;
die aus Erbschaft erhaltenen Beträge seien für Spesen und Prozesskosten
aufgebraucht worden. Das Betreibungsamt hielt diesen Sachverhalt in den
Pfändungsurkunden vom 26. Februar 1981 fest und stellte den Gläubigern
am 6. März 1981 Verlustscheine aus.

    Mit Beschwerde an den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden als
kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs beantragten
die Gläubiger, diese Pfändungsurkunden und Verlustscheine seien aufzuheben
und das Betreibungsamt Brusio sei anzuweisen, Ersatzforderungen der
Schuldnerin gegenüber ihrem Ehemann im Gesamtbetrag von Fr. 66'774.25
zu pfänden, eventuell die Behauptung der Schuldnerin, sie habe diesen
Betrag für Anwaltskosten und Spesen verwendet, anhand von Belegen näher
abzuklären. Der Kantonsgerichtsausschuss wies die Beschwerde mit Entscheid
vom 5. Mai 1981 ab, worauf die Gläubiger unter Erneuerung ihrer Anträge an
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurrierten.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer heisst den Rekurs teilweise
gut, hebt die Pfändungsurkunden und die Verlustscheine auf und weist das
Betreibungsamt Brusio an, die Frauenguts- Ersatzforderung der Schuldnerin
gegenüber ihrem Ehemann, gegebenenfalls als bestrittene Forderung,
zu pfänden.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Rekurs ist insoweit als unbegründet abzuweisen, als die
Rekurrenten verlangen, das Betreibungsamt Brusio sei anzuweisen, von
der Schuldnerin Belege darüber zu verlangen, dass sie den angeblich aus
Erbschaft erhaltenen Betrag von Fr. 66'774.25 für Anwaltskosten und Spesen
verwendet habe. Die von den Rekurrenten in diesem Zusammenhang erhobene
Rüge, das Betreibungsamt habe die Verhältnisse bei der Schuldnerin
nicht genügend abgeklärt, geht fehl. Der Betreibungsbeamte kann von
einem Schuldner nicht verlangen, dass er sich über die Verwendung von
Geldbeträgen, die er möglicherweise vor Jahren besessen hat, ausweist. Ein
solches Vorgehen würde übrigens auch zu nichts führen. Wenn der Schuldner
keine Belege vorlegen könnte, so hätte der Betreibungsbeamte ja deswegen
doch keine Möglichkeit, Vermögenswerte, deren Vorhandensein er nicht
feststellen kann, zu pfänden. Er kann nichts anderes tun, als auf die
Angaben des Schuldners abstellen, wenn ihm nicht aus Angaben des Gläubigers
oder auf andere Weise bekannt wird, dass und welche Vermögenswerte
der Schuldner besitzt. Dieser ist bei Straffolge (Art. 164 Ziff. 1
Abs. 3 StGB) zu vollständigen und lückenlosen Angaben verpflichtet.
Was das Amt im vorliegenden Falle mehr hätte tun können, ist jedenfalls
nicht einzusehen. Übrigens behaupten ja die Rekurrenten selbst nicht,
die Schuldnerin sei noch im Besitze des geerbten Geldes, sondern sie
machen vielmehr geltend, sie habe dieses in Liegenschaften des Ehemannes
investiert und es stehe ihr dafür eine Frauenguts-Ersatzforderung zu.

Erwägung 4

    4.- Insoweit, als die Rekurrenten die Pfändung dieser
Frauenguts-Ersatzforderung verlangen, ist ihr Rekurs dagegen begründet. Die
Vorinstanz hat zu diesem Begehren in ihrem Entscheid überhaupt nicht
Stellung genommen. Wenn der Gläubiger behauptet, dem Schuldner stehe eine
Forderung zu, so ist diese auch dann zu pfänden, wenn der betriebene
Schuldner oder der angebliche dritte Schuldner dieser Forderung deren
Bestand bestreiten. Die Forderung ist dann als bestrittene Forderung zu
pfänden (vgl. dazu BGE 85 II 361/362, 82 III 130, 81 III 18/19 mit weiteren
Hinweisen). Zwar wird eine Frauenguts-Ersatzforderung normalerweise
erst mit der Aufhebung der Güterverbindung fällig (Art. 209 Abs. 1
ZGB). Davon sieht indessen Art. 175 Abs. 1 ZGB eine Ausnahme vor. Kommen
die Gläubiger eines Ehegatten bei der Betreibung auf Pfändung zu Verlust,
so werden dessen Ansprüche an den andern Ehegatten fällig und können
gepfändet werden. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Falle, da der
Betreibungsbeamte bei der Pfändung kein anderes pfändbares Vermögen der
Schuldnerin vorfinden konnte, erfüllt. Der Beamte hätte daher entsprechend
dem von den Gläubigern gestellten Begehren die Ersatzforderung der
Schuldnerin gegenüber ihrem Ehemann für eingebrachtes Frauengut pfänden
müssen, gegebenenfalls als bestrittene Forderung, falls die Schuldnerin
oder deren Ehemann den Bestand einer solchen Forderung in Abrede gestellt
hätten. Das Amt wird das Versäumte nachzuholen haben. In diesem Sinn ist
der Rekurs gutzuheissen.